Sozialrecht

Erbschaft bei Leistungsbezug

Aktenzeichen  L 11 AS 160/17

Datum:
14.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11395
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 33 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Der Übergang von Ansprüchen nach § 33 SGB II erfolgt kraft Gesetzes und muss nicht durch Verwaltungsakt bewirkt werden. (Rn. 21)

Verfahrensgang

S 17 AS 1047/14 2016-10-06 Urt SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Es liegt ein wirksames Urteil des SG vor, das den Klägern ausweislich der Postzustellungsurkunden auch zugestellt worden ist. Die Übersendung von unbeglaubigten Protokollabschriften ändert daran nichts. Dass das Urteil des SG in der mündlichen Verhandlung am 06.10.2016 erlassen worden ist, wird durch die in den Akten des SG befindliche Niederschrift, die eine öffentliche Urkunde darstellt, bewiesen. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und von der Vorsitzenden der 17. Kammer am SG sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 SGG, §§ 159, 160 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Die Kläger haben bislang keinen Antrag in der Sache gestellt, sondern vielmehr lediglich die Zurückverweisung des Verfahrens an das SG ohne Hauptverhandlung und eine Wedereinsetzung beantragt. Eine Zurückverweisung an das SG durch das Berufungsgericht kommt jedoch nur in den Fällen des § 159 Abs. 1 SGG in Betracht. Danach kann der Senat den Rechtsstreit an das SG zurückverweisen, wenn das SG selbst in der Sache nicht entschieden hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und die Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme aufgrund des Mangels gegeben wäre (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Da aber eine Beweisaufnahme nicht notwendig und die Entscheidung des SG zutreffend ist, sieht der Senat keinen Anlass, die Sache an das SG zurückzuverweisen. Da keine Frist versäumt worden ist, bedurfte es auch keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Da die von den Klägern ausdrücklich gestellten Anträge damit ins Leere gehen, waren sie unter Berücksichtigung des Begehrens der Kläger nach § 123 SGG auszulegen (zur Auslegung: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 123 Rn 3). Das SG kam zu der nachvollziehbaren Auslegung, den Klägern gehe es vorliegend (alleine) um eine Untätigkeitsklage in Bezug auf die Verbescheidung ihrer Anträge vom 06.12.2013 und 28.12.2013. Dem schließt sich der Senat an, zumal die Kläger im Berufungsverfahren der Auslegung durch das SG nicht widersprochen und keine Umstände vorgebracht haben, die Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung begründen könnten. Vielmehr haben sie selbst nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei ihrem Begehren lediglich um Untätigkeitsklagen handeln solle.
Soweit die Kläger auch die Nichtigkeit der Klageerwiderung des Beklagten vom 02.12.2014 behaupten und fordern, dass etwaige Vertreter des Beklagten ihre Vertretungsmacht durch eine ausdrückliche Vollmacht seitens des Geschäftsführers des Beklagten zu belegen haben, handelt es sich nicht um Sachanträge. Zudem gibt es weder Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Klageerwiderung noch für eine fehlende Vollmacht. Es ist zusätzlich nicht erkennbar, dass die Kläger insofern eine Sachentscheidung durch das Berufungsgericht begehren.
Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, den Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsaktes oder Widerspruchsbescheides zu verpflichten. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig (§ 88 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 88 Abs. 2 SGG gilt dies auch, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt. Demnach ist vorliegend eine Untätigkeitsklage nicht zulässig. Das Begehren der Kläger ist nicht darauf gerichtet, dass der Beklagte einen Verwaltungsakt oder einen Widerspruchsbescheid zu erlassen hat. Wie sich aus § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG ergibt, bedarf es für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage, dass sie sich auf einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts richtet. Die Kläger begehren zunächst die Aufhebung der Überleitungsanzeigen vom 16.08.2006, 12.12.2006, 12.06.2007, 14.01.2008, 24.09.2008, 04.12.2008, 08.06.2009, 