Aktenzeichen L 13 R 12/15
SGB X § 34, 45, § 50
Leitsatz
1. Die Gewährung einer Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten setzt auch nach erfolgter Scheidung voraus, dass im Zeitpunkt des Todes noch eine gültige Ehe bestanden hat. (Rn. 27)
2. Wird entgegen dieser Rechtslage eine Zusicherung dahingehend erteilt, dass nach der Auflösung der zweiten Ehe Anspruch auf Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten “bestünde”, kann hieraus bis zur Aufhebung der Zusicherung ein Anspruch auf Witwenrente entstehen. (Rn. 47)
3. Zur Auslegung eines Schreibens als Zusicherung. (Rn. 48 – 50)
Verfahrensgang
S 11 R 912/12 2014-11-19 Urt SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. November 2014 abgeändert. Die Beklagte wird auf Ihr Teilanerkenntnis vom 27.06.2017 unter Abänderung des Bescheides vom 27.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2004 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.12.2002 bis zum 30.04.2003 eine große Witwenrente aus der Versicherung ihres vorletzten Ehemannes F. U. entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.November 2014 zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ein Teilanerkenntnis abgegeben und für die Zeit vom 01.12.2002 bis zum 30.04.2003 einen Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente aus der Versicherung ihres vorletzten Ehemannes U anerkannt. Da die Klägerin dieses Teilanerkenntnis nicht angenommen hat, ist mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 SGG insoweit ein Teilanerkenntnisurteil auszusprechen (BSG, Urteil vom 24.07.2003 – B 4 RA 62/02 R, Rn. 18 – zitiert nach Juris).
2. Im Übrigen, d.h. soweit die Klägerin über das von der Beklagten abgegebene Teilanerkenntnis hinaus Anspruch auf Witwenrente auch über den 30.04.2003 hinaus geltend macht, ist die Berufung der Klägerin zulässig (§§ 143, 151 SGG) aber unbegründet.
Der Senat kann trotz Nichterscheinens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Die Klägerin ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 62 SGG) und hat ausdrücklich erklärt, dass sie mit einer Entscheidung in ihrer Abwesenheit einverstanden ist.
Die Klägerin hat nach der mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.04.2003 wirksam erfolgten Aufhebung der Zusicherung vom 18.01.2002 über den 30.04.2003 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung von großer Witwenrente aus der Versicherung ihres vorletzten Ehemannes U, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die Bescheide vom 27.11.2002 und 15.04.2003, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2004 sind gegenüber der Klägerin insoweit rechtmäßig ergangen und verletzen sie nicht in ihren Rechten.
2.1 Gemäß § 46 Abs. 1 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten – § 46 Abs. 3 SGB VI).
Auf die Gewährung von Witwenrente nach den Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 SGB VI hier i.d. bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung hat die Klägerin bereits deshalb keinen Anspruch, weil die Ehe mit U schon im Jahr 1991 und damit 10 Jahre vor seinem Tod am 08.03.2001 geschieden worden ist. An der Wirksamkeit der Ehescheidung bestehen keine Zweifel, zumal die Klägerin am 30.09.1994 erneut, nämlich D geheiratet hat.
Sie hat aber auch nach der Scheidung von D keinen Anspruch auf die Gewährung von Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten erworben, weil weiterhin die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 SGB VI hinsichtlich der Grundvoraussetzung des Bestehens einer gültigen Ehe zum Zeitpunkt des Todes nicht erfüllt waren.
Geschiedene Ehegatten, deren Ehe noch vor dem Tod des versicherten Ehegatten geschieden worden ist, haben nur unter den Voraussetzungen des § 243 SGB VI Anspruch auf die Gewährung von Rente an den geschiedenen Ehegatten, sofern die Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden worden ist, oder in Form der Erziehungsrente gemäß § 47
SGB VI. Die Voraussetzungen für diese Rentenleistungen liegen ebenfalls nicht vor. Eine Erziehungsrente ist von der Klägerin, deren Kinder zu diesem Zeitpunkt bereits volljährig waren, auch nicht beantragt worden.
