Aktenzeichen L 9 AL 98/16
SGB I SGB I § 39 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Stützt sich die Ablehnung eines Gründungszuschusses auf zwei Ermessensgesichtspunkte und ist einer davon sachwidrig, können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit die Ermessensentscheidung der Bundesagentur für Arbeit nur dann halten, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Bundesagentur ihre Ablehnung nicht nur wegen des kummulativen Vorliegens beider Ermessensgesichtspunkte getroffen hat. (Rn. 27 – 41)
Verfahrensgang
S 6 AL 176/14 2016-03-14 Urt SGLANDSHUT SG Landshut
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14. März 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte noch keine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen hat, weswegen diese nachzuholen ist. Der angefochtene Bescheid vom 03.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2014 weist einen Ermessensfehler auf, der die Aufhebung dieser Bescheide sowie eine Verurteilung zur erneuten Verbescheidung nach sich ziehen muss; denn auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens hat der Kläger einen subjektiv-rechtlichen Anspruch (§ 39 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch – SGB I). Da keine Klägerberufung vorliegt, hat die Frage einer eventuellen Ermessensreduzierung auf Null außer Betracht zu bleiben.
Einschlägige Rechtsgrundlagen sind §§ 93 und 94 SGB III in der ab 01.04.2012 geltenden, auch heute noch aktuellen Fassung. § 93 SGB III lautet wie folgt:
„(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) 1Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
2Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.”
§ 94 SGB III lässt sich entnehmen, dass der GZ in zwei Phasen bewilligt wird. Nach § 94 Abs. 1 SGB III wird für die Dauer von sechs Monaten als GZ der Betrag geleistet, den die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat, zuzüglich monatlich 300 Euro; diese Bestimmung betrifft die so genannte erste Phase der Existenzgründung.
Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist ausschließlich die Leistungsgewährung für die erste Phase der Existenzgründung. Ein eventueller (Folge-)Anspruch für die zweite Phase – auch wenn diese aus heutiger Sicht auch schon längst in der Vergangenheit liegt – ist dagegen nicht umfasst. Dazu müsste erst die Leistungsgewährung für die erste Phase feststehen sowie ein Folgeantrag vorliegen.
Die in § 93 SGB III genannten Voraussetzungen für den Leistungsanspruch dem Grunde nach sind allesamt erfüllt. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. So handelt es sich bei der streitgegenständlichen Arbeit als Installateur- und Heizungsbaumeister um eine selbständige und hauptberufliche Tätigkeit. Diese sollte bei Ex-ante-Betrachtung die Arbeitslosigkeit beenden und hat es tatsächlich auch getan. Auch die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III liegen vor. Der Kläger hatte bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Restdauer 150 Tage deutlich überstieg, er erbrachte hinreichende Nachweise für die Tragfähigkeit der Existenzgründung und er verfügte bereits damals über hinreichende Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit. Ausschlusstatbestände nach § 93 Abs. 3 bis 5 SGB III sind nicht einschlägig.
Wie sich aus § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III ergibt, verkörpert die Gewährung des GZ auch schon für die erste Phase eine Ermessensentscheidung; wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich dabei um ein Entschließungsermessen. Die Leistungsablehnung seitens der Beklagten im Bescheid vom 03.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2014 erfüllt nicht die Anforderungen an eine pflicht- und ordnungsgemäße Ermessensausübung. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I hatte die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Das ist ihr nicht gelungen.
Der Senat verzichtet an dieser Stelle darauf, abstrakt darzustellen, welche Ermessensfehler unterschieden werden. Vielmehr genügt es festzustellen, dass im vorliegenden Fall einerseits das Abstellen auf den so genannten Vermittlungsvorrang sachwidrig ist (dazu unten a) und andererseits dieser Fehler auch den weiteren Aspekt der Eigenleistungsfähigkeit „infiziert“ (dazu unten b).
a) Wie der angefochtene Bescheid sowie der Widerspruchsbescheid offenbaren, verkörperte der Vermittlungsvorrang stets den dominierenden Ermessensgesichtspunkt. Auch im Widerspruchsbescheid nimmt der Aspekt des Vermittlungsvorrangs im Verhältnis zu anderen Aspekten deutlich den meisten Raum ein. Der Rekurs auf den Vermittlungsvorrang ist im vorliegenden Fall aber sachwidrig und damit kein geeignetes Kriterium für die Ermessensentscheidung. Maßgebend ist insoweit, dass in der Eingliederungsvereinbarung ausschließlich die Vermittlung in eine Meistertätigkeit (wenn auch nicht das Anstreben von Selbständigkeit) vereinbart worden war. Der Senat erspart sich hier weitere Ausführungen und macht sich die diesbezügliche Begründung des Sozialgerichts zu Eigen.
