Aktenzeichen S 16 AS 1483/16 ER
SGB II § 40 Abs. 6
VwVG § 5 Abs. 1
AO § 251 Abs. 1 S. 1
SGG § 86b Abs. 2
Leitsatz
Zur Zulässigkeit der Übertragung des Forderungseinzuges durch das Jobcenter auf die Agentur für Arbeit. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Untersagung der Vollziehung der Erstattungsbescheide vom 10.05.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.05.2014 sowie in Gestalt des Vergleichs vom 27.04.2016 bis zur Bekanntgabe eines Umsetzungsbescheides.
Der Antragsgegner forderte wie folgt vom Antragsteller Leistungen zurück:
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 327/13) über den Leistungszeitraum vom 01.01.2005 bis 31.05.2005: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 1.368,10 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 268/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2005 bis 30.11.2005: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.390,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 269/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2005 bis 31.05.2006: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.390,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 270/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2006 bis 30.11.2006: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.390,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 271/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2006 bis 31.05.2007: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.318,86 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 272/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2007 bis 30.11.2007: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.730,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 273/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2007 bis 31.05.2008: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.732,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 274/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2008 bis 30.11.2008: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.726,29 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 275/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2008 bis 31.05.2009: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.906,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 276/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.946,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 279/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2009 bis 31.05.2010: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.954,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 280/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.954,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 281/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.979,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 282/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2011 bis 30.11.2011: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.970,26 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 283/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2011 bis 31.05.2012: (monatlich und nach Art der Leistung aufgeschlüsselt); Gesamtsumme: 3.263,70 €.
Im Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg, S 8 AS 692/14 schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich (wörtlich) in der mündlichen Verhandlung am 27.04.2016:
I.
Unter Abänderung der Bescheide vom 10.05.2013, in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.05.2014, wird die Aufhebung der Bewilligung um die Rückzahlungsverpflichtung erst ab 01.06.2007 ausgesprochen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt.
Der Antragsgegner führt aus, dass bereits mit Schreiben vom 12.07.2016 die Agentur für Arbeit dem Antragsteller mitgeteilt habe, dass die am 01.07.2013 fällige Forderung des Jobcenters in Höhe von 38.311,25 € noch nicht vollständig eingegangen sei. Die Zahlung werde bis spätestens 26.07.2016 erwartet. Durch die Mahnung seien Gebühren gemäß § 19 Absatz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz in Höhe von 150,00 € entstanden. Eine detaillierte Aufstellung sei dem Schreiben beigefügt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung:hinsichtlich der Festsetzung der Mahngebühr sei ausgesprochen worden.
Die beiliegende Forderungsaufstellung habe folgende Eintragungen enthalten:
Forderung Bescheid Fälligkeit Restbetrag Arbeitslosengeld II
01.06.2007-30.11.2007 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 2.080,00 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.06.2007 – 31.10.2007 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.375,00 € Sozialgeld
01.11.2007 – 30.11.2007 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 275,00 € Arbeitslosengeld II
