Sozialrecht

Gebührenbescheid für Nutzung einer Asylbewerberunterkunft – Gleichbehandlungsgrundsatz

Aktenzeichen  Au 6 K 17.67

Datum:
11.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KG Art. 13, Art. 21
AufnG Art. 1, Art. 6
GG GG Art. 3
BayVwVfG BayVwVfG Art. 3, Art. 37
BV BV Art. 118
AsylbLG AsylbLG § 1, § 2, § 7, § 7b
SGB XII SGB XII § 8
AsylG AsylG § 50, § 53, § 55
DVAsyl 2002 DVAsyl 2002 § 5, § 21, § 22, § 23, § 24, § 25, § 26, § 27

 

Leitsatz

1. Im Rahmen der Bestimmtheit eines Verwaltungsakts ist ein Buchstabendreher im Nachnamen des Adressaten als lediglich geringfügiger Schreibfehler ohne Bedeutung, da sich der Verwaltungsakt sowohl nach seinem objektiven Erklärungswert als auch nach dem Empfängerhorizont des Adressaten eindeutig an diesen richtet. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Gebührenschuldner hat innerhalb der Festsetzungsfristen keinen Anspruch darauf, dass eine zu niedrig festgesetzte Abgabe nicht erneut mit höherer, richtiger Berechnung nacherhoben wird oder dass für andere Gebührenzeiten weiterhin eine zu niedrige Gebühr festgesetzt wird. Dies gilt selbst dann, wenn durch den fehlerhaften Vollzug andere Abgabenschuldner nur die zu niedrige Abgabe zahlen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit Schriftsatz vom 31. März 2017 und 10. April 2017 bzw. 25. Mai 2017 auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
B.
Die zulässige Klage gegen den Bescheid vom 29. Dezember 2016 ist unbegründet. Der Bescheid vom 29. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I. Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung für Dezember 2015 sind § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Aufnahmegesetzes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl 2002) vom 4. Juni 2002 (GVBl. S. 218; BayRS 26-5-1-A), zuletzt geändert durch Verordnung zur Schwerpunktsetzung von Aufgaben bei den Regierungen vom 14. Oktober 2014 (GVBl S. 450). Die Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes und des § 12a des Aufenthaltsgesetzes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl 2016) vom 16. August 2016 (GVBl. S. 258; BayRS 26-5-1-A/I) ist hingegen gem. § 30 Abs. 1 DVAsyl 2016 erst für Gebührenerhebungen für Zeiträume ab dem 1. September 2016 anwendbar.
II. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
Sachlich und örtlich zuständig für den Bescheiderlass war gem. § 27 DVAsyl 2002 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a) BayVwVfG die Regierung von …. Ob früher die Zuständigkeit einer anderen Behörde, beispielsweise des Landratsamtes als Staatsbehörde bestand, ist rechtlich ohne Bedeutung, da es in Hinblick auf die Zuständigkeit auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses ankommt und beide Behörden demselben Rechtsträger – Freistaat Bayern – zuzurechnen sind.
Zwar hat der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid nicht alle wesentlichen tatsächlichen Gründe zur Gebührenhöhe mitgeteilt und den Bescheid damit nicht hinreichend begründet, insbesondere ist die Berechnung der Höhe der Leistungspflicht „Unterkunft 185 €, Haushaltsenergie 7,67 €, gesamt 40,10 €“ aus sich heraus nicht verständlich (Art. 39 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BayVwVfG). Die Berechnung der Gebührenhöhe war auch nicht offenkundig oder sonst für den Betroffenen unschwer erkennbar, weswegen auf eine nachvollziehbare Berechnung der Gebührenhöhe auch nicht gem. Art. 39 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG verzichtet werden konnte (Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 39 VwVfG Rn. 48). Diesen Fehler hat der Beklagte jedoch durch Nachreichung der Berechnungsgrundlage im Rahmen der Klageerwiderung gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG geheilt. Aus der Berechnungsgrundlage ist ersichtlich, wie sich die nach dem streitgegenständlichen Bescheid zu zahlende Gebühr in Höhe von 40,10 € errechnet (s.u.).
