Aktenzeichen AN 11 K 14.01200
BBG § 126 Abs. 2
Leitsatz
1 Eine gesundheitliche Schädigung infolge eines Dienstunfalls iSd § 27 Abs. 2 SVG liegt nicht vor, wenn sich die pathologischen Symptome beim Kläger über einen Zeitraum von mehreren Tagen manifestieren. (Rn. 83) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Erkrankung, die auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei einer besonderen Auslandsverwendung zurückzuführen ist, liegt dann nicht vor, wenn sich die Erkrankung – hier Multiple Sklerose – unabhängig von der damaligen Stationierung in … mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit früher oder später in jedem Fall in irgendeiner neurologischen (oder eventuell auch psychiatrischen) Weise manifestiert hätte. (Rn. 85 – 88) (redaktioneller Leitsatz)
3 Auch wenn der Kläger Krankheitsfolgen erlitten hat, die auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei einer besonderen Auslandsverwendung zurückzuführen sind, trägt der Kläger die materielle Beweislast dafür, dass er infolge des Einsatzunfalles im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in seiner Erwerbsfähigkeit dauerhaft um wenigstens 50 vH beeinträchtigt ist. (Rn. 94 – 98) (redaktioneller Leitsatz)
4 War der Einsatzunfall kausal für die MdE von wenigstens 50 vH im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses, besteht ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach dem SVG. (Rn. 103 – 106) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Ausgleichszahlung nach § 63f SVG in Höhe von 33.000 EUR zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2014 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6 zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig, soweit der Kläger nach Ziffer 1 Erfolg hatte (1/6).
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die Vollstreckung durch den jeweilig anderen Teil gegen Sicherheitsleistung in Höhe der seitens des Gerichts festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilig andere Teil vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage (hierzu im Folgenden unter I.) hat lediglich im tenorierten Umfang Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine einmalige Entschädigung nach § 63e Soldatenversorgungsgesetz (SVG) (hierzu im Folgenden unter II.). Er hat indes einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 63f SVG in Höhe von 33.000 Euro (hierzu im Folgenden unter III.).
I.
Die statthafte Verpflichtungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Das nach § 87 Abs. 2 SVG i.V.m. § 126 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) erforderliche Vorverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt und die Klagefrist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 VwGO wurde mit der am 22. Juli 2014 eingegangenen Klage gewahrt. Die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine einmalige Entschädigung nach § 63e SVG. Der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2014 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die begehrte einmalige Entschädigung ist § 63e SVG.
2. Die formellen Anspruchsvoraussetzungen liegen vor, insbesondere hat der Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 an das Bundesministerium der Verteidigung den erforderlichen Antrag an die zuständige Behörde gestellt.
3. Die materiellen Voraussetzungen des § 63e SVG sind jedoch nicht erfüllt, da der Kläger nicht den vollen Beweis dafür erbringen konnte, dass er infolge eines Einsatzunfalles im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 v. H. beeinträchtigt ist.
a) Die Anspruchsgrundlage des § 63e SVG ist in persönlicher und zeitlicher Hinsicht anwendbar.
Der persönliche Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 SVG ist eröffnet, da der Kläger vom 4. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1994 Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr und somit ein Soldat i.S.d. § 1 Abs. 1 Soldatengesetz (SG) war. Gemäß § 1 Abs. 2 SVG gilt der zweite Teil des SVG zwar grundsätzlich nicht für Soldaten auf Zeit, die keinen Anspruch auf Besoldung haben, diese Ausnahme gilt jedoch ausdrücklich nicht für den hier relevanten § 63e SVG.
Die Vorschrift des § 63e SVG ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Zwar ereignete sich der streitgegenständliche Auslandseinsatz des Klägers schon im Jahr 1993, jedoch wurde mit Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr vom 13. Mai 2015 (BGBl 2015 Teil I, S. 706, 718) der § 103 SVG mit Wirkung vom 23. Mai 2015 eingeführt, der in Absatz 2 die §§ 63c, 63e und 63f SVG für eine gesundheitliche Schädigung, die in der Zeit vom 1. November 1991 bis zum 30. November 2002 erlitten worden ist, für anwendbar erklärt.