01.12.2007 – 31.05.2008 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1,735,00 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.12.2007 – 31.05.2008 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.997,00 € Arbeitslosengeld II
01.06.2008 – 30.11.2008 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 2.102,00 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.06.2008 – 30.11.2008 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.524,29 € Alg II -Geld-/Sachleistungen § 23 Abs. 1 SGB II
01.11.2008 – 30.11.2008 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 100,00 € Arbeitslosengeld II
01.12.2008 – 31.05.2009 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 2.106,00 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.12.2008 – 31.05.2009 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.800,00 € Arbeitslosengeld II
01.06.2009 – 30.11.2009 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 2.146,00 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.06.2009 – 30.11.2009 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.800,00 € Arbeitslosengeld II
01.12.2009 – 31.05.2010 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 2.154,00 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.12.2009 – 31.05.2010 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.800,00 € Arbeitslosengeld II
01.06.2010 – 30.11.2010 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 2.154,00 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.06.2010 – 30.11.2010 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.800,00 € Arbeitslosengeld II
01.12.2010 – 31.05.2011 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 2.179,00 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.12.2010 – 31.05.2011 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.800,00 € Arbeitslosengeld II
01.06.2011 – 30.11.2011 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 2.074,80 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.06.2011 – 30.11.2011 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.895,46 € Arbeitslosengeld II
01.12.2011 – 31.05.2012 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.593,75 € KdU – Unterkunft/Heizung
01.12.2011 – 31.05.2012 Aufhebungs- und Erstattungsbescheid 10.05.2013 Jobcenter C-Stadt, Stadt 01.07.2013 1.669,95 € Mahngebühr Mahnung 12.07.2016 Jobcenter C-Stadt, Stadt 150,00 € Gesamtsumme 38.311,25 € Mit Zahlungserinnerung vom 13.12.2016 teilte die Agentur für Arbeit dem Antragsteller mit, dass die am 01.07.2013 fällige Forderung des Jobcenters in Höhe von 38.311,25 € noch nicht beglichen sei. Nähere Angaben seien der beigefügten Forderungsaufstellung (s.o.) zu entnehmen. Die Zahlung werde bis spätestens 28.12.2016 erwartet.
Am 28.12.2016, mit Schriftsatz vom selben Tag, stellte der Antragstellerbevollmächtigte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Nürnberg. Gegen die Rücknahme- und Erstattungsbescheide habe der Antragsteller vor dem Sozialgericht Nürnberg Klage erhoben. Die Beteiligten hätten einen Vergleich in dem Verfahren geschlossen. Bis zum heutigen Tage habe der Antragsgegner jedoch keinen Umsetzungsbescheid bekannt gegeben. Trotzdem sei die Agentur für Arbeit vom Antragsgegner mit der Vollziehung beauftragt worden. Diese habe einen weiteren Bescheid vom 13.12.2016 erteilt und habe den vermögenlosen Antragsteller zur Zahlung einer nicht näher spezifizierten Betrages in Höhe von 38.311,25 € aufgefordert und habe eine Mahngebühr in Höhe von 150,00 € festgesetzt. Die Klage gegen den Erstattungsbescheid habe aufschiebende Wirkung gehabt. Selbst wenn die aufschiebende Wirkung durch den Abschluss des Vergleichs beendet worden sein sollte, hätte es zur Fälligkeit der Forderungen vor Erteilung einer Mahnung zunächst eines Umsetzungsbescheides durch den Antragsgegner bedurft, da die Forderung von ursprünglich 53.018,21 € durch den Vergleich erheblich reduziert worden sei. Da der Vergleich jedoch keine betragsmäßige sondern lediglich eine zeitliche Verpflichtung enthalte, habe es eines Umsetzungsbescheides bedurft. Die Höhe der Forderungen sei andernfalls nicht nachvollziehbar. Die Zahlungsaufforderung vom 13.12.2016 sei der erste Posteingang nach Abschluss des Vergleichs gewesen. Da der Antragsteller auf Grund seiner Inhaftierung sowie seines niedrigen Einkommens ohnedies nicht zur Zahlung von nennenswerten Raten imstande sein dürfte und dem Antragsgegner dies bekannt sei, erscheine die Aufforderungen zur Zahlung des Betrages von 38.311,25 € innerhalb von lediglich zwei Wochen unverhältnismäßig.
Der Antragsteller beantragt wörtlich:
Der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung untersagt die Erstattungsbescheide vom 10.05.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.05.2014 sowie in Gestalt des Vergleichs vom 27.04.2016 bis zur Bekanntgabe eines Umsetzungsbescheides zu vollziehen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzuweisen.
