Sozialrecht

Arbeitsunfähigkeit als Anrechnungszeit für Erwerbsminderungsrente

Aktenzeichen  S 3 R 561/13

Datum:
17.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135537
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 48 Abs. 1, Abs. 2, § 49 Abs. 1, § , § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
SGB VI § 43 Abs. 4, § 149 Abs. 5

 

Leitsatz

Hat kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden, ist für den Beginn des Dreijahreszeitraumes das Ende des letzten Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses maßgebend. Eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit kann sich dann nur ergeben, wenn diese innerhalb von 3 Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses begonnen hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet, weil die Beklagte zutreffend die Feststellung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit im streitigen Zeitraum abgelehnt hat.
Das Gericht hat sich zur Klärung des rechtlichen Maßstabes, der einschlägig ist, mit mehreren Urteilen des Bundessozialgerichts auseinandergesetzt, insbesondere mit dem Urteil des 1. Senats vom 07.12. 2004 (Az. B 1 KR 5/03 R), dem Urteil des 13. Senats vom 25.02.2010 (Az. B 13 R 116/09 R) und dem Urteil des 5. Senats vom 25.02.2004 (Az.: B 5 RJ 30/02 R).
Danach ist festzustellen, dass der krankenversicherungsrechtliche Berufsschutz für eine bestimmte Tätigkeit jedenfalls dann entfällt, wenn bei Beginn der betrachteten Arbeitsunfähigkeit (genauer gesundheitlichen Einschränkung) bereits ein Dreijahreszeitraum seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses vergangen ist. In diesem Falle entfällt bei fortdauernder Erkrankung nach dem Dreijahreszeitraum – gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit – der „nachgehende Berufsschutz“ für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.02.2004, Az. B 5 RJ 30/02 R, Rd.-Nr. 20 -zitiert nach Juris). Beurteilungsmaßstab sind dann sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. War der Kläger in der Lage, solche Tätigkeiten in dem Umfang zu verrichten, in dem er sich auch vor dem Auftreten der gesundheitlichen Defizite zur Verfügung gestellt hatte, lag keine Arbeitsunfähigkeit vor (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.12.2004, Az. B 1 KR 5/03 R, Rd.-Nr. 21 – zitiert nach Juris).
Unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgabe, dass Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum von Juli 2009 bis Mai 2012 nur dann vorlag, wenn der Kläger für den allgemeinen Arbeitsmarkt (und nicht in der zuletzt ausgeübten Beschäftigung) arbeitsunfähig war, kann Arbeitsunfähigkeit nicht festgestellt werden.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen einsatzfähig. Die Einsatzfähigkeit des Klägers ist für den streitigen Zeitraum (Juli 2009 bis Mai 2012) hervorragend dokumentiert durch sechs medizinische Sachverständigengutachten.
Hinzuweisen ist auf das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. B. vom 08.09.2009 (= zwei Monate nach Beginn des streitigen Zeitraums). Hier wird ausgeführt, dass nach Erachten des Gutachters der Kläger als Versicherungskaufmann voll arbeitsfähig ist. Lediglich müssten Tätigkeiten im Außendienst vermieden werden. Jedenfalls war der Kläger für leichte Bürotätigkeiten im Innendienst einsetzbar (vgl. Blatt 62 und 63 der Beklagtenakte). Nur etwa neun Monate später wurde der Kläger durch Dr. C. begutachtet (Gutachten vom 10.06.2010). Dr. C. hat festgestellt, dass sich auf HNO-Fachgebiet keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers ergebe (vgl. Blatt 191 der Beklagtenakte). In dem anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth wurde der Kläger zunächst am 11.04.2011 durch Dr. D. begutachtet. Auch dieser stellte für den allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen fest (vgl. Blatt 118 der Klageakte des Sozialgerichts Bayreuth, Aktenzeichen S 7 R 762/10). Eine weitere Begutachtung fand durch Prof. Dr. E. statt. Das Gutachten von Prof. Dr. E. trägt das Datum des 14.06.2011 und ging am 04.07.2011 bei dem Sozialgericht Bayreuth ein. Er stellte fest, dass aus HNOärztlicher Sicht keine Einschränkungen bezüglich des zeitlichen Umfangs der Arbeitstätigkeit bestünden (vgl. Blatt 185 der Akte des Sozialgerichts Bayreuth mit dem Az. S 7 R 762/10). Ein weiteres Gutachten fertigte Dr. F. aufgrund einer persönlichen ambulanten Untersuchung des Klägers am 20.09.2011. Auch Dr. F. ging von einer vollschichtigen Einsetzbarkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus, was sich daraus ergibt, dass er auf Blatt 244 der Gerichtsakte ausführt, dass eine medizinische Reha dazu beitragen könne die Erwerbsfähigkeit für leichte vollschichtige Tätigkeiten zu erhalten.
Schließlich legte Dr. G. in dem Klageverfahren S 7 R 762/10 sein medizinisches Sachverständigengutachten vom 02.03.2012 vor. Er führte aus, dass in der gegenwärtigen Phase der Kläger nur als arbeitsunfähig, das heißt behandlungsbedürftig, eingestuft werden könne. Die vom Gericht gestellten Fragen (Anmerkung des Gerichts: Ausgerichtet auf die Frage des Vorliegens von Erwerbsminderung) konnte der Gutachter nicht beantworten. Eine weitere beziehungsweise endgültige Beurteilung sei erst in einer stabilen Phase möglich. Zur Zeit der Begutachtung durch Dr. G. fehlte für die Anerkennung Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit die Erfüllung des Unterbrechungstatbestandes des § 58 Abs. 2 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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