2.2. Ab dem 01.05.2003 hat die Klägerin aber auch aus der Zusicherung keinen Anspruch mehr, weil nach der noch im April 2003 erfolgten Bekanntgabe des Bescheids vom 15.04.2003 gegenüber der Klägerin mit Beginn des Monats Mai 2003 die Voraussetzungen für eine Weiterzahlung mangels Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr gegeben waren (vgl. § 100 Abs. 3 SGB VI).
§ 34 Abs. 2 SGB X enthält eine Sonderregelung zu Rücknahme und Widerruf einer Zusicherung. Danach finden §§ 44 und 45 auf die Rücknahme rechtswidrig belastender und rechtswidrig begünstigender Zusicherungen entsprechende Anwendung.
Vorliegend beruht die Aufhebung der Zusicherung für die Zukunft rechtmäßig auf § 45 Abs. 1 SGB X, weil die Zusicherung vom 18.01.2002 anfänglich rechtswidrig war. Denn tatsächlich hatte die Klägerin auch nach Auflösung der zweiten Ehe keinen Anspruch auf Witwenrente.
Der Aufhebungsbescheid ist formal rechtmäßig ergangen. Die Klägerin ist vor Erlass des Bescheids mit Schreiben vom 17.03.2003 angehört worden (§ 24 SGB X).
Schutzwürdiges Vertrauen steht der Aufhebung ebenfalls nicht entgegen.
Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Die damit vom Gesetz geforderte Interessenabwägung ist von dem in § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumten Ermessen zu unterscheiden. Die Einstellung aller maßgeblichen Gesichtspunkte in die Abwägung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X, die sich gegenüber dem spezielleren § 45 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB X als Auffangnorm darstellt, ist voll gerichtlich überprüfbar.
Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Allerdings können auch andere Umstände für die Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens sprechen, so etwa grobe Fehler der Verwaltung (grundlegend BSG, Urteil vom 14.11.1985 – 7 RAr 123/84 -, BSGE 59, 157-172) oder die wirtschaftliche Lage des Begünstigten sein (BSG, Urteile vom 28.11.1985 – 11b/7 RAr 128/84 u.a. -, BSGE 59, 206-211). Das Vertrauen ist schutzwürdig, wenn das Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands das Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustands überwiegt. Bei Verwaltungsakten, mit denen Dauerleistungen bewilligt worden sind, ist das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher einzuschätzen als bei der Gewährung einmaliger Leistungen, weil eine Dauerleistung die Allgemeinheit regelmäßig stärker belastet als eine einmalige Leistung. Für die Abwägung hat aber auch Bedeutung, dass es mit den anerkannten Grundsätzen einer sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln nicht zu vereinbaren ist, wenn ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu Lasten der Versichertengemeinschaft Leistungen erbracht werden (BSG, Urteil vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 -, BSGE 81, 156-161).
Vertrauen ist zunächst ein innerer Sachverhalt. Allerdings wird man verlangen können, dass sich ein finanzielles Interesse am Bestand eines rechtswidrigen Verwaltungsakts auch durch ein objektiv erkennbares Verhalten manifestiert hat, indem der Betroffene die gewährte Leistung in Anspruch genommen, seine Lebensführung dauernd oder einschneidend geändert o.Ä. hat (BSG vom 14.11.1985, a.a.O.). Für die Notwendigkeit einer objektiv erkennbaren Manifestation des Vertrauens spricht auch, dass § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X als Regelbeispiele für eine Schutzwürdigkeit objektive Sachverhalte, nämlich den Verbrauch oder eine Vermögendisposition, aufzählt (Padé in Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, Rn. 69).
Zwar spricht die Tatsache, dass der Gesetzgeber in § 45 Abs. 2 SGB X lediglich Regelbeispiele verwendet hat, dafür, dass auch weitere Möglichkeiten denkbar sind. Im Ergebnis muss deshalb auch ein rein subjektives finanzielles Interesse als Abwägungsgesichtspunkt eingestellt werden, das aber wohl zumindest für die Zukunft hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung der Gesetzmäßigkeit zurücktreten muss, wenn nicht besondere Umstände gegeben sind. Sind Leistungen nicht erbracht oder Vermögensdispositionen nicht getroffen worden, überwiegt stets das öffentliche Interesse an der Herstellung der wahren Rechtslage für die Zukunft (BSG, Urteil vom 25.06.1986 – 9a RVg 2/84 -, BSGE 60, 147-154).
