Sozialrecht

Berechnung des Elterneinkommens für BAföG-Bezug bei Arbeitslosigkeit bzw. Vorruhestand

Aktenzeichen  AN 2 K 15.00172

Datum:
7.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 15 Abs. 1, § 21, § 46 Abs. 3
VwGO VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, Nr. 7, § 113 Abs. 5, § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

Allein der Zeitpunkt des Eingangs des Formblatts im Sinne von § 46 Abs. 3 BAföG führt zum Beginn der Förderung für den Antragsmonat nach § 15 Abs. 1 BAföG. Die schriftliche Mitteilung an das Amt für Ausbildungsförderung, weiter Ausbildungsförderung beziehen zu wollen, reicht hierfür nicht aus.  (red. LS Clemens Kurzidem)
Bezieht ein Elternteil eines BAföG-Empfängers ein Vorruhestandsgehalt, wird dieses abweichend von der steuerrechtlichen Behandlung im Ausbildungsförderungsrecht nach § 21 Abs. 1 S. 5 BAföG in vollem Umfang als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit angerechnet. (red. LS Clemens Kurzidem)
Der pauschalierte Abzug von Sozialausgaben im Rahmen der Einkommensermittlung erfordert die Zuordnung des Einkommensbeziehers zu einer der Gruppen des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 – 4 BAföG. Von der Zuordnung, die in der Reihenfolge der Nr. 1 – 4 zu prüfen ist, werden sämtliche Einkunftsarten in gleicher Weise erfasst. (red. LS Clemens Kurzidem)
§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BAföG stellt seinem eindeutigen Wortlaut nach nicht auf den Eintritt in den Ruhestand, sondern das Erreichen des Ruhestandsalters ab. (red. LS Clemens Kurzidem)
Der Begriff des „Nichtarbeitnehmers“ in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BAföG erfasst Personen nicht, die nicht (mehr) aktiv erwerbswirtschaftlich tätig sind, sondern grenzt – zur Nr. 1 des § 21 Abs. 2 S. 1 BAföG – lediglich die selbstständig Tätigen von den abhängig Tätigen (Angestellten) im Sinne des Arbeitsrechtes ab. Diese Auslegung folgt aus der Systematik des § 21 Abs. 2 S. 1 BAföG und der Formulierung in der dortigen Nr. 4, die die „sonstigen Nichterwerbstätigen“ erfasst sowie Personen im Ruhestandsalter, die nicht erwerbstätig sind. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Verpflichtungsklage auf Gewährung von zusätzlicher Ausbildungsförderung für die Bewilligungszeiträume 10.2012 bis 9.2013 und 11.2013 bis 9.2014 ist zulässig, jedoch nicht begründet und deshalb abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf über die Festsetzungen in den Bescheiden vom 27. Januar 2014 und 30. Januar 2014 hinausgehende Ausbildungsförderung, § 113 Abs. 5 VwGO.
Da der von der Klägerin am 26. September 2012 unterzeichnete Formblattantrag beim Beklagten erst am 2. Oktober 2012 einging und der am 24. Oktober 2013 unterzeichnete Formblattantrag den Beklagten erst am 5. November 2013 erreichte, konnte Ausbildungsförderung erst ab Oktober 2012 und erst wieder ab November 2013 (und nicht für Oktober 2013) gewährt werden, weil Ausbildungsförderung nach § 15 Abs. 1 BAföG frühestens vom Beginn des Antragsmonats an geleistet wird und der Antrag erst mit Eingang des unterzeichneten Formblatts bei der Bewilligungsbehörde gestellt ist. Das Formblatterfordernis ergibt sich dabei aus § 46 Abs. 3 BAföG. Sonstige, auch schriftliche Mitteilungen stellen keinen wirksamen Antrag dar. Das Schreiben der Klägerin vom 26. September 2013 verhinderte die Förderungslücke für den Monat Oktober 2013 somit nicht.
