Sozialrecht

Befreiung von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterskasse

Aktenzeichen  L 1 LW 2/14

Datum:
29.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 110451
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
ALG §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 Nr. 1
SGB X § 21 Abs. 4, § 32 Abs. 2 Nr. 3, § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1, § 45, § 48 Abs. 1 S. 2
SGB V § 240 Abs. 4 S. 3
SGB VI § 96a

 

Leitsatz

1 Bei der Prüfung der Befreiungsvoruassetzungen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG hat die Behörde eine in die Zukunft gerichtete Prognoseentscheidung zu treffen, ob der Antragsteller im strittigen Zeitraum außerhalb der Land- und Forstwirtschaft Arbeitseinkommen über den Grenzbetrag von jährlich 4.800.-Euro hinaus erzielt hat. (Rn. 37 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Gericht ist berechtigt, anstelle einer insoweit untätig gebliebenen Behörde eine Prognoseentscheidung zu treffen. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 30 LW 91/13 2013-11-20 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers hin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. November 2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2013 aufgehoben.
II. Auf die Klage des Klägers hin wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 von der Versicherungspflicht zur Beklagten endgültig zu befreien.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 8. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2013 zu Unrecht abgewiesen, soweit damit ab 1. Januar 2009 bis 31.12.2009 Versicherungspflicht zur Beklagten endgültig festgestellt wurde. Insoweit ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte hat hiermit unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG keine in die Zukunft gerichtete Prognoseentscheidung zu der Frage getroffen, ob der Kläger im strittigen Zeitraum außerhalb der Land- und Forstwirtschaft Arbeitseinkommen über den Grenzbetrag von jährlich 4.800.-Euro hinaus erzielt hat, sondern vielmehr eine gesetzlich nicht vorgesehene nachträgliche Entscheidung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Höhe des im strittigen Zeitraums erzielten Arbeitseinkommens gefällt. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zulässig erhobene Klage auf endgültige Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 ist ebenfalls begründet, da die anzustellende Prognose ergibt, dass das außerlandwirtschaftliche Einkommen des Klägers in diesem Zeitraum oberhalb dieser Grenze liegen wird.
Einer Beiladung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberatungsversorgung bedurfte es nicht. Diese ist an dem hier streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen könnte (vgl. § 75 Abs. 2 SGG). In deren Rechtssphäre wird nicht eingegriffen. Auch deren einfache Beiladung iSd § 75 Abs. 1 S. 1 SGG ist nicht erforderlich.
1. Streitgegenstand ist der angefochtene Bescheid vom 8. November 2012, womit die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 festgestellt hat. Darüber hinaus wurde hierin der Bescheid vom 12. Januar 2009 über die vorläufige Befreiung von der Versicherungspflicht für diesen Zeitraum gestützt auf „§ 48 SGB X“ aufgehoben. Einer Aufhebung des Bescheids vom 12. Januar 2009 bedurfte es jedoch nicht, da es sich hierbei nur um eine vorläufige Entscheidung gehandelt hat, die sich mit dem Erlass der endgültigen Entscheidung im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat (vgl. Urteil des BSG vom 16. November 1995, Az. 4 R LW 4/94, Urteil vom 28. Juni 1990, Az. 4 RA 57/89, alle in juris). Schon aus der Überschrift des Bescheides (Bescheid über die „vorläufige“ Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG), dann aber auch aus dem Verfügungssatz („Für die Zeit ab 22. November 2007 werden Sie vorläufig von der Versicherungspflicht zur LAK gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG befreit mit der Folge, dass vorläufig ab 1. November 2007 Beiträge nicht zu entrichten sind“) geht eindeutig hervor, dass dieser Bescheid keine endgültige Regelung enthält. Schließlich wurde in der Begründung noch einmal klargestellt, dass eine endgültige Entscheidung über den Befreiungsantrag erst nach Vorlage der maßgebenden Einkommensteuerbescheide getroffen wird. Damit liegt keine endgültige Regelung vor, die grundsätzlich nur dann hätte abgeändert werden dürfen, wenn sich die Beklagte entweder darin rechtmäßig deren Rücknahme, Widerruf oder Abänderung vorbehalten hätte oder aber dazu nach den §§ 44 ff. SGB X oder Spezialvorschriften gesetzlich ermächtigt gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006, Az. B 12 KR 14/05 R).
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass gemäß § 95 SGG Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Im Widerspruchsbescheid vom 18. März 2013 hat die Beklagte klargestellt, dass aus jetziger Sicht der Bescheid über die Befreiung von der Versicherungspflicht vom 12. Januar 2009 für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 aufgrund der getroffenen Vorläufigkeitsregelung durch einen endgültigen Bescheid der Gestalt zu ersetzen sei, als im Jahr 2009 kein Anspruch auf eine Befreiung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG bestehe. Daraus geht klar hervor, dass die Beklagte jedenfalls bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens von einer Aufhebung des Bescheids vom 12. Januar 2009 Abstand genommen hatte und im Ergebnis gestützt auf die Vorläufigkeit des Bescheids vom 12. Januar 2009 den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht für das Jahr 2009 endgültig abgelehnt hat.
Welchen Befreiungsantrag die Beklagte hiermit im Ergebnis abgelehnt hat, ergibt sich aus den angefochtenen Bescheiden nicht. Der ursprüngliche Antrag vom 12. August 2008 wurde schon mit Bescheid vom 29. September 2008 bestandskräftig abgelehnt. Der Kläger hatte sich mit seinem Widerspruch vom 1. Dezember 2008 und auch ausweislich seiner Widerspruchsbegründung vom 7. Januar 2009 nur gegen den Forderungsbescheid vom 16. September 2008 und nicht gegen den Bescheid vom 29. September 2008 gewandt. Der Senat geht jedoch davon aus, dass die Beklagte den ursprünglichen Antrag vom 12. August 2008 erneut abgelehnt bzw. den am 1. Dezember 2008 eingelegten Widerspruch gegen den Forderungsbescheid auch als neuen Befreiungsantrag gewertet hat, da sie zu keiner Zeit zu erkennen gegeben hat, es mangele in Bezug auf den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2009 an einem rechtzeitig (vgl. insoweit § 3 Abs. 2 Satz 1 ALG) gestellten Befreiungsantrag. Sie hat also damit über den eigentlich bereits „verbrauchten“ Antrag vom 12. August 2008 erneut im Rahmen eines sog. Zweitbescheides entschieden bzw. den Widerspruch vom 1. Dezember 2008 als neuerlichen Befreiungsantrag gewertet.
