Aktenzeichen AN 5 K 15.00399
Leitsatz
Die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 S. 6 iVm § 9 Abs. 2 S. 3 AufenthG dient nicht dazu, bei Personen im Rentenalter, deren Aufenthaltszeit im Bundesgebiet für den Erwerb ausreichender Rentenansprüche zu kurz war oder die in dieser Zeit aus anderen Gründen solche nicht im ausreichenden Maße erworben haben, vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes abzusehen. (redaktioneller Leitsatz)
Bei Personen im Rentenalter, die ihren Lebensunterhalt nicht durch Renteneinkünfte sichern können, ist die Darlegung erforderlich, dass der Erwerb von Rentenanwartschaften in der Vergangenheit bereits wegen einer unter die Ausnahmeregelung fallenden Krankheit oder Behinderung nicht möglich war. (redaktioneller Leitsatz)
Zum Nachweis der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 S. 6 iVm § 9 Abs. 2 S. 3 AufenthG ist eine fachärztliche Aussage darüber erforderlich, ob und in welchem Umfang der die Niederlassungserlaubnis begehrende Ausländer noch arbeitsfähig ist und eine Vergleichsberechnung des theoretisch durch Erwerbstätigkeit zu erzielenden Einkommens und der dem Ausländer zustehenden öffentlichen Leistungen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers nach der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist § 26 Abs. 4 AufenthG heranzuziehen, eine innerhalb ihres Regelungsbereichs gegenüber dem die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis allgemein regelnden § 9 AufenthG speziellere Anspruchsgrundlage (s. OVG NRW, B. v. 4.4.2008 – 18 E 1140/07 – juris Rn. 12; VG München, U. v. 12.5.2011 – M 12 K 10. 6244 – juris Rn. 29; Dienelt in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 26 AufenthG, Rn. 13). Nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Nach § 26 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gilt § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 AufenthG entsprechend; die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG angerechnet.
Der Kläger ist seit 20. Februar 2004, somit seit mehr als fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, so dass die Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt ist. Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen). Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger, wie sich aus dem Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern vom 15. Oktober 2014 ergibt, beginnend mit dem 1. November 2014 eine Regelaltersrente erhält. Denn Voraussetzung für eine Regelaltersrente ist nach § 35 SGB VI neben dem Erreichen der Regelaltersgrenze, dass die allgemeine Wartezeit erfüllt ist, die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI im Hinblick auf die Regelaltersrente fünf Jahre (d. h. 60 Monate) beträgt. Im Fall des Klägers ist auch keine abweichende Regelung ersichtlich, zumal er keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erziehungsrente bezogen hat (s. § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VI). Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, die der Erteilung der Niederlassungserlaubnis entgegenstehen könnten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG), sind nicht ersichtlich. Dem Kläger ist auch, wie von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gefordert, die Beschäftigung erlaubt. Am 8. März 2006 wurde ihm die Beschäftigung uneingeschränkt erlaubt.
Voraussetzung der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach den §§ 26 Abs. 4, 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist jedoch auch, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert sein muss. Dies ist beim Kläger nicht der Fall.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann, wobei der Bezug bestimmter in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgelisteter Leistungen der öffentlichen Hand nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel im Sinne des Satzes 1 gilt. Die Erfüllung dieser Verpflichtung setzt eine positive Prognose voraus, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne die Inanspruchnahme anderer als der in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel gesichert ist (BVerwG, U. v. 18.4.2003 – 10 C 10.12 – juris Rn. 13). Neben den aktuellen Verhältnissen kommt es auch auf die voraussichtliche Entwicklung an, wobei die bisherige Erwerbsbiographie gewichtige Anhaltspunkte für die anzustellende Prognose liefern kann (OVG NRW, B. v. 4.12.2007 – 17 E 47/07 – juirs Rn. 6). Es ist somit – auch aufgrund rückschauender Betrachtung – abzuschätzen, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Ausländer den Lebensunterhalt dauerhaft ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufbringen kann (OVG NRW, B. v. 4.12.2007 – 17 E 47/07 – juirs Rn. 6; Dienelt in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 9 AufenthG, Rn. 37). Der in Anschlag zu bringende Bedarf für den Lebensunterhalt bemisst sich dabei – insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Bedarfsgemeinschaft – grundsätzlich nach den Maßstäben des Sozialrechts (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 9 AufenthG, Rn. 35; grundlegend zur Sicherung des Lebensunterhaltes allgemein BVerwG, U. v. 26.8.2008 – 1 C 32.07 – juris Rn. 19; dem folgend: BVerwG, U. v. 18.4.2013 – 10 C 10.12 – juris Rn. 13).
Nach diesen Maßstäben ist der Lebensunterhalt des Klägers nicht gesichert. Der Kläger, der nunmehr nach Erreichen der Regelaltersgrenze das Rentenalter erreicht hat und nicht mehr erwerbstätig ist, bestreitet seinen Lebensunterhalt zum einen aus dem Bezug einer Regelaltersrente in Höhe von gegenwärtig 250,31 EUR und zum anderen, da diese Regelaltersrente zur Deckung des Lebensbedarfs nicht ausreicht, aus dem ergänzenden Bezug von Leistungen zur Grundsicherung im Alter nach dem Sozialgesetzbuch XII. Der Bezug von Leistungen zur Grundsicherung im Alter nach dem Sozialgesetzbuch XII fällt jedoch nicht unter § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, so dass von einer Sicherung des Lebensunterhaltes des Klägers im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht ausgegangen werden kann. Schon angesichts seines Alters ist auch prognostisch nicht damit zu rechnen, dass der Kläger in Zukunft durch weitere Einkünfte nicht mehr auf die (ergänzende) Inanspruchnahme öffentlicher Mittel angewiesen sein wird, um seinen Lebensunterhalt zu decken.
Im Fall des Klägers kann nicht nach § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von der Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden. Nach § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG wird von den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AufenthG abgesehen, wenn der Ausländer diese wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann.
Durch diese Ausnahmeregelung wollte der Gesetzgeber den durch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gebotenen besonderen Schutz von kranken und behinderten Menschen Rechnung tragen und diese nicht von einer ansonsten möglichen weiteren Aufenthaltsverfestigung durch Versagung einer Niederlassungserlaubnis wegen Fehlens dieser besonderen Integrationsvoraussetzung ausschließen (BayVGH, B. v. 14.5.2009 – 19 ZB 09.785 – juris Rn. 16; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 13.12.2011 – OVG 12 B 24.11 – juris Rn. 22; jeweils m. w. N.). Aus dieser Ausnahmeregelung folgt jedoch nicht, dass jeder aufgrund einer Krankheit oder Behinderung eingeschränkt Erwerbsfähige ohne weiteres die genannte Privilegierung für sich in Anspruch nehmen kann (Dienelt in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 9 AufenthG, Rn. 76). Bereits nach dem Wortlaut nicht erfasst sind Fälle, in denen der Ausländer (nur) aufgrund im normalen Lebensverlauf auftretender Alterserscheinungen oder Einschränkungen der Leistungsfähigkeit durch alterstypische Erkrankungen an der Erfüllung der Voraussetzungen der Lebensunterhaltssicherung gehindert ist (BayVGH, B. v. 14.5.2009 – 19 ZB 09.785 – juris Rn. 16; Dienelt in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 9 AufenthG, Rn. 77). Insbesondere dient die Vorschrift nicht dazu, bei Personen im Rentenalter, deren Aufenthaltszeit im Bundesgebiet für den Erwerb ausreichender Rentenansprüche zu kurz war oder die in dieser Zeit aus anderen Gründen solche nicht im ausreichenden Maße erworben haben, vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes abzusehen (BayVGH, B. v. 14.5.2009 – 19 ZB 09.785 – juris Rn. 16). Denn dies würde dem grundlegenden Ziel des Erfordernisses der Lebensunterhaltssicherung, die Zuwanderung in die sozialen Systeme der Bundesrepublik zu verhindern, zuwiderlaufen.
Nicht erforderlich ist, dass Umstände, die unter die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG fallen, zur vollständigen Erwerbsunfähigkeit führen. Im Hinblick auf die gesetzliche Zielsetzung, auch behinderten Ausländern eine Aufenthaltsverfestigung zu ermöglichen, wenn sie wegen ihrer Behinderung nicht arbeiten können, ist auch zu berücksichtigen, dass die Erfüllbarkeit der (vollständigen) Lebensunterhaltssicherung auch dem nur eingeschränkt Erwerbsunfähigen krankheits- oder behinderungsbedingt unmöglich sein kann (OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 13.12.2011 – OVG 12 B 24.11 – juris Rn. 22; BayVGH, B. v. 18.6.2015 – 10 C 15.675 – juris Rn. 11).