Eine Vermögensdisposition ist getroffen, wenn ein Verhalten im Vertrauen auf den Bestand des begünstigenden Verwaltungsakts unmittelbar oder mittelbar nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die finanzielle Situation des Betroffenen hat. Eine Vermögensdisposition ist aber nur dann im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X relevant, wenn sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen wieder rückgängig gemacht werden kann. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn die Rückgängigmachung einer Vermögensdisposition zu einem erheblichen finanziellen Verlust führt.
Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin hat noch keine Leistungen erhalten und sich in ihrer Lebensführung daher auch noch nicht auf die Rentenleistung einstellen können. Sie hat auch durch ihre vielfältigen Zusagen im Familienkreis keine Vermögensdispositionen getroffen, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könnte. Denn bei den von der Klägerin gegenüber ihren Kindern und ihrem getrennt lebenden Ehemann abgegebenen Erklärungen hat es sich ungeachtet der subjektiv dahinter stehenden Ernsthaftigkeit lediglich um Absichtserklärungen und nicht um Vermögensdispositionen gehandelt. Insoweit kann auch dahingestellt bleiben, wie realistisch die Vorstellungen der Klägerin waren, die ohne eigene Einkünfte und selbst jedenfalls zeitweise im Sozialhilfebezug stehend die ohnehin auf die Sozialhilfeleistungen anzurechnende Witwenrente von ca. 500 € nicht nur für den eigenen Unterhalt, sondern darüber hinaus für monatliche Unterstützungsleistungen ihrer Kinder in einer Größenordnung von etwa 300 € verwenden wollte. Entscheidend ist insoweit, dass sowohl die Unterstützungsankündigungen gegenüber den Kindern, selbst wenn man sie grundsätzlich als Schenkungsversprechen ansehen wollte, ebenso formunwirksam erklärt worden sind wie der Unterhaltsverzicht gegenüber dem damaligen Ehemann. Dies würde hinsichtlich der den beiden Kindern mit Schreiben vom 02.02.2002 geäußerten Absicht, diese nach Erhalt der Witwenrente mit etwa 250 € (Unterkunftskosten des Sohnes) und 50 € (Tochter) monatlich zu unterstützen, selbst dann gelten, wenn man darin ernsthafte mit Bindungswillen abgegebene Schenkungsversprechen gemäß § 518 BGB sehen wollte. Denn gemäß § 518 Abs. 1 BGB ist zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich. Daran fehlt es vorliegend. Gleiches gilt für den angeblichen Unterhaltsverzicht ungeachtet der Frage, ob es sich angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des ebenfalls im Sozialhilfebezug stehenden Ehemannes wirklich um einen ernsthaften Verzicht gehandelt hat. Denn auch ein Unterhaltsverzicht hätte nur durch eine notariell beglaubigte Vereinbarung und nicht durch eine formlose einseitige Erklärung wirksam vereinbart werden können (vgl. § 1585c BGB). Dass im Scheidungsverfahren Regelungen zum Unterhaltsausschluss getroffen worden wären, wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Vielmehr hat auch nach ihren Angaben dieses Schreiben nicht einmal Eingang in das Scheidungsverfahren gefunden. Auf die Frage, ob angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten im Streitfall auch eine notariell beglaubigte Vereinbarung überhaupt als wirksam angesehen worden wäre, kommt es ebenfalls nicht an.
Dass einer der von diesen Begünstigten Angehörigen ihrerseits im Vertrauen darauf Vermögensdispositionen getroffen hätte, wird nicht vorgetragen und wäre rechtlich auch unbeachtlich, da es hierauf nicht ankommt.
