Aktenzeichen S 12 VS 9/11
Leitsatz
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 24.04.2006, in der Fassung des Bescheides vom 27.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2011, in der Fassung des Bescheides vom 11.06.2013 abzuändern und als weitere Folgen einer Wehrdienstbeschädigung des Klägers die Augenerkrankung (Katarakt beidseits) und die gutartigen Tumore am Ohr und den Nasennebenhöhlen anzuerkennen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Gründe
Das Sozialgericht Nürnberg ist sachlich und örtlich gemäß §§ 51, 57 SGG zuständig.
Die ordnungsgemäß und fristgerecht eingereichte Klage ist zulässig.
Sie ist jedoch nur zum Teil begründet.
Die vom Kläger nur noch geltend gemachten Gesundheitsstörungen Augenerkrankung (Katarakt beidseits) und gutartige Tumore an Ohr und Nasennebenhöhlen sind als WDB-Folgen anzuerkennen. Dies führt aber nicht zu einer Erhöhung des GdS und zur Gewährung von entsprechenden Leistungen nach dem SVG.
Der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2006, in der Fassung des Bescheides vom 27.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2011, in der Fassung des Bescheides vom 11.06.2013 ist, soweit er die als WDB-Folgen anzuerkennenden Gesundheitsstörungen betrifft, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Im Übrigen ist der Bescheid vom 24.04.2006, in der Fassung des Bescheides vom 27.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2011, in der Fassung des Bescheides vom 11.06.2013 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Aufgrund des Gesetzes zur Übertragung der Zuständigkeit der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem Dritten Teil des SVG auf den Bund vom 15.07.2013 (BGBl. I 2013 Nr. 38 Seite 2416) wurde die Zuständigkeit für die Versorgung der Wehrdienstbeschädigten nach Beendigung ihres Wehrdienstverhältnisses sowie die Versorgung ihrer Hinterbliebenen mit Wirkung ab dem 01.01.2015 auf die Behörden der Bundeswehrverwaltung übertragen (§ 88 Abs. 1 Satz 1 SVG i.d.F. ab 01.01.2015). Daher ist ab dem 01.01.2015 die Versorgungsverwaltung, vorliegend das ZBFS, in den Streitverfahren nach dem SVG nicht mehr passiv legitimiert. Es tritt ein Parteiwechsel kraft Gesetzes ein.
Der mit der Gesetzesänderung verbundene Parteiwechsel ist keine Klageänderung. Er tritt kraft Gesetzes ein und ist nicht vom Willen der ausscheidenden oder in den Prozess eintretenden Partei abhängig (siehe auch BSG, Urteil vom 09.12.1987, Az. 10 RKg 5/85 m.w.N.).
Richtige Beklagte ist daher ab dem 01.01.2015 die C. und nicht mehr der Freistaat Bayern, vertreten durch das ZBFS.
Streitgegenstand ist, nach erfolgter Antragstellung im Termin der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2018, nur noch die Anerkennung der Gesundheitsstörungen Augenerkrankung (Katarakt beidseits) und gutartige Tumore an Ohren und Nasennebenhöhlen sowie die Feststellung eines höheren GdS und die Gewährung entsprechender Leistungen nach dem SVG.
Verfahrensgegenständlichen ist damit nur der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2006, in der Fassung des Bescheides vom 27.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2011, in der Fassung des Bescheides vom 11.06.2013.
Gemäß § 80 Abs. 1 SVG erhält ein Soldat, der eine WDB erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Nach § 81 Abs. 1 SVG ist eine WDB eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Gemäß § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.
Entsprechend der vorgenannten Bestimmungen setzt die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreistufige Kausalkette voraus (BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az. B 9 VS 1/02 R): Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt. Die drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, das heißt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az. B 9 VS 2/98 R). Demgegenüber reicht es für den ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist.
A.
Das Auftreten der Gesundheitsstörungen Katarakt beidseits und gutartige Tumore an Ohren und Nasennebenhöhlen ist nicht auf einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall (Strahlen-Unfall) zurückzuführen. Dies ist aus den Akten nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht behauptet.
B.