Der Antrag sei unbegründet, da weder ein Anordnungsanspruch, noch ein Anordnungsgrund vorliege. Der Antragsteller habe im Bewilligungszeitraum vom 01.01.2005 bis 31.05.2012 vom Jobcenter C-Stadt Stadt Leistungen nach dem SGB II zu Unrecht bezogen. Polizeiliche Ermittlungen hätten ergeben, dass der Antragsteller gewerbsmäßig als selbstständiger Schrotthändler tätig gewesen sei, ohne dies dem Antragsgegner mitzuteilen. Die Leistungsbescheide seien daher mit Rücknahme- und Erstattungsbescheiden vom 10.05.2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.05.2014 zurückgefordert worden. Der Antragsteller sei daraufhin zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Betruges verurteilt worden. Im sozialgerichtlichen Verfahren S 8 AS 692/14 sei (oben angeführter) Vergleich geschlossen worden. In Umsetzung dieses Vergleichs sei die Erstattungsforderung auf den Gesamtbetrag in Höhe von 38.311,25 € reduziert worden. Dies entspreche den jeweiligen Erstattungsbescheiden für den Zeitraum vom 01.06.2007 bis zum 31.05.2012. Dies sei dem Forderungseinzug zur Vollstreckung übergeben worden. Eines gesonderten Ausführungsbescheides habe es nicht bedurft.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten des Antragsgegners (Band VI und VII) Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist unbegründet. Die Zwangsvollstreckung in Höhe von 38.311,25 € ist nicht zu beanstanden. Dies gilt sowohl für die Summe in Höhe von 38.161,25 € auf Grundlage der Rückforderungs- und Erstattungsbescheide vom 10.05.2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.05.2014 über den Zeitraum 01.06.2007 bis 31.05.2012 (hierzu 1.), als auch hinsichtlich der Mahngebühr in Höhe von 150,00 € (hierzu 2.).
1. Die (vorläufige) Einstellung der Zwangsvollstreckung wird nicht angeordnet. Es besteht kein Anordnungsanspruch.
Passivlegitimiert für den Antrag ist (zumindest auch) das Jobcenter C-Stadt Stadt. Jedenfalls im Anwendungsbereich des VwVG obliegt es der ersuchenden Behörde in jeder Verfahrenslage auf Änderungen oder Fehler zu reagieren, die die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsanordnung berühren (Bundessozialgericht, Urteil vom 25.06.2015, Az.: B 14 AS 38/14 R – zitiert nach juris). Dies ergibt sich (nunmehr) auch aus § 44b Absatz 4 Sätze 1 und 2 i.V.m. §§ 88 bis 92 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) (vgl. zur Rechtslage vor Einführung des § 44b Absatz 4 Satz 2 SGB II: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2011, B 14 AS 54/10 R, Rn. 20 ff. – zitiert nach juris).
Statthaft ist die Regelungsanordnung gemäß § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG (vgl. D., Beschluss vom 29.04.2014, Az.: L 7 AS 260/14 B ER, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.01.2008, Az.: L 11 AL 165/07 ER – jeweils zitiert nach juris). Es handelt es sich bei der Zahlungserinnerung der Agentur für Arbeit vom 13.12.2016 betreffend der Erinnerung zur Zahlung der Summen aus den Rückforderungs- und Erstattungsbescheiden vom 10.05.2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.05.2014 über den Zeitraum 01.06.2007 bis 31.05.2012 um keinen eigenständigen Bescheid. Weder formal, noch inhaltlich erfolgt hier eine Regelung. Es handelt sich lediglich um eine Forderungsaufstellung und Zahlungserinnerung.
§ 86b Absatz 1 SGG bestimmt: Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
1.in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.
§ 86b Absatz 2 Satz 1 SGG bestimmt: Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Absatz 2 Satz 2 SGG).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt – voraus. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. D., Beschluss vom 21.11.2016, Az.: L 11 AS 671/16 ER – zitiert nach juris). Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Umfang (Bundesverfassungsgericht vom 12.05.2005 – Breithaupt 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragsteller zu entscheiden (D., Beschluss vom 21.11.2016, Az.: L 11 AS 671/16 ER – zitiert nach juris).