III. Der Bescheid vom 29. Dezember 2016 ist auch materiell rechtmäßig.
1. Der Bescheid ist hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
Insbesondere lässt er seinen Adressaten unzweifelhaft erkennen, eine Verwechslung mit anderen Personen ist nicht möglich. Der Kläger wird mit zwei Vor- und dem Nachnamen bezeichnet, weiterhin werden sowohl seine aktuelle als auch seine Adresse im Dezember 2015 genannt. Durch diese Angaben ist eine Verwechslung mit anderen Personen nicht möglich. Der Buchstabendreher im Nachnamen des Klägers ist als lediglich geringfügiger Schreibfehler ohne Bedeutung, da sich der Verwaltungsakt sowohl nach seinem objektiven Erklärungswert als auch nach dem Empfängerhorizont des Klägers gleichwohl eindeutig an diesen richtet (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 37 VwVfG Rn. 9). Ebenso leidet der Bescheid auch nicht deshalb an einem Fehler hinsichtlich seiner Bestimmtheit, weil er – soweit ersichtlich unzutreffend – die „Gemeinschaftsunterkunft der Regierung von …“ nennt. Für welche Unterkunft der Kläger Gebühren zu leisten hat, ist aus der genauen Adressangabe („Unterkunftsnummer, …weg,, Beginn 14.11.2013, Ende 11.01.2016“) und der Nennung des abzurechnenden Monats (Dezember 2015) auch für den Kläger zu erkennen. Ob es sich hierbei um eine Gemeinschaftsunterkunft handelt, die von der Regierung von … betrieben wird, oder um eine dezentrale Unterkunft des Landratsamts … als Staatsbehörde, ist lediglich eine verwaltungsorganisatorische Differenzierung, der für die Frage der Bestimmtheit des Bescheids keine Bedeutung zukommt.
2. Der Bescheid vom 29. Dezember 2016 verfügt über eine Rechtsgrundlage.
a) Die Gebührenpflicht ergibt sich aus § 21 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl 2002. Danach werden für die Inanspruchnahme von staatlichen Einrichtungen zur Unterbringung von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Benutzungsgebühren erhoben.
Bei der Unterkunft, in der der Kläger im Dezember 2015 wohnte, handelt es ich um eine staatliche Unterkunft, gleichgültig, ob es sich um eine Gemeinschaftsunterkunft der Regierung von … handelt (§ 5 Abs. 2 DVAsyl 2002) oder um eine dezentrale Unterkunft des Landratsamtes als Staatsbehörde (siehe klarstellend auch § 5 Abs. 2 DVAsyl 2016 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 AufnG). Diese Unterkunft diente unstreitig auch der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Form der Bekanntmachung vom 5. August 1997 in der hier maßgeblichen Gültigkeit vom 24. Oktober 2015 bis 31. Dezember 2015 (AsylbLG 2015).
Der Kläger ist von der Gebührenpflicht auch nicht gem. § 21 Abs. 2 DVAsyl 2002 befreit. Nach der Norm werden Gebühren nicht erhoben, wenn der Gebührenschuldner dem Personenkreis des Art. 1 AufnG zuzurechnen ist, es sei denn, der Gebührenschuldner erfüllt die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG und verfügt über Einkommen und/oder Vermögen. Zwar zählt der Kläger zum Personenkreis des Art. 1 AufnG, da der Kläger als Asylbewerber Inhaber einer Aufenthaltsgestattung gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) und damit leistungsberechtigt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG 2015 ist. Jedoch ist der Kläger nach § 2 AsylbLG 2015 sozialhilfeberechtigt i.S.d. §§ 8 ff. SGB XII, da sich der Kläger seit November 2013 und damit auch schon im Dezember 2015 über 15 Monate im Bundesgebiet aufhielt und er – soweit ersichtlich – die Dauer seines Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat. Des Weiteren verfügte der Kläger im November 2015 (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 DVAsyl 2002) ausweislich der vom Kläger nicht bestrittenen Berechnungsgrundlagen des Beklagten (Bl. 16 der Gerichtsakte) und seiner Gehaltsabrechnung (Bl. 14 der Behördenakte) über ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 405,71 € (Bruttoeinkommen 761,60 €, Nettoeinkommen 630,21 €).
