Sozialrecht

Kein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach Fachrichtungswechsel

Aktenzeichen  Au 3 K 15.1895

Datum:
17.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 7 Abs. 3S. 1 Hs. 1 Nr. 2
BAföG BAföG § 1, § 7 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein Auszubildender wechselt gemäß § 7 Abs. 3 S. 3 BAföG die Fachrichtung, wenn er einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsgangs an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt. Fachrichtung i. S. v. § 7 Abs. 3 S. 3 BAföG ist ein durch Lehrpläne, Ausbildungs- bzw. Studienordnungen oder Prüfungsordnungen geregelter Ausbildungsgang, der auf einen bestimmten berufsqualifizierenden Abschluss oder ein bestimmtes Ausbildungsziel gerichtet ist und für den i.d.R. die Mindestdauer sowie Zahl und Art der Unterrichts- bzw. Lehrveranstaltungen festgelegt sind. (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Der Zeitpunkt eines Fachrichtungswechsels knüpft nicht allein an eine innere Willenshaltung des Auszubildenden an, da er sich andernfalls stets darauf berufen könnte, bereits im zweiten Semester sein Studium innerlich abgebrochen zu haben, auch wenn die Exmatrikulation bzw. Umschreibung erst in einem späteren Semester erfolgt sein sollte (wie VG Bayreuth BeckRS 2015, 51643). (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Bleibt ein Auszubildender formal in seinem bisherigen Studiengang immatrikuliert, während er sich gleichzeitig in einen neuen Studiengang einschreibt, steht dies der Annahme eines Fachrichtungswechsels dann nicht entgegen, wenn er zugleich erklärt, nunmehr allein für den neuen Studiengang gefördert werden zu wollen. (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Die Annahme eines unabweisbaren Grunds i. S. v. § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 Nr. 2 BAföG für einen Fachrichtungswechsel setzt voraus, dass es dem Auszubildenden aus subjektiven, in seiner Person liegenden, oder aber objektiven Gründen unmöglich ist, das Studium in der gewählten Fachrichtung fortzuführen. Ihm muss im Ergebnis keine Möglichkeit der Wahl zwischen einer Fortsetzung der begonnenen Ausbildung und einem Wechsel der Fachrichtung bleiben (BVerwGE 120, 149 = BeckRS 2004, 22600). (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Hat sich ein Auszubildender Gewissheit von der fehlenden Neigung oder Eignung für das bisher studierte Fach verschafft, muss er, damit ein unabweisbarer wie auch ein wichtiger Grund i. S. v. § 7 Abs. 3 S. 1 BAföG für den Fachrichtungswechsel anerkannt werden kann, unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) die erforderlichen Konsequenzen ziehen und die bisherige Ausbildung abbrechen (vgl. OVG Bautzen BeckRS 2009, 37754). Eine Fortführung der Ausbildung trotz Kenntnis der Nichteignung, die nicht aus ausbildungsbezogenen Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt ist, führt zum Verlust des Anspruchs auf Ausbildungsförderung nach dem Fachrichtungswechsel, selbst wenn ein wichtiger oder unabweisbarer Grund hierfür vorgelegen hat (wie VGH München BeckRS 2013, 46074). (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1.Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe für ein Studium des Fachs Psychologie im Bewilligungszeitraum von Oktober 2014 bis September 2015 besteht nicht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 1 BAföG hat ein Auszubildender einen Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für eine seiner Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nach Maßgabe des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.
Hat der Auszubildende aus wichtigem Grund (Nr. 1) oder aus unabweisbarem Grund (Nr. 2) die Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, so wird Ausbildungsförderung gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BAföG für eine andere Ausbildung geleistet; bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen gilt § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 1 BAföG nur bis zum Beginn des vierten Fachsemesters (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BAföG). Beim erstmaligen Fachrichtungswechsel oder Abbruch der Ausbildung wird nach § 7 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 1 BAföG in der Regel vermutet, dass die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 1 BAföG erfüllt sind; bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen gilt dies gemäß § 7 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 BAföG nur, wenn der Wechsel oder Abbruch bis zum Beginn des dritten Fachsemesters erfolgt. Bei der Bestimmung des nach § 7 Abs. 3 Satz 1 und 4 BAföG maßgeblichen Fachsemesters wird gemäß § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG die Zahl der Semester abgezogen, die nach Entscheidung der Ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet werden.
Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben besteht der streitgegenständliche Anspruch der Klägerin auf Weiterbewilligung von Ausbildungsförderung nicht. Ein aufgrund des zu Beginn des fünften Fachsemesters vorgenommenen Fachrichtungswechsels für die Weiterbewilligung von Ausbildungsförderung erforderliche unabweisbare Grund i. S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 2 BAföG besteht nicht.
a) Die Klägerin hat vorliegend zum fünften Fachsemester (Wintersemester 2014/15) einen Fachrichtungswechsel vorgenommen.
aa) Ein Auszubildender wechselt gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BAföG die Fachrichtung, wenn er einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsgangs an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt. Fachrichtung i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 3 BAföG ist ein durch Lehrpläne, Ausbildungs- bzw. Studienordnungen oder Prüfungsordnungen geregelter Ausbildungsgang, der auf einen bestimmten berufsqualifizierenden Abschluss oder ein bestimmtes Ausbildungsziel gerichtet ist und für den i.d.R. die Mindestdauer sowie Zahl und Art der Unterrichts- bzw. Lehrveranstaltungen festgelegt sind (vgl. Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl. März 2015, § 7 Rn. 47). Nicht erforderlich ist, dass der Auszubildende das zunächst angestrebte Ausbildungsziel endgültig aufgibt; es reicht vielmehr aus, dass das Anstreben dieses Zieles unterbrochen wird (vgl. Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, § 7 Rn. 46; vgl. zum Ganzen: VG Augsburg, U.v. 22.9.2015 – Au 3 K 15.1008 – juris Rn. 22).
Für den Zeitpunkt des Vollzugs eines Fachrichtungswechsels ist im Falle eines Hochschulstudiums grundsätzlich auf den objektiv nachprüfbaren Zeitpunkt der Exmatrikulation bzw. Umschreibung abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.1981 – 5 C 28/79 – juris Rn. 21; VG München, U.v. 16.10.2003 – M 15 K 01.2023 – juris Rn. 24; VG Augsburg, U.v. 17.12.2012 – Au 3 K 12.574 – juris Rn. 36). Würde der Zeitpunkt eines Fachrichtungswechsels beispielsweise allein an die innere Willenshaltung des Auszubildenden geknüpft, wäre etwa die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG praktisch nicht zu handhaben, weil sich dann ein Auszubildender stets darauf berufen könnte, bereits im zweiten Semester das Studium innerlich abgebrochen zu haben, auch wenn die Exmatrikulation bzw. Umschreibung erst in einem späteren Semester erfolgt sein sollte (vgl. zum Ganzen: VG Bayreuth, U.v. 27.7.2015 – B 3 K 14.383 – juris Rn. 31).
bb) Hiervon ausgehend ist im Fall der Klägerin ein Fachrichtungswechsel i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 3 BAföG gegeben. Die Klägerin hat nach ihren eigenen Angaben (siehe Schreiben v. 18.11.2014 und 2.1.2015, Blatt 248 und 249 f. der Verwaltungsakte) das Ausbildungsziel eines Bachelor-Abschlusses im Fach Erziehungswissenschaft an der Universität Innsbruck aufgegeben; sie strebt dort nunmehr einen Bachelor-Abschluss im Fach Psychologie – und damit ein fachlich wesentlich anders gelagertes Ausbildungsziel – an. Ihren Fachrichtungswechsel hat die Klägerin mit Beginn des fünften Fachsemesters (Wintersemester 2014/15) vollzogen, ihre Einschreibung im Bachelor-Studiengang Psychologie erfolgte zum 1. Oktober 2014 (siehe Studienblatt v. 27.12.2014, Blatt 251 der Verwaltungsakte). Dass die Klägerin offenbar im Wintersemester 2014/15 parallel weiterhin im Bachelor-Studiengang Erziehungswissenschaft formal immatrikuliert war (siehe Studienblatt v. 27.12.2014, Blatt 251 der Verwaltungsakte), steht einem Fachrichtungswechsel im Lichte der eindeutigen Angaben der Klägerin über ihr künftiges Ausbildungsziel an der Universität Innsbruck nicht entgegen. So hat die Klägerin im Schreiben vom 2. Januar 2015 (Blatt 248 der Verwaltungsakte) ausdrücklich klargestellt, dass sie ab dem Wintersemester 2014/15 (nur) für das Studienfach Psychologie gefördert werden wolle; dem entspricht ihre nachgewiesene Immatrikulation in diesem Studienfach zum 1. Oktober 2014.
cc) Auch § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG führt vorliegend zu keinem (fiktiven) früheren Zeitpunkt des Fachrichtungswechsels.