Für den Bewilligungszeitraum 10.2012 bis 9.2013 wurde die Förderung mit einem Betrag von monatlich 221,00 EUR korrekt festgesetzt. Das Einkommen des Vaters der Klägerin wurde zu Recht auf der Basis des Steuerbescheides 2010 der Eltern der Klägerin angesetzt. Darin sind Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 12.398,00 EUR (abgezogen bereits Sparer-Pauschbetrag) und sonstige Einkünfte aus Leibrenten in Höhe von 1.326,00 EUR (abgezogen ebenfalls bereits die Werbungskostenpauschale) ausgewiesen. Die Einkünfte aus Leibrenten resultieren dabei aus dem Vorruhestandsgehalt in Höhe von 2.380,00 EUR, das abweichend von der steuerrechtlichen Behandlung im Ausbildungsförderungsrecht in vollem Umfang (und nicht nur für den zu versteuernden Anteil) als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit gilt, § 21 Abs. 1 Satz 5 BAföG. Die Behandlung des Vorruhestandsgehalts erfolgte dabei entsprechend der in Tz. 21.1.36 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföGVwV) festgelegten Handhabung, ohne dass Rechts- oder Rechenfehler erkenntlich wären.
Von den sich so ergebenden 13.855,00 EUR wurde korrekt eine Sozialpauschale gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 BAföG in Höhe von 14,4% (1.995,12 EUR) abgezogen. Der Abzug von Sozialabgaben erfolgt stets pauschaliert entsprechend einer der Gruppen des § 21 Abs. 2 BAföG und nicht entsprechend der tatsächlich geleisteten Abgaben. Nach § 21 Abs. 2 Satz 2 BAföG ist jeder Einkommensbezieher nur einer der Gruppen der Nrn. 1 bis 4 des Satzes 1 zuzuordnen, so dass für sämtliche Einkommensarten einheitlich die gleiche Sozialpauschale anzusetzen ist. Die korrekte Zuordnung gibt sich nach § 21 Abs. 2 Satz 3 BAföG durch eine Prüfung in der Reihenfolge der Nrn. 1 bis 4.
Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass eine Einordnung unter die Nr. 1 (Sozialpauschale von 21,3%) nicht in Frage kam, weil der Vater der Klägerin im ganzen Jahr 2010 nicht als aktiver Arbeitnehmer tätig war. In der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2016 bestätigte die Klägerin, dass ihr Vater zwar angestellter Arzt, aber 2010 zunächst arbeitslos und dann im Vorruhestand gewesen ist. Dieser Sachverhalt wird auch durch die Bescheinigungen der Ärzteversorgung … vom 16. November 2010 und der Bundesagentur für Arbeit vom 20. März 2010 belegt.
Die folglich zu prüfende Nr. 2 des § 21 Abs. 2 Satz 1 BAföG sieht eine Sozialpauschale in Höhe von 14,4% nur für (aktive) Arbeitnehmer und für Personen im Ruhestandsalter vor. Das Ruhestandsalter richtet sich dabei nach § 235 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), der für im Jahr 1948 geborene Personen wie den Vater der Klägerin ein Alter von 65 Jahren und 2 Monaten festlegt. Dieses Alter hatte der Vater der Klägerin im Jahr 2010 noch nicht erreicht; er war vielmehr erst 61 bzw. 62 Jahre alt. Da § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG von seinem eindeutigen Wortlaut her nicht auf den Ruhestand selbst, sondern auf das Ruhestandsalter abstellt, kommt eine Einordnung hierunter nicht in Betracht.