b) Durch die Zuweisung des Klägers in diese Unterkunft und ihre Inanspruchnahme bestand im Dezember 2015 ein Nutzungsverhältnis, weshalb der Kläger auch Gebührenschuldner ist, § 21 Abs. 1 Satz 1, § 25 Satz 1 DVAsyl 2002.
c) Die Gebührenhöhe ist ebenfalls rechtmäßig. Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DVAsyl 2002 beträgt die Gebühr für alleinstehende Personen wie den Kläger 185 € zuzüglich Haushaltsenergie in Höhe von 7,67 € (§ 22 Abs. 1 Satz 2 DVAsyl 2002) und damit insgesamt 192,67 € (so auch VG Ansbach, B.v. 16.2.2006 – AN 16 S. 05.03503 – juris Rn. 22). Die Angemessenheit der Gebührenobergrenze von 192,67 € nach der DVAsyl 2002 hat der Kläger – anders als in den Verfahren Au 6 K 17.193 und Au 6 K 17.194 zu zwei Gebührenbescheiden in Höhe von je 306 € nach der DVAsyl 2016 – nicht substantiiert gerügt. Verstöße gegen das Äquivalenzprinzip und die Verhältnismäßigkeit sind auch nicht ersichtlich.
Bei der Unterkunft handelt es sich des Weiteren nicht um ein Notquartier gem. § 22 Abs. 2 DVAsyl 2002. Eine Verpflegungsgebühr gem. § 23 DVAsyl wurde nicht angesetzt. Auslagen, Zinsen und Säumniszuschläge fallen nicht an, § 26 Abs. 3 DVAsyl 2002 i.V.m. Art. 10, 17, 18 KG. Der Kläger nutzte die Unterkunft den ganzen Monat, § 26 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl 2002.
Dabei war auch nicht – wie im Bescheid des Landratsamts … in Bezug auf andere Monate geschehen und vom Kläger insoweit auch für Dezember 2015 geltend gemacht – eine Gebührenreduzierung um 56% gem. § 7b AsylbLG 2015 auf 89,07 € vorzunehmen. Die Gebührenhöhe ergibt sich allein aus §§ 21 ff. DVAsyl 2002 als Rechtsgrundlage, nicht aus dem AsylbLG 2015, weshalb § 7b AsylbLG 2015 unanwendbar war. Des Weiteren ist § 7b AsylbLG auch inhaltlich nicht einschlägig, da sich die Norm mit dem Fall befasst, dass zu Unrecht Leistungen erbracht wurden, weil kein Verwaltungsakt vorlag oder der entsprechende Verwaltungsakt aufgehoben wurde (siehe § 50 Abs. 1, Abs. 2 SGB X). In § 7b AsylbLG 2015 werden damit lediglich Rückzahlungsmodalitäten für zu Unrecht erbrachte Leistungen geregelt. Dies entspricht nicht dem vorliegenden Fall, bei dem Gebühren für rechtmäßig erbrachte Leistungen erhoben werden. Der Beklagte ist gem. §§ 50, 53 AsylG grundsätzlich verpflichtet, Asylbewerber nach Ende ihrer Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§§ 47 ff. AsylG), in einer Gemeinschaftsunterkunft i.S.d. Bundesrechts unterzubringen, § 5 Abs. 1, Abs. 2 DVAsyl 2002. Zu Gemeinschaftsunterkünften i.S.d. Bundesrechts zählen auch dezentrale Unterkünfte, soweit sie von Art und Ausstattung vergleichbar sind (klarstellend hierzu § 5 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl 2016). Die Unterbringung des Klägers in der Unterkunft war folglich rechtmäßig. Damit liegt kein Fall i.S.d. § 7b AsylbLG 2015 vor, in dem der Beklagte zu Unrecht Leistungen erbracht hat und den Geldwert dieser Leistungen als Erstattung nun zurückfordert.