2. Der Bescheid vom 8. November 2012 ist rechtswidrig, soweit mit ihm ab 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 nachträglich Versicherungspflicht festgestellt und der rechtzeitig gestellte Befreiungsantrag des Klägers ohne Prognoseentscheidung abgelehnt worden ist.
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG in der maßgeblichen, ab 1. Januar 2008 gültigen Fassung werden auf Antrag Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige von der Versicherungspflicht befreit, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen (Abs. 4) beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800.- Euro überschreitet. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von 3 Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an (§ 3 Abs. 2 Satz 1 ALG).
(a) Bei der Beurteilung der Frage, ob und wie lange ein Landwirt regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen (Abs. 4) bezieht, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800.- Euro überschreitet, gelten nach Auffassung des Senats folgende Grundsätze:
aa) Nach der – auch für den Bereich der Alterssicherung der Landwirte (vgl. § 1 Abs. 1 SGB IV) maßgeblichen – Definition des Arbeitseinkommens in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist (§ 15 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Damit gilt eine volle Parallelität von Sozialversicherungsrecht zum Einkommensteuerrecht (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2004, Az. B 13 RJ 13/04 R; vgl. auch BSG; Urteil vom 10. Mai 2007, Az. B 10 LW 7/05 R, alle in juris). Zweck dieser gesetzlich angeordneten Parallelität ist es, den Sozialleistungsträgern eine eigenständige und mitunter schwierige Prüfung der Zuordnung und Ermittlung der Höhe von Arbeitseinkommen im Einzelfall zu ersparen (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2004, Az. B 13 RJ 13/04 R). Früheren Entscheidungen des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1999, B 4 RA 17/98 R), wonach es einen eigenen sozialversicherungsrechtlichen Begriff des Arbeitseinkommens aus selbstständiger Tätigkeit gibt, ist damit der Boden entzogen.
bb) Maßgebend ist das regelmäßige, also mit einer gewissen Stetigkeit, Dauer und Gesetzesmäßigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16. Oktober 2002, Az. B 10 LW 5/01 R, in juris Rn. 20) erzielte Einkommen. Dieses ist – wie sich ebenfalls aus der Gesetzesbegründung entnehmen lässt – durch eine vorausschauende Betrachtung angelehnt an die Verfahrensweise zur Feststellung der Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Bindung an das Kalenderjahr zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 16. Oktober 2002, Az. B 10 LW 5/01 R, in juris, Rn. 19 unter Hinweis auf BT-Drs 12/5700, S. 9; 12/7599, S. 8; 7/4122, S. 43 ff.). Die Feststellung von Versicherungspflicht in der Sozialversicherung muss dabei im Blick auf die Interessen der Betroffenen sowie des Versicherungsträgers materiell-rechtlich notwendig auf der Grundlage einer prognostischen Einschätzung erfolgen. Diese Prognose ist schon begriffsnotwendig zukunftsbezogen und bleibt so lange maßgebend, bis in rechtlich relevantem Umfang geänderte Umstände Anlass für eine Korrektur und für eine Ersetzung durch eine neue Prognose geben, die dann wiederum den versicherungsrechtlichen Status für die Zukunft bestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015, B 5 RE 19/14 R). Die Prognose erfordert keine alle Eventualitäten berücksichtigende genaue Vorhersage, sondern lediglich eine ungefähre Einschätzung, welches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach bisheriger Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Im Prognosezeitpunkt muss davon auszugehen sein, dass sich Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bei normalem Ablauf der Dinge nicht ändern (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2011, B 12 R 15/09 R, in juris Rn. 17).
cc) Erfolgt eine (endgültige) Entscheidung rückwirkend, hat nachträglich eine vorausschauende Betrachtungsweise stattzufinden. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht hat dann zu erfolgen, wenn aus damaliger Sicht mit hinreichender Sicherheit feststand, dass der maßgebliche Grenzbetrag von 4.800.- Euro überschritten werden wird (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000, Az. B 10 KR 3/99 R, in juris). Da eine zukunftsorientierte Prognoseentscheidung zu treffen ist, kann das dem steuerlichen Gewinn entsprechende Einkommen nicht unverändert aus dem Steuerbescheid des Selbstständigen für den zu beurteilenden Zeitraum entnommen werden (vgl. insoweit BT-Drs. 12/5700 S. 92), da ein Steuerbescheid für den Prognosezeitraum (hier: 1. Januar bis 31. Dezember 2009) bei einer in die Zukunft gerichteten Entscheidung noch nicht vorliegen kann. Bei Arbeitseinkommen Selbstständiger wird nach Auffassung des Senats daher regelmäßig auf den letzten, noch nicht zu lange zurückliegenden Einkommensteuerbescheid zurückzugreifen sein. Dieser wird dann ggf. durch eine vom Versicherten vorzulegende Bescheinigung des Steuerberaters zu ergänzen sein, der ggf. das regelmäßige Arbeitseinkommen auf der Grundlage des Vorjahreseinkommens zu schätzen hat. Hat der Selbstständige keinen Steuerberater, muss er die gewissenhafte Schätzung selbst vornehmen und den voraussichtlichen Gewinn mitteilen. Falls an den Angaben des Landwirts Zweifel bestehen, ist die Schätzung durch geeignete Unterlagen zu belegen.