b) Der Kläger erlitt auch einen Einsatzunfall i.S.d. § 63c Abs. 2 SVG. Voraussetzung für das Vorliegen eines Einsatzunfalles ist nach § 63c Abs. 2 Satz 1 SVG zum einen eine besondere Auslandsverwendung i.S.d. § 63c Abs. 1 SVG und zum anderen das Erleiden einer gesundheitlichen Schädigung aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung i.S.v. § 27 SVG. Gemäß § 63c Abs. 2 Satz 2 SVG gilt Satz 1 auch dann, wenn bei einer Verwendung i.S.d. § 63c Abs. 1 SVG eine Erkrankung oder ihre Folgen oder ein Unfall auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse zurückzuführen sind.
aa) Bei dem Einsatz des Klägers in … handelte es sich um eine besondere Auslandsverwendung i.S.d. § 63c Abs. 1 SVG, da der „…-Einsatz“ im Jahr 1993 durch einen Beschluss der Bundesregierung vom 21. April 1993 erfolgte. Die Operation … war eine Friedensmission der Vereinten Nationen in … von März 1993 bis März 1995, basierend auf der Resolution 814 des UN-Sicherheitsrates. Es lag somit eine Verwendung auf Grund eines Übereinkommens mit einer zwischenstaatlichen Einrichtung auf Beschluss der Bundesregierung im Ausland vor.
bb) Der Kläger erlitt keine gesundheitliche Schädigung auf Grund eines Unfalls i.S.d. § 27 SVG, da kein Dienstunfall i.S.d. § 27 Abs. 2 SVG vorlag. Danach ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Vorliegend fehlt es am Tatbestandsmerkmal der Plötzlichkeit. Das Begriffsmerkmal „plötzlich“ dient dazu, ein Einzelgeschehen gegenüber dauernden Einwirkungen abzugrenzen (BVerwG, U.v. 4.2.1966 – II C 65.63 – juris Rn. 40; NdsOVG, U.v. 24.10.2017 – 5 LB 124/16 – juris Rn. 101; B.v. 19.12.2017 – 5 LA 152/17 – juris Rn. 14). Es kommen nur einmalige, kurzfristige Begebenheiten in Betracht, die sich allerdings häufen können (VG Karlsruhe, U.v. 13.11.2014 – 4 K 1600712 – juris Rn. 20; Groepper/Tegethoff in Plog/Wiedow, BBG, Stand November 2017, Bd. 2, § 31 BeamtVG Rn. 36). Geschehnisse, die über mehrere Dienstschichten oder Tage dauern, stellen hingegen keine „plötzlichen“ Ereignisse (mehr) dar (Groepper/Tegethoff, a.a.O., § 31 BeamtVG Rn. 37). Das Ereignis muss unvermittelt eintreten und darf nur auf einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum beschränkt sein (OVG NRW, U.v. 21.12.1994 – 6 A 1079/94 – Schütz BeamtR ES/C II 3.1 Nr. 60; NdsOVG, B.v. 19.12.2017 – 5 LA 152/17 – juris Rn. 14). Schädliche Dauereinwirkungen im dienstlichen Bereich stellen demnach grundsätzlich kein plötzliches Ereignis dar (BayVGH, B.v. 2.12.2015 – 14 ZB 15.2160 – juris Rn. 7).
Die pathologischen Symptome manifestierten sich beim Kläger über einen Zeitraum von mehreren Tagen. Dies ergibt sich aus den beigezogenen Akten, insbesondere aus den eigenen Angaben des Klägers, die dieser anlässlich der gutachterlichen Untersuchung vom … 2005 gegenüber der Gutachterin Frau Dr. … gemacht hat. Er berichtete, dass er bei der Ankunft in … am 30. Juli/1. August 1993 sehr starke Kopfschmerzen gehabt habe. Dann sei er zwei oder drei Tage im Hafen von … gewesen, wo alles noch normal gewesen sei. Dann sei er zwei Tage mit dem Lkw durch die Wüste gefahren und habe da hauptsächlich geschlafen. Mitten in der Wüste sei es dann am 5. oder 6. August 1993 ganz massiv losgegangen. Er habe alle möglichen körperlichen und psychischen Symptome bekommen. Aufgrund des Zeitraumes von mindestens 5 Tagen stellen die Geschehnisse kein plötzliches Ereignis i.S.d. § 27 Abs. 2 SVG mehr da. Der Kläger erlitt folglich keinen Dienstunfall i.S.d. § 27 Abs. 2 SVG.
cc) Der Kläger erlitt auch keine gesundheitliche Schädigung aufgrund einer Erkrankung i.S.d. § 27 SVG, da eine Multiple Sklerose (MS), die beim Kläger unstreitig vorliegt, keine Erkrankung i.S.d. § 27 Abs. 4 SVG i.V.m. der Anlage zur Berufskrankheiten-VO ist.
dd) Schließlich erlitt der Kläger auch keine Erkrankung, die auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei einer besonderen Auslandsverwendung zurückzuführen ist (§ 63c Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 SVG).
