Sozialrecht

Dienstunfall mit dem Dienstfahrrad –  Innenmeniskusläsion am Knie als weitere Dienstunfallfolge

Aktenzeichen  14 B 15.1196

Datum:
13.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG BeamtVG § 31, § 35
VwGO VwGO § 173 S. 1
GG GG Art. 103 Abs. 1
ZPO ZPO § 227

 

Leitsatz

Ein erheblicher Grund für eine Vertagung der Verhandlung von Amts wegen ergibt sich nicht aus der Rüge der Behörde in der Verhandlung, sie habe noch keine Kenntnis von den vom Sachverständigen beigezogenen Unterlagen, wenn bereits vor der Verhandlung hinreichend Zeit zur Einsicht in die Unterlagen bestand. Denn eine ungenügende Vorbereitung ist kein erheblicher Vertagungsgrund (§ 227 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO). (redaktioneller Leitsatz)
Die bestandskräftige Feststellung in einem Bescheid zu den Dienstunfallfolgen, eine Vorschädigung des Innenmeniskus am rechten Kniegelenk habe nicht vorgelegen, entfaltet sowohl für die Behörde als auch für das Gericht Bindungswirkung dahin, dass weder eine degenerative Veränderung noch ein möglicher weiterer Unfall zeitlich vor dem Dienstunfall als mögliche (Mit-)Ursache der Innenmeniskusläsion zu prüfen sind.  (redaktioneller Leitsatz)
Ein sog. isolierter Meniskusriss kann durch einen Sturz beim Anfahren mit dem Fahrrad durch Verwindung des gebeugten Kniegelenks (Drehsturz, Verdrehen des Knies) verursacht worden sein. Eine solche Verletzung ist nicht nur dann möglich, wenn ein Drehsturz mit fixiertem Unterschenkel stattgefunden hat. (redaktioneller Leitsatz)
Ein Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich (§ 35 Abs. 1 BeamtVG) besteht nicht, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit zu keinem Zeitpunkt über 20 v.H. lag und damit die in der Rechtsprechung (VGH München BeckRS 2016, 41746) geforderte wesentliche Minderung von 25 v.H. nicht erreicht. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 11 K 13.473 2013-10-23 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Soweit der Kläger seine Klage (Anerkennung eines Anrisses an Quadrizeps- und Patellasehne als weitere Dienstunfallfolge) zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Oktober 2013 unwirksam geworden.
II.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach und unter Abänderung des Bescheids der Unfallkasse Post und Telekom vom 6. Juni 2012 in der Fassung der Bescheide vom 31. Oktober 2012 und 30. Januar 2013 wird die Beklagte verpflichtet, als weitere Folge des Dienstunfalls vom 30. Januar 2012 eine „Innenmeniskusläsion am rechten Knie“ anzuerkennen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III.
Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Kläger drei Viertel, die Beklagte ein Viertel. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat, soweit sie noch anhängig ist, nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
Der Senat konnte trotz der am Ende der mündlichen Verhandlung am 6. September 2016 vom Vertreter der Beklagten erhobenen Rüge, der gerichtlich bestellte Sachverständige habe Unterlagen beigezogen, die ihm – dem Vertreter – noch nicht zur Kenntnis gebracht worden seien, abschließend entscheiden. Die Voraussetzungen für eine Vertagung der Verhandlung von Amts wegen – der Vertreter der Beklagten hat keinen entsprechenden Antrag gestellt – lagen nicht vor. Eine Verhandlung kann aus erheblichen Gründen vertagt werden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach Satz 2 Nr. 2 letzterer Vorschrift ist mangelnde Vorbereitung einer Partei kein erheblicher Grund, soweit dies nicht genügend entschuldigt wird.