Unter Nr. 3 des § 21 Abs. 2 Satz 1 BAföG (mit einer Sozialpauschale in Höhe von 37,3%) kann der Vater der Klägerin ebenfalls nicht eingeordnet werden, weil er 2010 nicht aktiv gearbeitet hat. Hierunter fallen auch im Ruhestand oder während ihrer Arbeitslosigkeit geringfügig Beschäftigte, was die Klägerin für ihren Vater in der mündlichen Verhandlung aber verneinte und sich auch aus den Akten nicht ergibt. Vorwiegend fallen hierunter aber selbstständig Tätige, insbesondere Gewerbetreibende oder Freiberufler, also Erwerbstätige, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Der Begriff des „Nichtarbeitnehmers“ in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG meint jedoch nicht Personen, die gar nicht (mehr) erwerbswirtschaftlich tätig sind, sondern grenzt – zur Nr. 1 des § 21 Abs. 2 Satz 1 BAföG – lediglich die selbstständig Tätigen von den abhängig Tätigen (Angestellten) im Sinne des Arbeitsrechtes ab. Diese Auslegung ergibt sich aus der Systematik des § 21 Abs. 2 Satz 1 BAföG und der Formulierung in der dortigen Nr. 4, die die „sonstigen Nichterwerbstätigen“ erfasst sowie Personen im Ruhestandsalter, die nicht erwerbstätig sind. Das BAföG unterscheidet damit klar zwischen dem arbeitsrechtlich definierten Begriff des Arbeitnehmers und des darüber hinausgehenden Begriffes des Erwerbstätigen und führt zwingend zu dem Schluss, dass nicht (wenigstens geringfügig) arbeitende Personen unter die Nr. 4 einzuordnen sind.
Dass der Beklagte nach den Ausführungen des Widerspruchsbescheids § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG statt § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BAföG für einschlägig erachtet hat, wirkt sich im Ergebnis nicht aus, da betragsmäßig korrekt eine Sozialpauschale in Höhe von 14,4% angesetzt worden ist.
Weiter wurde als Einkommen des Vaters zu Recht das von ihm bezogene Arbeitslosengeld angerechnet. Die Berücksichtigung ergibt sich aus § 21 Abs. 3 Nr. 4 BAföG. Beim Arbeitslosengeld handelt es sich um eine Einnahme, die zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt ist und die in § 1 Nr. 1a BAföG-Einkommensverordnung i. V. m. § 3 Abs. 4 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) aufgenommen ist. Nicht in Anschlag gebracht wurden die weiteren Leistungen der Bundesagentur für Arbeit an die Sozialversicherungsträger. Vielmehr wurde lediglich das an den Vater ausgezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 5.689,80 EUR angesetzt. Eine Sozialpauschale ist insoweit nicht abzurechnen (Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Bd. 2, Stand März 2015, § 21 Rn. 21).
Die Einkommensfestsetzung für den Vater der Klägerin war somit in jeder Hinsicht korrekt. Sonstige Fehler sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht gerügt. Es ergibt sich damit zu Recht ein monatlicher Förderbetrag von 221,00 EUR für die Klägerin.
Das Gleiche gilt auch für den Bewilligungszeitraum 11.2013 bis 9.2014. Auch hier wurde das Einkommen des Vaters der Klägerin aus Kapitalerträgen und dem Vorruhestandsgehalt korrekt unter Abzug einer Sozialpauschale in Höhe von 14,4% angesetzt. Ein Einkommen nach § 21 Abs. 3 BAföG wurde nicht veranschlagt. Damit errechnete sich rechtsfehlerfrei ein monatlich anzurechnendes elterliches Einkommen in Höhe von 449,00 EUR und eine Förderung von monatlich 30,00 EUR für die Klägerin.
Formal kann es dahinstehen, ob die Festsetzung letztlich auf dem Bescheid vom 30. Januar 2014 beruht und dieser den Bescheid vom 27. Januar 2014 insoweit ersetzt oder ob der Bescheid vom 30. Januar 2014 den Bescheid vom 27. Januar 2014 unberührt gelassen und die Festsetzung lediglich wiederholt hat. Jedenfalls wurde die Förderhöhe eindeutig bestimmt und mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2015 bestätigt.
Die Klage war somit insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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