Im vorliegenden Fall ist ein Anordnungsanspruch nicht feststellbar.
Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgt nach Maßgabe des § 40 Absatz 6 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) i.V.m. § 5 Absatz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) i.V.m. § 257 Absatz 1 Abgabenordnung (AO).
Hiernach ist die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, sobald
1.die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 weggefallen sind,
2.der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird,
3.der Anspruch auf die Leistung erloschen ist,
4.die Leistung gestundet worden ist.
Nach § 251 Absatz 1 Satz 1 AO können Verwaltungsakte vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung).
Die Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsvollstreckung liegen nicht vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte gegen die grundsätzliche Übertragung des Forderungseinzuges durch den Antragsgegner auf die Agentur für Arbeit gemäß § 44c Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 44b Absatz 4 SGB II. Die Agentur für Arbeit handelte auch ausdrücklich im Namen des Antragsgegners („Das für diese Forderung zuständige Jobcenter hat die Bundesagentur für Arbeit mit der Wahrnehmung des Forderungseinzuges beauftragt – § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 44b Abs. 4 SGB II“).
Auch im Übrigen ist die Zwangsvollstreckung nicht zu beanstanden. Die Zwangsvollstreckung erfolgt nicht aus dem gerichtlichen Vergleich in der mündlichen Verhandlung am 27.04.2016 im Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg, S 8 AS 692/14 (§ 199 Absatz 1 Nr. 3 SGG i.V.m. § 200 SGG i.V.m. dem VwVG), sondern aus den bestandskräftig gewordenen Rücknahme- und Erstattungsbescheiden vom:
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 272/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2007 bis 30.11.2007; Gesamtsumme: 3.730,00 €.
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 273/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2007 bis 31.05.2008; Gesamtsumme: 3.732,00 €.
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 274/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2008 bis 30.11.2008; Gesamtsumme: 3.726,29 €.
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 275/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2008 bis 31.05.2009; Gesamtsumme: 3.906,00 €.
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 276/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009; Gesamtsumme: 3.946,00 €.
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 279/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2009 bis 31.05.2010; Gesamtsumme: 3.954,00 €.
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 280/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010; Gesamtsumme: 3.954,00 €.
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 281/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011; Gesamtsumme: 3.979,00 €.
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 282/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2011 bis 30.11.2011; Gesamtsumme: 3.970,26 €.
– 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 283/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2011 bis 31.05.2012; Gesamtsumme: 3.263,70 €.
Die Bescheide wurde bestandskräftig durch den Vergleich vom 27.04.2016 im Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg, S 8 AS 692/14. Eines Ausführungsbescheides bedurfte es hierzu nicht. Dass mit dem Vergleich keine Summe berechnet wurde und dieser für den Antragsgegner zu Lasten des Antragstellers keinen vollstreckbaren Inhalt hat, kann dahinstehen. Auch kann dahinstehen, inwiefern der Antragsteller aus dem Vergleich dahingehend einen (vollstreckbaren) Anspruch hat, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, die Bescheide, die die Rückforderung und Erstattung für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.05.2007 noch formell zurückzunehmen. Im Einzelnen:
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 327/13) über den Leistungszeitraum vom 01.01.2005 bis 31.05.2005; Gesamtsumme: 1.368,10 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 268/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2005 bis 30.11.2005; Gesamtsumme: 3.390,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 269/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2005 bis 31.05.2006; Gesamtsumme: 3.390,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 270/14) über den Leistungszeitraum vom 01.06.2006 bis 30.11.2006; Gesamtsumme: 3.390,00 €.
– Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 10.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 (Az.: 710G W 271/14) über den Leistungszeitraum vom 01.12.2006 bis 31.05.2007; Gesamtsumme: 3.318,86 €.