Vorliegend wurde das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen vom 30. November 2015 der Beklagten mit Schreiben des Senats vom 7. Dezember 2015 zur Kenntnisnahme und mit der Bitte übersandt, eine mögliche Abhilfe zu überprüfen. In diesem Gutachten waren die vom Sachverständigen beschafften und bewerteten Unterlagen im Einzelnen nach Gegenstand und Datum aufgeführt. Zudem hatte der Sachverständige darauf hingewiesen, dass er diese Unterlagen der Gerichtsakte beigefügt hat.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), dessen Gewährleistung § 227 ZPO dient, verpflichtete den Senat vorliegend nicht zu einer Vertagung der Verhandlung. Die Beklagte hatte seit Dezember 2015 ausreichend Gelegenheit, sich zu den vom Sachverständigen beigezogenen Unterlagen zu äußern. Sie hat wiederholt – mit Schreiben vom 29. Januar 2016 unter Beifügung einer Stellungnahme ihres ärztlichen Beraters sowie mit Schreiben vom 18. April 2016 – zum Gutachten des Sachverständigen einschließlich der Ergänzungen Stellung genommen. Zu keinem Zeitpunkt hielt es die Beklagte für erforderlich, Akteneinsicht zu beantragen oder um die Zusendung der vom Gutachter beigezogenen Unterlagen zu bitten. Entsprechendes gilt für den zweimonatigen Zeitraum zwischen Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2016 und der mündlichen Verhandlung am 6. September 2016. Soweit ihr die Notwendigkeit der Einsicht in die ärztlichen Unterlagen erst in der mündlichen Verhandlung aufgefallen sein sollte, ist dies als prozessuale Nachlässigkeit zu werten, die keinen erheblichen Grund für eine Vertagung darstellt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 227 Rn. 17). Die vom Beklagtenvertreter vorgetragenen Unzulänglichkeiten beim Übergang der Zuständigkeiten von der Unfallkasse Post und Telekom auf die BG Verkehr (zum 1. Januar 2016) konnten angesichts des verstrichenen Zeitraums keine Auswirkungen mehr haben und sind als Entschuldigungsgrund nicht geeignet.
II.
Hinsichtlich der vom Kläger zunächst begehrten Anerkennung eines Anrisses an Quadrizeps- und Patellasehne als weitere Folge des Dienstunfalls vom 30. Januar 2012 hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 6. September 2016 die Klage mit Einwilligung der Beklagten zurückgenommen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO). Diesbezüglich war das Verfahren einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2013 für unwirksam zu erklären, § 92 Abs. 3, § 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
III.
Soweit die Berufung noch anhängig ist, ist sie zulässig, aber nur teilweise begründet. Hinsichtlich der vom Kläger begehrten Anerkennung der Innenmeniskusläsion am rechten Knie als weitere Folge des Dienstunfalls vom 30. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung einer „Innenmeniskusläsion am rechten Knie“ als weitere Folge des Dienstunfalls vom 30. Januar 2012 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts war entsprechend abzuändern (hierzu unter 1.). Soweit der Kläger die Gewährung von Unfallausgleich begehrt, hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen (hierzu unter 2.).
1. Der Dienstunfall vom 30. Januar 2012 hat eine „Innenmeniskusläsion am rechten Knie“ als Körperschaden verursacht, der als (weitere) Folge des Dienstunfalls anzuerkennen ist (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG).
a) Der Fahrradunfall des Klägers wurde mit Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2012 als Dienstunfall mit den Unfallfolgen „leichte Prellung des rechten Unterschenkels und leichte Distorsion des rechten Kniegelenks“ anerkannt. Für die Frage der kausalen Verknüpfung zwischen Unfallereignis und (weiterem) Körperschaden (hier: Innenmeniskusläsion am rechten Knie) ist die von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der wesentlichen Verursachung bzw. der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache maßgeblich. Hiernach sind (mit-) ursächlich für einen eingetretenen Körperschaden nur solche Bedingungen im natürlichlogischen Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 81.08 – ZBR 2011, 35 Rn. 9; U.v. 1.3.2007 – 2 A 9.04 – Schütz BeamtR ES/C II 3.5 Nr. 16 Rn. 8). Als wesentliche Ursache kann auch ein Ereignis in Betracht kommen, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder beschleunigt, wenn ihm im Verhältnis zu den anderen denkbaren Ursachen nach natürlicher Betrachtungsweise eine überragende oder zumindest annähernd gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Schadens zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.1999 – 2 B 117.98 – juris Rn. 4). Umgekehrt ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen der „letzte Tropfen“ war, der das „Fass zum Überlaufen“ brachte. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der Vorschädigung) derart zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist (st. Rspr., vgl. bereits BVerwG, U.v. 20.4.1967 – II C 118.64 – BVerwGE 26, 332/339 f.; vgl. weiter BayVGH, B.v. 4.12.2014 – 14 ZB 12.2449 – juris Rn. 6 m. w. N.).