b) Der Notwendigkeit, der Entscheidung über die Befreiung von der Beitragspflicht eine vorausschauende Betrachtungsweise zu Grunde zu legen, steht nicht entgegen, dass in § 3 ALG keine Regelung entsprechend § 32 Abs. 3 S. 4 ALG enthalten ist bzw. nicht auf diese Bestimmung verwiesen wird. Gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 ALG erhalten versicherungspflichtige Landwirte einen Zuschuss zu ihrem Beitrag und zum Beitrag für mitarbeitende Familienangehörige, wenn das nach Abs. 2 ermittelte jährliche Einkommen 15.500.- Euro nicht übersteigt. Maßgebend für die Feststellung des Einkommens nach § 32 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 ALG (Summe der erzielten positiven Einkünfte iSd § 2 Abs. 1 und 2 EStG, soweit es sich nicht um Erwerbsersatzeinkommen iSd § 3 Abs. 4 ALG handelt, wobei Renten wegen Todes als Erwerbsersatzeinkommen gelten) sind gemäß § 32 Abs. 3 S. 4 ALG 1. die sich aus dem sich auf das zeitnächste Veranlagungsjahr beziehenden Einkommensteuerbescheid ergebenen Einkünfte so, wie sie der Besteuerung zu Grunde gelegt worden sind, sofern eine Veranlagung zur Einkommensteuer für eines der letzten 4 Kalenderjahre erfolgt ist, oder 2. die im vorvergangenen Kalenderjahr erzielten entsprechenden Einkünfte, sofern eine Veranlagung zur Einkommensteuer für die letzten 4 Kalenderjahre nicht erfolgt ist, wobei das Arbeitsentgelt um den Arbeitnehmerpauschbetrag (§ 9a S. 1 Nr. 1 EStG) zu verringern ist.
Aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung bzw. eines Verweises auf § 32 Abs. 3 Satz 4 ALG oder auf eine vergleichbare Bestimmung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V) lässt sich nach Auffassung des Senats nur entnehmen, dass die Beklagte bei ihrer Prognoseentscheidung im Rahmen des § 3 ALG im Vergleich zur Entscheidung über die Gewährung eines Zuschusses gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 ALG eine größere Freiheit dahingehend genießt, auf welche Grundlagen sie hierfür zurückgreift. Eine derart schematische Behandlung der Problematik wie sie in § 32 Abs. 3 Satz 4 ALG für die Entscheidung über die Zuschussgewährung vorgesehen ist, hat der Gesetzgeber in Bezug auf die Entscheidung über das Bestehen von Versicherungspflicht nicht gewollt. Angesichts der eindeutigen und klaren Ausführungen in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 12/7599, S. 8) zur Notwendigkeit einer vorausschauenden Beurteilung („Ferner wird geregelt, dass – wie in der gesetzlichen Krankenversicherung im Hinblick auf die Versicherungsfreiheit – im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise das regelmäßige Einkommen maßgeblich sein soll.“) hält der Senat es nicht für vertretbar, aus dem Fehlen einer § 32 Abs. 3 Satz 4 ALG entsprechenden Regelung bzw. dem Fehlen eines Verweises hierauf in § 3 Abs. 1 ALG abzuleiten, es habe eine nachgängige Betrachtung unter Zugrundelegung des tatsächlich erzielten Einkommens zu erfolgen.
c) Die Beklagte hat stets eine endgültige vorausschauende Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht zu treffen. Für die von der Beklagten praktizierte Vorgehensweise, zunächst eine vorläufige Befreiung auszusprechen und dann nach Einreichung der Einkommensteuerbescheide für den maßgeblichen Zeitraum im Nachhinein endgültig über die Befreiung zu entscheiden, gibt es weder eine Rechtsgrundlage noch steht diese Vorgehensweise mit dem Sinn und Zweck der Regelungen im ALG zur Versicherungspflicht und der Befreiung hiervon in Einklang.
aa) Ausdrückliche gesetzliche Regelungen über die Berechtigung des Sozialleistungsträgers, vorläufige Bescheide zur erlassen, sind in Zusammenhang mit der Erbringung von Geldleistungen etwa in § 328 Abs. 1-4 SGB III, § 40 Abs. 1 Nr. 1 a SGB II i.V.m. § 328 SGB III enthalten. § 43 Abs. 1 SGB I enthält ebenfalls eine Regelung zur Erbringung vorläufiger Leistungen für den Fall, dass zwischen mehreren Leistungsträgern strittig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist.
Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, nach der die Beklagte berechtigt wäre, die Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht nur vorläufig auszusprechen, findet sich hingegen weder im ALG noch in einem anderen Gesetz.
bb) Das BSG hat es im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ausweislich seiner Entscheidung vom 20. März 2006 (Az. B 12 KR 14/05 R) allerdings für zulässig angesehen, wenn die Krankenkasse die Beiträge eines in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten, der hauptberuflich selbstständig tätig ist, bei Beginn seiner selbstständigen Tätigkeit durch einen einstweiligen Bescheid regelt, wenn Nachweise für eine Prognose der zukünftigen Einnahmen noch nicht vorgelegt werden können. Auch im Bereich der Beitragsbemessung bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen (vgl. § 240 Abs. 4 Satz 2, 3 SGB V) ist das Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 Abs. 1 SGB IV und damit der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts, heranzuziehen, der nicht vor Schluss des Kalenderjahrs feststeht. Es können deshalb nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V nachgewiesen werden, die dann als laufende Einnahmen so lange bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt werden, bis ein neuer Einkommensnachweis vorliegt. Auch hier geht aus der Gesetzesbegründung hervor, dass ein vergangenheitsbezogener Einkommensnachweis wie der Steuerbescheid Grundlage für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung ist (vgl. BSG, a.a.O., BT-Drs 12/3937, S. 17).
Gleichwohl hatte hier das BSG es für zulässig erachtet, dass die Krankenkassen bei dem Personenkreis der hauptberuflich Selbstständigen zu Beginn ihrer Tätigkeit jedenfalls dann, wenn zu erwarten ist, dass die Einnahmen nicht die Beitragsbemessungsgrenze erreichen, einstweilige Regelungen der Beitragshöhe treffen, um zu vermeiden, dass dieser Personenkreis wegen des fehlenden Nachweises der Einnahmen aus dieser Tätigkeit zu Beginn der Selbstständigkeit Höchstbeiträge zu zahlen hat. Die einkommensgerechte Beitragseinstufung bei Beginn einer selbständigen Tätigkeit könne nicht auf andere Weise erreicht werden.
Nach Auffassung des Senats kann diese Rechtsprechung jedoch nicht auf Fallgestaltungen übertragen werden, in denen ein in der Alterssicherung der Landwirte versicherungspflichtiger Landwirt eine selbstständige außerlandwirtschaftliche Tätigkeit aufnimmt und damit nicht die Beitragshöhe, sondern die Beitragspflicht dem Grunde nach infrage steht. Das BSG lässt in der soeben genannten Entscheidung aus dem Bereich der Krankenversicherung ausnahmsweise nur in Bezug auf die Höhe der Beiträge eine vorläufige Regelung zu, wobei dort die Versicherungspflicht dem Grunde nach aber im Vornehinein feststeht.