Liegt kein Unfall während der Ausübung des Wehrdienstes als Schädigungsursache vor, kommen wehrdiensteigentümliche Verhältnisse oder allmähliche Einwirkungen des Wehrdienstes als Schädigungsursache ein Betracht. Dies sind nach ständiger Rechtsprechung (siehe u.a. BSG, Urteile vom 04.10.1984, Az. 9a/9 KLV 1/81; vom 25.05.1988, Az. 9/9a RV 24/87 und vom 13.07.1988, Az. 9/9a RV 4/86) solche, die der Eigenart des Dienstes entsprechen und eng mit ihm verbunden sind. Also alle nicht näher bestimmbaren Einflüsse des Wehrdienstes, die sich aus der besonderen Rechtsnatur dieses Verhältnisses mit ihrer weitgehenden Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten ergeben. Nicht erforderlich ist dagegen, dass diese Besonderheiten des Wehrdienstes auch mit einer besonderen Gefährdung verbunden sind, die im Zivilleben nicht vorkommt. Die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse müssen im konkreten Fall wesentliche Ursache einer gesundheitlichen Störung sein, sie jedoch nicht durch eine besondere Gefahrenlage herbeigeführt haben (siehe BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az. 9/9a RV 25/92).
Handelt es sich um unfallunabhängige Gesundheitsstörungen, so bedarf es zudem anderer Abgrenzungskriterien, weil diese regelmäßig nicht auf ein äußeres Geschehen im Zusammenhang mit dem Wehrdienst zurückgeführt werden können, sondern sich aufgrund vielfältiger Einflüsse entwickeln, denen der Einzelne im Laufe seines Lebens ausgesetzt ist. Als Mitursachen kommen zum Beispiel die persönliche Lebensweise, Erbanlagen und mannigfache Umwelteinwirkungen in Betracht. Der Wehrdienst kann auf dieses Geschehen ebenso (mit) ursächlich einwirken, wie auch für sich allein Schäden herbeiführen. Verlässliche Kriterien zur sicheren Abgrenzung wehrdienstbedingter Faktoren von anderen kann die medizinische Wissenschaft jedoch nicht ausreichend liefern.
Vor denselben Schwierigkeiten steht die gesetzliche Unfallversicherung. Auch dort sind die Grenzen des versicherungsrechtlich geschützten Bereichs bei einem äußerlich im Allgemeinen leicht erkennbaren Unfallgeschehen anders zu ziehen als bei einer (Berufs-)Krankheit. Die Rechtsprechung zum SVG hat deshalb schon früh an das Recht der Berufskrankheiten angeknüpft, um schicksalhafte Erkrankungen aus dem versorgungsrechtlich geschützten Bereich auszugrenzen. Anders als bei Unfällen hat sie eine besondere Gefährdung verlangt. Wehrdiensteigentümlich sind bei Erkrankungen außergewöhnliche Verhältnisse daher nur, wenn sie den Eigenarten des Wehrdienstes entsprechen und über durchschnittliche Belastungen im Zivilleben hinausgehen. Auch wegen einer Berufskrankheit wird nur entschädigt, wer „berufseigentümlich“ einer erhöhten Gesundheitsgefährdung ausgesetzt gewesen ist. Als Berufskrankheit sind grundsätzlich nur solche Krankheiten anzuerkennen, die durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Grade ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung (siehe BSG, Urteil vom 05.05.1993, a.a.O., m.w.N.).
In den Fällen, in denen als Schädigungsfolge eine durch allmähliche Einwirkungen des Wehrdienstes bzw. der wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse verursachte Erkrankung geltend gemacht wird, nimmt das BSG eine Einteilung in drei Gruppen vor (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, a.a.O. und BSG, Beschluss vom 11.10.1994, Az. 9 BV 55/94).
1. Die angebliche Schädigungsfolge ist in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) als Berufskrankheit anerkannt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
2. Die angebliche Schädigungsfolge müsste in der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt werden können (§ 9 Abs. 2 SGB VII).
3. Die angebliche Schädigungsfolge fällt weder unter 1. noch unter 2.
Die angeschuldigten wehrdiensttypischen Belastungen gehen aber auf kriegsähnliche Belastungen zurück, wie sie in Zivilberufen typischerweise nicht vorkommen.