Der vom Gericht beauftragte Sachverständige führt in seinem Gutachten vom …2017 aus, dass beim Kläger zweifellos eine MS bestehe, die jedoch per se definitiv in keinem kausalen Zusammenhang mit seinem Einsatz in … stehe. Es sei die eindeutige Schlussfolgerung zu ziehen, dass weder die vorbereitenden Maßnahmen (im speziellen die angeführten Impfungen) noch die Stationierung von Herrn … in …, sowie die dort herrschenden Verhältnisse und Bedingungen in einem kausalen Zusammenhang mit der MS stünden. Die MS hätte sich unabhängig von der damaligen Stationierung in … mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit früher oder später in jedem Fall in irgendeiner neurologischen (oder eventuell auch psychiatrischen) Weise manifestiert. Der Sachverständige kommt zu dieser Schlussfolgerung aufgrund des Befundes des MRT des Gehirns des Klägers vom Oktober 1993. Dieser Befund beschreibe multiple Markanlagerungen beiderseits, mit teilweise kontrastmittelaufnehmenden Signalerhöhungen. Dies sei ein allgemein typischer Befund bei Erstdiagnose einer MS und zeuge (…) davon, dass die MS nicht erst seit der klinischen Erstmanifestation bestehe, sondern (klinisch stumm) definitiv schon länger, wobei der Begriff „länger“ in Ermangelung einer früheren MRT-Untersuchung sich auf Monate oder gar Jahre erstrecken könne.
In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Sachverständige auf Nachfrage der Klägerseite, dass aufgrund verbesserter MRT/CT-Diagnostik dementsprechend Kenntnisse gewonnen werden konnten. Es stehe von daher fest, dass sich bei entsprechenden Patienten im Laufe der Jahre ein Schub entwickeln werde. Konkret sei beim Kläger ja bereits 1993 der Befund MS festgestellt worden durch MRT. Daher wäre auch über die Jahre hinweg bei ihm ein Schub entstanden.
Das Gutachten des Sachverständigen überzeugt nach Inhalt und Methodik. Es ist schlüssig und weist keine offen erkennbaren Mängel auf; etwaige auf Grund der schriftlichen Äußerungen noch bestehende Unklarheiten wurden jedenfalls auf Grund der umfangreichen Befragung in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2018 beseitigt. Die Folgerungen des Sachverständigen beruhen auf eigenen medizinischen Erkenntnissen sowie auf Befunden, die der Sachverständige den von ihm ausgewerteten Unterlagen entnommen hat. An der Sachkunde des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Das Gericht folgt daher den nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachtens und gelangt zu der Überzeugung, dass die MS des Klägers nicht durch die Verhältnisse in … verursacht wurde, sondern dass die Erkrankung schon vorher – klinisch stumm – bestand.
ee) Der Kläger erlitt jedoch Krankheitsfolgen, die auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei einer besonderen Auslandsverwendung zurückzuführen sind (§ 63c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SVG). Die Verhältnisse in … haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Erstmanifestation der MS beim Kläger geführt; d.h. die Verhältnisse in … waren ursächlich für den ersten MS-Schub des Klägers.
