Sozialrecht

Abrechnung von Ultraschall-Untersuchungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung

Aktenzeichen  S 38 KA 1082/15

Datum:
15.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 73 Abs. 1, § 87a Abs. 2, § 135 Abs. 2
SGB X SGB X § 45 Abs. 1, § 47, § 48
SGG SGG § 96

 

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer Aufhebung nach §§ 44 ff. SGB X des Genehmigungsbescheides zur Ausführung und Abrechnung von Ultraschall-Untersuchungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Widerspruchsbescheid vom 18.11.2015, der den Widerspruchsbescheid vom 19.08.2015 ersetzt, ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Widerspruchsbescheid vom 18.11.2015 wird gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegen-stand des Klageverfahrens, da er nach Klageerhebung (Datum: 17.09.2015) er-lassen wurde. Der Unterschied zwischen dem Genehmigungsbescheid vom 07.10.2014 und dem Bescheid vom 23.02.2015 besteht nicht nur darin, dass die in dem erstgenannten Bescheid enthaltene Auflage entfallen ist, sondern auch darin, dass erstmals mit dem Bescheid vom 23.02.2015 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Kläger, nachdem er derzeit an der hausärztlichen Versorgung teilnimmt, laut EBM Kapitel III.a 3 Hausärztlicher Versorgungsbereich Punkt 5 der Präambel die Leistungen nach den Anwendungsbereichen 20.6,20.8 und 20.10 von der Vergütung ausgeschlossen sind. Eines weiteren, den Bescheid vom 07.10.2014 ersetzenden Bescheid hätte es allein wegen der Auflage nicht bedurft. Denn unter Ziffer 1 der Hinweise im Bescheid vom 07.10.2014 wird ausdrücklich bestimmt, dass, „sobald Erfüllung der Auflage eintritt, die Auflage dieser unter der Auflage erteilten Genehmigung ihre Bestandskraft verliert“. Daraus ist zu entnehmen, dass in solchen Fällen grundsätzlich kein neuer Bescheid von der Beklagten erlassen wird. Der neue Bescheid vom 23.02.2015 kann nur den Sinn haben, dass Ziff. 9 der Hinweise neu hinzukamen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Aufhebungsvorschriften des SGB X (§§ 44 SGB X ff.) anzuwenden sind, oder, ob es sich um eine bloße Klarstellung handelt. In letzterem Fall bedarf es keiner Rechtsgrundlage. Im Bescheid vom 23.02.2015 wird keine Aufhebungsvorschrift genannt. Im Gegensatz dazu wird im Widerspruchsbescheid vom 19.08.2015 die Aufhebungsvorschrift des § 45 Abs. 1 SGB X bemüht. Des Weiteren wird in der Klageerwiderung eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 48 SGB X geltend gemacht, während im Widerspruchsbescheid vom 18.11.2015, der den Widerspruchsbescheid vom 19.08.2015 ersetzt,die Auffassung vertreten wird, es handle sich um keine inhaltliche Änderung des Bescheides vom 07.10.2014, sondern lediglich um eine bloße Klarstellung. Von der Klägerseite wird geltend gemacht, die Beklagte könne den Bescheid vom 07.10.2014 nur nach der Vorschrift des § 47 SGB X aufheben. Für die nunmehr im ersetzenden Widerspruchsbescheid vom 18.11.2015 vertretene Auffassung, die in der mündlichen Verhandlung am 15.05.2017 wiederholt wurde, spricht, dass mehrfach darauf hingewiesen wurde, die jeweiligen Abrechnungsbestimmungen seien zu berücksichtigen, so im Bescheid vom 17.09.2014 (dem Bescheid beigefügte Hinweise unter Ziff. 4) und im Bescheid vom 07.10.2014 (dem Bescheid beigefügte Hinweise unter Ziff. 4). Zu den Abrechnungsbestimmungen gehören auch solche, die im EBM enthalten und als Präambeln den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind. Daraus ergibt sich unter anderem (EBM III.a 3 hausärztlicher Versorgungsbereich, Punkt 5 der Präambel), dass Ärzte für Allgemeinmedizin, denen der Kläger angehört, die GOP´s 33070, 33072 und 33077, die mit den Anwendungsbereichen der Ultraschallvereinbarung 20.6, 20.8 und 20.10 korrelieren, unbeschadet deren fachlichen Befähigung nur abrechnen können, wenn sie sich für die Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung entschieden haben. Hintergrund hierfür ist, dass der Gesetzgeber in §§ 73 Abs. 1, 87 a Abs. 2 SGB V zwischen Leistungen der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung unterscheidet. Entsprechend ist die Gliederung im EBM festzulegen. Der Kläger hat als Facharzt für Allgemeinmedizin die Wahlmöglichkeit zwischen der Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung und der Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung. Würde der Kläger an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen, hätte er die Möglichkeit, die oben genannten Leistungen abzurechnen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kläger einen Genehmigungsantrag gestellt hat und, dass er im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringt (§ 73 Abs. 1a Satz 6SGB V). Wenn die Beklagte nunmehr in dem Bescheid vom 23.02.2015 ausdrücklich auf den EBM III.a 3 hausärztlicher Versorgungsbereich, Punkt 5 der Präambel hinweist, so scheint es sich um eine Konkretisierung der bisherigen Hinweise unter Ziff. 4 (Bescheid vom 17.09.2014, Bescheid vom 07.10.2014) zu handeln. Ein qualitatives Aliud ist nicht zu erkennen. Dagegen spricht, dass bis auf den ersetzenden Widerspruchsbescheid vom 18.11.2015 nirgends die Rede war von einer Klarstellung, selbst nicht in der zeitlich nachfolgenden Klageerwiderung vom 17.08.2016. Hier wird der Bescheid vom 23.02.2014 auf § 48 SGB X mit der Begründung gestützt, es habe sich um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gehandelt. Dies ist aber, wie oben dargestellt, obsolet (vgl. Ziff. 1 der Hinweise im Bescheid vom 07.10.2014) und auch nur insofern zutreffend, als der Kläger die Auflage hinsichtlich der Abnahme der Prüfung erfüllt hat. Selbst, wenn der Inhalt des Bescheides vom 23.02.2015 über eine bloße Klarstellung hinausgehen sollte, wäre der Bescheid vom 23.02.2015 rechtlich nicht zu beanstanden. In diesem Falle kämen die Regelungen der §§ 44 ff. SGB X zur Anwendung. Eine Änderung der rechtlichen bzw. tatsächlichen Voraussetzungen bezüglich der Frage der Abrechnungsberechtigung ist nicht ersichtlich, so dass die Anwendung der Vorschrift des § 48 SGB X von vorneherein ausscheidet. Ebenfalls kann der Bescheid vom 23.02.2015 nicht auf die Vorschrift des § 44 SGB X gestützt werden. Denn bei dem vorangegangenen Bescheid vom 07.10.2014 handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, so dass die Aufhebungsvorschriften der §§ 45 und 46 SGB X übrig bleiben. Der Bescheid vom 07.10.2014 kann nur insofern als rechtswidrig angesehen werden, als dort nicht ausdrücklich auf den EBM III.a 3 hausärztlicher Versorgungsbereich, Punkt 5 der Präambel hingewiesen wurde. Somit käme die Aufhebungsvorschrift des § 45 SGB X zur Anwendung. Voraussetzung ist aber, dass der Kläger nicht darauf vertraut hat und das Vertrauen nicht schützenswert ist (§ 45 Abs. 2 SGB X). Nachdem der Kläger bereits im Antragsformular durch entsprechende Hervorhe-bungen darauf hingewiesen wurde, dass ein Allgemeinarzt, der an der hausärztlichen Versorgung teilnimmt, nicht die Möglichkeit hat, die Leistungen nach den GOP´s 33070, 33072 und 33077 abzurechnen, ist nach Auffassung des Gerichts ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand nicht entstanden. Da-gegen kann nicht eingewandt werden, die Beklagte habe den Kläger im Prinzip veranlasst und ermutigt, die fachlichen Voraussetzungen (Kolloquium) und die apparativen Voraussetzungen (Anschaffung CW-Doppler) zu schaffen. Denn die Genehmigung basiert auf der Ultraschallvereinbarung, die ihrerseits eine Maßnahme der Qualitätssicherung nach § 135 Abs. 2 SGB V darstellt. Daneben gelten die Allgemeinen Abrechnungsbestimmungen, so auch im EBM III.a 3 hausärztlicher Versorgungsbereich, Punkt 5 der Präambel. Die Abrechnungsbefugnis ergibt sich somit nicht allein aus dem Genehmigungsbescheid nach der Ultraschallvereinbarung. Auch die Prüfungskommission stellt nur die fachliche Befähigung fest und beurteilt nicht, ob die Voraussetzungen nach dem EBM für eine Abrechnung vorliegen. Hinzu kommt, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Ultraschall-Untersuchungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nach der Ultraschall-Vereinbarung (Anwendungsbereich: 20.6: Duplex-Verfahren-extrakranielle hirnversorgende Gefäße – GOP 33070 EBM; 20.8: Duplex-Verfahren extremitätenver-/entsorgende Gefäße-GOP 33072 EBM; 20.10: Duplex-Verfahren – abdominelle u. retroperitoneale Gefäße) nicht klar war, ob sich der Kläger für eine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung oder für eine Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung entschieden hatte. Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.

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