I.
Für die vom Kläger geltend gemachte Strahlenschädigung Katarakt beidseits ist vorliegend die Berufskrankheit (BK) nach Nummer 2402 der Anlage 1 zur BKV „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“ (BK 2402) einschlägig.
Durch die unbestimmte Bezeichnung von Berufskrankheiten als „Erkrankungen durch …“ will der Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten zu Berufskrankheiten erklären, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass weitere Einschränkungen gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, Az. B 2 U 29/99 R).
Die Anerkennung der BK 2402 setzt, wie sich aus dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (in der Fassung der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 13.05.1991, BArbBl. 7-8/1991, Seite 72 ff.) ergibt, den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination oder Inkorporation voraus.
1. Der Kläger war im Rahmen seines Wehrdienstes unstreitig ionisierender Strahlung (Röntgenstörstrahlung) in erheblichem Umfang ausgesetzt.
Er arbeitete vom 04.07.1966 bis zum 03.07.1975 bei mehreren Einheiten als Radarmechaniker und war an verschiedenen Radargeräten des Waffensystems N. eingesetzt.
Dieser Zeitraum befand sich in Phase eins der im Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA (Radarkommission) vom 02.07.2003 (im Folgenden als BdR bezeichnet) genannten drei Phasen. Auch wenn in dieser Phase kaum Messungen zu Ortsdosisleistungen und keine personenbezogenen Dosiswerte vorhanden sind und verlässlich rekonstruiert werden können (siehe BdR Seite III, aber auch Seite 28 und 31), kann aufgrund des streitgegenständlichen Gerätetyps und der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit eine Exposition mit Röntgenstrahlung unstreitig und im Vollbeweis vorliegend angenommen werden (siehe BdR Seiten 52 und 61). Dabei kann der BdR als antizipiertes Sachverständigengutachten betrachtet werden (vgl. BSG, Beschluss vom 02.10.2008, Az.: B 9 VS 3/08 B m.w.N.).
Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied der Kausalkette), der zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt hat, ist damit im Vollbeweis gesichert.
2. Der BdR gibt für Phase eins Empfehlungen ab, in welchen Fällen eine Schädigung anerkannt werden soll. Dazu wird der Begriff der „qualifizierten Krankheit“ verwendet. Auf Seite 135 des BdR wird dargestellt, welche Voraussetzungen für die Anerkennung einer WDB in Phase eins erfüllt sein müssen.
Es muss sich zuerst um eine qualifizierte Krankheit handeln. Als qualifizierte Krankheiten sind alle malignen Tumore, mit Ausnahme der Chronisch-Lymphatischen-Leukämie anzusehen, sowie Katarakte.
Unstreitig leidet der Kläger unter der qualifizierten Krankheit Katarakt beidseits.
Die weitere im BdR genannte Voraussetzung einer ärztlich bestätigten Diagnose mit pathologisch-gesichertem Befund ist beim Kläger ebenso unstreitig erfüllt.
Somit ist auch das dritte Glied der Kausalkette, die geltend gemachte Schädigungsfolge, im Vollbeweis gesichert.
3. Fraglich ist jedoch der ursächliche Zusammenhang der drei Glieder. Dieser muss jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben sein.
Die Beklagte geht davon aus, dass aufgrund konkurrierender Ursachen beim Kläger (Bluthochdruck, Nikotinabusus, Diabetes mellitus, Alter) nicht mit der notwendigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit von einem Ursachenzusammenhang auszugehen ist.
Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. H. hat die vorliegenden Unterlagen aus der Sicht des Gerichts jedoch sorgfältig geprüft und ausgewertet und kommt in seinem Gutachten vom 18.10.2017 zu der nachvollziehbaren und für das Gericht überzeugenden Einschätzung, dass die Katarakte hinreichend wahrscheinlich auf die wehrdienstbedingte Strahlenbelastung des Klägers zurückzuführen sind. Dabei hat er sich auch mit den möglichen Alternativursachen befasst und diese als hinreichend wahrscheinliche Ursachen der Erkrankung ausgeschlossen Neben dem Alter gelten als mögliche Ursachen für eine Kataraktbildung nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung ionisierende Strahlen, eine langjährige Cortisoneinnahme, Diabetes mellitus, eine erhöhte Exposition von UV-Strahlung und Alkohol- und Nikotinkonsum.
Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kataraktoperation 63 Jahre alt. Die Latenzzeit zwischen der ersten Exposition mit ionisierender Strahlung und der Operation betrug daher 43 Jahre.
Im Alter von 63 ist in der Normalbevölkerung nach den Angaben der Beklagten die Prävalenz für einen Katarakt bereits hoch. Zudem ist beim Kläger bereits seit 1998 die Erkrankung Diabetes mellitus bekannt. Des Weiteren ist aus einem Arztbrief der E. aus dem Jahr 1997ein langjähriger Nikotinabusus des Klägers zu entnehmen.
Allerdings sind diese von der Beklagten genannten konkurrierenden Ursachen an den neusten wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen zu messen.
Prof. Dr. H. hat in seinem Gutachten sehr deutlich und nachvollziehbar dargestellt, dass die Latenzzeit und auch die Lage der Erkrankung keine Rolle bei der Frage spielt, ob ein Altersstar oder ein strahlungsbedingter Star vorliegt. Dem hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.12.2017 und versorgungsmedizinischer Stellungnahme von Frau K. vom 08.12.2017 auch zugestimmt.
Mittlerweile ist nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung widerlegt, dass nur posteriore Formen des Katarakts strahlenbedingt sind. Vielmehr könne auch corticale Formen strahlungsbedingt sein.
Zudem ergeben sich zunehmende Hinweise, dass bezüglich der Entstehung von Katarakten keine Schwellendosis und keine Latenzzeit festgelegt werden kann.
Bereits aus dem Abschlussbericht zum Fachgespräch Radar 2015 ist zu entnehmen, dass eine Kataraktbildung infolge der Erwärmung der Augenlinse plausibel ist. Aus dem Bericht Nr. 25 des O. Strahleninstituts von 2015 ergibt sich, dass Linseneintrübungen als Folge einer Exposition durch ionisierende Strahlung ein altbekannter Strahlenschaden sind. Die Deutsche Strahlenschutzkommission hat schon 2009 eine Empfehlung mit wissenschaftlicher Begründung herausgegeben, in der es heißt, dass die Augenlinse als sehr strahlungsempfindliches Organ angesehen werden muss und dass von der Existenz einer Schwellendosis (Mindestdosis) nicht mehr sicher ausgegangen werden kann.
Aus dem genannten Bericht des O. Strahleninstituts geht zudem hervor, dass Katarakte nicht nur posterior (die nach der Bestrahlung geschädigten Zellen und Abbauprodukte wandern zum hinteren Linsenpol und sammeln sich dort – von dort aus erfolgt dann eine Ausbreitung über die gesamte Linse und führt zur vollständigen Trübung) entstehen. Das war die früher herrschende Meinung. In diversen Studien wurden auch kortikale und nukleare Katarakte nachgewiesen, so dass die Ablehnung dieser Katarakte als Strahlenschaden aufgrund der Lokalisation und die Zuordnung als Alterskatarakt nicht mehr dem Stand der Erkenntnis entspricht.
Im BdR 2003 wird angegeben, dass die Latenzzeit dosis-abhängig ist. Eine Begrenzung der Latenzzeit wird jedoch nicht angegeben. Vielmehr wird ausgeführt, dass Linsentrübungen unter Umständen auch erst sehr lange Zeit nach der Bestrahlung manifest werden können. Die Deutsche Strahlenschutzkommission stellte 2009 fest: Je kleiner die Dosis, desto länger ist die Latenzzeit. In den Studien haben sich neue Katarakte mit einer Latenzzeit zwischen 33 und 57 Jahren nach der Bestrahlung entwickelt. Somit ist neben der Lokalisation auch die Latenzzeit kein geeignetes Kriterium mehr zur Abgrenzung von Altersstar und strahlungsbedingtem Star.