Dass die von der Klägerin gegenüber ihrer Familie angegebenen Erklärungen nicht bindend waren, schließt zwar die Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens nicht von vornherein aus. Allerdings sind Gesichtspunkte, die angesichts des jedenfalls für die Zukunft regelmäßig überwiegenden öffentlichen Interesses eine andere Beurteilung zulassen würden, nicht erkennbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin die zugesagte Leistung noch gar nicht erhalten hat und im Übrigen – wie die Beklagte zutreffend dargelegt hat – aus dem Versorgungsausgleich Rentenanwartschaften erhalten hat, die Witwenrentenzahlung also ungeachtet der fehlenden rechtlichen Voraussetzungen auch eine Doppelleistung darstellen würde.
Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass der Beklagten die Rücknahme der Zusicherung gänzlich verwehrt wäre, liegt in diesem Fall offensichtlich nicht vor. Die von der Beklagten angestellten Ermessenserwägungen sind inhaltlich nicht zu beanstanden.
Soweit ein Leistungsträger ermächtigt ist, nach seinem Ermessen zu handeln, ist sein Handeln nur rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grundlagen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG sowie § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG; vgl. BSG Urteil vom 18.03.2008 – B 2 U 1/07 R – BSGE 100, 124 und BSG Urteil vom 09.11.2010 – B 2 U 10/10 R).
Die Beklagte ist in ihrem Bescheid vom 15.04.2013 zunächst auf die von der Klägerin im Anhörungsverfahren vorgetragenen Einwände dahingehend, dass ihr eine Witwenrente zugesagt worden wäre, eingegangen und hat Ausführungen zum Vertrauensschutz und dahingehend gemacht, dass der Klägerin ja auch durch den Versorgungsausgleich bereits Rentenanwartschaften des U übertragen worden seien. Auf die im Widerspruchsverfahren insbesondere zur Frage des Vertrauensschutzes vorgebrachten Einwände ist sie mit Schreiben vom 22.05.2003 und abschließend im Widerspruchsbescheid vom 20.01.2004 eingegangen. Sie hat dabei insbesondere beachtet, dass neben dem Vertrauensschutz Ermessen auszuüben ist und dies auch zu erkennen gegeben. So hat sie sich im Schreiben vom 22.05.2003 auch dazu geäußert, dass ein Mitverschulden der BfA anzunehmen sei. Diese Erwägungen werden von Senat noch als ausreichend angesehen, da weitere über die Vertrauensschutzabwägung hinaus zu beachtende Umstände auch von der Klägerin selbst bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht vorgetragen worden sind.
Die Jahresfrist (§ 45 Abs. 4 SGB X) ist nur bei der Rücknahme für die Vergangenheit zu prüfen und wäre im Übrigen gewahrt.
3. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin ungeachtet des offenkundig fehlenden Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen auch zur Überzeugung des Senats vom 01.12.2002 bis zum 30.04.2003 einen Anspruch auf Bezahlung von Witwenrente entsprechend der Regelungen in § 46 SGB VI hat, weil ihr mit Schreiben vom 18.01.2002 eine bindende und wirksame „Zusicherung“ dahingehend erteilt worden ist, sie habe nach der Auflösung der neuen Ehe Anspruch auf große Witwenrente nach ihrem vorletzten Ehemann U gemäß § 46 Abs. 3 SGB VI.
Eine Zusicherung ist gemäß § 34 SGB X die von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Auf ihre Unwirksamkeit und Rücknahme finden die für Verwaltungsakte geltenden Regelungen Anwendung. Die Zusicherung ist abzugrenzen von einer allgemeine Auskunft oder einer Erläuterung der Rechtslage ohne erkennbaren Selbstbindungswillen. Sie stellt eine Selbstverpflichtung der Behörde dar, wobei der Verpflichtungswille der Behörde nach allgemeinen Grundsätzen durch Auslegung zu ermitteln ist (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB, vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1993 – 10 RKg 19/92 -; zur Auslegung auch Bayer. LSG, Urteil vom 22.07.1997,
L 3 U 229/96, bestätigt durch BSG, Urteil vom 30.06.1999 – B 2 U 24/98 R -, jeweils in juris). Entscheidend ist dabei der objektive Sinngehalt der Erklärung, wie ihn der Empfänger der Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen durfte (BSG, Urteil vom 20.03.2013 – B 6 KA 27/12 R -, BSGE 113, 123-134, SozR 4-2500 § 106 Nr. 40; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 34., Rn. 6). Maßgebend ist somit nicht der innere, sondern der erklärte Wille, wie ihn bei objektiver Würdigung der Empfänger verstehen konnte. (BSG in ständiger Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 08.12.1993, a.a.O.).