Der vom Gericht beauftragte Sachverständige führt in seinem Gutachten vom … 2017 aus, dass zwar die relevante Fachliteratur bei der Frage, ob sich speziell Kriegsereignisse/-erlebnisse krankheitsverstärkend bzw. schubauslösend bei MS auswirkten, zu kontroversiellen Ergebnissen und Schlussfolgerungen komme, dass es jedoch „in dubio pro reo“, vor allem angesichts der Tatsache, dass bei Herrn … die Erstmanifestation seiner MS ungewöhnlicherweise (weil selten) eine psychiatrische Symptomatik gewesen sei, plausibel sei zu schlussfolgern, dass die besonderen Umstände des militärischen Einsatzes (mit all seinen psychischen Stressfaktoren) bei einer Persönlichkeit wie Herrn … tatsächlich den ersten Krankheitsschub mit speziell psychiatrischer Symptomatik ausgelöst hätten. In der ergänzenden Stellungnahme vom 22. Dezember 2017 führt der Sachverständige auf konkrete Nachfrage der Beklagten aus, dass die Auslösung des ersten MS-Schubs des Klägers im Juli/August 1993 durch die Belastungen während der Grundausbildung von Januar bis März 1993 aufgrund der zeitlichen Latenz von zumindest 4 Monaten zwischen Grundausbildung und Auftreten des ersten MS-Schubs ausgeschlossen werden könne und dass der …einsatz des Klägers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auslösend für den Schub des Klägers gewesen sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2018 erläuterte der Sachverständige sein Gutachten. Auf Nachfrage durch das Gericht erklärte der Sachverständige, dass sich die im ursprünglichen Gutachten beschriebenen fachlich kontroversen Einschätzungen darauf beziehen, wie kriegerische Auseinandersetzungen MSauslösend sein könnten. Unabhängig davon sei aber die Frage des Auslösens eines MS-Schubs zu sehen. Er komme daher auch bei Weglassen des im ursprünglichen Gutachten genannten „in dubio“ zu dem Schluss, dass beim Kläger der MS-Schub kausal ausgelöst worden sei durch die Verhältnisse in … Die MS-Befunde beim Kläger seien eine Rarität auf Grund der Umstände, daher gebe es insofern keine wissenschaftliche Literatur. Es sei daher zu schließen, dass die Umstände schubauslösend beim Kläger gewesen seien. Auf Nachfrage des Klägers erklärte der Sachverständige, dass er entschieden ausschließen könne, dass irgendeine Impfung schubauslösend gewesen sein könnte, das gleiche gelte für die Einnahme von Resochin und die Einnahme eines anderen Medikaments.
Das Gericht folgt den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen. Der Sachverständige konnte durch sein Gutachten, die ergänzenden Stellungnahmen und insbesondere durch seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2018 zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass die Verhältnisse in … mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den MS-Schub beim Kläger ausgelöst haben. Das Gutachten weist auch in Verbindung mit den zwei ergänzenden Stellungnahmen keine unlösbaren Widersprüche auf. Der Sachverständige verdeutlichte in der mündlichen Verhandlung, dass er aufgrund der seltenen MS-Befunde beim Kläger ohne Zweifel davon ausgeht, dass die Verhältnisse in … den MS-Schub ausgelöst haben. Die Aussagen im ursprünglichen Gutachten vom …2017 gelten nach Aussage des Sachverständigen auch ohne den Zusatz „in dubio“ und stehen damit nicht im Widerspruch zur ersten ergänzenden Stellungnahme vom 22. Dezember 2017, in der ausgeführt wird, dass der …einsatz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auslösend für den Schub des Klägers gewesen sei. Der im Dienstunfallrecht erforderliche volle Beweis wurde somit erbracht. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger Krankheitsfolgen erlitten hat, die auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei einer besonderen Auslandsverwendung zurückzuführen sind.
Der Kläger erlitt somit einen Einsatzunfall i.S.d. § 63c Abs. 2 SVG.
c) Der Kläger ist jedoch nicht infolge des Einsatzunfalles im maßgeblichen Zeitpunkt in seiner Erwerbsfähigkeit dauerhaft um wenigstens 50 v. H. beeinträchtigt (§ 63e SVG i.V.m. § 63a SVG). Maßgeblicher Zeitpunkt ist hier aus allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen heraus der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, also der 11. April 2018.
aa) Eine MdE um wenigstens 50 v. H. ist zwar im maßgeblichen Zeitpunkt gegeben. Gemäß des Bescheids der Wehrbereichsverwaltung vom 18. Oktober 2001 besteht eine MdE beim Kläger in Höhe von 70 v. H. ab August 1993. Laut Schreiben des Versorgungsamtes vom 7. Januar 2013 beträgt die MdE einschließlich der Erhöhung nach § 30 Abs. 2 BVG 80 v. H.
bb) Es besteht jedoch keine Kausalität zwischen dem Einsatzunfall – also des in … ausgelösten MS-Schubs – und der MdE im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Der Kläger trägt – wie schon für den Eintritt des Einsatzunfalls selbst – auch die materielle Beweislast für den erforderlichen Zusammenhang zwischen seinem Schaden – der Einsatzunfallfolge – und dem Einsatzunfall. Dem Kläger obliegt also der Beweis, dass die MdE von wenigstens 50 v. H. im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf dem Einsatzunfall beruht. Lässt sich der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Dienstunfallgeschehen und dem Körperschaden nicht aufklären, geht die Nichterweislichkeit dieser Tatsache nach allgemeinen Beweisgrundsätzen daher zu Lasten des Beamten (BVerwG, B.v. 11.3.1997 – 2 B 127.96 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 7.12.2016 – 3 ZB 13.1735 – juris Rn. 5).