Hiernach wird bei der Bestimmung des nach § 7 Abs. 3 Satz 1 und 4 BAföG maßgeblichen Fachsemesters die Zahl der Semester abgezogen, die nach Entscheidung der Ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet werden.
Im Fall der Klägerin wurden jedoch durch die Universität Innsbruck unter dem Datum des 26. November 2014 (Blatt 253-255 der Verwaltungsakte) lediglich einzelne Studienleistungen aus dem bisherigen Studienfach Erziehungswissenschaft für das neue Studienfach Psychologie anerkannt (insgesamt im Wert von fünf Semesterstunden und sieben ECTS-Punkten); eine Anrechnung von Fachsemestern ist nicht erfolgt. Bei einer solchen Sachlage ist § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG jedoch nicht anwendbar (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2012 – 12 CE 11.2829 – juris Rn. 30; VG Augsburg, U.v. 22.9.2015 – Au 3 K 15.1008 – juris Rn. 27 f.; U.v. 17.12.2012 – Au 3 K 12.574 – juris Rn. 21).
b) Der somit für den Fachrichtungswechsel der Klägerin nach dem vierten Fachsemester erforderliche unabweisbare Grund i. S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 2 BAföG ist nicht gegeben. Bei dem Tatbestandsmerkmal des „unabweisbaren Grundes“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der uneingeschränkten gerichtlichen Prüfung unterliegt.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Annahme eines unabweisbaren Grunds i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 2 BAföG für einen Fachrichtungswechsel voraus, dass es dem Auszubildenden aus subjektiven, in seiner Person liegenden, oder aber objektiven Gründen unmöglich ist, das Studium in der gewählten Fachrichtung fortzuführen. Erforderlich sind folglich außergewöhnliche Umstände. Dem Auszubildenden muss im Ergebnis keine Möglichkeit der Wahl zwischen einer Fortsetzung der begonnenen Ausbildung und einem Wechsel der Fachrichtung bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 5 C 6.03 – BVerwGE 120, 149 – Rn. 8 ff.). Während ein (lediglich) wichtiger Grund vorliegt, wenn dem Auszubildenden unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nicht mehr zugemutet werden kann, ist ein Grund erst dann unabweisbar und damit zwingend, wenn es bei der gebotenen Interessenabwägung schlechterdings unerträglich erscheint, den Auszubildenden unter den gegebenen Umständen an der zunächst aufgenommenen Ausbildung festzuhalten. Die Anforderungen an das Vorliegen eines unabweisbaren Grunds erweisen sich damit strenger als diejenigen an einen wichtigen Grund nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 1 BAföG ebenso wie an einen schwerwiegenden Grund für die Überschreitung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 12 C 14.2417 – juris Rn. 12; B.v. 13.3.2012 – 12 CE 11.2829 – juris Rn. 33; B.v. 10.1.2011 – 12 C 10.906 – juris Rn. 10; VG Augsburg, U.v. 22.9.2015 – Au 3 K 15.1008 – juris Rn. 31 f.).
Um sich auf einen unabweisbaren Grund i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 2 BAföG ausbildungsförderungsrechtlich berufen zu können, muss überdies nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 10.2.1983 – 5 C 94.80 – FamRZ 1983, 954, U.v. 21.6.1990 – 5 C 45.87 – FamRZ 1991, 119; BayVGH, B.v. 13.3.2012 – 12 CE 11.2829 – juris Rn. 23 f.; SächsOVG, U.v. 5.12.2012 – 1 A 166.09 – juris Rn. 18) der Auszubildende diesem, soweit er einer Fortsetzung der bisherigen Ausbildung entgegensteht, entsprechend seinem Ausbildungsstand und seinem Erkenntnisvermögen rechtzeitig begegnen. Die Verpflichtung zu unverzüglichem Handeln folgt aus der Pflicht des Auszubildenden, seine Ausbildung umsichtig zu planen und zügig und zielstrebig durchzuführen. Sobald ein Auszubildender sich daher Gewissheit von der fehlenden Neigung oder Eignung für das bisher studierte Fach verschafft hat, muss er, damit ein unabweisbarer wie auch ein wichtiger Grund i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG für den Fachrichtungswechsel anerkannt werden kann, unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) die erforderlichen Konsequenzen ziehen und die bisherige Ausbildung abbrechen (vgl. SächsOVG, U.v. 26.6.2009 – 1 A 99.08 – juris Rn. 21 ff.). Eine Fortführung der Ausbildung trotz Kenntnis der Nichteignung, die nicht aus ausbildungsbezogenen Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt ist, führt zum Verlust des Anspruchs auf Ausbildungsförderung nach dem Fachrichtungswechsel, selbst wenn ein wichtiger oder unabweisbarer Grund hierfür vorgelegen hat (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 17.1.2013 – 12 ZB 12.2277 – juris Rn. 7).
bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist im Fall der Klägerin kein unabweisbarer Grund i. S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 2 BAföG für den Fachrichtungswechsel gegeben. Daher ist der Anspruch der Klägerin auf Ausbildungsförderung erloschen.
(1) Der vorliegend von der Klägerin im Kern geltend gemachte Neigungswechsel hin zum Fach Psychologie stellt grundsätzlich keinen unabweisbaren Grund dar. Als unabweisbarer Grund kann ein Neigungswandel nur dann ausnahmsweise anerkannt werden, wenn er auf Gründen beruht, die die Abneigung gegen die bisherige Ausbildung als nicht behebbar erscheinen lassen, also die subjektive Fähigkeit des Auszubildenden, seine bisherige Ausbildung planmäßig fortzuführen, auf Dauer und irreversibel ausschließen. Dies setzt neben einer Prognose darüber, wie sich die subjektive Einstellung des Auszubildenden zu seiner bisherigen Ausbildung in Zukunft entwickeln wird, auch und vor allem die Feststellung voraus, dass der Auszubildende alles ihm Zumutbare unternommen hat, um die Abneigung gegen die bisherige Ausbildung zu überwinden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 7.12.1989 – 5 C 32/84 – juris Rn. 3; VG Ansbach, U.v. 26.7.2012 – AN 2 K 12.454 – juris Rn. 35; Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 7 Rn. 164; Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, Stand: Mai 2009, § 7 Rn. 43).
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend ersichtlich nicht gegeben. Vielmehr trägt die Klägerin selbst vor, dass sie im Falle eines Nichtbestehens des Aufnahmetests für den Bachelor-Studiengang Psychologie im September 2014 schlicht als Alternative den Bachelor-Studiengang Erziehungswissenschaft fortgesetzt und abgeschlossen hätte (siehe Klagebegründung v. 19.1.2016, Blatt 6 f. der Gerichtsakte). Hierfür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin offenbar auch im Wintersemester 2014/15 weiter parallel im Studiengang Erziehungswissenschaft immatrikuliert war (siehe Studienblatt v. 27.12.2014, Blatt 251 der Verwaltungsakte). Es kann also keine Rede davon sein, dass die Fortsetzung des bisherigen Studiums der Klägerin unmöglich und der Fachrichtungswechsel folglich zwingend gewesen ist.
(2) Auch ist ein Wechsel von einem sog. Parkstudium zum eigentlichen Wunschstudium nicht geeignet, einen unabweisbaren Grund i. S. v. i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 2 BAföG zu begründen.
Soweit im Bereich der Interessen des Auszubildenden Umstände berücksichtigungsfähig sind, die an seine Neigung anknüpfen, kommt die Anerkennung eines wichtigen Grundes i. S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 1 BAföG, der es unzumutbar werden lässt, die bisherige Ausbildung fortzusetzen, dann in Betracht, wenn der Auszubildende durch hochschulrechtliche Zulassungsbeschränkungen gehindert worden war, seine Ausbildung von Anfang an in der Fachrichtung zu betreiben, die seiner Neigung am meisten entspricht, und der Wegfall dieses Hindernisses der Anlass für den Fachrichtungswechsel aus dem Parkstudium in das Wunschstudium ist. Ein Parkstudium ist hierbei ein Studium, das der Neigung des Auszubildenden weniger entspricht und das er abbrechen will, wenn er für sein Wunschstudium einen Studienplatz erhält. Vorausgesetzt ist dabei stets der Wille des Auszubildenden, dieses Studium seiner zweiten Wahl berufsqualifizierend abzuschließen; als Vorbehalt hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich die gleichsam auflösende Bedingung akzeptiert, das als Alternative zum Wunschstudium aufgenommene Parkstudium für den Fall der Zulassung in das Wunschstudium abbrechen zu wollen. Beabsichtigt der Auszubildende mit dem Parkstudium dagegen lediglich, die Wartezeit bis zur Zulassung zum Wunschstudium zu überbrücken, dann ist bereits deshalb ein wichtiger Grund für den späteren Fachrichtungswechsel nicht anzuerkennen (vgl. zum Ganzen: BVerwG; U.v. 22.6.1989 – 5 C 42/88 – BVerwGE 82, 163 – juris Rn. 11 f.).