27.01.2010, 03.03.2010, 27.07.2010, 18.01.2011, 19.07.2011, 15.12.2011, 20.06.2012 und 12.11.2012. Haben Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 – BGBl I 1706). Hinsichtlich der Übersendung der Überleitungsanzeigen an den Kläger zu 2. handelt es sich lediglich um formlose Mitteilungen durch den Beklagten, die keinen Verwaltungsakt darstellen. Der Übergang von Ansprüchen wurde zudem nicht durch den Erlass eines Verwaltungsaktes bewirkt, sondern der Anspruchsübergang vollzieht sich seit dem 01.08.2006 (Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung nach Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende) nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II kraft Gesetzes (vgl dazu Silbermann in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 33 Rn 2). Auf den Streit, ob es sich bei den Überleitungen nach der Rechtslage vor dem 01.08.2006 um Verwaltungsakte gehandelt haben könnte (zu diesem Problem: Silbermann aaO), kommt es nicht an, da sich die Kläger gegen Überleitungsanzeigen ab dem 16.08.2006 wenden. Auch ist nicht erheblich, ob die als Bescheid gegenüber IW geltend gemachten Zahlungsaufforderungen ab dem 16.08.2006 einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung gegenüber den Klägern darstellen könnten. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, würde es jedenfalls an einem Rechtsschutzbedürfnis an einer Aufhebung der Bescheide fehlen, da der Beklagten auch ohne einen Verwaltungsakt aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs Zahlungen aus dem übergeleiteten Anspruch an sich verlangen kann. Sollte der Beklagte zu Unrecht Geld von IW erhalten haben, weil die Voraussetzungen des § 33 SGB II nicht oder nicht in der behaupteten Höhe vorgelegen hätten, würde im Rahmen einer Leistungsklage auf Auszahlung zu Unrecht erhaltener Beträge die Zahlungsaufforderungen gegenüber IW alleine keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen des erhaltenen Geldes darstellen. Der Überleitungsbescheid vom 26.06.2006 an IW ist nicht Gegenstand der von den Klägern gestellten Anträgen.
Im Hinblick auf die Überleitungsanzeigen an das AG stellt das Schreiben vom 03.03.2010 an den Kläger zu 2. keinen Verwaltungsakt dar. Es handelte sich alleine um die Anzeige des gesetzlich eingetretenen Forderungsübergangs nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Eine Untätigkeitsklage kommt insofern ebenso wenig in Betracht wie gegen die bloßen Zahlungsaufforderungen an das AG, die nicht als Verwaltungsakte sondern als bloße Aufforderungsschreiben ergingen.
Gleiches gilt für die Auszahlung eines Betrages in Höhe von 53.820,82 €. Zwar hatten die Kläger bereits im Widerspruchsschreiben vom 18.04.2013 beantragt, ihnen einen Betrag in Höhe des Grundfreibetrages von 15.800 € auszuzahlen, die Zahlungsforderungen stellen aber einen bloßen Realakt des Beklagten und keinen Verwaltungsakt dar. Es geht dabei nicht um die Bewilligung von Alg II sondern um die Auszahlung aus Sicht der Kläger zu Unrecht vom Beklagten aus der Erbschaft und der damit verbundenen Überleitungsanzeigen erlangten Geldes. Zutreffend hat das SG darauf verwiesen, dass die Geltendmachung dieses Zahlungsanspruchs durch eine Leistungsklage zu erreichen wäre, die die Kläger – auch nach Kenntnis der Ausführung des SG in seinem Urteil – nicht erhoben haben. Auch die Forderung nach einem Hinwirken des Beklagten auf die Einziehung des an IW erteilten Erbscheins und die Beantragung eines Erbscheins auf den Kläger zu 2. stellt sich nicht als Begehren auf Erlass eines Verwaltungsaktes dar. In Betracht kommt ebenfalls nur ein bloßer Realakt.
Damit ist eine Untätigkeitsklage im Hinblick auf die Anträge der Kläger vom 06.12.2013 und 28.12.2013 unzulässig. Es ist nicht erkennbar, dass sich die Anträge vom 06.12.2013 und 28.12.2013 als Widersprüche darstellen könnten, weshalb eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG nicht in Betracht kommt. Alleine die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts kann in einem Vorverfahren nachgeprüft werden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Vorliegend ist aber kein Verwaltungsakt des Beklagten erkennbar, gegen den sich die Schriftsätze der Kläger vom 06.12.2013 und 28.12.2013 hätten richten könnten.
Die Berufung war somit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen