Sozialrecht

Erwerbsminderungsrente – Gesundheitliche Voraussetzungen, Berufsschutz

Aktenzeichen  L 19 R 17/16

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 109369
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI § 43 Abs. 1, Abs. 2, § 240, § 241 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Wer wenigstens 6 Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht unüblichen Einschränkungen verrichten kann, hat trotz gesundheitlicher Einschränkungen keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Keinen Berufsschutz für eine Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit hat, wer sich von seinem Facharbeiterberuf gelöst und einem anderen Berufen zugewandt hat, ohne dass dafür gesundheitliche Gründe belegt sind. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 15 R 726/14 2015-12-11 GeB SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.12.2015 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Zwar könnte man daran zweifeln, ob das Schreiben des Klägers vom 05.01.2016 an das SG Nürnberg tatsächlich den Willen ausdrückt, Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung zu ergreifen. Dies kann aber dahingestellt bleiben, da sich der Kläger am 22.01.2016 und damit noch innerhalb der Berufungsfrist – Zustellung des Gerichtsbescheids war am 23.12.2015 – direkt an das Berufungsgericht gewandt hat und ausgeführt hat, mit dem Gerichtsbescheid nicht einverstanden zu sein. Auch wenn nicht ausdrücklich von Berufung die Rede ist, ist dies so auszulegen, da der rechtlich nicht vorgebildete Kläger erkennbar jedes denkbare Rechtsmittel gegen die Entscheidung ausschöpfen wollte.
Das Bayer. Landessozialgericht – Zweigstelle Schweinfurt – ist auch zuständiges Berufungsgericht für eine am SG Nürnberg erstinstanzlich entschiedene Streitsache aus dem Rentenrecht. Dies ist unabhängig davon, ob der Kläger über einen inländischen Wohnsitz oder Aufenthaltsort verfügt. Die vom Kläger – auch für Zustellungen – benannte inländische Adresse führt im Übrigen faktisch zum Vorhandensein eines Empfangsbevollmächtigten.
Die Berufung ist aber nicht begründet, denn das SG Nürnberg ist zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat und die angefochtenen Bescheide der Beklagten daher im Ergebnis nicht zu beanstanden sind.
Gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und wegen Berufsunfähigkeit gelten (§ 43 Abs. 1 und § 240 SGB VI), hat der Kläger bei Antragstellung unproblematisch erfüllt gehabt. Für einen eventuellen, ab Juli 2016 neu eingetretenen medizinischen Leistungsfall würden sie jedoch nicht mehr vorliegen, da der Kläger im März 2013 und ab Juli 2014 keine rentenrechtlich relevanten Zeiten aufzuweisen hat und damit ausgehend von einem derartigen Leistungsfall nicht mehr in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung die erforderliche Anzahl an Pflichtbeiträgen vorliegen würde.
Eine Anwendung von § 241 Abs. 2 SGB VI kommt nicht in Betracht, da der Kläger zwar zum 01.01.1984 bereits die allgemeine Wartezeit erfüllt gehabt hatte, jedoch seitdem nicht lückenlos rentenrechtlich relevante Zeiten vorgelegen haben: Im März 2013 ist eine Lücke, die auch nicht mehr geschlossen werden kann, da die Frist für die Zahlung von freiwilligen Beiträgen für das Jahr 2013 bei Stellung des Rentenantrags im Mai 2014 bereits abgelaufen war (§ 197 Abs. 2 SGB VI).
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Ergänzend führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats noch in der Lage, wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Es muss sich um leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung handeln. Als Einschränkungen der Arbeitsbedingungen sind zu beachten: Keine überwiegenden Zwangshaltungen, keine Überkopfarbeiten, keine häufigen Hebe- und Bückarbeiten, kein Heben und Tragen über 5 kg, keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, keine besondere Unfallgefahr, keine Anforderungen an besondere Fingerfertigkeit, keine zugigen Räume, keine Schichtarbeit, keine Arbeit im Akkord oder sonst unter Zeitdruck.
Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens sieht der Senat nicht als nachgewiesen an. Soweit der Gutachter Dr. G. zu einer derartigen quantitativen Einschränkung gelangt ist, ist dies nicht hinreichend aus den bestehenden Gesundheitsstörungen abgeleitet. Hinzu kommt, dass der Gutachter von Einschränkungen ausgeht, deren dauerhaftes Vorhandensein nicht belegt ist. Dies betrifft zum einen die Stärke der Bewegungseinschränkungen als solche und daneben die Frage der Besserung durch adäquate Behandlung. Dr. G. benennt ausdrücklich als bisher nicht ausgeschöpfte Behandlungsoption die Durchführung einer stationären Rehabilitationsbehandlung. Dies steht im Gegensatz zu der Auffassung des Klägers, dass eine weitere Behandlung nicht möglich sei, und zu der Tatsache, dass sich der Kläger – abgesehen von der angegeben Akutbehandlung zu Jahresbeginn 2017 – nur äußerst selten und nur hausärztlich behandeln lässt.
Alle übrigen Gutachter, insbesondere auch der vom Senat gehörte Dr. D., kommen zum Ergebnis, dass keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers aus den festgestellten Gesundheitsstörungen resultiere. Soweit der Kläger auf Dr. E. verweist, handelt es sich um Parteivorbringen unter Einschaltung eines medizinisch Sachkundigen und nicht um ein unabhängiges Gutachten. Inhaltlich vermag Dr. E. nicht überzeugend zu belegen, dass der Kläger keinerlei Erwerbstätigkeit – auch nicht bei Beachtung der Einschränkungen der Arbeitsbedingungen – mehr nachgehen kann. Hinzu kommt, dass er seine Einschätzung auf eine nicht näher nachvollziehbare Zusammenschau stützt und dabei auf den Arbeitsmarkt Bezug nimmt, wobei die Verwendung des Wortes „einsetzbar“ anstatt „einsatzfähig“ darauf hindeutet, dass auch die Arbeitsmarktlage eine Rolle gespielt hat.
Soweit der Kläger seine Genanomalien nicht hinreichend gewürdigt meint, ist darauf hinzuweisen, dass anders als bei der Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) im Rentenrecht immer maßgeblich ist, welche Funktionseinschränkungen dauerhaft mit einer Gesundheitsstörung verbunden sind. Bei den genannten Anomalien besteht die Einschränkung im Wesentlichen darin, dass eine dauerhafte Medikation erforderlich ist – so auch Dr. D. – und bei laufender Behandlung mit Medikamenten zur Hemmung der Blutgerinnung – wie allgemein bekannt – Verletzungen üblicherweise mit hohem Blutverlust verbunden sind und gefährlich werden können. Deshalb ist in solchen Fällen bei den Arbeitsbedingungen selbstverständlich darauf zu achten, dass eine Unfallgefährdung am Arbeitsplatz weitestgehend zu vermeiden ist.
Der Hinweis des Klägers auf seine schon seit der Musterung vorliegenden Hüftbeschwerden führt ebenfalls nicht zur Erfüllung der medizinischen Voraussetzungen. Die Hüftbeschwerden sind zur Überzeugung des Senats von den Sachverständigen durch Benennung entsprechender Arbeitsbedingungen berücksichtigt worden, wobei dies von ihnen – außer möglicherweise von Dr. G. – auch als ausreichend angesehen wurde. Zudem haben die Beschwerden, wie vom Kläger selbst vorgetragen, schon während der Erwerbstätigkeit des Klägers vorgelegen und darüber hinaus wären sie nach der Schilderung des Klägers Erkrankungen, die bereits zu Beginn des Erwerbslebens vorgelegen hätten und damit nicht unter den Versicherungsschutz fallen. Es ist nicht ersichtlich, wieso durch diese die Erwerbsfähigkeit des Klägers nun auf einmal ausgeschlossen sein sollte.
Soweit der Kläger von einem “„nachweislich unrichtigen und unvollständigen Gutachten von Dr. F.“ spricht, liegt ein solcher Nachweis entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor. Insbesondere übergeht der Kläger, dass auf seine Einwände hin vom Sozialgericht eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. F. eingeholt worden war, so dass dieser sich noch einmal explizit zu den Gesundheitsstörungen geäußert hat, die nach Ansicht des Klägers vom Gutachter übersehen oder unbeachtet gelassen worden wären. Hinzu kommt, dass Dr. D. klar dargelegt hat, dass die Untersuchungsergebnisse des Dr. F. weitestgehend mit denen des vom Kläger privat beauftragten Dr. E. übereinstimmen. Die sozialmedizinischen Schlussfolgerungen können also ohne weiteres auch aus dessen Befunden abgeleitet werden, wobei der Senat schon ausgeführt hat, warum der sozialmedizinischen Einschätzung des Dr. E. jedoch nicht zu folgen ist.
