Sozialrecht

Kein Anspruch auf Ausbildungsförderung für Studium der Humanmedizin

Aktenzeichen  M 15 E 20.217

Datum:
17.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 18777
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 166
ZPO §§ 114 ff.
BAföG § 7 Abs. 1, § 7 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Ausbildungsförderung für das Studium der Humanmedizin an der … … Zudem begehrt sie Prozesskostenhilfe.
Die am … … 1992 geborene Antragstellerin erwarb im Juni 2011 die allgemeine Hochschulreife. Im Wintersemester 2011/2012 und im Sommersemester 2012 war sie an der … … für das Hauptfach Germanistik mit Nebenfach Sprache, Literatur und Kultur immatrikuliert. Die Antragstellerin besuchte vom September 2012 bis Juli 2015 die städtische Berufsfachschule für Kommunikationsdesign in … und beendete diese mit dem Abschluss zur „Staatlich geprüften Kommunikationsdesignerin Fachrichtung Grafik und Mode“. Von September 2015 bis Juli 2016 besuchte sie die städtische Fachschule für Schnitt und Entwurf und beendete diese mit dem Abschluss zur „Staatlich geprüften Modellmacherin mit Schwerpunkt Entwurf“.
Am 9. September 2019 beantragte die Antragstellerin für das Studium der Humanmedizin an der … … Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für den Bewilligungszeitraum September 2019 bis August 2020.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2019 wurde dieser Antrag mit der Begründung, der Grundanspruch auf Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 1 BAföG sei ausgeschöpft und die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 2 BAföG lägen nicht vor, abgelehnt.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 19. Dezember 2019 Widerspruch ein, der im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Voraussetzungen vorlägen, elternunabhängig gefördert zu werden, sie für ihre bisherige Ausbildung noch keine Förderungen erhalten habe und sie vor Aufnahme des Medizinstudiums nur eine 4-jährige berufsqualifizierende Ausbildung absolviert habe.
Gleichzeitig begehrte die Antragstellerin am 17. Januar 2020 zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung und beantragte,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung, Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren
sowie ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Zur Begründung wurde auf die Widerspruchsbegründung Bezug genommen. Insbesondere sei der berufsqualifizierende Abschluss zur „Staatlich geprüften Modellmacherin mit Schwerpunkt Entwurf“ nur durch den Abschluss zur „Staatlich geprüften Kommunikationsdesignerin Grafik und Mode“ möglich gewesen. Dieser stelle lediglich ein Durchgangsstadium dar. Weiter stünden der Antragstellerin die für ihren Lebensunterhalt und ihre Ausbildung erforderlichen finanziellen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Der Grundanspruch nach § 7 Abs. 1 BAföG sei durch die Ausbildung zur „Staatlich geprüften Kommunikationsdesignerin Fachrichtung Grafik und Mode“ ausgeschöpft. Ein Anspruch für das Medizinstudium folge nicht aus § 7 Abs. 2 BAföG, da bereits eine zweite Ausbildung der Antragstellerin zur „Staatlich geprüften Modellmacherin mit Schwerpunkt Entwurf“ nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG als einzig weitere Ausbildung gefördert worden wäre. Das Medizinstudium stelle eine dritte Ausbildung dar. Unerheblich sei, dass bisher die Klägerin tatsächlich keine Förderungen für ihre Ausbildungen erhalten habe, da es allein darauf ankomme, ob die Ausbildung abstrakt förderfähig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat dabei sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu regelnden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgebend sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Dabei ist es grundsätzlich unzulässig, dem Antragsteller bereits im Verfahren des Eilrechtsschutzes vollständig dasjenige zu gewähren, was er erst im Hauptsacheverfahren begehrt (sog. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache). Das Gericht kann dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache nur dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 123 Rn. 66a).
2. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen hier nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob Eilbedürftigkeit, mithin ein Anordnungsgrund, gegeben ist, da die Antragstellerin bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.
Die Antragstellerin hat aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für ihr Studium der Humanmedizin an der … … (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 13. Dezember 2019 erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig.
Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Gericht Bezug auf die Begründung des Bescheids vom 13. Dezember 2019 und die Antragserwiderung des Antraggegners vom 23. Januar 2020. Das Gericht folgt den darin enthaltenen Ausführungen, die sich umfassend mit den vorgetragenen Argumenten der Antragstellerin auseinandersetzen und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe im Einzelnen ab (§ 117 Abs. 5 VwGO entsprechend).
Insbesondere ist auch das Gericht der Auffassung, dass es sich bei dem Studium der Humanmedizin um eine dritte Ausbildung handelt. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG zur Förderung einer einzigen weiteren Ausbildung liegen nicht vor. Die Ausbildung zur „Staatlich geprüften Modellmacherin mit Schwerpunkt Entwurf“ stellt bereits eine selbstständige, weitergehende Ausbildung gegenüber der Ausbildung zur Kommunikationsdesignerin dar.
Der berufsqualifizierende Abschluss zur „Staatlich geprüften Kommunikationsdesignerin Fachrichtung Grafik und Mode“ war keine unabdingbare Voraussetzung für die Ausbildung zur „Staatlich geprüften Modellmacherin mit Schwerpunkt Entwurf“. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn der einzig mögliche Weg die Ausbildung als Modellmacherin zu absolvieren darin bestehen würde, vorher einen berufsqualifizierenden Abschluss als Kommunikationsdesignerin zu erwerben.
Dies ist indes nicht der Fall. Nach der Website der Designschule … (https://meisterschule-fuer-mode.de/fs-schnitt-und-entwurf/bewerbung/voraussetzungen/) ist Voraussetzung für die Zulassung zur Fachschule für Schnitt und Entwurf entweder eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich Bekleidung / Mode mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren und anschließender einschlägiger Berufstätigkeit, wobei die Dauer der Ausbildung und der Berufstätigkeit zusammen mindestens drei Jahre umfassen muss, oder eine mindestens sechsjährige, einschlägige Berufstätigkeit. Somit ist ein Zugang zur Ausbildung als Modellmacherin nicht ausschließlich („unabdingbar“) mit dem Abschluss als Kommunikationsdesignerin, sondern auch auf anderen Wegen möglich. Insbesondere stehen auch Wege offen, bei deren Beschreiten keine zwei berufsqualifizierenden Abschlüsse erworben werden müssen. Wenn ein Student vor Aufnahme seines Studiums bereits zwei berufsqualifizierende Ausbildungen abgeschlossen hat, ist eine Förderung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG nicht möglich (BVerwG, B.v. 16.2.2017 – 5 B 57.16 – juris Rn. 8)
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es insoweit auch nicht darauf an, ob für die ersten beiden Ausbildungen tatsächlich Mittel der Ausbildungsförderung gewährt wurden, solange diese Ausbildungen nur abstrakt förderfähig gewesen wären, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift („weitere Ausbildung“ nicht: „weitere Förderung“) ergibt (vgl. a. BVerwG, U.v. 12.2.1981 – 5 C 57/79 – juris Rn. 15; Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Stand Mai 2018, § 7 Rn. 22).
Nach alldem war der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
3. Ebenso hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Unabhängig davon, ob die Antragstellerin die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt, war der Prozesskostenhilfeantrag jedenfalls wegen fehlender Erfolgsaussichten des Eilantrags abzulehnen (s.o. 2.).

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