Aktenzeichen L 1 SV 19/16 B
SGG SGG § 102 Abs. 1 S. 2, § 173 Abs. 1
ZPO ZPO § 269 Abs. 3 S. 1
Leitsatz
Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache. Auf Antrag ist dies durch deklaratorischen Beschluss festzustellen. Zugleich ist auf Antrag festzustellen, dass damit auch ein Verweisungsbeschluss wirkungslos geworden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 24 SV 2/14 2014-02-04 Bes SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass das Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 24 SV 2/14 durch Rücknahme der Klage erledigt ist und der Beschluss des Sozialgerichts München vom 04.02.2014 damit gegenstandslos geworden ist.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer hat am 20.01.2014 beim Sozialgericht München eine Klage gegen die B. im Zusammenhang mit einer privaten Lebensversicherung erhoben. Er ist mit Schreiben des Sozialgerichts vom 20.01.2014 darauf hingewiesen worden, dass hierfür nicht die Sozialgerichte, sondern die Zivilgerichte zuständig seien. Sollte die danach unzulässige Klage nicht bis zum 07.02.2014 kostenfrei zurückgenommen werden, werde der Rechtsstreit an das zuständige Amtsgericht B-Stadt verwiesen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 27.01.2014 mitgeteilt, dass er die Klage aufrechterhalte, weil seines Erachtens weiterhin die Sozialgerichte für diese Streitigkeit zuständig seien. Nachdem die Beklagte und Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 29.01.2014 mitgeteilt hat, dass es sich um einen privaten Lebensversicherungsvertrag handle und der Rechtsweg zum Sozialgericht nicht eröffnet sei, hat sich das Sozialgericht mit Beschluss vom 04.02.2014 für unzuständig erklärt und die Klage an das Amtsgericht B-Stadt verwiesen. Der Beschluss enthält eine Rechtsmittelbelehrungdahingehend, dass innerhalb eines Monats Beschwerde eingelegt werden kann. Am 10.02.2014 (Auslaufdatum) sind die Akten an das Amtsgericht B-Stadt übersandt worden.
Mit Schriftsatz vom 13.02.2014, eingegangen beim Sozialgericht München am gleichen Tag, hat der Kläger Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.02.2014 eingelegt. Zur Begründung hat er mitgeteilt, dass die Beklagte seiner Forderung entsprochen habe und dass sich seine Klage daher erledigt habe. Gegenüber dem Amtsgericht B-Stadt hat er mit einem am 18.03.2014 eingegangenen Fax unter dem dortigen Aktenzeichen die Rücknahme der Klage erklärt.
Mit Schreiben vom 14.04.2014 hat das Sozialgericht München den Kläger darauf hingewiesen, dass die Rücknahme der Klage zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als der Rechtsstreit bereits verwiesen und die Angelegenheit somit endgültig erledigt gewesen sei. Über die Erhebung oder das Absehen von Gebühren habe das Amtsgericht B-Stadt in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.
Dem hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28.04.2014 widersprochen. Der Verweisungsbeschluss sei am 18.02.2014 oder 10.02.2014 bei ihm eingegangen. Seine Erklärung hinsichtlich der Erledigung sei also vor Ablauf der Beschwerdefrist, möglicherweise sogar vor Ausfertigung des Beschlusses, eingegangen. Tatsächlich habe sich die Klage also vor Verweisung an das Amtsgericht B-Stadt erledigt.
Mit Schreiben vom 15.09.2016 hat er darauf hingewiesen, dass sich für ihn die Klage bereits dadurch erledigt habe, dass die Beklagte am 29.01.2014 bestätigt habe, dass er bei ihr einen privaten Lebensversicherungsvertrag unterhalten habe. Eine förmliche Rücknahme sei aus seiner Sicht nicht mehr erforderlich gewesen. Ungeachtet der am 13.02.2014 ausdrücklich erklärten Erledigung sei der Rechtsstreit gleichwohl noch vor Ablauf der Beschwerdefrist an das Sozialgericht B-Stadt verwiesen worden, wodurch ihm Kosten und erhebliche Unannehmlichkeiten entstanden seien.
Das Sozialgericht hat die Beschwerde mit Schriftsatz vom 10.10.2016 dem Landessozialgericht vorgelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
festzustellen, dass das Klageverfahren S 24 SV 2/14 erledigt und der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts München vom 04.02.2014 gegenstandslos geworden ist.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen. Der Senat hat außerdem die Akten des Amtsgerichts B-Stadt zum Aktenzeichen 138 C-108/14 zum Verfahren beigezogen.