Jedenfalls werden keine Bescheide für den Zeitraum bis 31.05.2007 vollstreckt. Der Vergleich bezieht sich ersichtlich auf den Zeitraum bis 31.05.2007 bzw. ab 01.06.2007, mithin auf einen kompletten Bewilligungsabschnitt. Zwar wäre es auch möglich gewesen, anstelle einer „Abänderung“ der Bescheide vom 10.05.2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.05.2014, die konkreten zurückzunehmenden Bescheide (bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 31.05.2007) zu benennen und (nach Kostenregelung) im Übrigen den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Dass dies jedoch nicht geschehen ist, hat keine Auswirkungen, da ersichtlich an einem Bewilligungsendzeitpunkt (31.05.2007/01.06.2007) eine Zäsur getroffen wurde und daher auch kein Bescheid für sich nochmals teilkorrigiert hätte werden müssen.
Es ist auch ersichtlich, welche Forderungen mit dem Schreiben der Agentur für Arbeit vom 13.12.2016 auf Grundlage welcher Bescheide angefordert werden. Die Forderungshöhe von 38.311,25 € ist angegeben. Näheren Angaben zu den Bescheiden und einzelnen Bewilligungsabschnitten sind aus der beigefügten Forderungsaufstellung ersichtlich. Es ist auch möglich, die einzeln aufgeführten Beträge mit den beschriebenen Rücknahme- und Erstattungsbescheide abzugleichen. Im Rahmen der Addition der einzelnen Monatsbeträge ergibt sich exakt die ausgewiesene Summe in Höhe von 38.311,25 € (einschließlich der ebenfalls aufgeführten Mahngebühr in Höhe von 150,00 €).
Die Rücknahme- und Erstattungsbescheide vom 10.05.2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.05.2014 betreffend die Bewilligungsabschnitte vom 01.06.2007 bis 31.05.2012 sind auch nicht aufgehoben worden. Weder durch den Vergleich, noch durch etwaige Ausführungsbescheide hinsichtlich der Bewilligungszeiträume vom 01.01.2005 bis 31.05.2007 ist dies erfolgt. Der Anspruch auf die Leistung ist auch nicht (etwa durch Zahlung) erloschen. Eine Stundung liegt nicht vor.
Auch im Rahmen einer Folgenabwägung ergibt sich kein abweichendes Ergebnis. Insbesondere erfolgte auch bereits eine inhaltliche Prüfung des Falles mit einem Vergleichsschluss durch die Beteiligten, dessen Vollstreckung nunmehr erfolgt.
2. Der Antrag ist auch unbegründet, soweit er sich gegen die Erhebung der Mahngebühr in Höhe von 150,00 € wendet. Zwar kann auch hinsichtlich der Festsetzung einer Mahngebühr, die einen Verwaltungsakt darstellt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2011, Az.: B 14 AS 54/10 R), gegen den Antragsgegner vorgegangen werden (vgl. § 44b Absatz 4 Satz 2 i.V.m. §§ 88 bis 92 SGB X – vgl. Landessozialgericht B-Stadt-Brandenburg, Urteil vom 24.03.2010, L 2 U 312/06), da diesem die Verantwortung für die Aufgabenübertragung verbleibt und die Verwaltungsakte im Namen der beauftragenden Behörde ergehen, vgl. § 89 Absatz 1 AGB X, § 90 SGB X. Eine Anordnung oder Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs scheitert jedoch bereits daran, dass ein solcher weder vorgetragen wird, noch anderweitig ersichtlich ist. Es kann daher dahinstehen, ob die Zahlungsaufforderung vom 12.07.2016 dem Antragsteller zugegangen ist oder die Zahlungserinnerung vom 13.12.2016, wie die Antragstellerseite vorträgt, der erste Postverkehr nach Abschluss des Vergleiches vom 27.04.2016 ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog. Dem Antragsteller sind keine Kosten zu erstatten.