Sozialrecht

Kein Erstattungsanspruch wegen Überzahlung mangels Anspruchsgrundlage bei einer rückwirkenden, zeitgleichen Zuerkennung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und zeitgleichen Erstattungsansprüchen anderer Sozialleistungsträger

Aktenzeichen  L 19 R 626/16

Datum:
15.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X SGB X § 45, § 48, § 103, § 107
SGB VI SGB VI § 89 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ein Erstattungsanspruch eines anderen Trägers bei nachträglicher Zuerkennung einer anderen – höheren – Rente aus der eigenen Versicherung des Versicherten ist nicht auf den Differenzbetrag der beiden Renten beschränkt, sondern dieser Erstattungsanspruch der Höhe nach durch die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X determiniert (ebenso BSG SozR 4-2600 § 89 Nr. 2 = BeckRS 2011, 66599).(Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X ist auch nicht durch § 89 SGB VI begrenzt (ebenso BSG SozR 4-2600 § 89 Nr. 2 = BeckRS 2011, 66599).(Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 § 107 SGB X gilt nur im Verhältnis unterschiedlicher Leistungsträger zueinander, nicht beim gleichen Leistungsträger, der zwei unterschiedliche Leistungen zu erbringen hätte. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Rentenansprüche entstehen dem Grunde nach bereits kraft Gesetzes, wenn die Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente objektiv gegeben sind und nicht erst im Zeitpunkt der bescheidmäßigen Zuerkennung, so dass in dem Erlass eines Bescheides gerade keine wesentliche Änderung (§ 48 SGB X) im Hinblick auf den Rentenanspruch als solchen zu sehen ist.(Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
5 Hinsichtlich der Zahlungsansprüche aus den beiden dem Grunde nach zustehenden Rentenansprüchen wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung ist der Rechtsgedanke des § 89 Abs. 1 SGB VI umzusetzen, insoweit, als der Versicherte sich den Zahlbetrag der bereits in der Vergangenheit erhaltenen teilweisen Erwerbsminderungsrente soweit anrechnen lassen muss, soweit nach Abzug der geltend gemachten Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger noch ein Nachzahlungsbetrag aus der vollen Erwerbsminderungsrente verbleibt, aber auch nur in dieser Höhe.(Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 10 R 1082/13 2015-08-11 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.08.2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Sie ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.07.2013 an die Klägerin gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe der noch offenen Forderung von 1.960,75 EUR. Das SG hat im Ergebnis zu Recht einen Erstattungsanspruch der Beklagten abgelehnt. Eine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Aufhebung des Rentenbescheides vom 11.05.2011 ist insoweit nicht ersichtlich. Die Klägerin hatte im April 2009 einen Schlaganfall mit bleibenden gesundheitlichen Schäden erlitten. Aufgrund ihres Antrags vom 25.05.2010 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2011 der Klägerin ab dem 01.10.2010 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 283,90 EUR monatlich zuerkannt, zeitlich zunächst befristet bis 31.12.2012, verlängert mit Bescheid vom 20.08.2012 bis März 2013. Zeitweise bezog die Klägerin aufgrund ihres bestehenden Restleistungsvermögens parallel dazu Krankengeld und Arbeitslosengeld. Der zeitliche Umfang und die Höhe der bezogenen Leistungen sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Von der Krankenkasse der Klägerin und von der zuständigen Agentur für Arbeit A-Stadt wurden jeweils Erstattungsansprüche nach § 103 SGB X gegenüber der Beklagten angemeldet und geltend gemacht. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 05.06.2013 wurde der Klägerin rückwirkend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.10.2010 zuerkannt, wobei sich das gesundheitliche Leistungsvermögen der Klägerin nicht verändert hatte, sondern weil die Beklagte nach Vorliegen des Entlassungsberichts des bfz über die berufliche Wiedereingliederung der Klägerin von einem dauerhaft unter 6stündigen Leistungsvermögen ausging und anschließend erstmals die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes im Hinblick auf eine arbeitsmarktbezogene volle Erwerbsminderungsrente geprüft hat. Die Beklagte hat damit den gleichen Zeitpunkt als Leistungsfall angenommen, ab dem der Klägerin bereits Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zuerkannt worden war. Die Beklagte hat in diesem Bescheid vom 05.06.2013 einen Nachzahlungsanspruch der Klägerin wegen des Anspruchs auf volle Erwerbsminderungsrente ab dem 01.10.2010 in Höhe von 12.873,56 EUR festgestellt, der nicht an die Klägerin zur Auszahlung gelangte, weil die geltend gemachten Erstattungsansprüche der anderen Sozialleistungsträger zu bedienen waren. Nach Abzug dieser Erstattungsansprüche verblieb ein Nachzahlungsanspruch der Klägerin aus der vollen Erwerbsminderungsrente in Höhe von 4.476,03 EUR.