II.
Das Bayerische Landessozialgericht ist zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Rechtswegverweisung (§ 17 a Abs. 4 S. 3 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG -, § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und damit auch zuständig für die begehrte Feststellung.
Gegen den Beschluss über die Unzulässigkeit des Rechtswegs mit Verweisung ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Da das SGG die in § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG genannte sofortige Beschwerde nicht kennt, tritt an deren Stelle die Beschwerde nach § 172 SGG (BSG, Beschluss vom 12.05.1998 – B 11 SF 1/97 R). Die Beschwerde ist zulässig innerhalb der Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Beschlusses vom 04.02.2014, nämlich durch den am 13.02.2014 beim Sozialgericht München eingegangenen Schriftsatz erhoben worden (§ 173 Abs. 1 SGG).
Sie ist nach der Erledigung des Rechtsstreits noch darauf gerichtet, festzustellen, dass sich dadurch auch der Beschluss des Sozialgerichts erledigt hat bzw. gegenstandslos geworden ist. Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung ist, da der Kläger die Klage zurückgenommen hat, § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG. Danach stellt das Gericht, wenn die Klage zurückgenommen wurde, auf Antrag das Verfahren ein und entscheidet über die Kosten.
Die Klage ist zwar entgegen der Auffassung des Klägers noch nicht mit der Erklärung in dem am 13.02.2014 beim Sozialgericht München eingegangenen Schriftsatz zurückgenommen worden. Denn in dieser Erklärung hat der Kläger ausdrücklich nicht die Rücknahme der Klage, sondern einseitig deren Erledigung erklärt. Er hat erklärt, dass sich seine Klage, für die seiner Meinung nach weiterhin die Sozialgerichte zuständig gewesen wären, durch die Zusendung einer Bestätigung der Beklagten am 29.01.2014 nachträglich erledigt habe. Dies stellt keine Rücknahme dar, mit der die Rechtsschutzbitte zurückgezogen wird. Die Abgrenzung ist deshalb von Bedeutung, weil in Verfahren, die – wie vorliegend – keine sozialrechtlichen Ansprüche zum Gegenstand haben, auch nach ihrer Erledigung eine Kostenentscheidung nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. den Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu treffen ist. Gemäß § 155 Abs. 1 VwGO sind bei einer Rücknahme der Klage vom Kläger zwingend die Kosten des Verfahrens zu tragen Daher kann auch in Verfahren, die nicht gemäß § 183 SGG kostenfrei sind, eine einseitige Erledigterklärung nicht ohne weiteres als Klagerücknahme ausgelegt werden (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Dezember 2005 – B 7a AL 192/05 B -, juris sowie Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 102 Rn. 3 und § 197a Rn. 25d). Eine die Erledigung des Rechtsstreits bestätigende Erklärung der Beklagten lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor.
Anschließend hat aber der Kläger mit dem am 18.03.2014 beim Amtsgericht B-Stadt eingegangenen Fax ausdrücklich die Rücknahme der Klage erklärt. Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund der fristgerecht eingelegten Beschwerde der Verweisungsbeschluss noch nicht rechtskräftig und bindend geworden.
Die Klagerücknahme hat den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG), was auf Antrag durch deklaratorischen Beschluss festzustellen ist. Zugleich ist auf Antrag in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO festzustellen, dass damit auch der Verweisungsbeschluss vom 04.02.2014 wirkungslos geworden und es ist gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 SGG über die entstandenen Kosten zu entscheiden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 102 Rn. 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO. Der Kläger hat keine sozialrechtlichen Ansprüche, sondern einen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Beklagte geltend gemacht. Dieses Verfahren ist nicht gemäß § 183 SGG kostenfrei, sondern es sind Gerichtskosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) in entsprechender Anwendung der §§ 154 bis 162 VwGO zu erheben (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG). Da die Entscheidung über die Verweisung an das Amtsgericht B-Stadt gegenstandslos geworden sind, findet auch hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges § 17b Abs. 2 GVG, wonach diese Kosten als Teil der Kosten im Verfahren vor dem Gericht, an das verwiesen werden soll, behandelt werden, keine Anwendung. Nach der Rücknahme der Klage ist nun gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 SGG über die Kosten zu entscheiden. Da der Kläger die Klage zurückgenommen hat, hat er gemäß 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen (Leitherer, a.a.O., § 197a Rn. 16).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 102 Abs. 3 Satz 2 SGG).