Aus dem genannten Bericht des O. Strahleninstituts ergibt sich aber auch, dass sich Alterskatarakte und Strahlenkatarakte grundsätzlich nicht unterscheiden lassen.
Nach dem Ergebnis mehrerer Studien steigt die Zahl der Alterskatarakte jedoch erst jenseits der 70 Lebensjahre deutlich an. Dieser wissenschaftlich belegten Einschätzung von Prof. Dr. H. schließt sich auch die Beklagte grundsätzlich an, wenn sie in ihrer Stellungnahme vom 14.05.2018 mit versorgungsärztlicher Stellungnahme von Frau K. vom 30.04.2018 ausführt, dass das Auftreten der Erkrankung beim Kläger mit 62 Jahren in einem Graubereich liegt (schon frühes Auftreten aber auch nicht so früh). Dennoch kann sich die Beklagte im weiteren Verlauf nicht davon lösen, ihre Argumentationskette gegen das Vorliegen einer WDB-Folge aufgrund dieser von ihr selbst letztlich nur als geringwertig eingeschätzten Alternativursache nicht mehr fast ausschließlich darauf zu stützen.
Prof. Dr. H. macht mit seinen begründeten und überzeugenden Ausführungen zu mehreren Studien für das Gericht jedoch nachvollziehbar klar, dass erst ab 70 Jahren die Wahrscheinlichkeit an grauem Star zu erkranken, ansteigt. Dies führt dazu, dass auch das Alter des Klägers zum Zeitpunkt der Erkrankung kein geeignetes Abgrenzungskriterium von Altersstar und strahlungsbedingtem Star ist.
Somit kommen aus der Sicht des Gerichts im Ergebnis weder der Ort der Schädigung im Auge, die lange Latenzzeit noch das Alter des Klägers als hinreichend wahrscheinliche Ursachen im Rahmen der Kausalbetrachtung in Betracht.
Die von der Beklagten weiter benannten konkurrierenden Ursachen Nikotinabusus, Bluthochdruck und Diabetes mellitus sind ebenfalls zu berücksichtigen, spielen aber letztlich neben der unzweifelhaft nachgewiesenen potentiellen Ursache der ionisierenden Strahlung im Ergebnis nur eine untergeordnete Rolle.
Haben mehrere Ursachen zu einem Schaden beigetragen, ist eine vom Schutzbereich des SVG umfasste Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn nicht die anderen, nicht dem Schutzbereich des SVG unterfallenden Ursachen eine überragende Bedeutung haben (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 19.07.2011, Az. L 15 VS 7/10 m.w.N.) und die vom Schutzbereich des SVG umfasste Ursache nicht völlig in den Hintergrund drängen (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 02.07.2013, Az. L 15 VS 9/10).
Aus der Sicht des Gerichts ist die ionisierende Strahlung, welcher der Kläger ausgesetzt war, vorliegend zumindest als gleichwertige Ursache für die Entwicklung des Katarakts beidseits beim Kläger anzusehen und diese Gesundheitsstörung daher als WDB-Folge anzuerkennen.
4. Das Gericht kann der Bewertung dieser WDB-Folge durch den ärztlichen Sachverständigen, welcher einen GdS in Höhe von 10 v.H. ab April 2009 ansetzt, jedoch nicht folgen. Eine Begründung für die Gewährung eines GdS in Höhe von 10 v.H. gibt Prof. Dr. H. nicht an.
Die Höhe der Versorgung richtet sich gemäß §§ 31, 32 BVG nach der Höhe des Grades der Schädigungsfolgen, der gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG in Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen ist. Dabei sind die Maßstäbe der auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab 26.07.2016 erlassenen Versorgungsmedizinverordnung vom 10. Dezember 2008 und insbesondere die in der Anlage 2 zu dieser Verordnung enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten.
Unter Teil B Ziffer 4 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sind die Ausführungen zum Sehorgan zusammengefasst. Für die Beurteilung ist, nach den einführenden Angaben, in erster Linie die korrigierte Sehschärfe maßgebend; daneben sind u.a. Ausfälle des Gesichtsfeldes und des Blickfeldes zu berücksichtigen.