Nicht ursächlich im Sinn des Gesetzes sind demnach die sogenannten Gelegenheitsursachen, d. h. solche Bedingungen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Letzteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (vgl. BVerwG, B.v. 8.3.2004 – 2 B 54.03 – juris Rn. 7). Der im Dienstunfallrecht maßgebliche Ursachenbegriff soll zu einer dem Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge entsprechenden sachgerechten Risikoverteilung führen. Der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, B.v. 23.10.2013 – 2 B 34.12 – juris Rn. 8).
Alle Tatbestandsvoraussetzungen für die geltend gemachten Unfallfolgen müssen zur Überzeugung der Behörde und des Gerichts vorliegen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Ein Anspruch ist nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 4.4.2011 – 2 B 7.10 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 4.12.2014 – 14 ZB 12.2449 – juris Rn. 7).
b) Dies zugrunde gelegt steht für den Senat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Dienstunfall vom 30. Januar 2012 im oben genannten Sinn kausal war für den vom Kläger erlittenen Körperschaden, die Innenmeniskusläsion am rechten Knie. Der Senat schließt sich insoweit den nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen sowie seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung an. Hinsichtlich der Frage, ob ggf. degenerative Vorschädigungen zum Entstehen des Körperschadens beigetragen haben, ist der Senat schon an die im Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2012 in Nr. 1 des Tenors getroffene Feststellung, eine Vorschädigung des Innenmeniskus am rechten Kniegelenk habe nicht vorgelegen, gebunden. Abgesehen davon waren nach den Ausführungen des Sachverständigen auch keine degenerativen Vorschädigungen ersichtlich, ebenso wenig wie Anhaltspunkte für die von der Beklagten eingewandte mögliche Schädigung des Meniskus durch einen anderweitigen Unfall (vgl. hierzu unter aa). Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, dass der vom Kläger geschilderte Bewegungsablauf bei dem Unfall mit dem Dienstfahrrad geeignet war, die isolierte Meniskusläsion herbeizuführen (bb).
aa) Die Beklagte hat nach dem Erhalt eines korrigierten zweiten Berichts über die Operation vom 21. März 2012, in dem im Gegensatz zum ersten Bericht über die Operation keine Anhaltspunkte für Vorschädigungen am Knie enthalten waren, den Bescheid vom 6. Juni 2012 dahingehend abgeändert, dass eine Vorschädigung des Innenmeniskus am rechten Kniegelenk nicht vorgelegen habe. Diese in Nr. 1 des Tenors des Bescheids vom 31. Oktober 2012 enthaltene Aussage hat den Rechtscharakter einer feststellenden Regelung (§ 35 VwVfG), der Tatbestandswirkung zukommt (vgl. zur Tatbestandswirkung BVerwG, U.v. 30.1. 2003 – 4 CN 14.01 – BVerwGE 117, 351). Mit diesem im Tenor enthaltenen Ausspruch, der in der Begründung auf den korrigierten Arztbericht gestützt wird, hat die Beklagte verbindlich festgestellt, dass eine Vorschädigung des Innenmeniskus am rechten Knie nicht vorgelegen hat. Dieser Feststellung kommt Bindungswirkung dahingehend zu, dass weder das Vorliegen einer degenerativen Veränderung noch ein von der Beklagten thematisierter möglicher weiterer Unfall zeitlich vor dem Dienstunfall vom 30. Januar 2012 als mögliche (Mit-)Ursache der Innenmeniskusläsion am rechten Knie zu prüfen sind. Die der im Bescheid vom 31. Oktober 2012 enthaltenen Feststellung innewohnende Bindungswirkung haben die Behörde und auch der Senat zu beachten. Ungeachtet seiner Unabhängigkeit ist ein Gericht an Akte der Exekutive gebunden, soweit diese eine rechtliche Regelung enthalten und nicht selbst Gegenstand seiner gerichtlichen Überprüfung sind. Dies folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG und § 43 VwVfG. Ein (rechtswirksamer) Verwaltungsakt ist daher grundsätzlich von allen Staatsorganen zu beachten und ihren Entscheidungen als gegeben zugrunde zu legen.
