Sozialrecht

Kein Anspruch auf weitere Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit

Aktenzeichen  L 1 R 1084/14

Datum:
20.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 77
SGB VI SGB VI § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 149 Abs. 5

 

Leitsatz

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und fortdauernder Erkrankung entfällt bei der Prüfung von Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI spätestens nach einem Zeitraum von drei Jahren ein nachgehender “Berufsschutz” für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. (Rn. 18)

Verfahrensgang

S 27 R 2666/13 2014-10-31 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 31. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage gegen Bescheid der Beklagten vom 03.07.2013 in der Fassung des Bescheids vom 02.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2013 abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch, dass auch der Zeitraum vom 01.02.2007 bis 18.09.2013 als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit gem. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI anerkannt wird. Bei fortdauernder Erkrankung entfällt spätestens nach einem Zeitraum von drei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein nachgehender „Berufsschutz“ für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit (vgl. BSGE 92, 199 = SozR 4-2600 § 43 Nr. 2; Bayerisches Landesozialgericht Urteil vom 12.02.2014 – L 19 R 167/10).
I.
Streitgegenstand ist vorliegend der Vormerkungsbescheid der Beklagten vom 02.10. 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2013. Das Gericht entscheidet dabei über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein (§ 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Der Bescheid vom 03.07.2013 wurde von der Beklagten selbst aufgehoben. Er kann vom Gericht nicht mehr aufgehoben bzw. abgeändert werden. Der Bescheid vom 02.10.2013 wurde vorliegend nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens, da dieser während des laufenden Vorverfahrens den ursprünglichen Verwaltungsakt vom 03.07.2013 aufgehoben hat. Ein isoliertes Vorverfahren gegen den Bescheid vom 02.10.2013 war somit nicht notwendig. Für die Anwendung von § 86 SGG muss der neue Verwaltungsakt den mit Widerspruch angefochtenen Verwaltungsakt ändern oder ersetzen. Trotz des von § 96 SGG abweichenden Wortlauts wird vom Sinn und Zweck des § 86 SGG auch eine Ersetzung erfasst (vgl. BSG Urteil vom 19.11.09, B 13 R 113/08 R, SozR 4-2600 § 307b Nr. 10; LSG Berl.-Bbg. Urteil vom 10.11.16, L 20 AS 2378/15). Rechtsfolge des § 86 SGG ist, dass der Änderungsbzw. Ersetzungsbescheid nicht gesondert angefochten zu werden braucht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt/B. Schmidt SGG § 86 Rn. 4). Nach dem zuletzt gestellten prozessualen Antrag des Klägers ist noch der Zeitraum ab 01.02.2007 bis 18.09.2013 insoweit streitbefangen, als dieser Zeitraum als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit gem. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI anerkannt werden soll.
II.
Da vorliegend die Vormerkung einer Versicherungszeit aus rechtlichen Gründen abgelehnt wurde, ist statthafte Klageart eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Verurteilung des Rentenversicherungsträgers zur Vormerkung (BSGE 42, 159 = SozR 2200 § 1251 Nr. 24). Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein Vormerkungsbescheid nur insoweit angefochten werden kann, als er über rentenrechtliche Zeiten eine – positive oder negative – Entscheidung im Sinn von § 31 Satz 1 SGB X enthält (Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil v. 26.03.2015 – L 7 R 4143/14). Nach diesen Grundsätzen ist die Klage für den Zeitraum vom 24.07. bis 18.09.2013 bereits unzulässig. Der Bescheid vom 03.07.2013 beansprucht nach seinem Entscheidungssatz ausdrücklich nur Bindungswirkung für die Zeit bis 31.12.2006. Diesbezüglich hat sich jedoch durch den Bescheid vom 02.10.2013, der nach seinem Wortlaut im Eingangsabsatz ebenfalls nur Bindungswirkung bis 31.12.2006 beansprucht, keine Änderung ergeben. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers annimmt, dass im Bescheid vom 02.10.2013 verbindlich geregelt wurde, dass die Krankheitszeit vom 01.02.2007 bis 23.07.2013 nicht als Anrechnungszeit anerkannt werde, so fehlt es jedenfalls für den Zeitraum vom 24.07. bis 18.09.2013 an einer verbindlichen Regelung. Soweit sich aus dem in der Anlage zum Bescheid vom 02.10.2013 übersandten Versicherungsverlauf ergibt, dass auch der Zeitraum 24.07. bis 18.09.2013 nicht als Anrechnungszeit sondern als Überbrückungszeit vorgemerkt wurde, so handelt es sich nur um die bloße Auskunft, wie die danach liegenden Zeiten rentenrechtlich zu beurteilen sind. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine verbindliche Regelung gem. § 31 Satz 1 SGB X, da es an dem hierfür erforderlichen Rechtsbindungswillen der Beklagten ersichtlich fehlt. Denn in den beiden Bescheiden ist deutlich darauf hingewiesen worden, dass nur eine verbindliche Feststellung bis zum 31.12.2006 stattfindet. Im Bescheid vom 02.10.2013 wurde allenfalls noch eine verbindliche Regelung über den Zeitraum bis einschließlich 23.07.2013 getroffen.
III.
Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 02.10.2013 den Vormerkungsbescheid vom 03.07.2013 „aufgehoben“ und den Zeitraum ab 01.02.2007 im Hinblick auf die Einstufung von Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI neu bewertet. Der Kläger kann sich dabei nicht auf eine Bindungswirkung des Feststellungsbescheids 03.07.2013 auf Grund Vertrauensschutzes (§ 45 Abs. 2 SGB X) oder auf eine Zusicherung durch die Beklagte gem. § 34 SGB X mit Schreiben vom 09.07.2013 berufen.
1. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Entscheidungssatzes im Bescheid vom 03.07.2013 bezieht sich die Bindungswirkung gem. § 77 SGG alleine auf die Zeit bis 31.12.2006. Die darüber hinausgehenden Ausführungen im Bescheid vom 03.07.2013 zu Zeiten ab 01.01.2007 haben keinen Regelungscharakter und erwachsen damit nicht in Bestandskraft. In diesem Bescheid wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verbindlichkeit der übrigen Daten (nach 31.12.2006) zu gegebener Zeit in einem weiteren Bescheid geregelt wird. Die zeitliche Beschränkung der Feststellung entspricht dabei auch der Gesetzeslage des § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI. Danach hat die Feststellung für noch nicht festgestellte Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, zu erfolgen. Durch die zeitliche Beschränkung der Feststellung im Bescheid vom 03.07.2013 hat der Rentenversicherungsträger die Möglichkeit, im Versicherungsverlauf enthaltene, aber noch nicht im oder mit Bescheid festgestellte Daten ohne Bindungen durch Vertrauensschutzerwägungen (vgl. § 45 Abs. 2 SGB X) erleichtert zu berichtigen (vgl. etwa BSGE 68, 171; BSGE 91, 245; Kreikebohm SGB VI/Kühn SGB VI § 149 Rn. 10). Eine Neubewertung der streitgegenständlichen Zeiten (hier: ab 01.02.2007) war somit – auch ohne Anwendung der §§ 44 ff. SGB X – im neuen Feststellungsbescheid vom 02.10.2013 möglich. Soweit in der Anlage zum Bescheid vom 03.07.2013 Ausführungen zur Bewertung von Versicherungszeiten über den 31.12.2006 hinaus erfolgten, handelt es sich um eine bloße Auskunft, wie die danach liegenden Zeiten rentenrechtlich zu beurteilen sind. Sie stellen keine abschließende Regelung im Sinne des § 31 SGB X oder eine Zusicherung gem. § 34 SGB X dar, da es an dem hierfür erforderlichen Rechtsbindungswillen der Beklagten ersichtlich fehlt. Denn in dem Bescheid ist deutlich darauf hingewiesen worden, dass nur eine verbindliche Feststellung bis zum 31.12.2006 stattfindet.
2. Im Übrigen liegen auch für den Zeitraum 01.02.2007 bis 18.09.2013 die Voraussetzungen nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht vor.
a) Rechtsgrundlage der vom Kläger angefochtenen Bescheide ist die Vorschrift des § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI, wonach der Versicherungsträger nach Klärung des Versicherungskontos verpflichtet ist, einen inhaltlich zutreffenden Vormerkungsbescheid über die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten zu erlassen, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen (vgl. BSG SozR 3-6180 Art. 13 Nr. 2 und BSG SozR 3-2600 § 56 Nr. 4, jeweils m.w.N.). Das Vormerkungsverfahren zielt dabei zunächst auf „Beweissicherung“ ab, bezweckt also eine möglichst zeitnahe und verbindliche Feststellung von Tatsachen, die – ausgehend von der derzeitigen Rechtslage – in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden könnten (vgl. BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2). In Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmung hat die Beklagte im Bescheid vom 02.10.2013 eine zutreffende Feststellung bezüglich der durch den Kläger verwirklichten Anrechnungszeittatbestände, d.h. bezüglich der von ihm zurückgelegten Arbeitsunfähigkeitszeiten getroffen.
b) Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist ausschließlich im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen (BSG Urteil vom 25.02.2010 – B 13 R 116/08 R; Urteil vom 25.02.2004 – B 5 RJ 30/02 R; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI Kommentar, § 58 Rn. 23; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/ Kreikebohm, SGB VI § 58 Rn. 4). Nach den Vorgaben des SGB V richtet sich damit, ob der Versicherte als arbeitsunfähig anzusehen ist; der tatsächliche Bezug von Krankengeld ist nicht Voraussetzung. Zwar lässt sich aus dem Bezug von Krankengeld regelmäßig auf das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit schließen; wenn im Anschluss an die Gewährung von Krankengeld aber für die weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit allein deswegen kein Krankengeld gezahlt wird, weil der Versicherte ausgesteuert worden ist, ist auch diese weitere Arbeitsunfähigkeit als Ausfallbzw. Anrechnungszeit zu berücksichtigen.
Die Frage, nach welcher Tätigkeit sich die Arbeitsunfähigkeit bestimmt, richtet sich nach dem jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis. Hierbei ist bei fortdauernder Erkrankung im Hinblick auf den Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit wie folgt zu differenzieren: Solange das Arbeitsverhältnis besteht (Phase 1), kommt eine „Verweisbarkeit“ des erkrankten Arbeitnehmers zum Ausschluss von Arbeitsunfähigkeit nur im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses und in den Grenzen der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten in Betracht; insbesondere kann auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber nicht verwiesen werden. Verliert der Versicherte nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit seinen Arbeitsplatz (Phase 2), bleibt die letzte Tätigkeit zwar grundsätzlich für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit weiterhin maßgeblich. Allerdings ist der Kreis der möglichen „Verweisungstätigkeiten“ nicht mehr durch das konkrete Arbeitsverhältnis, sondern entsprechend der Funktion des Krankengeldes als Lohnersatz auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten begrenzt, somit auf Tätigkeiten, die nach der Art der Verrichtung, der körperlichen und geistigen Anforderungen, der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie nach der Höhe der Entlohnung mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, so dass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Der in dieser Weise begrenzte krankenversicherungsrechtliche Berufsschutz für die bei Beginn der Erkrankungen ausgeübte Tätigkeit entfällt dann, wenn ein auf die Beschäftigung bezogenes Versicherungsverhältnis entfallen ist, spätestens mit Ende des ersten Dreijahreszeitraums (Phase 3) (BSG Urteil vom 25.02.2004 – B 5 RJ 30/02 R – SozR 4-2600 § 43 Nr. 2). Dies bedeutet, dass in Bezug auf die Anerkennung von Arbeitsunfähigkeitszeiten der krankenversicherungsrechtliche Berufsschutz jedenfalls nach drei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt (so der amtliche Leitsatz von BSG Urteil vom 25.02.2004 – B 5 RJ 30/02 R – SozR 4-2600 § 43 Nr. 2). Vorliegend hat die Drei-Jahres-Frist mit Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 31.01.2004 zu laufen begonnen. Dies bedeutet, dass der Dreijahreszeitraum vom 01.02.2004 bis 31.01.2007 lief. Im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid vom 02.10.2013 wurden bereits Anrechnungszeiten bis zur Ausschöpfung der Höchstgrenze am 31.01.2007 berücksichtigt. Nach Ablauf des Dreijahreszeitraums definiert sich in der gesetzlichen Krankenversicherung eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit auf Grund derselben Krankheit nicht mehr (eng) als Unfähigkeit zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit. Ab diesem Zeitpunkt besteht keine Arbeitsunfähigkeit mehr, weil die versicherte Person auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann (Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Kreikebohm, SGB VI § 58 Rn. 4).