Ob die vom Kläger geltend gemachte aktuelle gesundheitliche Verschlechterung im Januar 2017 ausreicht, um nun vom Vorliegen von teilweiser oder voller Erwerbsminderung auszugehen, lässt sich derzeit nicht aufklären. Dies kann aber dahingestellt bleiben, weil bei einem medizinischen Leistungsfall im Januar 2017 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt wären und somit ein Rentenanspruch des Klägers – unabhängig von der momentanen gesundheitlichen Situation – nicht besteht.
Zwar kann in bestimmten Ausnahmefällen eine Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung auch dann erfolgen, wenn bei dem Kläger keine quantitative Einschränkung besteht; dazu müssten jedoch die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sog. Katalogfall erfüllt sein, was aus Sicht des Senates nicht der Fall ist. Für die Prüfung ist nach dem BSG (Urt. v. 09.05.2012, B 5 R 68/11 R – zitiert nach juris) mehrschrittig vorzugehen. Zunächst ist festzustellen, ob mit dem Restleistungsvermögen Verrichtungen erfolgen können, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Maschinenbedienung, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen. Wenn sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben lassen und ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen kommen, stellt sich im zweiten Schritt die Frage nach der besonderen spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen und, falls eine solche Kategorie als vorliegend angesehen wird, wäre im dritten Schritt von der Beklagten eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen und die Einsatzfähigkeit dann hinsichtlich dieser Tätigkeit abzuklären (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 43 SGB VI Rn 37 mwN).
Für den Senat ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da alle Arbeitsfelder als grundsätzlich geeignet anzuführen wären, soweit bei ihnen die Einschränkungen der Arbeitsbedingungen beachtet werden. Aber selbst wenn man ernstliche Zweifel unterstellen wollte, so sind die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht als schwere spezifische Behinderung und auch nicht als Summierung von ungewöhnlichen Einschränkungen einzuordnen. Die Armfunktionen gehen – wie Dr. D. ausgeführt hat – weit über eine bloße Beihandfunktion hinaus und selbst eine solche würde ja noch nicht zur funktionalen Einarmigkeit führen. Beim Kläger sind zwar eine Reihe von Einschränkungen der Arbeitsbedingungen als erforderlich beschrieben, doch die vorgenannte Summierung im Rechtssinn würde voraussetzen, dass zu den Einschränkungen der Belastbarkeit, wie sie üblicherweise bei physisch und teilweise psychisch geschwächten Erwerbsfähigen zu beobachten sind, besondere weiter reichende Einschränkungen hinzutreten. Die beim Kläger festgestellten Einschränkungen sind dagegen gerade nicht so weitgehend. Die Sinneswahrnehmung ist intakt und kann im Erwerbsleben zum Einsatz gebracht werden. Dies gilt jedenfalls für die Zeit vor der behaupteten aktuellen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des Klägers im Januar 2017.
Das oben beschriebene Leistungsbild mit einem Restleistungsvermögen des Klägers an geeigneten Arbeitsplätzen von 6 Stunden und mehr führt auch dazu, dass teilweise Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI nicht nachgewiesen ist, so dass die hilfsweise beantragte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ebenfalls ausscheidet.
Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf die weiter hilfsweise beantragte Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Zwar gehört der Kläger von seinem Geburtsjahrgang her zu den Altersgruppen, für die diese Übergangsvorschrift überhaupt in Betracht kommt.
Der Kläger kann entgegen der bisher von den Beteiligten im Verfahren geäußerten Auffassung sich zur Überzeugung des Senats jedoch nicht auf einen weitergehenden Berufsschutz berufen.
Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat für die Einstufung der verschiedenen beruflichen Tätigkeiten ein Mehrstufenschema entwickelt, das ursprünglich von vier Gruppen ausging (vgl. etwa schon BSG, Urt. vom 09.09.1986, Az. 5b RJ 82/85- zitiert nach juris). Jede Stufe wurde dabei durch Leitberufe klassifiziert. Der ersten Stufe gehörten Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion und besonders hoch qualifizierte Facharbeiter an, der zweiten Stufe Facharbeiter in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mehr als zwei Jahren und ihnen Gleichgestellte. Der dritten Stufe gehörten angelernte Arbeiter an, die eine erforderliche Ausbildungszeit von längstens zwei Jahren Dauer, aber mindestens drei Monaten absolviert hatten. Der Gruppe der Ungelernten waren schließlich die Versicherten zuzuordnen, deren Tätigkeit nicht zu einer höherwertigen Einstufung führte. An der bestehenden Einteilung haben sich auch nach der ergänzenden Einbeziehung der früheren Angestelltenberufe in ein neues Sechsstufenschema nur Äußerlichkeiten geändert (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 240 SGB VI, Rn. 24 mwN aus der Rechtsprechung).
Der Kläger hat ursprünglich mit dem Beruf eines Kfz-Mechanikers eindeutig eine Facharbeitertätigkeit erlernt und eine gewisse Zeit auch ausgeübt gehabt. Von diesem Beruf hat sich der Kläger in der Folgezeit aber gelöst und anderen Berufen zugewandt, ohne dass gesundheitliche Einschränkungen als maßgeblicher Grund dafür belegt wären (vgl. Gürtner a.a.O. Rn. 21). Die Tätigkeit des Kesselwärters und Heizers ist mit einem Lehrgang zu erlernen gewesen. Es handelt sich – insoweit auch vom Kläger zutreffend eingeschätzt – um eine Anlerntätigkeit, die auch nicht zum oberen Bereich der Anlernberufe zählt. Der Beruf des Chemikanten, den der Kläger danach erlernt hat, kann von der Dauer der Umschulung her möglicherweise als Anlernberuf des oberen Bereiches anzusehen sein, er kann aber auch schon der Facharbeiterebene zuzuordnen sein. Der Senat sieht diesen Beruf aber nicht als maßgeblich für einen erworbenen Berufsschutz an, da er das Erwerbsleben des Klägers nicht geprägt hat, sondern tatsächlich überhaupt nicht ausgeübt worden ist. Somit ist maßgeblich die zuletzt nicht nur vorübergehend, sondern jahrelang ausgeübte Tätigkeit als Kesselwärter und Heizer. Wenn eine Anlerntätigkeit maßgeblicher Ausgangsberuf ist, ist die Verweisung auch auf die nächst niedrigere Stufe – also ungelernte Tätigkeiten – zulässig (vgl. Gürtner a.a.O. Rn. 95). Damit ist der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und die Beklagte ist nicht gehalten eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen (vgl. Gürtner a.a.O. Rn. 114). Die Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sieht der Senat – wie oben dargestellt – als gegeben an.
Aber selbst wenn man entgegen der Überzeugung des Senats eine Einordnung der Berufstätigkeiten des Klägers in die Stufe der Facharbeitertätigkeiten annehmen wollte und somit eine Verweisung nur auf eine konkret benannte andere Facharbeitertätigkeit oder Anlerntätigkeit in Betracht kommen würde, wäre es zu bejahen, dass der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen die von der Beklagten benannten Tätigkeiten eines Registrators und eines Telefonisten verrichten und auf diese Berufe verwiesen werden könnte. Wie von der Beklagten unter Bezugnahme auf Rechtsprechung zutreffend dargelegt, handelt es sich dabei um einem Facharbeiter zumutbare Verweisungstätigkeiten. Auch der Kläger könnte sich in der erforderlichen Einarbeitungszeit in derartige Tätigkeiten einarbeiten. Es ist nicht erkennbar, dass die mit diesen Tätigkeiten verbundenen Anforderungen nicht mit den dem Kläger zumutbaren Arbeitsbedingungen zur Deckung zu bringen wären.
Dementsprechend sind die Entscheidungen der Beklagten, die einen Rentenanspruch des Klägers nicht als belegt ansehen, nicht zu beanstanden.
Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Nürnberg vom 11.12.2015 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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