Aufgrund des beidseitigen Katarakts sind keine Funktionsstörungen hinsichtlich der Sehschärfe und des Blickfeldes beim Kläger bekannt oder vorgetragen. Es wird lediglich ein Tränenträufeln angegeben.
Nach Teil B Ziffer 4.4 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze bedingen die Fehlstellungen der Lider und die Verlegung der Tränenwege mit Tränenträufeln einseitig einen GdS von 0 bis 10.
Derartig starke funktionelle gesundheitliche Einschränkungen, die einen GdS in Höhe von 10 v.H. rechtfertigen würden, sind beim Kläger aber nicht bekannt und beschrieben, so dass das Gericht einen GdS von 0 für die verbliebenen Funktionsstörungen aufgrund der WDB-Folge Katarakt beidseits ansetzt.
Zudem weist das Gericht darauf hin, dass ein zusätzlicher Einzel-GdS in Höhe von 10 v.H. den Gesamt-GdS nicht erhöhen würde. Das Gericht verweist hierzu auf Teil A Ziffer 3 Buchst. d) Unterbuchst. ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
II.
Für die vom Kläger geltend gemachten gutartigen Tumore an Ohren und Nasennebenhöhlen ist ebenfalls die BK 2402 einschlägig („Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“).
Wie bereits oben ausgeführt, will der Verordnungsgeber durch die unbestimmte Bezeichnung von Berufskrankheiten als „Erkrankungen durch …“ alle denkbaren Krankheiten zu Berufskrankheiten erklären, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass weitere Einschränkungen gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, a.a.O.).
Die Anerkennung der BK 2402 setzt, wie ebenfalls oben ausgeführt, den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination oder Inkorporation voraus.
1. Der Kläger war, wie bereits festgestellt, im Rahmen seines Wehrdienstes in Phase eins der im BdR festgelegten Phasen unstreitig ionisierender Strahlung (Röntgenstörstrahlung) durch die Tätigkeit am Waffensystem N. in erheblichem Umfang ausgesetzt.
Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied der Kausalkette), der zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt hat, ist damit im Vollbeweis gesichert.
Streitig ist, ob die vom Kläger allesamt geltend gemachten gutartigen Tumore im Vollbeweis nachgewiesen sind. Die Beklagte gibt hier zu bedenken, dass lediglich für zwei Tumore (Juni 1999 und Februar 2006) medizinische Unterlagen und Nachweise vorliegen würden.
Aus den umfangreichen Beklagtenakten ergibt sich allerdings, dass die gutartigen Tumore der Nasennebenhöhle in den Jahren 1996 und 1997 sowie der gutartige Tumor des linken Gehörgangs im Jahr 1999 medizinisch bestätigt wurden (siehe ärztliche Bescheinigung von Dr. H. D. vom 29.09.2005, Bl. 232 Bd. III WDB-Akte). Die Rezidivoperation an der rechten Nasennebenhöhle fand nach den Unterlagen der E. am 29.07.1997 statt (siehe ärztliche Berichte der E., Bl. 213 f. Bd. III WDB-Akte). Die Operation des Tumors am linken Gehörgang fand am 21.06.1999 statt (siehe Bericht vom 21.06.1999, Bl. 101 Bd. II WDB-Akte).
Nachgewiesen ist auch die Operation am 14.02.2006 über ein Rezidiv eines invertierten Papilloms (siehe Bl. 253, 278 f. Bd. III WDB-Akte).
Kein Nachweis findet sich für ein Rezidiv eines Papilloms im Oktober 2001 und einen gutartigen Tumor der Kopfhaut im Jahr 2002. Diese Tumore hat der Kläger selbst bei einer Aufstellung im Rahmen der Antragstellung bei der Beklagten aus dem Jahr 2004 nicht mit angeführt (siehe Bl. 96 Bd. II WDB-Akte). Unterlagen hierfür sind nach den Angaben des Klägers auch nicht mehr vorhanden.
Das Gericht geht daher von im Vollbeweis nachgewiesenen gutartigen Tumoren der Nasennebenhöhlen und des linken Ohres aus den Jahren 1996, 1997, 1999 und 2006 aus. Somit ist auch das dritte Glied der Kausalkette für diese geltend gemachte Schädigungsfolge im Vollbeweis gesichert.