Eine vorläufige, sich auf die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Altersversicherung dem Grunde nach beziehende Befreiung mit dem Ziel, in der Regel erst mehrere Jahre später nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids für das betreffende Jahr über die Versicherungspflicht endgültig zu entscheiden, läuft hingegen nicht nur dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Willen des Gesetzgebers zuwider, dass über die Befreiung im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise entschieden wird. Vor allem aber wird aber auch durch eine vorläufige Befreiung von der Versicherungspflicht dem Grunde nach mit ggf. Jahre später erfolgender endgültiger Feststellung – wie hier von der Beklagten verfügt – ein unerwünschter Schwebezustand geschaffen. Für mehrere Jahre steht für die Beteiligten nicht verbindlich fest, ob der Betreffende Mitglied der Versichertengemeinschaft mit all den damit verbundenen Rechten und Pflichten ist oder nicht. In Bezug auf den Status eines Versicherten besteht jedoch ein besonderes Bedürfnis nach Rechtsklarheit und eindeutiger Festlegung, wer ab welchem Zeitpunkt zum Kreis der Befreiten und wer ab welchem Zeitpunkt zum Kreis der Versicherten gehört (vgl. für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung KassKomm, SGB VI, § 6 Rn. 36 m.w.N.).
Die Ausübung der Verwaltungsaktkompetenz in Bezug auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Versicherungspflicht durch den zuständigen Versicherungsträger ist darauf angelegt, durch eine verbindliche Feststellung Rechtsfrieden nicht nur punktuell, sondern dauerhaft für die gesamte Zeit des unveränderten fortbestehend zu beurteilenden Lebenssachverhalts zu schaffen (BSG, Urteil vom 23. April 2015, B 5 RE 19/14 R). Mit einer bloßen vorläufigen Regelung wird dieses Ziel verfehlt. Der Betroffene bedarf einer verbindlichen Entscheidung der Beklagten, um auf einer sicheren Grundlage ggf. weitreichende Entscheidungen über eine anderweitige Absicherung der Risiken treffen zu können, die bei Bestehen von Versicherungspflicht von der Beklagten abgesichert werden. Schließlich würden sich bei einer länger anhaltenden, durch eine zunächst nur vorläufig ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht ausgelöste Ungewissheit auf der anderen Seite auch unerwünschte Manipulationsmöglichkeiten für Versicherte ergeben, die – etwa bei einem Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbsminderung – Steuererklärungen dann für vergangene Zeiträume so gestalten können, dass Versicherungspflicht besteht und damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt sind.
Dementsprechend hat das BSG auch in seinem Urteil vom 27. Juli 2011, Az. B 12 R 15/09 R, in juris, zur Frage, ob die maßgebende (Entgelt-) Geringfügigkeitsgrenze regelmäßig im Monat nicht überstiegen wird, ausgeführt, dass eine rückwirkende Betrachtung mit dem Wesen der Sozialversicherung nicht vereinbar ist. Es liege im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn zu klären, weil dies nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflicht von entscheidender Bedeutung ist.
cc) Aus diesen Gründen ist auch anerkannt, dass statusbegründende Verwaltungsakte grundsätzlich nebenbestimmungsfeindlich sind, so dass insbesondere die Beifügung von Bedingungen und Auflagen ausgeschlossen ist, es sei denn, spezialgesetzliche Regelungen lassen insoweit Ausnahmen zu (vgl. von Wulffen, SGB X, § 32 Rn. 29). Denn auch bei der Auferlegung von Bedingungen, Auflagen oder Widerrufsvorbehalten entsteht eine nicht hinnehmbare Unsicherheit bei der Beurteilung der Frage, ob der Betreffende versichert ist oder nicht. Einen sachlichen Grund, bei der Entscheidung über das Bestehen von Versicherungspflicht Nebenbestimmungen restriktiver zu behandeln als vorläufige Entscheidungen, gibt es bei identischer damit verbundener Problematik nicht.
Entgegen der Auffassung des SG ist § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X damit also schon aus diesem Grund ebenfalls keine taugliche Rechtsgrundlage für den „Vorbehalt der Vorläufigkeit“. § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X ist darüber hinaus aber auch noch aus anderen Gründen nicht einschlägig. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 12. Januar 2009 keinen Vorbehalt des Widerrufs iSd § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X verfügt. Ein solcher Vorbehalt des Widerrufs ist notwendigerweise mit einem im Übrigen uneingeschränkt bindenden Verwaltungsakt verknüpft, dessen Bindungswirkung im Falle der Ausübung des vorbehaltenen Widerrufsrechts wieder beseitigt werden soll. Hier liegt aber nach dem Willen der Beklagten gerade kein bindender, sondern von vornherein nur ein vorläufiger Verwaltungsakt vor, der von ihr notwendigerweise durch einen endgültigen Verwaltungsakt zu ersetzen ist. § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X ist darüber hinaus nur zulässige Rechtsgrundlage für die Hinzufügung eines Vorbehalt des Widerrufs bei Ermessensverwaltungsakten (vgl. von Wulffen, SGB X, § 32 Rn. 11). Die Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht steht aber nicht im Ermessen der Beklagten. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung („werden befreit“). § 32 Abs. 1 SGB X ist aber ebenfalls nicht einschlägig. Die Zulässigkeit eines „Vorbehalts der Vorläufigkeit“ ergibt sich schon deshalb nicht aus § 32 Abs. 1 SGB X, weil durch die Anordnung der Vorläufigkeit gerade nicht sichergestellt werden soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes, wonach eine Prognoseentscheidung erforderlich ist, erfüllt werden.