Abgesehen davon und ohne dass es noch darauf ankäme, liegen nach Überzeugung des Senats auch keine Anhaltspunkte für anderweitige Schädigungen des Innenmeniskus vor, etwa aufgrund degenerativer Prozesse oder anderer Unfälle. Nach den überzeugenden, schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen ergeben sich nämlich – unabhängig von den beiden Versionen des OP-Berichts – weder aus dem Befund zur Kernspintomographie vom 13. Februar 2012 noch aus dem Bericht über die Arthroskopie vom 17. Dezember 2013 (anlässlich einer erneuten Knieoperation wegen Verwachsungen des Narbengewebes) Hinweise auf Knorpelschäden oder Meniskusvorschädigungen, die die Beurteilung des Dienstunfalls als wesentliche Ursache des vom Kläger erlittenen Körperschadens in Frage stellen könnten.
Der Sachverständige hat unter Auswertung der beim Kläger erhobenen ärztlichen Befunde und unter Darlegung des wissenschaftlichen Meinungsstands zu geeigneten Unfallereignissen ausgeführt, dass die Innenmeniskusläsion mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch das Unfallgeschehen am 30. Januar 2012 verursacht worden ist (S. 4 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Durch den vom Kläger beschriebenen Unfallhergang könne genau ein Schaden im Bereich des Vorderhorns des Meniskus entstehen, während degenerative Schäden typischerweise am Hinterhorn auftreten würden (S. 3 und 4 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Das Vorliegen einer Innenmeniskusläsion lasse sich aufgrund der Kernspintomografie des rechten Kniegelenks vom 13. Februar 2012 nachweisen, die einen kleinen Längsriss des Innenmeniskusvorderhorns beschreibe (S. 11 und 19 des Sachverständigengutachtens vom 30.11.2015, im Folgenden: Gutachten). Die Kernspintomographie zeige keine konkurrierenden Ursachen für die Meniskusschädigung, insbesondere kein Knochenödem (Hinweis auf Quetschung), keine Kreuzbandruptur (gehe mit instabilitätsbedingten Meniskusläsionen einher), keine ältere Innenmeniskusläsion (insbesondere des Hinterhorns) und keine Knorpelschäden (insbesondere innenseitig). Auch die im Klinikum N… am 17. Dezember 2013 durchgeführte Arthroskopie spreche gegen Vorschädigungen, da auch hier – von milden Knorpelveränderungen an der Kniescheibenrückseite abgesehen – keine Knorpelschäden gefunden worden seien (S. 20 des Gutachtens). Meniskusschäden hätten sich ebenfalls nicht gezeigt. Der Tatsache, dass der Kläger nach dem Dienstunfall nicht sofort den Dienst beendet hätte, sondern erst im Laufe des Nachmittags nach Rückfahrt nach R., kommt kein Erkenntnisgewinn zu. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei die Verletzung zwar schwerwiegend und verursache unmittelbar nach ihrer Entstehung Schmerzen, sie sei jedoch nicht unmittelbar immobilisierend (S. 13 des Gutachtens).
Die von der Beklagten alternativ thematisierte (Vor-)Schädigung durch einen anderweitigen Unfall wurde nicht näher substantiiert und stellt eine reine Spekulation dar. Der Sachverständige konnte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lediglich ausschließen, dass anderweitige traumatische Schäden im Zeitraum zwischen der Kernspintomographie vom 13. Februar 2012 und der Operation am 21. März 2012 stattgefunden haben, weil die entsprechenden Befunde in Übereinstimmung zu bringen sind (S. 3 und 4 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Traumatische Schäden Wochen vor dem Dienstunfall konnte er zwar nicht ausschließen, als lediglich theoretische Möglichkeit liegen diese aber außerhalb der zu berücksichtigenden Wahrscheinlichkeit. Anderenfalls könnte ein Kläger kaum je der ihm obliegenden Beweis- und Feststellungslast genügen. Laut Aussage des Sachverständigen könne das Vorliegen eines traumatischen Vorschadens nur durch ein kurz vor dem Dienstunfall gefertigtes MRT ausgeschlossen werden (S. 4 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Gerade wenn kein entsprechendes Ereignis stattgefunden hat, dürfte aber in der Regel kein Anlass bestehen, ein MRT durchführen zu lassen.
bb) Für den Senat steht auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der vom Kläger geschilderte Unfallhergang entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Beklagten geeignet war, die Innenmeniskusläsion am rechten Knie herbeizuführen. Der Senat folgt den überzeugenden, schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 30. November 2015, der Ergänzung vom 6. März 2016 sowie seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung.