Zwar ist der Beklagten zugute zu halten, dass sie selbst im Berufungsverfahren eingeräumt hat, die Ablehnung des GZ könne letztlich nicht auf den Vermittlungsvorrang gestützt werden. Trotzdem soll nicht verschwiegen werden, dass sie den Fehler nicht lediglich quasi beiläufig, sondern sehenden Auges begangen hat. Denn nicht weniger als zweimal hat die Rechtsbehelfsstelle deutlich ihren berechtigten Bedenken Ausdruck verliehen. Dass sich die Ausgangsbehörde gleichwohl mit einer grob falschen Auffassung intern „durchsetzen“ konnte, sollte von Seiten der Beklagten hinterfragt werden.
b) Dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid den Aspekt der Eigenleistungsfähigkeit eingebracht hat, vermag nicht zu bewirken, dass damit eine „Heilung“ des Ausgangsbescheids erreicht worden wäre. Dabei versteht sich von selbst, dass eine derartige „Heilung“ nicht durch ein Nachschieben von Ermessensgründen im gerichtlichen Verfahren bewirkt werden kann. Vielmehr müsste der Ermessensaspekt, der nach Meinung der Beklagten die Entscheidung „rettet“, bereits mit dem Widerspruchsbescheid eingebracht und zutreffend abgewogen worden sein. Daran fehlt es hier.
Die Beklagte hat im Berufungsverfahren vorgebracht, sie habe sich im Rahmen der Ermessensausübung auch auf die Eigenleistungsfähigkeit des Klägers gestützt. Damit habe sie in den Widerspruchsbescheid einen zulässigen Ermessensgesichtspunkt eingebracht, was letztlich der Ermessensentscheidung insgesamt Rechtmäßigkeit verleihe. Ihr ist zu konzedieren, dass bei zu erwartendem hohen Gewinn der Aspekt der Eigenleistungsfähigkeit ein grundsätzlich zulässiger Ermessensgesichtspunkt ist, der auch zur Versagung des GZ führen kann. Der Umstand, dass das Gesetz den GZ nicht als bedürftigkeitsabhängige Leistung ausgestaltet, verbietet nicht, im Rahmen des Entschließungsermessens doch Aspekte der Bedürftigkeit zu akzentuieren.
Konkret aber vermag man nicht auf den ersten Blick zu erkennen, ob es der Beklagten im Widerspruchsbescheid überhaupt gelungen ist, die Eigenleistungsfähigkeit als Ermessensgesichtspunkt hinreichend zu aktivieren. Denn es ist fraglich, ob der Widerspruchsbescheid es nach dem objektiven Empfängerhorizont schafft, dem Leser klar zu machen, dass gerade auf den Gesichtspunkt der anderweitigen Absicherung des Klägers abgestellt werden soll. Als Einführung in diesen Begründungsteil hat die Beklagte nicht etwa geschrieben, im Übrigen sei der Kläger auch ohne den GZ abgesichert. Sie hat vielmehr die diffuse und allgemein gehaltene Formulierung gewählt, im Übrigen diene die Gewährung eines GZ der Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung. Da es an der klaren Feststellung, der GZ sei zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht notwendig, fehlt, besteht an dieser Stelle aus der Perspektive des objektiven Empfängers keine hinreichende Evidenz, die Beklagte wolle dem Kläger gerade dessen Eigenleistungsfähigkeit entgegen halten. Die folgenden Ausführungen muten zusammenhanglos an, ein roter Faden ist nur schwer auszumachen. Zunächst weist der Widerspruchsbescheid ebenso knappe wie aus der Luft gegriffene Einlassungen zur Etablierung am Markt auf. Erst im folgenden Absatz wird dem Kläger unterbreitet, gerade seine eigenen Gewinnprognosen würden auf Eigenleistungsfähigkeit schließen lassen. Trotz des unpassenden Einleitungssatzes dürfte die Beklagte damit hinreichend verdeutlicht haben, dass die Höhe der vom Kläger prognostizierten Gewinne diesem entgegengehalten werden soll.
Letztlich kann dies aber dahinstehen. Erweist sich nämlich wie hier einer von zwei herangezogenen Aspekten, hier der Vermittlungsvorrang, als ermessensfehlerhaft, entspricht die Ermessensentscheidung nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn nach der Begründung des Ermessensverwaltungsakts feststeht, dass sich der fehlerhafte Gesichtspunkt nicht auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Solange es eine Restwahrscheinlichkeit gibt, dass die Entscheidung, wenn auch nur zum Teil, auf dem fehlerhaften Aspekt beruht, ist die Entscheidung als Ganzes rechtswidrig. Genau das ist hier der Fall.