dd) Der Senat stimmt auch nicht mit der Auffassung der Beklagten überein, dass der Notwendigkeit einer vorausschauenden Beurteilung die Formulierung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG entgegensteht, wonach Landwirte von der Versicherungspflicht befreit werden, solange sie regelmäßig Arbeitseinkommen beziehen, das über der Grenze von jährlich 4.800.- Euro liegt. Die Verwendung des Begriffs „solange“ bedeutet nicht, dass der tatsächliche regelmäßige Bezug von Arbeitseinkommen usw. maßgeblich ist, der notwendigerweise im Nachhinein festzustellen wäre. Vielmehr ist dadurch geregelt, dass ein Landwirt nur solange von der Versicherungspflicht zu befreien ist, als im Rahmen der im Vorhinein zu treffenden Prognoseentscheidung die Annahme gerechtfertigt ist, das steuerlich maßgebliche Arbeitseinkommen außerhalb von Land- und Forstwirtschaft überschreite diese Grenze. Ergeben sich – auch innerhalb eines Kalenderjahres – Indizien für eine relevante Veränderung der Einkommensverhältnisse, hat zukunftsbezogen eine entsprechende Abänderung der bisherigen Entscheidung zu erfolgen.
ee) Der Senat teilt dementsprechend auch nicht die Befürchtungen der Beklagten, sie müsse nach Ablehnung eines Antrags wegen des Bezugs von Arbeitseinkommen aufgrund einer negativen Einkommensprognose rückwirkend eine Korrektur nach § 44 Abs. 1 SGB X vornehmen, wenn sich anhand des entsprechenden Einkommensteuerbescheids herausstellt, dass der maßgebliche Befreiungsgrenzwert überschritten worden ist. Soweit die ursprüngliche Prognoseentscheidung nicht zu beanstanden ist, besteht in derartigen Fällen gerade kein Anspruch nach § 44 Abs. 1 SGB X auf rückwirkende Abänderung der ursprünglichen Entscheidung zu Gunsten des Versicherten. Denn im Falle einer sachgerecht erstellten Prognoseentscheidung hat die Beklagte nicht im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X das Recht unrichtig angewandt und ist auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist; Beiträge wurden in diesem Fall nicht zu Unrecht erhoben. Vielmehr wurden ungeachtet der späteren, nicht vorhersehbaren tatsächlichen Entwicklung Beiträge aufgrund der sachgerechten Prognoseentscheidung zu Recht erhoben. Der vorgelegte Einkommensteuerbescheid kann vielmehr nur Anlass sein, den Versicherten mit Wirkung für die Zukunft von der Versicherungspflicht zu befreien.
Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass damit eine durchgehende Befreiung zu erfolgen hat, obwohl in gewissen Zeiträumen tatsächlich ein außerlandwirtschaftliches Arbeitseinkommen unterhalb der Befreiungsgrenze bezogen worden ist. Hat etwa ein Landwirt – wie hier der Kläger – einen Einkommensteuerbescheid mit einem außerlandwirtschaftlichen Arbeitseinkommen von mehr als 4.800.- Euro vorgelegt, der eine Prognose rechtfertigt, dies werde auch im nächsten Jahr der Fall sein, hat eine Befreiung zu erfolgen. Wird dann – wie auch hier – später ein Einkommensteuerbescheid vorgelegt, der ein Arbeitseinkommen unterhalb dieser Grenze ausweist, hat es bei der Beitragsbefreiung zu verbleiben. Allerdings ist aufgrund dieses Bescheids grundsätzlich die Prognose für die Zukunft gerechtfertigt, dass die Befreiungsgrenze nun nicht mehr überschritten werden wird. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in derartigen Fällen dem Betreffenden die Möglichkeit verbleibt, durch Darlegung konkreter Umstände den Beweis anzutreten, dass trotz des Einkommensteuerbescheids für die Zukunft doch wieder von einem Überschreiten der Befreiungsgrenze auszugehen ist. Dies bedeutet aber im Ergebnis nicht „eine durchgehende Befreiung, ohne dass hierfür die Voraussetzungen erfüllt sind“. Die gesetzlichen Befreiungsvoraussetzungen knüpfen eben nicht an die tatsächlichen Einkünfte an, sondern an die im Rahmen einer Prognose zu ermittelnden. Damit ist ein derartiges Ergebnis vom Gesetzgeber akzeptiert. Davon abgesehen ist in einem derartigen Fall die Beklagte durchaus berechtigt, an die Anknüpfungstatsachen in Bezug auf die zukünftige positive Prognose strenge Anforderungen zu stellen. Ein vorliegender Einkommensteuerbescheid mit Einkünften oberhalb der Befreiungsgrenze stellt ein starkes Indiz dafür dar, dass auch in Zukunft Einkünfte oberhalb der Befreiungsgrenze erzielt werden. Umgekehrt gilt aber ebenso, dass ein Einkommensteuerbescheid mit Einkünften unterhalb der Befreiungsgrenze ein starkes Indiz dafür darstellt, dass dies auch in Zukunft so sein wird.
Schließlich sei in diesem Zusammenhang auch noch darauf hingewiesen, dass im umgekehrten Fall eine durchgängige Beitragspflicht bestehen kann, obwohl partiell die Voraussetzungen für eine Befreiung vorgelegen haben. Zu diesem Ergebnis kommt es, wenn aufgrund eines vorgelegten Einkommensteuerbescheids die Prognose gerechtfertigt war, die Befreiungsgrenze werde nicht überschritten, ein für den Prognosezeitraum vorgelegter Einkommensteuerbescheid jedoch (etwa aufgrund eines nicht vorhersehbaren Sondereffekts) das Überschreiten der Befreiungsgrenze belegt. Auch hier ist vorstellbar, dass trotz dieses Einkommensteuerbescheids für die Zukunft erneut nur die Prognose gerechtfertigt ist, die Befreiungsgrenze werde mit dem außerlandwirtschaftlichen Einkommen nicht überschritten (da es sich um einen einmaligen Sondereffekt gehandelt hat), so dass nach wie vor Versicherungs- und Beitragspflicht besteht.
ff) Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Selbständigen und abhängig Beschäftigten vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Grundsatz der vorausschauenden Beurteilung gilt sowohl für Selbstständige als auch für abhängig Beschäftigte. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass in Bezug auf Selbstständige anders zu verfahren ist als in Bezug auf abhängig Beschäftigte. Die Umsetzung dieses Grundsatzes wird bei abhängig Beschäftigten aufgrund des vielfach sehr regelmäßigen und leichter voraussehbaren Zuflusses von Arbeitsentgelt zwar sicherlich weniger Probleme bereiten als bei Selbständigen. Die Schwierigkeiten, die aufgrund der oft unsteten Einkommenserzielung bei Selbständigen entstehen können, sind aber kein rechtfertigender Grund, bei Selbständigen entgegen der gesetzlichen Konzeption auf eine nachträgliche Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse umzustellen.