2. Fraglich ist, ob die gutartigen Tumore des Klägers als „qualifizierende Krankheit“ im Sinne des BdR anzusehen sind. Als qualifizierte Krankheiten sind nach dem BdR Seite 135 alle malignen Tumore, mit Ausnahme der Chronisch-Lymphatischen-Leukämie anzusehen, sowie Katarakte.
Gutartige Tumore fallen somit nicht unter die Kategorie der qualifizierenden Krankheit.
Laut dem Abschlussbericht zum Fachbericht Radar 2015 auf Seite 48 ist die Datenlage für viele gutartige Tumore unzureichend, um eine Risikoeinschätzungen vornehmen zu können. Zu Beginn der Forschungen über Strahlenschäden und deren Kausalitäten wurden vorrangig Mortalitätsdaten ausgewertet und diesbezügliche Studien erhoben, so dass Statistiken zu gutartigen Tumoren kaum vorhanden waren. Da diese auch nicht zum Tod führen, waren sie nicht ausreichend interessant und es gab wenig Material.
Jedoch wurde nach den begründeten Angaben von Prof. Dr. H., denen sich das Gericht anschließt, in den letzten Jahren durch mehrere Studien der Tatbestand der Strahleninduzierbarkeit gutartiger Tumore bestätigt.
Insbesondere auf Seite 69 des Abschlussberichts zum Fachbericht Radar 2015 wird deutlich ausgeführt, dass bereits jetzt (trotz noch laufender Evaluierungen) die Expertengruppe die Empfehlung ausspricht, gutartige intrakranielle (innerhalb des Schädels lokalisiert) Tumore und sonstige Tumore, die die Lebensqualität und/oder Lebenszeit deutlich vermindern, anzuerkennen.
Auch der Bericht des O. Strahleninstituts 2015 bestätigt diese Ansicht. Danach können gutartige Tumore sehr wohl bei Patienten im Rahmen eines Strahlenschadens auftreten.
Im Ergebnis sprechen die neuen medizinischen Erkenntnisse in der Zeit ab 2015 deutlich für einen Zusammenhang im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit zwischen der Strahlung mit der Entstehung gutartiger Tumore.
Die von der Beklagten angesprochene dünne medizinische Befundlage zwischen 1996 und 2006 wurde bereits widerlegt und spricht in diesem Zusammenhang nicht gegen die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit.
Die durchgeführte Entfernung des Cholesteatoms im Juni 1999 stellt nach den Angaben der Beklagten eine Wucherung von Plattenepithel in das Mittelohr mit nachfolgender Entzündung dar. Ursächlich sollen hier eine chronische Störung der Tubenventilation oder entzündlich entstandene Trommelfellnarben sein. Allerdings sind beim Kläger in all den vorliegenden HNOärztlichen Berichten weder Trommelfellnarben noch eine chronische Störung der Tubenventilation beschrieben. Die von der Beklagten benannte Ursache ist demnach nicht belegt.
Gleiches gilt für die Entfernung eines inventierten Papilloms im Februar 2006. Auch hier gibt die Beklagte – ohne Nachweise vorzulegen – an, dass dieser Tumor wahrscheinlich viraler Genese ist. Invertierte Papillome sind nach den Angaben von Prof. Dr. H. sehr seltene Erkrankungen. Daher ist auch die Häufigkeit des Auftretens nach Strahlenschäden statistisch schlecht erfasst. Dennoch kann dies vorliegend nicht dazu führen, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit grundsätzlich abzulehnen.
Wenn doch die Expertengruppe der Beklagten selbst anregt, alle innerhalb des Schädels lokalisierten gutartigen Tumore anzuerkennen, dann ist es für das Gericht unverständlich, dass die Beklagte auf den nicht nachgewiesenen Ursachen für die geltend gemachten gutartigen Tumore als WDB-Folgen beharrt.