Generell hängt die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung in hohem Maß von der Darstellung im Bescheid ab. Insoweit weist die Begründung eine materiell-rechtliche Komponente auf. Ob die Ermessenserwägungen der Behörde den gesetzlichen Anforderungen genügen, wird im Wesentlichen, wenn nicht ausschließlich, anhand der Begründung des Bescheids beurteilt. Maßgebend ist der nach dem objektiven Empfängerhorizont auf dieser Grundlage entstehende Eindruck. Was sich die Behörde wirklich gedacht oder nicht gedacht haben mag, muss nicht mit Hilfe anderer Mittel erforscht werden.
Weist die Begründung einer Ermessensentscheidung beispielsweise den Duktus auf, die Behörde habe so entscheiden müssen, habe nicht anders entscheiden können oder sei sonst einer apriorischen Alternativlosigkeit ausgesetzt gewesen, liegt ein Ermessensfehler in Form eines Ermessensnichtgebrauchs vor. Zu Gunsten der Behörde greift dann keine Vermutung, sie werde das Ermessen trotz der ungeschickten Formulierung schon richtig ausgeübt haben. Dieser würde es daher nichts nützen, würde sie gegenüber dem überprüfenden Gericht auf ihre allgemein vorhandene Fachkompetenz verweisen und auf dieser Linie vorbringen, es verstehe sich doch von selbst, dass sie Ermessen ausgeübt habe und ihr damit kein Fehler unterlaufen sei. Wenn es der Behörde nicht gelingt, die Ermessensausübung in der Begründung nachvollziehbar darzustellen, darf die Richtigkeit der Ermessensausübung nicht unterstellt werden.
Diese Grundsätze gelten im vorliegenden Fall in gleicher Weise. Im Widerspruchsbescheid vom 09.10.2014 hat es die Agentur für Arbeit versäumt, deutlich zu machen, dass jeder Ermessensgesichtspunkt für sich die Ablehnung tragen würde (Alternativität). Denn sie hat den Übergang vom ersten Ermessensgesichtspunkt (Vermittlungsvorrang) zum zweiten (Eigenleistungsfähigkeit) mit „im Übrigen“ bewerkstelligt. Hätte die Agentur für Arbeit zum Beispiel die Formulierung „unabhängig davon“ verwendet, wäre die Alternativität der Ablehnungsgründe nach objektivem Empfängerhorizont über jeden Zweifel erhaben dargelegt. Der von der Beklagten gewählte Anschluss mit „im Übrigen“ weist diese Eindeutigkeit aber beileibe nicht auf. „Im Übrigen“ kann mindestens genauso gut als Synonym zu „darüber hinaus“ oder „hinzu kommt, dass“ interpretiert werden. Die semantische Nähe zu „übrigens“ ist nicht zu leugnen – und „übrigens“ wird im Duden mit „nebenbei bemerkt“ umschrieben. Die Begründung des Widerspruchsbescheids bringt somit nicht eindeutig zum Ausdruck, dass die Ablehnungsgründe in einem alternativen Verhältnis stehen. Genauso gut könnte sie dahin ausgelegt werden, die Beklagte habe deswegen ihr Ermessen zu Ungunsten des Klägers ausgeübt, weil die beiden Gesichtspunkte kumulativ vorgelegen hätten.
Der Widerspruchsbescheid lässt sogar der Interpretation Raum, maßgebend sei allein der Vermittlungsvorrang gewesen, während der (undeutliche) Hinweis auf die Eigenleistungsfähigkeit nur der Vollständigkeit halber hinzugefügt worden sei. Denn der Widerspruchsbescheid erweckt allein schon durch die räumlichen Anteile des einen wie des anderen Gesichtspunkts den Eindruck, der Vermittlungsvorrang sei dominierend und essentiell. Das Wenige, was zur Eigenleistungsfähigkeit geschrieben wurde, besteht auch noch zu einem erheblichen Anteil aus ins Blaue hinein gemachten und damit wertlosen Aussagen zu einer Etablierung des Klägers am Markt. Dass die Gewinnprognose des Klägers den Gründungszuschuss möglicherweise verzichtbar erscheinen lassen könnte, wird nur über viereinhalb Zeilen hinweg thematisiert.