gg) Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BSG vom 9. Oktober 2012, Az. B 5 R 8/12 R, in juris, steht der hier vertretenen rechtlichen Beurteilung schließlich ebenfalls nicht entgegen. Hierin hat das BSG in einem Rechtsstreit, in dem die Rückforderung von Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze strittig war, festgestellt, dass der materiell-rechtliche Tatbestand von § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI für die abschließende Feststellung des sich unter Berücksichtigung des Einkommens aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ergebenden monatlichen Zahlbetrags stets die abschließende Feststellung des tatsächlich erzielten Arbeitseinkommens auf der Basis der umfassenden und vollständigen Ermittlung und Feststellung aller steuerrechtlich relevanten Umstände erfordert. Auch fehle es an Hinweisen darauf, dass ausnahmsweise anstelle der erst mit Ablauf des laufenden Kalenderjahres entstehenden und feststellbaren Gewinns aus einer selbständigen Tätigkeit schon Teile des auf der Basis einer unterjährigen Prognose ermittelten Jahresergebnisses ausreichen könnten, um laufende monatliche Zahlungsansprüche zu entziehen.
Diese Entscheidung hat für den hier vorliegenden Rechtsstreit schon deshalb keine Bedeutung, da sie nicht Normen im Blick hat, die die Auswirkungen der Erzielung von Arbeitseinkommen auf das Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungspflicht regeln. Vielmehr schreibt § 96a SGB VI das (teilweise) Entfallen von monatlichen Rentenansprüchen vor, falls das für denselben Zeitraum tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bestimmte Beträge übersteigt. Der oben hervorgehobene Umstand, dass alle Beteiligten aufgrund der vielfältigen mit der Versicherungspflicht verbundenen Auswirkungen ein erhebliches Interesse daran haben, von Anfang an Klarheit zu haben, ob und gegebenenfalls ab wann Versicherungspflicht besteht, spielt hier keine Rolle. Eine Unsicherheit über den teilweisen Entfall von Rentenleistungen bei daneben vorliegenden weiteren Einkünften des Versicherten ist eher hinzunehmen als Unsicherheiten über das (Nicht) Bestehen von Versicherungspflicht. Die jeweiligen Auswirkungen sind nicht vergleichbar. Darüber hinaus lässt sich aus Wortlaut und Gesetzesmaterialien in Bezug auf § 96a SGB VI im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG eben gerade nicht entnehmen, dass eine vorausschauende Prognoseentscheidung zu treffen ist.
hh) Soweit in dem Beschluss des Senats vom 21. Dezember 2011, Az. L1 LW 20/11 B ER ausgeführt ist, die Beschwerdegegnerin sei auch in Anbetracht des verfahrensrechtlichen „Verbots des vorzeitigen Verfahrensabschlusses“ (s. BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 2) ausnahmsweise berechtigt gewesen, eine einstweilige Regelung zu treffen, da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht ausreichend geklärt war, hält der Senat hieran nicht fest. Diese Passage hat auch nur aufgrund eines Büroversehens Eingang in den genannten Beschluss gefunden.
Nach alledem ist von einer Verpflichtung der Beklagten auszugehen, zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides eine Einkommensprognose durch eine vorausschauende Betrachtung zu erstellen.
d) Der den Kläger beschwerende angefochtene Bescheid enthält jedoch keine derartige Prognoseentscheidung. Zu der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts einer Prognoseentscheidung hat das BSG in einer Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 3. August 2016, B 6 KA 20/15 R, m.w.N., in juris) auf die bis zur bescheidmäßigen Entscheidung erkennbaren bzw. bekannten Tatsachen abgestellt. Sachgerechte Prognosen beruhen auf erhobenen Daten und Fakten und damit auf Erkenntnissen aus der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für die Zukunft getroffen wird. Dabei sind alle bei der Prognosestellung für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und Einfluss auf die zu beurteilenden Umstände haben. Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung; Grundlage der Prognose können daher nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erkennbare Umstände sein. Spätere Entwicklungen, die bei Beginn des entscheidungserheblichen Zeitraums noch nicht erkennbar waren, können eine Prognose weder bestätigen noch widerlegen.
Legt man den Ansatz zugrunde, ist der o.g. „Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides“ hier jedoch nicht der Zeitpunkt des Erlasses des endgültigen Bescheids vom 8. November 2012. Auf den Zeitpunkt der bescheidmäßigen Entscheidung kann nur dann abgestellt werden, wenn die Verwaltung zeitnah zum gestellten Antrag entscheidet. Eine geringfügige Rückwirkung in Bezug auf den Zeitraum zwischen Antragstellung und Entscheidung durch die Behörde, die dadurch entsteht, dass man ihr das Recht einräumt, für eine Prognoseentscheidung ab Antragstellung auch Umstände mitzuberücksichtigen, die sich bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens ergeben, ist in derartigen Fällen hinnehmbar. Dies kann aber dann nicht gelten, wenn die Behörde wie hier die Beklagte erst mehrere Jahre nach Antragstellung entscheidet. Würde man in einem solchen Fall diesen Zeitpunkt der späten Entscheidung als maßgeblich erachten, würde man zur Zulässigkeit der vom Gesetzgeber – wie soeben dargelegt – gerade nicht gewünschten nachträglichen Feststellung der Versicherungspflicht anhand der tatsächlichen Verhältnisse an Stelle der tatsächlich normierten verbindlichen Feststellung im Vorhinein aufgrund einer Prognose gelangen. Bei einer erst rückwirkend nach Jahren erfolgenden endgültigen Feststellung der Versicherungspflicht nach vorheriger vorläufiger Entscheidung ist daher nach Auffassung des Senats also ähnlich wie bei der Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000, Az. B 10 KR 3/99 R, in juris) vielmehr nachträglich eine vorausschauende Betrachtungsweise anzuwenden.