Bei der Berechnung der Gebühr muss des Weiteren das Einkommen des Klägers berücksichtigt werden, § 24 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl 2002. Die Höhe der Gebühr wird durch den Differenzbetrag zwischen dem anrechenbaren Einkommen einerseits und dem laufenden sozialhilferechtlichen Bedarf andererseits, § 24 Abs. 2 Satz 1 DVAsyl 2002, begrenzt. Der Kläger hat die Berechnung der Gebührenhöhe nicht substantiiert in Frage gestellt, diesbezügliche Fehler sind auch nicht ersichtlich. Der Beklagte ging ausweislich der in der Klageerwiderung vorgelegten Berechnungen von einem Gesamtbedarf des Klägers von 584 € aus (399 € Regelbedarf + 185 € Unterkunft + 5,20 € Arbeitsmittel, siehe Bl. 16 der Gerichtsakte). Auf den Gesamtbedarf des Klägers rechnete der Beklagte die erhaltenen Leistungen in Höhe von 218,39 € (185 € Unterkunft + 33,39 € Wohnen/Energie Abteilung 4) an, so dass der Beklagte von einem Restbedarf des Klägers in Höhe von 365,61 € (584 € – 218,39 €) ausging.
Anhand des Nettoeinkommens von 630,21 € errechnete der Beklagte ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 405,71 € (Bl. 14 der Behördenakte). Hierbei ist in Hinblick auf die Gebühr für Dezember 2015 das Einkommen im November 2015 maßgeblich, § 24 Abs. 1 Satz 2 DVAsyl 2002. Unter Anrechnung des Restbedarfs des Klägers auf sein einzusetzendes Einkommen kam der Beklagte auf ein Einkommen des Klägers nach Restbedarfsausgleich in Höhe von 40,10 € (405,71 € – 365,61 €). Da die Gebühren jedoch mit insgesamt 192,67 € (185 € Unterkunft + 7,67 € Energie) das Einkommen des Klägers nach Restbedarfsausgleich deutlich überstiegen, musste der Kläger sein gesamtes Einkommen nach Restbedarfsausgleich, mithin 40,10 €, zur Gebührenzahlung einsetzen. Diese Belastung gleicht die ihm gewährte Vergünstigung einer ausnahmsweisen Gestattung der Erwerbstätigkeit (§ 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG) aus.
d) Die Gebührenschuld ist mit Beginn des Monats Dezember 2015 entstanden, § 26 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl 2002. Sie wurde mit Bekanntgabe des Bescheids vom 29. Dezember 2016 fällig.
e) Nicht zu beanstanden ist es auch, dass der Beklagte die Gebühr erst gut ein Jahr nach der Nutzung mit Bescheid vom 29. Dezember 2016 erhob.
Gem. Art. 21 Abs. 4 Satz 3 KG (siehe zur Ermächtigungsgrundlage unten) sind auf Rechtsverordnungen wie die DVAsyl 2002 die Art. 10 bis 19 KG entsprechend anwendbar, soweit in der Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist. In § 26 Abs. 3 DVAsyl 2002 werden lediglich Art. 10, 17 und 18 KG für nicht anwendbar erklärt, weshalb Art. 13 KG weiterhin anwendbar bleibt. Nach Art. 13 Satz 1 KG ist eine Kostenentscheidung (und in entsprechender Anwendung gem. Art. 21 Abs. 4 Satz 3 KG auch eine Entscheidung zu einer Benutzungsgebühr) nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (Festsetzungsverjährung). Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, § 13 Abs. 1 Satz 2 KG. Der Anspruch auf die Benutzungsgebühr ist vorliegend im Jahr 2015 entstanden (s.o.). Damit begann die Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2015 und endet erst mit Ablauf von vier Jahren, mithin am 31. Dezember 2019. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die jeweils zuständige Behörde für den Beklagten Benutzungsgebühren für das Jahr 2015 erheben, was hier mit streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Dezember 2016 auch geschehen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in einer Festsetzung einer Gebühr nach gut einem Jahr kein Verstoß gegen die Rechtssicherheit oder den Vertrauensschutz. Eine vergleichbare vierjährige Frist gilt z.B. auch im Kommunalabgabenrecht (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 AO).
3. Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG bzw. Art. 118 BV vor.
Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, dass – angeblich – die Stadt … niedrigere Gebühren erhebt und das Landratsamt … in der Vergangenheit von einer monatlichen Gebührenhöhe von 89,07 € ausging. Unabhängig von der Frage, ob die Einrichtungen der Stadt, die auch beim Handeln im übertragenen Wirkungskreis stets ihr eigener Rechtsträger ist, überhaupt als „staatliche“ Einrichtungen gem. § 21 DVAsyl 2002 qualifiziert werden können, gehen Vergleiche mit etwaigen anders festgesetzten Gebühren der Stadt … und der Handhabung in anderen Regionen Bayerns und der Bundesrepublik insgesamt fehl. Die vom Beklagten festgesetzte Gebührenhöhe entspricht den gesetzlichen Vorgaben der hier anwendbaren DVAsyl 2002 (s.o.). Sollten andere Behörden des Freistaates Bayern möglicherweise entgegen §§ 21 ff. DVAsyl 2002 zu niedrige Gebühren erhoben haben, so ergibt sich daraus kein Anspruch des Klägers, ebenfalls (und weiterhin) zu niedrig veranlagt zu werden. Eine Gleichbehandlung im Unrecht gibt es nicht. Der Gebührenschuldner hat innerhalb der Festsetzungsfristen keinen Anspruch darauf, dass eine zu niedrig festgesetzte Abgabe nicht erneut mit höherer, richtiger Berechnung nacherhoben wird oder dass – wie hier – für andere Gebührenzeiten weiterhin eine zu niedrige Gebühr festgesetzt wird. Dies gilt selbst dann, wenn durch den fehlerhaften Vollzug andere Abgabenschuldner nur die zu niedrige Abgabe zahlen (BayVerfGH, U.v. 20.12.2012 – Vf. 25-VI-12 – juris Rn. 30 m.w.N.; Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Stand November 2016, Teil IV, Frage 3, Ziff. 3.; Kischel in: BeckOK Grundgesetz, 33. Edition, Stand: 01.06.2017, Art. 3 GG, Rn. 115 ff. m.w.N.).
In Bezug auf Rechtsträger, die Benutzungsgebühren nicht nach der DVAsyl 2002 erheben, sondern aufgrund anderer Rechtsgrundlagen, kann sich der Kläger schon deshalb nicht auf den Gleichheitssatz berufen, da dieser nicht zwischen verschiedenen Rechtsträgern (beispielsweise nicht zwischen den Bundesländern in Bezug auf die jeweilige Landesgesetzgebung und nicht im Verhältnis zu im Rahmen ihrer Kommunalhoheit handelnden Gemeinden) anwendbar ist und föderale Differenzierungen nicht überwindet (BVerfG, B.v. 14.1.2015 – 1 BvR 931/12 – BVerfGE 138, 261-296 – juris Rn. 61; Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 79. EL Dezember 2016, Art. 3, Rn. 159).
4. Auch auf Vertrauensschutz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 3 GG kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.