Das Gericht weist in diesem Zusammenhang auf die bereits getätigten Ausführungen hin. Haben mehrere Ursachen zu einem Schaden beigetragen, ist eine vom Schutzbereich des SVG umfasste Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn nicht die anderen, nicht dem Schutzbereich des SVG unterfallenden Ursachen eine überragende Bedeutung haben und die vom Schutzbereich des SVG umfasste Ursache nicht völlig in den Hintergrund drängen.
Das Gericht geht im Ergebnis davon aus, dass die nachgewiesenen und oben näher bezeichneten gutartigen Tumore des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die ionisierende Strahlung, welcher der Kläger ausgesetzt war, zurückzuführen und als WDB-Folgen anzuerkennen sind.
3. Das Gericht kann sich allerdings der Bewertung dieser WDB-Folgen mit einem GdS von 50 v.H. ab Dezember 1996 bis Februar 2006 in Heilungsbewährung und einem GdS von 20 v.H. ab Februar 2008 nicht anschließen. Eine Begründung für die Gewährung dieser Grade der Schädigung gibt Prof. Dr. H. nicht an.
Die Höhe der Versorgung richtet sich, wie bereits ausgeführt, nach der Höhe des Grades der Schädigungsfolgen, der gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG in Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen ist. Dabei sind die Maßstäbe der auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab 26.07.2016 erlassenen Versorgungsmedizinverordnung vom 10. Dezember 2008 und insbesondere die in der Anlage 2 zu dieser Verordnung enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten.
Nach Teil B Ziffer 3.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze richtet sich der GdS nach der Entfernung gutartiger Tumoren (z.B. auch Meningeome) allein nach dem verbliebenen Schaden. Ein nachgewiesener verbliebender Schaden aufgrund der durchgeführten Operationen liegt nicht vor. Der benannte teilweise Riechverlust führt in diesem Zusammenhang nicht zur Gewährung eines Einzel-GdS. Nach Teil B Ziffer 6.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze führt ein völliger Verlust des Riechvermögens mit der damit verbundenen Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung lediglich zu einem GdS von 15 v.H. Solche funktionellen Einschränkungen sind beim Kläger aber weder in den medizinischen Unterlagen beschrieben noch wurden sie von ihm vorgetragen.
Ebenso ergibt sich aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht, dass gutartige Tumore genauso zu behandeln sind wie maligne Tumore. Bei der Feststellung des GdS geht es um die funktionellen Auswirkungen einer Erkrankung. Nach Teil A Ziffer 2 Buchst. a) hat der GdS die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt. Der GdS ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens.
Daher kann das Gericht sich den Ausführungen von Prof. Dr. H., der maligne und gutartige Tumore gleich behandelt und nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen einstuft (sogar mit Annahme einer Heilungsbewährung) nicht anschließen. Gutartige Tumore bedingen keine nennenswerte Teilhabestörung, welche einen GdS rechtfertigen würde. Aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ergibt sich auch nicht, dass bei gutartigen Tumoren eine Heilungsbewährung anzunehmen ist.
Zudem weist das Gericht, wie bereits ausgeführt, darauf hin, dass ein zusätzlicher Einzel-GdS in Höhe von 10 v.H. den Gesamt-GdS nicht erhöhen würde. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Im Ergebnis ist unstreitig, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Radarmechaniker in der Zeit vom 04.07.1966 bis zum 03.07.1975 einer schädigenden Radarstrahlung durch die Tätigkeit am Waffensystem N. ausgesetzt war.
Diese Tätigkeit hat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch zur den geltend gemachten Gesundheitsstörungen Augenerkrankung (Katarakt beidseits) und zu den gutartigen Tumoren an Ohr und Nasennebenhöhle in der Zeit von 1996 bis 2006 geführt. Insoweit waren die angegriffenen Bescheide der Beklagten abzuändern und die genannten Gesundheitsstörungen als WDB-Folgen anzuerkennen.
Eine Änderung der Einschätzung des GdS war allerdings nicht vorzunehmen. Die neu anzuerkennenden WDB-Folgen bedingen weder einen Einzel-GdS noch führen sie zu einer Erhöhung des Gesamt-GdS.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und orientiert sich am Ergebnis in der Hauptsache.