Der Senat kann es dabei dahingestellt sein lassen, ob damit auf die Umstände abzustellen ist, die zu Beginn des strittigen Zeitraums, hier also am 1. Januar 2009, erkennbar waren (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000, Az. B 10 KR 3/99 R, in juris; ähnlich BSG, Urteil vom 23. April 2015, Az. B 5 RE 19/14 R, in juris, wonach auf den Beginn des jeweils zu beurteilenden Lebenssachverhalts auf der Basis der damals vorhandenen Erkenntnisstandes abzustellen ist) oder ob in Anlehnung an die Entscheidung des BSG vom 3. August 2016, Az. B 6 KA 20/15 R, in juris, alle erkennbaren Umstände bis zum Erlass der ersten bescheidmäßigen Entscheidung der Beklagten (hier die vorläufige Befreiung vom 12. Januar 2009) einzubeziehen sind, da im hier vorliegenden Fall insoweit keine Unterschiede bestehen.
3. Der Bescheid ist rechtswidrig und als den Kläger beschwerend aufzuheben, weil die Beklagte zu Unrecht festgestellt hat, der Kläger unterliege 2009 der Versicherungspflicht. Der Kläger hat im Rahmen der nach alledem vorzunehmenden Prognoseentscheidung einen Anspruch auf endgültige Befreiung von der Versicherungspflicht für diesen Zeitraum. Dementsprechend war die Beklagte auf die im Berufungsverfahren zulässig erhobene Verpflichtungsklage hin zu verpflichten, den Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 endgültig von der Versicherungspflicht zu befreien.
a) Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgenommene Erweiterung des Klageantrages ist gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Änderung der Klage anzusehen, da damit ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Unter eine derartige Erweiterung in der Hauptsache fällt der Übergang von der Anfechtungsklage zur Verpflichtungsklage (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 99 Rn. 4). Der Klagegrund ändert sich nicht, da der dem Klageantrag zu Grunde liegende Lebenssachverhalt unverändert bleibt. Nach wie vor ist streitig, ob der Kläger aufgrund seiner außerlandwirtschaftlichen Einkünfte versicherungspflichtig oder von der Versicherungspflicht zu befreien ist. Über die erweiterte Klage ist vom Senat erstinstanzlich zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 1992, Az. 4 RA 1/91, in juris Rn. 14 ff.).
Die erweiterte Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde gegen den angefochtenen Bescheid ein Widerspruchsverfahren durchgeführt.
b) Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf endgültige Befreiung von der Versicherungspflicht für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2009 zu, da im Rahmen der anzustellenden Prognoseentscheidung bei Zugrundelegung der zum 1. Januar 2009 mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand ermittelbaren Umstände die Annahme gerechtfertigt war, dass der Kläger auch im Jahr 2009 Arbeitseinkommen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft von mehr als 4.800.- Euro jährlich erzielen wird.
aa) Der Senat ist berechtigt, anstelle der insoweit untätig gebliebenen Beklagten eine Prognoseentscheidung zu treffen. Bei einer Prognoseentscheidung steht der Verwaltung kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu (Wagner in jurisPK – SGB I, 2. Auflage 2011, § 39 Rn. 34). Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung, die voll der gerichtlichen Prüfung unterliegt.
bb) Zu Beginn des Jahres 2009 (sowohl am 1. Januar 2009 als auch am 12. Januar 2009) war bereits der Steuerbescheid vom 16. November 2007 für das Steuerjahr 2006 ergangen, aus dem sich ein außerlandwirtschaftliches Einkommen des Klägers in Höhe von 17.500.- Euro ergab. Dieser Einkommensteuerbescheid lag der Beklagten zwar erst am 7. Januar 2009 tatsächlich vor, da der Kläger den Bescheid erst zu diesem Zeitpunkt übermittelt hat. Der Bescheid hätte aber objektiv bereits vor dem 1. Januar 2009 auf der Grundlage des § 31 a Abs. 1 Abgabenordnung iVm § 21 Abs. 4 SGB X von der Beklagten beigezogen und damit die darin enthaltenen Daten zum außerlandwirtschaftlichen Einkommen des Klägers ermittelt werden können. Gemäß § 21 Abs. 4 SGB X haben die Finanzbehörden, soweit es in Verfahren nach dem SGB X erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen. Eine entsprechende Anfrage an die Steuerverwaltung wäre zur Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben der Beklagten in der Form der Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht erforderlich gewesen.
cc) Dass der Ende 2008 zur Verfügung stehende Einkommensteuerbescheid sich auf das Jahr 2006 und nicht auf das Jahr 2007 bezog, spricht nicht entscheidend dagegen, die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 getroffenen Feststellungen zu einer der wesentlichen Grundlagen für eine Prognoseentscheidung für das Jahr 2009 zu machen. Zwar verlieren Einkommensteuerbescheide an Bedeutung für die Erstellung einer Prognoseentscheidung, je länger sie zurückliegen. Dabei sind aber die tatsächlichen Gegebenheiten bei der Erstellung von Einkommensteuerbescheiden gerade gegenüber Selbstständigen zu berücksichtigen. Ende 2008 konnte der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 notwendigerweise noch nicht vorliegen. Der Einkommensteuerbescheid für 2007 ist erst am 24. September 2009 ergangen und konnte damit Ende 2008 ebenfalls noch nicht ermittelt werden. Gerade bei Selbstständigen liegen in aller Regel zum Ende des Jahres erst Steuerbescheide für das vorvergangene Jahr vor. Zwar endet die Abgabefrist der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 grundsätzlich zum 31. Mai 2008, kann aber bis 30. September verlängert werden. Bei Steuerpflichtigen, die die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch nehmen, verlängert sich die Frist zudem bis zum 31. Dezember 2008. Hinzu kommt die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Einkommensteuerbescheiden von 8-10 Wochen, die bei Selbstständigen aufgrund der komplexeren Sachverhalte oftmals überschritten wird. Daher ist es vertretbar, bei einer Prognoseentscheidung, die mit dem Kenntnisstand Ende 2008 zu treffen ist, den Einkommensteuerbescheid 2006 zur maßgeblichen Grundlage zu machen.
Darüber hinaus hat der Kläger zugleich mit Schreiben vom 7. Januar 2009 erklärt, der Beklagten bereits mitgeteilt zu haben, hauptberuflich als Rechtsanwalt selbstständig zu sein. Er hat damit ersichtlich auf das Telefonat vom 12. August 2008 Bezug genommen. In der entsprechenden Gesprächsnotiz der Beklagten ist dort auch vermerkt, dass der Kläger bereits damals angegeben habe, hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig zu sein, wenn auch nicht als Vollzeitbeschäftigung. Die Grenze von 4.800.- Euro werde aber überschritten.
Bereits zum Zeitpunkt Ende 2008 bestand – bei Mitberücksichtigung des bereits ergangenen und damit ermittelbaren Einkommensteuerbescheids für 2006 – kein Anlass, an dieser Eigenerklärung des Klägers zu zweifeln. Es lagen keinerlei Hinweise vor, die den Verdacht begründen könnten, die Angaben des Klägers seien nicht zutreffend. Das letzte durch Einkommensteuerbescheid festgestellte außerlandwirtschaftliche Einkommen mit 17.500.- Euro lag sogar sehr deutlich über der maßgeblichen Grenze von 4.800.- Euro. Auch hat der Kläger angegeben, hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig zu sein. Der Hinweis auf die Hauptberuflichkeit und auch auf die Art der verrichteten Tätigkeit als Rechtsanwalt spricht für die Prognose, dass mittels einer derartigen Tätigkeit Einkünfte oberhalb dieser Grenze erzielt werden. Aus einer hauptberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt lassen sich regelmäßig Einkünfte erwarten, die 4.800.- Euro im Jahr übersteigen.
dd) Das zur Grundlage der Prognose gemachte außerlandwirtschaftliche Einkommen des Klägers wurde von ihm auch regelmäßig, also mit hinreichender Stetigkeit, Dauer und Gesetzesmäßigkeit erzielt. Insoweit kommt es auf die Art und Weise der Zahlung an (BSG, Urteil vom 16. Oktober 2002, Az. B 10 LW 5/01 R, in juris Rn. 20). Die Angaben des Klägers zu seinen Einkünften legen es nahe, dass diese nicht wie bei einem abhängig Beschäftigten in regelmäßig monatlichen Abständen in bestimmter Höhe zugehen. Vielmehr werden dem Kläger in unregelmäßigen Abständen Beträge in unterschiedlicher Höhe in Abhängigkeit von der Fälligkeit der einzelnen Vergütungsansprüche und der Zahlungsmoral seiner Mandanten gutgeschrieben. Dies steht nach Auffassung des Senats der Annahme eines regelmäßigen Arbeitseinkommens im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG aber nicht entgegen. In der soeben genannten Entscheidung hat das BSG bei einem monatlich geleisteten Arbeitsentgelt diesen Monatsrhythmus für die Frage eines regelmäßigen Bezuges bestimmend erachtet. Dies lässt sich jedoch nicht auf die Verhältnisse eines freiberuflichen Rechtsanwalts übertragen. Bei Selbstständigen ist das Arbeitseinkommen fast immer schwankend (BSG, Urteil vom 27. Juli 2011, Az. B 12 R 15/09 R, in juris). Bei in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert selbständig Tätigen wird aus diesem Grunde aus den regelmäßigen Einnahmen über einen längeren Zeitraum ein Monatsbetrag ermittelt (BSG, a.a.O.). Dies lässt es als gerechtfertigt erscheinen, auch im Rahmen der Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte für die auf das Jahr bezogene Prognose von dem bekannten letzten Jahreseinkommen auszugehen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. März 2015, Az. L 22 LW 3/13, in juris Rn. 43). Diese einzig praktikable Vorgehensweise wendet die Beklagte letztlich auch selbst an, freilich nicht im Rahmen der gebotenen Prognoseentscheidung, sondern des nachgängigen Vergleichs des Jahres-Isteinkommens mit der maßgeblichen Grenze von 4.800.- Euro.
ee) Innerhalb des maßgeblichen Zeitraums 1. Januar bis 31. Dezember 2009 haben sich schließlich auch keine Umstände ergeben, die eine unterjährige zukunftsgerichtete Korrektur dieser Prognose („solange“) erfordern würden. Am 24. September 2009 hat das Finanzamt A-Stadt I Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 20.000.- Euro auf der Basis einer Schätzung festgesetzt. Diese Festsetzung rechtfertigt es, auch über den 24. September 2009 hinaus bis zum Ende des strittigen Zeitraums am 31. Dezember 2009 von der Prognose auszugehen, dass die außerlandwirtschaftlichen Einkünfte des Klägers die Grenze von 4.800.- Euro überschreiten, mit der Folge, dass der Befreiungsanspruch des Klägers weiterhin bis zum Ende des streitbefangenen Zeitraums 31. Dezember 2009 besteht. Auch angesichts der vom Kläger für den Senat glaubwürdig geschilderten Besonderheiten seiner Einkommenserzielung (Ist-Versteuerer, lukrative Mandate erst kurz vor Jahresschluss mit Zahlung eines Vorschusses) ist kein Ansatzpunkt ersichtlich, vor dem 1. Januar 2010 zu einer anderen Prognoseentscheidung zu gelangen.
ff) Nach alledem ist eine Prognoseentscheidung geboten, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2009 mit seinem regelmäßigen außerlandwirtschaftlichen Arbeitseinkommen die Grenze von 4.800.- Euro übersteigen wird. Diese Prognose wird nicht dadurch falsch, dass aus dem im Jahr 2012 ergangenen Einkommensteuerbescheid für 2009 ein Einkommen des Klägers aus selbständiger Arbeit nur von 2.561.- Euro hervorgeht. Die mit dem Wissensstand Ende 2008 zu treffende Prognoseentscheidung ließ nicht die Annahme zu, der Kläger werde im Jahr 2009 nur ein derartiges Einkommen aus selbständiger Arbeit erzielen. Dass sich dies rückblickend tatsächlich anders entwickelt hat, macht die ursprünglich zu treffende anderslautende Prognoseentscheidung nicht unzutreffend.
Auf die Berufung des Klägers hin waren damit das Urteil des SG sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 8. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2013 aufzuheben sowie auf seine Klage hin die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von der Versicherungspflicht für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 endgültig zu befreien.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger erfolgreich war.
Die Revision war aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

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