Zwar hat das Landratsamt … im Bescheid vom 23. Februar 2016 in den Gründen unter I. ausgeführt, der Kläger habe angegeben, dass er in den Monaten September, November und Dezember 2015 so wenig verdient habe, dass keine „Mietzahlungen“ anfielen. Weiterhin wird in den Gründen – nicht im Tenor – unter II. am Ende ausgeführt: „Ihre Angaben im Rahmen der Anhörung haben wir geprüft und den gesamten Zeitraum nochmals berechnet, mit dem Ergebnis, dass in den von Ihnen bezeichneten Monaten tatsächlich keine Mietkosten zu begleichen sind. Das haben wir in unseren Festsetzungen berücksichtigt.“ Diese Ausführungen beinhalten jedoch keinen Regelungscharakter und stellen daher auch keinen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, auf dessen Verbindlichkeit sich der Kläger berufen konnte. Das Landratsamt … hat den regelnden Teil des Bescheids klar von den Gründen abgegrenzt: So werden unter dem Wort „Bescheid“ in sieben Ziffern die Regelungen des Bescheids ausformuliert. Insbesondere in Ziffer 1 heißt es: „Für den Zeitraum 01.03.2015 bis 31.08.2015 und 01.10.2015 bis 31.10.2015 sowie 01.01.2016 bis 29.02.2016 werden die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 89,07 € gefordert. Die Gesamtkosten betragen 801,63 €.“ Weiterhin enthält der Bescheid Regelungen für den Monat September 2015 und für den Zeitraum ab März 2016. Für den Monat Dezember 2015 enthält der Tenor des Bescheids hingegen keinerlei Regelung. Aufgrund dieser Formulierung durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass der Bescheid auch Regelungen für den Monat Dezember 2015 traf. Die Gründe des Bescheids beziehen sich auf die tenorierten Monate und erläutern die darin erfolgte Kostenrechnung.
Des Weiteren wird gem. § 21 Abs. 4 Satz 1 DVAsyl 2002 eine Gebühr rückwirkend von dem Zeitpunkt erhoben, von dem an die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht nachgewiesen sind, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von Anfang an nicht vorlagen oder später weggefallen sind. So lag der Fall hier. Unstreitig verfügte der Kläger im November 2015 über ein Bruttoeinkommen von 761,60 €. Erst nachträglich wurde durch die Regierung von … festgestellt, dass Gründe für eine Befreiung aufgrund des erzielten Einkommens nicht vorlagen. In derartigen Fällen muss die zuständige Regierung von … die tatsächlich entstandenen Gebühren gem. § 21 Abs. 4 DVAsyl 2002 rückwirkend nachfordern. Auf Vertrauensschutz oder Verwirkung kann sich der Kläger insofern nicht berufen. Er muss auch nach dem Rechtsgedanken des § 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG vielmehr damit rechnen, dass er für Zeiträume, in denen er ein in der Höhe nicht unerhebliches Einkommen erzielt hat, zur Gebührenerhebung für die Nutzung seiner Unterkunft herangezogen werden wird, auch wenn dies bisher noch nicht geschehen ist und bisher nur für andere Zeiträume Gebühren erhoben wurden. Die Regelung des § 21 Abs. 4 DVAsyl 2002 ist auch verhältnismäßig, da dem Interesse an einer gleichmäßigen Gebührenerhebung für alle Gebührenschuldner der Vorrang gegenüber dem Vertrauensschutz desjenigen einzuräumen ist, der entweder kein Leistungsberechtigter i.S.d. AsylbLG 2015 ist (sog. Fehlbeleger) oder der sozialhilfeberechtigt i.S.d. § 2 AsylbLG 2015 ist, aber über Einkommen/Vermögen verfügt. Dass der Kläger das Geld möglicherweise verbraucht hat, steht einer Nachforderung ebenfalls nicht entgegen (BayVGH, B.v. 23.8.2011 – 21 ZB 11.30307 – juris Rn. 5).
C.
Einem Antrag auf Rücküberweisung von 40,10 € neben dem Antrag auf Aufhebung des Bescheids vom 29. Dezember 2016 fehlt schon das Rechtsschutzinteresse und er ist damit unzulässig, da die Art und Weise der Rückabwicklung eines rechtswidrigen Abgabenbescheids unproblematisch ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Verwaltung sie nicht nach Gesetz und Praxis durchführen würde, insbesondere die geleistete Gebühr zurückzahlen würde (Gerhardt in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 32. EL Oktober 2016, § 113 VwGO, Rn. 59). Im Übrigen wäre der Antrag auch unbegründet. Da der Bescheid des Beklagten rechtmäßig ist, besteht kein materiell-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Hinblick auf rechtswidriges Verwaltungshandeln, aus dem sich ein prozessual gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO durchzusetzender Rückzahlungsanspruch ergeben könnte.
D.
Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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