In der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ist jedoch geklärt, dass ein Wechsel von einem sog. Parkstudium zum eigentlichen Wunschstudium keinen unabweisbaren Grund i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 2 BAföG darstellen kann. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Zeitschranken in § 7 Abs. 3 Satz 1 und 4 BAföG gerade auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die einen wichtigen Grund für den Wechsel vom Park- zum Wunschstudium noch bis zum Ablauf des vierten Semesters anerkannt hatte, begegnen (vgl. zum Ganzen: VG Augsburg, U.v. 22.9.2015 – Au 3 K 15.1008 – juris Rn. 35; Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 7 Rn. 164; BT-Drs. 13/4246, S. 15).
Letztlich wäre es der Klägerin vorliegend zumutbar gewesen, sich für das Sommersemester 2014 (ihr viertes Semester) vom bisherigen Studiengang Erziehungswissenschaft – dieser stellte nach ihrem eigenen Vortrag zum damaligen Zeitpunkt nur noch ein Parkstudium bis zum Erhalt eines Studienplatzes im Wunschstudiengang Psychologie dar – zu exmatrikulieren oder beurlauben zu lassen und die Wartezeit anderweitig und ohne Bezug von Ausbildungsförderungsleistungen zu verbringen (vgl. VG Augsburg, U.v. 22.9.2015 – Au 3 K 15.1008 – juris Rn. 36). Da in jedem Fall die Möglichkeit der Exmatrikulation bestand, ist insoweit auch irrelevant, sollte nach den Regularien der Universität Innsbruck tatsächlich – wie die Klägerin vorträgt – kein zulässiger Beurlaubungsgrund vorgelegen haben. Unabhängig davon setzt bereits die Anerkennung eines wichtigen Grunds i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 1 BAföG u. a. voraus, dass der Auszubildende grundsätzlich ohne Unterbrechung alle nicht von vornherein aussichtslosen Bewerbungsmöglichkeiten genutzt hat, um einen Studienplatz in seinem Wunschstudium zu erhalten; diese Obliegenheit umfasst auch die Bewerbung für den Wunschstudienplatz an anderen Universitäten (vgl. VG Augsburg, U.v. 22.9.2015 – Au 3 K 15.1008 – juris Rn. 35 a.E.). Hiervon ausgehend wäre die Klägerin somit gehalten gewesen, sich um einen Studienplatz im Fach Psychologie bereits für das Sommersemester 2014 an anderen – ggf. heimatnäheren – Universitäten zu bemühen; auch dort wären Teilleistungen aus dem bisherigen Studium bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen grundsätzlich anrechenbar gewesen. Dass entsprechende Bewerbungen getätigt worden und erfolglos geblieben seien, ist seitens der Klägerin jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
(3) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin das grundsätzliche sachliche Vorliegen der Voraussetzungen eines unabweisbaren Grundes i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 2 BAföG wegen eines Neigungswechsels unterstellte, so könnte sich die Klägerin hierauf gleichwohl nicht berufen. Grund hierfür ist, dass sie nicht unverzüglich nach Erkennen ihres Neigungswechsels die bisherige Ausbildung abgebrochen hat. Jedenfalls die Fortführung des Studiums im Fach Erziehungswissenschaft im Sommersemester 2014 in Form eines Parkstudiums führt vorliegend zum Verlust des Anspruchs auf Ausbildungsförderung nach dem Fachrichtungswechsel, selbst wenn man unterstellte, dass ursprünglich für diesen ein unabweisbarer Grund in Form eines Neigungswechsels vorgelegen haben sollte.
2. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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