Gemessen an diesen Maßstäben stellt sich das Schreiben der Beklagten vom 18.01.2002 an die Klägerin als eine Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X dar. Der Annahme einer Zusicherung steht nicht entgegen, dass die Beklagte den Begriff „Zusicherung“ nicht ausdrücklich verwendet hat und dass dem Schreiben keine Rechtsmittelbelehrungbeigefügt war. Auch dass die Beklagte darin lediglich zugesagt hat, den Anspruch auf eine Rente nach dem vorletzten Ehegatten erneut zu prüfen und im zweiten Absatz die Konkjuntivform „bestünde“ gewählt hat, steht einem Anspruch der Klägerin hieraus nicht entgegen.
Für diese Auslegung sprechen insbesondere die Umstände des Zustandekommens. Die Klägerin stand seit dem ersten Witwenrentenantrag vom August 2001 in ständiger Korrespondenz mit der Beklagten und hat von dieser bereits mehrfach Auskünfte erhalten, so auch im Ablehnungsbescheid vom 20.10.2001 und nachfolgend im Schreiben vom 05.12.2001. Nachdem darin jeweils der Eindruck erweckt worden ist, es wäre nur die neue – damals noch bestehende – Ehe ein der Gewährung von Witwenrente entgegenstehendes Problem, hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2001 verbindlich um Auskunft gebeten, ob sie nach der anstehenden Scheidung nun Anspruch auf Witwenrente haben werde. Hierauf nimmt auch das Schreiben vom 18.01.2002 Bezug, das in personalisierter Form ergangen ist und in dem der Klägerin mitgeteilt wurde, dass dann Anspruch auf große Witwenrente „bestünde“. Die Beklagte hat sich damit erkennbar und konkret bereits mit dem geltend gemachten Anspruch auseinandergesetzt und sich nicht auf die Übermittlung allgemeiner Hinweise wie der zusätzlich beigefügten „BfA Information Nr. 7“ beschränkt. Sie ist auch formal dem von der Klägerin mitgeteilten Wunsch nach einer verbindlichen Erklärung nachgekommen. Mit Urteil vom 08.12.1983 (a.a.O.) hat das BSG – vergleichbar zum vorliegenden Fall – festgestellt, dass auch im Hinweis eines Ablehnungsbescheids, nach Eintritt eines bestimmten Umstandes stehe eine Leistung zu, eine Zusicherung enthalten sein kann. Es hat außerdem auf den durch direkte Ansprache zum Ausdruck gebrachten persönlichen Bezug abgestellt. Für den Senat ist es auch vorliegend unschädlich, dass die Beklagte im letzten Absatz lediglich zugesagt hat, den Anspruch erneut prüfen zu wollen. Denn zum einen ist im vorherigen Absatz festgestellt worden, dass ein Anspruch „bestünde“, wenn die neue Ehe aufgelöst wäre. Zum anderen bezieht sich diese Einschränkung offensichtlich auf die im vorletzten Absatz genannten Regelungen über die Einkommensanrechnung, nicht aber auf den Anspruch dem Grunde nach. Der Rentenbeginn beruht in diesem Fall auf § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Denn die Klägerin kann auch aus der Zusicherung einen Anspruch nur unter den darin genannten Voraussetzungen herleiten, d.h. nicht vor Beginn des auf den Eintritt der Rechtskraft der Scheidung (22.11.2002) folgenden Monats, hier der 01.12.2002 (vgl. § 46 Abs. 3 SGB VI).
4. Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin im Wesentlichen erfolglos geblieben ist und nur zu einem sehr geringen Teil (5 Monate) obsiegt hat.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.