Nicht erforderlich ist weiter, dass die unter § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG fallende Krankheit oder Behinderung allein ursächlich für die Unmöglichkeit der Erfüllung der Lebensunterhaltssicherung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist. Dem Wortlaut der Norm ist nicht zu entnehmen, dass die dort in Bezug genommenen Gründe allein ursächlich sein müssen. Auch der Normzweck, der auf die Ermöglichung einer Aufenthaltsverfestigung behinderter Ausländer und somit auf die Verhinderung von Benachteiligungen Behinderter, die wegen ihrer Behinderung nicht arbeiten können, zielt, spricht gegen eine solche Einschränkung. Denn dieser Schutzzweck greift unabhängig davon Platz, ob der betroffene Ausländer auch aus anderen Gründen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, insbesondere wenn der weitere Hinderungsgrund temporärer Natur ist (dazu OVG NRW, U. v. 15.10.2014 – 17 A 1150/13 – juris Rn. 67 zum Fall eines minderjährigen behinderten Ausländers; Dienelt in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 9 AufenthG, Rn. 85). Zur Bestimmung der krankheits- oder behinderungsbedingten Erwerbsunfähigkeit sind die sozialrechtlichen Bestimmungen über die (teilweise) Erwerbsunfähigkeit heranzuziehen, insbesondere § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI, wonach teilweise erwerbsgemindert derjenige ist, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (so auch Marx in GK-AufenthG, § 9 AufenthG, Rn. 230).
Erforderlich zum Nachweis der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist eine fachärztliche Aussage darüber, ob und in welchem Umfang der die Niederlassungserlaubnis begehrende Ausländer noch arbeitsfähig ist und eine Vergleichsberechnung des theoretisch durch Erwerbstätigkeit zu erzielenden Einkommens und der dem Ausländer zustehenden öffentlichen Leistungen (BayVGH, B. v. 18.6.2015 – 10 C 15.675 – juris Rn. 11). Es bedarf hier einer konkreten Betrachtung dahingehend, inwieweit der Ausländer aufgrund der der Behinderung zugrundeliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei einer ihm theoretisch möglichen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt – gemessen an sozialgesetzlichen Maßstäben – verdienen könnte (BayVGH, U. v. 16.4.2008 – 19 B 07.336 – juris Rn. 40). Daraus folgt, dass im Fall des Klägers, der bereits das Rentenalter erreicht hat und folglich schon aus diesem Grund nicht mehr erwerbsfähig ist, eine fachärztliche Aussage darüber erforderlich ist, die differenziert darüber Aufschluss gibt, inwieweit die – im Ergebnis zum gegenwärtigen Zeitpunkt unstreitige – Erwerbsunfähigkeit des Klägers auf seinem Alter bzw. alterstypischen Erkrankungen einerseits und Erkrankungen bzw. Behinderungen, die der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG unterfallen, andererseits beruht. Da bei Personen im Rentenalter, wie dem Kläger hier, die Generierung von Einkommen durch eigene Erwerbstätigkeit nicht mehr im Vordergrund steht, sondern vielmehr der Lebensunterhalt grundsätzlich durch während des vorangegangenen Erwerbslebens generierte Rentenansprüche gesichert wird (vgl. BayVGH, B. v. 14.5.2009 – 19 ZB 09.785), ist zudem erforderlich, dass dargelegt wird, dass auch der Erwerb entsprechender Anwartschaften (in der Vergangenheit) bereits wegen einer unter die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG fallenden Krankheit oder Behinderung nicht möglich war. Diese rückschauende Berücksichtigung des bisherigen Erwerbslebens ist angesichts der oben genannten Zielsetzung des Erfordernisses der Lebensunterhaltssicherung, die Zuwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern, bei Personen im Rentenalter – wohl entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Klägers – erforderlich, die schon wegen ihres Alters nicht mehr erwerbsfähig sind. Dadurch wird dieser Zielsetzung grundsätzlich entsprochen und zugleich, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG entsprechend, gewährleistet, dass auch ältere, im Sinne der Ausnahmeregelung behinderte oder kranke Personen, die wegen ihrer Behinderung oder Krankheit selbst bei einem langjährigen Aufenthalt nicht in der Lage gewesen wären, zur (vollständigen) Sicherung des Lebensunterhalts ausreichende Rentenansprüche zu erwerben, nicht von der Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung ausgeschlossen werden. Letztlich liegt dem zugrunde, dass bei Personen im Rentenalter die Sicherung des Lebensunterhaltes üblicherweise über die Rente erfolgt, so dass die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG erfordert, dass die Rentenansprüche wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht ausreichen, was wiederum voraussetzt, dass diese aus den genannten Gründen nicht entsprechend erworben werden konnten.