Der gerichtlich beauftragte Sachverständige führt in seinem Gutachten vom … 2017 aus, dass sich die MS des Klägers unabhängig von der damaligen Stationierung in … mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit früher oder später in jedem Fall in irgendeiner neurologischen (oder eventuell auch psychiatrischen) Weise manifestiert hätte. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. Dezember 2017 führt er aus, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger nach einem Inlandsschub bei ansonsten gleichem Krankheitsverlauf ebenso zu einer Erwerbsminderung von mindestens 50% gekommen wäre. Dies bestätigte der Sachverständige auch nochmals in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2018 auf Nachfrage des Gerichts. Er könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass der Kläger nach einem Inlandsschub in seiner Erwerbsfähigkeit heute um mindestens 50% gemindert wäre. Der Kläger konnte somit nicht den vollen Beweis dafür erbringen, dass seine MdE im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine Folge des Einsatzunfalles ist.
3. Mangels Kausalzusammenhangs zwischen dem Einsatzunfall und der MdE von wenigstens 50 v. H. hat der Kläger keinen Anspruch auf eine einmalige Entschädigung nach § 63e SVG. Der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2014 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
III.
Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung aus § 63f SVG in Höhe von 33.000 EUR.
1. Hinsichtlich der formellen Anspruchsvoraussetzungen, der Anwendbarkeit der Vorschrift und des Vorliegens eines Einsatzunfalles i.S.d. § 63c Abs. 2 SVG wird auf die Ausführungen im Rahmen des § 63e SVG verwiesen.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ruhegehalt nach § 63d SVG, da er kein Berufssoldat, sondern Soldat auf Zeit war.
3. Der Kläger wurde infolge des Einsatzunfalles dienstunfähig. Er wurde als tauglich 5 (nicht wehrdienstfähig) beurteilt.
4. Eine MdE um wenigstens 50 v. H. ist im maßgeblichen Zeitpunkt – für einen Anspruch nach § 63f SVG ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses maßgeblich – gegeben. Gemäß des Bescheids der Wehrbereichsverwaltung vom 18. Oktober 2001 besteht eine MdE beim Kläger in Höhe von 70 v. H. ab August 1993. Das Dienstverhältnis wurde am 30. Juni 1994 beendet.
5. Der Einsatzunfall war auch kausal für die MdE von wenigstens 50 v. H. im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass die am 30. Juni 1994 bestehende MdE von wenigstens 50 v. H. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Folge des Einsatzunfalles war.
Der Sachverständige führt in seinem Gutachten vom … 2017 aus, dass der Kläger in … während eines militärischen Einsatzes einen MS-Schub erlitten habe und er speziell aufgrund der psychiatrischen Schubsymptomatik eine deutlich prolongierte Behandlungs-, Rehabilitations- und schließlich (Teil-)Remissionsphase dieses Krankheitsschubes gehabt habe, weswegen daher zu schlussfolgern sei, dass der in … 1993 erlittene Krankheitsschub schon von Erkrankungsanfang an erheblich zu der wenigstens 50 v. H. beeinträchtigten Erwerbstätigkeit ursächlich beigetragen habe.
6. Der Kläger hat daher einen Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von 30.000 EUR gemäß § 63f Abs. 2 Satz 1 SVG, der gemäß § 63f Abs. 2 Satz 2 SVG um 3.000 EUR erhöht wird, da der Kläger vor dem Einsatzunfall 6 Dienstmonate vollendet hat (Februar 1993 – Juli 1993). Der Monat Januar 1993 zählt nicht als vollendeter Dienstmonat, da der Kläger seinen Dienst erst am 4. Januar 1993 angetreten hat. Der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2014 ist hinsichtlich der Ablehnung des Anspruchs aus § 63f SVG rechtswidrig und verletzt den Kläger i.S.v. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO in seinen Rechten. Die Klage ist insoweit begründet.
IV.
Die Kosten waren nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO verhältnismäßig aufzuteilen. Der Kläger hat 5/6 der Kosten zu tragen, da die einmalige Entschädigung nach § 63e SVG, hinsichtlich derer der Kläger keinen Erfolg hatte, 5/6 des Gesamtstreitwerts ausmacht. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig, da sie vom Kläger als einer rechtsunkundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte (Kopp/Schenke, § 162 VwGO, Rn. 18).
V.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
VI.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO sind weder ersichtlich noch vorgetragen.