c) Ohne dass es streitentscheidend darauf ankommt, ist festzustellen, dass der Kläger nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31.01.2004 zunächst bis einschließlich 06.04.2005 im Bezug von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit stand (Arbeitslosengeld I). Erst ab 07.04.2004 wurde beim Kläger eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt. War der Versicherte – wie hier – zuletzt arbeitslos, so ist der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit der Kreis der Tätigkeiten zugrunde zu legen, für den er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat (vgl. BSGE 73, 121 = SozR 3-4100 § 158 Nr. 1; BSG SozR 3-4100 § 105b Nr. 2). Insoweit liegt dann Arbeitsunfähigkeit nur dann vor, wenn der Versicherte auch nicht mehr arbeitsfähig für Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ist. Dies entspricht dann der vollen Erwerbsminderung. Diesbezüglich wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 15.02.2017 Az. L 1 R 1083/14 und die in diesem Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten verwiesen. In dem Rentenverfahren sind sämtliche Gerichtssachverständigen zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger noch mindestens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann. Der Kläger hat daraufhin auch die Berufung im „Rentenstreit“ zurückgenommen. Dies bedeutet, dass das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.10.2014 rechtskräftig wurde. Damit steht zwischen den Beteiligten gem. § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG auch verbindlich fest, dass der Kläger zumindest seit Rentenantragstellung (20.09.2011) noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr täglich verrichten konnte.
d) Entgegenstehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen begründen ebenfalls keinen weitergehenden Anspruch. Zum einen wurden beim Kläger bereits Anrechnungszeiten gem. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bis zur Ausschöpfung der Höchstgrenze berücksichtigt. Zum anderen besteht keine Bindung der Beklagten oder der Gerichte an die ärztliche Feststellung, auch nicht an die eines Vertragsarztes. Das ergibt sich u. a. schon daraus, dass z.B. Krankenkassen gem. § 275 Abs. 1 Nr. 3 SGB V eine Stellungnahme des MDK herbeiführen müssen, wenn begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen. Sogar an diese Stellungnahme ist die Krankenkasse im strengen Sinne nicht gebunden (BSG, Urt. v. 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R, BSGE 118, 52, Rn. 16). Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist auch durch die Gerichte voll überprüfbar. Eine inhaltliche Bindung an die Bescheinigung besteht somit nicht (KassKomm/Schifferdecker, 96. EL September 2017, SGB V § 46 Rn. 35-37).
3. Der Kläger kann sich für eine Anerkennung des Zeitraums ab 01.02.2004 als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auch nicht auf eine Zusicherung durch die Beklagte gem. § 34 SGB X auf Grund des Schreibens vom 09.07.2013 berufen.
Eine Zusicherung ist auf einen bestimmten, künftig zu erlassenden oder zu unterlassenden Verwaltungsakt gerichtet (BSGE 56, 249, 251 = SozR 5750 Art. 2 § 9a Nr. 13). Sie ist definiert als eine einseitige Selbstverpflichtung der Behörde zu einem späteren Tun oder Unterlassen gegenüber einem bestimmten Erklärungsempfänger (BVerwG 19.5.1994 – 5 C 33/91 – BVerwGE 96, 71, 74 = NJW 1994, 2968). Anders als der zugesagte Verwaltungsakt enthält sie aber noch keine konkrete Regelung; sie sagt vielmehr verbindlich den Erlass oder das Unterlassen eines Verwaltungsaktes in der Zukunft zu. Sie muss den Verpflichtungswillen der Behörde erkennen lassen (BSG SozR 3 – 1300 § 34 Nr. 2), sich auf den späteren Erlass oder Nichterlass eines bestimmten Verwaltungsaktes festzulegen (KassKomm/Mutschler SGB X § 34 Rn. 4). Nach diesen Grundsätzen stellt das Schreiben der Beklagten vom 09.07.2013 keine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X dar. Es fehlt bereits an einer Zukunftsbezogenheit der darin enthaltenen Auskunft. Das Schreiben verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen im Feststellungsbescheid vom 03.07.2013. Eine darüberhinausgehende Verpflichtung ist die Beklagte in dem Schreiben vom 09.07.2013 nicht eingegangen. Es erfolgte alleine eine bloße Auskunft bzw. ein Hinweis auf den bereits bekanntgegebenen Bescheid vom 03.07.2013. Dieser Hinweis kann jedoch keinen weitergehenden Vertrauensschutz erzeugen, als die Bindungswirkung des Bescheids vom 03.07.2013 reicht. Von einer Zusicherung im engeren Sinne des § 34 SGB X kann somit nicht gesprochen werden.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG – und berücksichtigt, dass die Berufung erfolglos war.
IV.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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