Der Sachverständige hat unter Darlegung der einschlägigen medizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 618 ff.) ausgeführt, dass ein sog. isolierter Meniskusriss – ein Meniskusriss ohne begleitende Fraktur oder Innenbandläsion – durch die Verwindung des gebeugten Kniegelenks entstehen kann (Drehsturz, Verdrehen des Knies). Ursächlich dafür sind die passive Rotation des gebeugten Kniegelenks oder die plötzliche passive Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels bei gleichzeitiger Verhinderung der physiologischen Schlussrotation (vgl. S. 15 ff. des Gutachtens sowie Ergänzung vom 6. März 2016). In Frage kommen hierbei (unter anderem) fluchtartige Ausweichbewegungen unter Drehung des Oberkörpers bei fixiertem Fuß oder ein Sturz bei fixiertem Fuß des Standbeins. Der Verletzungsmechanismus wird bei gebeugtem Kniegelenk durch – mit Kraft ausgeführten – Rotationen (Drehungen) zwischen Unterschenkel und Oberschenkel bewirkt. Dies tritt ein, wenn bei feststehendem Fuß der Unterschenkel dem Drehschwung des Körpers nicht folgen kann oder bei fixiertem Oberschenkel der Unterschenkel gewaltsam, vom Muskelbandapparat unkontrolliert, übermäßig gedreht wird. Die passive Rotation des gebeugten Kniegelenks verursacht den Meniskusriss. Auch eine Kombination dieses Mechanismus mit einer plötzlichen Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels kommt in Frage (Drehsturz). Auch hier ist vom Mechanismus her ein fixierter Unterschenkel erforderlich, der verhindert, dass das Knie bei der Streckung seine physiologische Rotation (sog. Schlussrotation) ausführen kann. Erforderlich für die Verletzung ist, dass die maximalen Streckungen plötzlich, sehr schnell, reflektorisch aus gewissen Rotationsstellungen des Unter- zum Oberschenkel heraus erfolgen. Als beispielhafter Mechanismus würden in der Literatur ein festgestellter Fuß in einer tiefen Wagenfurche und starke Drehung des Oberkörpers genannt. Die Unfallbeschreibungen des Klägers ergäben ein recht klares Bild vom Unfallgeschehen: Der Kläger habe mit dem Fahrrad losfahren wollen. Er habe dabei den linken Fuß auf dem Pedal gehabt, um anzutreten. Das rechte Bein sei auf dem Boden gewesen, um anzuschieben. Daraus ergebe sich, dass das rechte Bein zu dem Zeitpunkt das Standbein gewesen sei. Das rechte Bein müsse dabei etwas gebeugt gewesen sein, da erst durch die aktive Streckung im Kniegelenk das Abstoßen/Anschieben erfolgen könne. Dabei sei offenbar aufgrund des glatten Untergrunds das Vorderrad nach links weggerutscht, das Fahrrad sei damit in eine nach rechts geneigte Schräglage gekommen bzw. habe gedroht, nach rechts umzustürzen. Bei einem derartigen Sturz nach rechts komme es darüber hinaus unwillkürlich zu einer Oberkörperdrehung nach rechts, da nur so ein Abfangen des drohenden Sturzes mit den Händen möglich sei. Diese Unfallschilderung sei mit dem Mechanismus der passiven Rotation des Kniegelenks und die dadurch verursachte Meniskusläsion gut in Einklang zu bringen. Dieser Befund werde auch durch die Tatsache gestützt, dass die Verletzung des Klägers im Vorderhornbereich des Innenmeniskus angesiedelt und dies typisch für die bei einer durch eine passive Rotation entstehende Verletzung sei.