Die Proportionierung der Begründung zum Widerspruchsbescheid spricht demnach keinesfalls dafür, die Beklagte habe eine Alternativität der beiden Ermessensgesichtspunkte zum Ausdruck gebracht. Vielmehr stößt man bei Anlegung eines objektiven Empfängerhorizonts auf mehrere Auslegungsmöglichkeiten, wobei nur bei einer davon ein Ermessensfehler zu verneinen wäre. Es existieren jedoch auch andere Auslegungsmöglichkeiten – mindestens ebenso naheliegende -, die zu einem Ermessensfehler führen. Wie oben ausgeführt, besteht das Spezifikum von Ermessensentscheidungen darin, dass ihre materielle Suffizienz in sehr hohem Maß von ihrer Begründung abhängt. Wenn wie hier mehrere Ermessensgesichtspunkte genannt werden, wobei nur deren alternative Anwendung zu einer ermessensfehlerfreien Entscheidung zu führen vermag, und aus der Begründung des Ermessensverwaltungsakts nicht eindeutig hervorgeht, ob Alternativität und Kumulativität besteht, wirkt sich dies zu Lasten der Behörde aus. Die Beklagte hätte sich eindeutig ausdrücken müssen.
Wenn die Beklagte im Berufungsverfahren behauptet hat, es verstehe sich von selbst, ja es sei geradezu „logisch“, dass die beiden Ermessensgesichtspunkte im Verhältnis der Alternativität stünden, dann begeht sie den Fehler, sich vom objektiven Empfängerhorizont zu entfernen und ihren eigenen Wunsch, wie sie im Nachhinein gern verstanden werden wollte, an dessen Stelle zu setzen. Dass diese in hohem Maß subjektiv eingefärbte und am prozessualen Erfolg ausgerichtete Auslegung hermeneutisch unrichtig ist, bedarf keiner weiteren Einlassung. Oben ist auch klargestellt worden, dass es eine Auslegung „im Zweifel für die Behörde“ nicht geben kann. Es existiert keine Vermutung, die Beklagte würde schon das Richtige gemeint haben.
Der Senat darf den Ermessensfehler nicht „heilen“, indem er darauf abstellt, die Beklagte hätte ja auf der Basis der vom Kläger eingereichten Gewinnprognose eine hinreichende Eigenleistungsfähigkeit annehmen und vor diesem Hintergrund den GZ ablehnen dürfen. In der Sache mag dies zwar durchaus so sein. Zur „Rettung“ der Ermessensentscheidung kann dieser Umstand aber nicht dienen. Denn die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben im Rahmen von Ermessensentscheidungen nur die Erwägungen der Behörde zu überprüfen; sie dürfen jedoch keine eigenen Erwägungen anstellen, welche die Behörde selbst so nicht getroffen hat. Was die Behörde für notwendig und maßgebend für ihre Ermessensentscheidung erachtet, muss sie entscheiden. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit dürfen dieses „Programm“ der Behörde lediglich nachvollziehen, nicht aber quasi ein eigenes Programm erstellen. Genau das würde der Senat aber tun, wenn er darauf rekurrierte, die Beklagte hätte den GZ ja allein wegen der Eigenleistungsfähigkeit ablehnen dürfen.
Der Senat setzt sich mit seiner Entscheidung nicht in Widerspruch zum Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28.02.2014 – L 8 AL 1515/13. Denn das LSG Baden Württemberg hat in der genannten Entscheidung festgestellt, dass in dem seinerzeitigen Fall die Gründe alternativ angegeben waren. Dabei handelt es sich um nichts anderes als eine Tatsachenfeststellung, die nicht von einem Fall auf den anderen übertragen werden kann. Der Senat sieht sich im vorliegenden Fall dagegen nicht in der Lage, diese Tatsachenfeststellung zu treffen. Die Auslegung des Widerspruchsbescheids ergibt vielmehr, dass mehrere Interpretationsmöglichkeiten in Frage kommen. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich der Sachverhalt, der dem Urteil des LSG Baden-Württemberg zugrunde lag, erheblich von dem hier vorliegenden unterscheidet. Die baden-württembergische Agentur für Arbeit hatte bereits im Ausgangsbescheid mit dem Anschluss „zudem“ auf die Eigenleistungsfähigkeit hingewiesen und war im Widerspruchsbescheid in aller Ausführlichkeit darauf eingegangen. Davon kann hier keine Rede sein: Im Widerspruchsbescheid vom 09.10.2014 stößt man lediglich auf eine beiläufig anmutende Anmerkung zur Eigenleistungsfähigkeit, die nicht verdeutlicht, welche Funktion und welchen Stellenwert sie hat. Nochmals sei daran erinnert, dass im Widerspruchsbescheid vom 09.10.2014 – räumlich wie inhaltlich – nach wie vor der Aspekt des Vermittlungsvorrangs dominiert; der Rest der Begründung erscheint lediglich als „Anhängsel“, das zu allem Überfluss auch noch unstrukturiert ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.