Gemessen an diesen Maßstäben hat es der Kläger nicht vermocht, die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG in seinem Fall darzutun, obwohl er für diese seine Gesundheit betreffenden Umstände die Darlegungslast trägt. Weder die vom Kläger bei der Beklagten im Verwaltungsverfahren noch die im Klageverfahren vorgelegten Atteste ergeben, dass der Kläger wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung die Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung nicht erfüllen kann. Zwar ist unstreitig, dass der Kläger an diversen gesundheitlichen Einschränkungen leidet, jedoch ist nicht dargetan, dass diese Einschränkungen zu einem auch nur im Hinblick auf die vom Kläger bezogene Regelaltersrente anteiligen Ausschluss der Erwerbsfähigkeit führen.
So hat der Kläger im hier streitgegenständlichen, aufgrund des Antrags des Klägers vom 4. Juni 2013 eingeleiteten Verwaltungsverfahren – mit Bescheid vom 25. August 2011 lehnte die Beklagte bereits einen zuvor mit gleicher Begründung gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab, ohne dass der Kläger hiergegen gerichtlich vorgegangen wäre, nachdem ein Gutachten der Bundesagentur für Arbeit entgegen einem Attest des praktischen Arztes Dr. Dr. … festgestellt hatte, dass der Kläger für eine zustandsangepasste Tätigkeit vollschichtig leistungsfähig war – lediglich erneut mehrere Atteste des Dr. Dr. … vorgelegt. Dr. Dr. … ist jedoch – ausweislich seines von ihm verwendeten Briefkopfes „praktischer Arzt“, nicht jedoch Facharzt, so dass die von ihm im Rahmen dieses Verfahrens erstellten Atteste (vom 10.6.2013, 2.12.2013 und 17.12.2014) von der Beklagten zu Recht nicht als Nachweis der Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG angesehen wurden. Auch das im Klageverfahren vorgelegte Attest des Dr. Dr. … vom 12. März 2015 ist folglich kein tauglicher Nachweis dieser Voraussetzungen. Der im Verwaltungsverfahren vorgelegte Arztbrief von Dr. …, Fachärztin für Innere Medizin – Nephrologie, …, vom 4. August 2014 enthält zwar fachärztliche Diagnosen und Berichte über durchgeführte Untersuchungen, lässt jedoch nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG schließen, insbesondere da sich dieser Arztbrief lediglich an den Hausarzt richtet und sich jeglicher Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine mögliche Erwerbsunfähigkeit enthält. Die im Klageverfahren auf gerichtlichen Hinweis vorgelegte ärztliche Bescheinigung von Dr. … schließlich ist ebenfalls nicht geeignet, das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmeregelung darzutun. Diese ärztliche Bescheinigung, die zwar eine Reihe von Diagnosen stellt, insoweit nachvollziehbar erklärt, der Kläger sei deutlich eingeschränkt, und zu der Schlussfolgerung kommt, der Kläger sei aus fachärztlicher Sicht nicht arbeitsfähig, setzt sich – wie auch die früheren Atteste – in keiner Weise differenzierend damit auseinander, inwieweit die Arbeitsunfähigkeit auf dem Alter des Klägers und alterstypischen Erkrankungen und Einschränkungen einerseits bzw. auf – hier allein relevanten – altersunabhängigen Erkrankungen basiert. Zur Frage, ob und inwieweit der Kläger krankheits- oder behinderungsbedingt nicht in der Lage war, entsprechende Rentenansprüche zu erwerben, findet sich gar keine Aussage. In diesem Zusammenhang wäre zwingend erforderlich gewesen, dass das fachärztliche Gutachten sich damit auseinandersetzt, dass der Kläger wie sich noch aus dem Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 16. März 2011 ergab, für eine zustandsangepasste Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig war. Das fachärztliche Gutachten hätte sich weiter mit der Frage befassen müssen, wie der Kläger, der in seinem Antrag vom 4. Juni 2013, über den