Die Argumentation des Beklagten, nach der gutachtlichen Literatur sei ein isolierter Meniskusriss infolge eines traumatischen Ereignisses nur dann möglich, wenn ein Drehsturz mit fixiertem Unterschenkel stattgefunden habe und an einer solchen Fixierung habe es bei einem glatten Untergrund oder jedenfalls deshalb gefehlt, weil der Fuß nach den Angaben des Klägers in der Unfallanzeige nicht fixiert bzw. eingeklemmt gewesen sei, überzeugt nicht. Nach der anschaulichen und schlüssigen Darstellung des Sachverständigen, sowohl verbal als auch durch beigefügte Bewegungsbilder (s. S. 17 des Gutachtens), lastete bei der vom Kläger geschilderten Unfallsituation das Körpergewicht im Wesentlichen auf dem rechten Bein und damit auch auf dem rechten Fuß, der deshalb die durch das Fallen entstehende Drehbewegung nicht habe nachvollziehen können (S. 2 f. der Ergänzung vom 6. März 2016). Der Fuß war dadurch in dem Sinne fixiert, dass er sich aufgrund der Belastung durch das Körpergewicht nicht von der Stelle bewegen konnte. Die dem Begriff „Fixierung“ von der Beklagten beigemessene Bedeutung im Sinne eines „eingeklemmt sein“ des Fußes ist nicht zwingend oder ausschließlich, zumal es nach Angaben des Sachverständigen (seines Wissens) in der medizinischen Fachliteratur keine Definition des Begriffs gibt (S. 2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Naheliegend ist auch, dass der Kläger durch die Fragestellung im Formular „Ergänzende Angaben bei einem Ereignis mit einer Knieverletzung“, ob der betroffene Fuß oder Unterschenkel fixiert oder festgeklemmt gewesen wäre, den Begriff der Fixierung mit einem Feststecken des Fußes im Fahrrad oder in einem Bodenspalt oder ähnliches gleichgesetzt und deshalb verneint hat. Nicht überzeugend ist auch der Einwand der Beklagten, der Kläger sei nach seinen Angaben wegen Straßenglätte gestürzt und Straßenglätte stehe einer Fixierung des Fußes entgegen. Die Straße muss nicht zwangsläufig durchgehend glatt gewesen sein. Hierfür spricht, dass der Kläger in seiner Unfallschilderung angab, dass ihm das Vorderrad des Fahrrads – und nicht der rechte Fuß – weggerutscht sei.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich nach § 35 Abs. 1 BeamtVG.
Voraussetzung für die Gewährung des Unfallausgleichs ist eine länger als sechs Monate dauernde wesentliche Beschränkung seiner Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstunfallfolgen. Als wesentlich ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit jedoch nur dann anzusehen, wenn sie wenigstens 25 v. H. beträgt (st. Rspr., vgl. statt aller BayVGH, U.v. 14.12.2015 – 3 B 13.920 u. a. – juris Rn. 59; BVerwG, U.v. 30.6.1965 – VI C 38.63 – BVerwGE 21, 282).
Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des Meniskusschadens als Folge des Dienstunfalls und den dem Eingriff vom 21. März 2012 zuzurechnenden Komplikationen (Verschlechterung der Beweglichkeit des Knies; Entstehung einer Arthrofibrose) die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schwankend ausgeprägt war, sich jedoch in Anlehnung an die versorgungsmedizinischen Grundsätze durchgängig zwischen 5 v. H. und 15 v. H. bewegt hat. Selbst bei einer verstärkt gewichteten Berücksichtigung von mit der Arthrofibrose verbundenen Schmerzen sei eine MdE über 20 v. H. zu keinem Zeitpunkt gegeben gewesen. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung durch den Sachverständigen am 19. November 2015 sei die unfallbedingte MdE mit 15 v. H. anzunehmen. Dabei seien insbesondere auch die reduzierte Beweglichkeit und der Schmerz bei Arthrofibrose, der Innenmeniskusvorderhornschaden mit erhöhter Gefahr des Fortschreitens einer posttraumatischen Arthrose, die bestehende einseitige Muskelverschmächtigung und die neurologisch diagnostizierte Läsion des N. cutaneus surae lateralis rechts als wahrscheinlich mittelbare Unfallfolge im Rahmen einer der beiden Knieoperationen als Unfallfolge berücksichtigt. Der Senat schließt sich diesen Einschätzungen an. Der Kläger hat hierzu weder vorgetragen noch die Einschätzungen des Sachverständigen substantiiert in Frage gestellt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des anderen Oberverwaltungsgerichts (Verwaltungsgerichtshofs), des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die angefochtene Entscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.176 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und 1 i. V. m. Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (wie Vorinstanz).

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