die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid entschieden hat, ausführen ließ, weitere Arbeitsleistungen aufgrund seiner Erkrankung nicht erbringen zu können, seine Erwerbstätigkeit zum 1. November 2013 zunächst ausweiten konnte, so dass er für einen kurzen Zeitraum bis zu seinem Renteneintritt seinen Lebensunterhalt nach Aktenlage tatsächlich eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichern konnte, ohne Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zu beziehen. Diese Ausweitung der Erwerbstätigkeit steht jedenfalls, worauf auch die Beklagte zu Recht hinweist, in auffälligem Gegensatz zu der vom Kläger in diesem Verfahren wie auch in dem mit Bescheid vom 25. August 2011 abgeschlossenen Verfahren geltend gemachten nur eingeschränkten Erwerbsfähigkeit. Anzumerken ist, ohne dass es darauf ankäme, dass der Kläger noch 2005/2006, als es ihm darum ging, eine Aufenthaltserlaubnis und die Gestattung der Aufnahme von Arbeit zu erlangen, erklärte, er sei trotz seiner Erkrankung aufgrund der ausreichenden Medikation in der Lage, einer geregelten Arbeitstätigkeit nachzugehen, was im Ergebnis auch durch das Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 16. März 2011 einige Jahre später noch bestätigt wurde. Dennoch nahm der Kläger nach seiner illegalen Wiedereinreise im November 2000 keine seinen Lebensunterhalt vollständig sichernde Erwerbstätigkeit auf, ehe er – im Übrigen entgegen der von ihm vorgelegten Atteste – während des hier streitgegenständlichen Verwaltungsverfahrens seine Erwerbstätigkeit ausweitete. Festzuhalten ist auch, dass der Kläger, wie auch sein Prozessbevollmächtigter ausdrücklich erklärt hat, zu keinem Zeitpunkt eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI beantragt hat. Im Ergebnis geht die Kammer nicht davon aus, dass der Umstand, dass der Kläger nach Eintritt des Rentenalters seinen Lebensunterhalt nicht vollständig durch die auf seinen Beitragszahlungen beruhende Regelaltersrente sichern kann, auf eine (teilweise) Erwerbsunfähigkeit, die die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG rechtfertigen würde, zurückzuführen ist, sondern darauf, dass der Kläger zum einen, weil er nach seiner illegalen Wiedereinreise im November 2000 ganz überwiegend nur Tätigkeiten ausgeübt hat, die nicht zur vollständigen Sicherung seines Lebensunterhalts ausreichend waren, und zum anderen, weil er aufgrund seiner ausweisungsbedingten Zeiten der Abwesenheit vom Bundesgebiet, seiner Zeiten, während derer ihm ebenfalls im Zusammenhang mit der Ausweisung bzw. Abschiebung nach seinen illegalen Wiedereinreisen die Erwerbstätigkeit nicht gestattet war, sowie seiner Haftzeiten, im Ergebnis keine seinen Lebensunterhalt nach Erreichen des Renteneintrittsalters vollständig sichernden Rentenansprüche erworben hat. Auf einen solchen Sachverhalt findet jedoch § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG keine Anwendung.
Folglich ist im Ergebnis der Lebensunterhalt des Klägers entgegen der §§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2 Abs. 3 AufenthG schon aufgrund der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen nicht gesichert, ohne dass es darauf ankäme, ob das mietfreie Wohnen des Klägers bedarfsmindernd berücksichtigt werden kann (dafür wohl VGH BW, B. v. 11.12.2013 – 11 S 2077/13 – juris Rn. 29; OVG Saarland, B. v. 1.7.2011 – 2 B 216/11, 2 D 236/11 – juris Rn. 38).
Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die von den Beteiligten im Klageverfahren intensiv diskutierte Frage der Staatsangehörigkeit der Tochter des Klägers im Hinblick auf die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis hat, ohne jegliche Bedeutung ist.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt
(§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.