Die Klägerin hatte aber vom 01.10.2010 bis 31.07.2013 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von insgesamt 6.436,78 EUR erhalten, so dass insgesamt eine Überzahlung zugunsten der Klägerin in Höhe von 1.960,75 EUR festgestellt wurde. Die Beklagte kann diesen Betrag jedoch von der Klägerin nicht zurückverlangen, weil insoweit keine Anspruchsgrundlage besteht. Die Beklagte hat zunächst zu Recht entsprechend dem Urteil des BSG vom 07.09.2010 (B 5 KN 4/08 R, veröffentlicht bei juris) die geltend gemachten Erstattungsansprüche der Krankenkasse der Klägerin und der Agentur für Arbeit A-Stadt von dem Nachzahlungsbetrag in voller Höhe in Abzug gebracht. Aus dem sog. Abrechnungsschreiben vom 28.06.2013 ergibt sich ein Betrag von 3.551,93 EUR, der an die Krankenkasse abgeführt wurde, und ein Betrag von 4.845,60 EUR für die Agentur für Arbeit A-Stadt. Das BSG hat in dem Urteil vom 07.09.2010 zutreffend ausgeführt, dass ein Erstattungsanspruch eines anderen Trägers bei nachträglicher Zuerkennung einer anderen – höheren – Rente aus der eigenen Versicherung des Versicherten nicht auf den Differenzbetrag der beiden Renten beschränkt ist, sondern dieser Erstattungsanspruch der Höhe nach durch die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X determiniert ist. Soweit zwischen den Leistungsträgern ein Erstattungsanspruch nach den §§ 102 bis 105 SGB X besteht, gilt nach § 107 SGB X der Anspruch gegen den eigentlich zuständigen Leistungsträger als erfüllt, so dass der Versicherte in dieser Höhe auch keinen Anspruch mehr gegen den eigentlich zuständigen Leistungsträger hat. Mit der rückwirkenden Zuerkennung der vollen Erwerbsminderungsrente ab dem 01.10.2010 durch die Beklagte ist nachträglich die Zuständigkeit der Krankenkasse und der Agentur für Arbeit für die gewährten Leistungen an die Klägerin entfallen, so dass insoweit jeweils Erstattungsansprüche nach § 103 SGB X bestanden hatten. Insoweit gilt nach § 107 SGB X der Leistungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung als erfüllt und kann von der Klägerin auch nicht mehr geltend gemacht werden. Gleichzeitig wird durch die Befriedigung der Erstattungsansprüche der Krankenkasse und der Agentur für Arbeit die eigentliche Leistungszuständigkeit der Beklagten endgültig entsprechend den gesetzlich verteilten Risikofällen Krankheit, Arbeitslosigkeit und Erwerbsminderung eines Versicherten hergestellt, ohne damit den Versicherten zu belasten.
Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X ist dabei nach der Entscheidung des BSG vom 07.09.2010 auch nicht durch § 89 SGB VI begrenzt, weil es sich bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und der Rente wegen voller Erwerbsminderung um zwei eigenständige Rentenansprüche des Versicherten aus seiner eigenen Versicherung handelt. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI trifft nach zutreffender Ansicht des BSG nur eine Regelung hinsichtlich der Rentenleistung. Sie bezieht sich nur auf den Rentenzahlanspruch und lässt damit den Anspruch auf Rente dem Grunde nach unberührt (BSG, a.a.O., Rdnr. 27 m.w.N.). Das BSG hat in dieser Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass die dortige Beklagte sich im Hinblick auf die beiden Rentenansprüche selbst nicht auf § 107 SGB X berufen und insoweit einen Erstattungsanspruch anderer Sozialleistungsträger ins Leere laufen lassen kann. § 107 SGB X gilt nur im Verhältnis unterschiedlicher Leistungsträger zueinander, nicht beim gleichen Leistungsträger, der zwei unterschiedliche Leistungen zu erbringen hätte. Für eine analoge Anwendung des § 107 SGB X fehlt es bereits an einer Regelungslücke (vgl. BSG a.a.O., Rdnr. 36 ff.). Nach Abzug der Erstattungsansprüche von Krankenkasse und Agentur für Arbeit bestand noch ein Nachzahlungsanspruch der Klägerin im Hinblick auf die volle Erwerbsminderungsrente in Höhe von 4.476,03 EUR. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 05.06.2013, Anlage 10, den Rentenbescheid vom 11.05.2011 für alle Zeiträume aufgehoben, für die die Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezogen hatte. Diese Aufhebung hatte die Beklagte auf § 48 Abs. 1 SGB X gestützt, mit der Begründung, dass im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 11.05.2011 vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei, weil der Klägerin auf der Grundlage des § 89 Abs. 1 SGB VI nur der Zahlbetrag der vollen Erwerbsminderungsrente zugestanden habe, nicht der Zahlbetrag der teilweisen Erwerbsminderungsrente. Mit der rückwirkenden Zuerkennung der vollen Erwerbsminderungsrente hätte die Klägerin Einkommen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erzielt. Die rückwirkende Aufhebung des Bescheids vom 11.05.2011 kann aber nach Ansicht des Senats nicht auf § 48 SGB X gestützt werden. Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung – hier der Bescheid vom 11.05.2011 über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.10.2010 – mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung in diesem Sinn, wenn der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, Urteil vom 19.02.1986, Az. B 7 RAr 55/84, SozR 1300 § 48 Nr. 22). Die Änderung muss sich nach dem zu Grunde liegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken und dabei so erheblich sein, dass sie rechtlich einer anderen Bewertung zugeführt werden müsste (Schütze, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rdnr. 12 m.w.N.). Im vorliegenden Fall tritt im Hinblick auf den Zahlungsanspruch der Klägerin eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X mit Aufnahme der laufenden Zahlung der vollen Erwerbsminderungsrente ab dem 01.08.2013 ein, weil dies eine Änderung zugunsten der Klägerin darstellt und nach § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bei Anspruch auf mehrere Renten nur die höchste geleistet wird.
Für eine rückwirkende Aufhebung mit Wirkung zum 01.10.2010 fehlt es jedoch an einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 SGB X, weil sich der Gesundheitszustand der Klägerin, der zur Zuerkennung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.10.2010 geführt hatte, bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 05.06.2013 nicht verändert hatte. Die Klägerin hatte aufgrund ihres Gesundheitszustandes mit einer Leistungsfähigkeit von 3 bis unter 6 Stunden ab dem 01.10.2010 einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und auch ab dem 01.10.2010 wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes – so das Ergebnis der Prüfung der Beklagten – einen Anspruch auf eine (arbeitsmarktbezogene) Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das BSG hat in dem Urteil vom 07.04.2016 (B 5 R 26/15 R, veröffentlicht bei juris) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Rentenansprüche dem Grunde nach bereits kraft Gesetzes entstehen, wenn die Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente objektiv gegeben sind und nicht erst im Zeitpunkt der bescheidmäßigen Zuerkennung der vollen Erwerbsminderungsrente durch die Beklagte, so dass in dem Erlass des Bescheids vom 05.06.2013 gerade keine wesentliche Änderung im Hinblick auf den Rentenanspruch als solchen zu sehen ist. Im Rahmen des § 48 Abs. 1 SGB X kommt es nach Ansicht des BSG bei geklärter Rechtslage weder auf die im auftretenden Bescheid genannten noch auf die damals von der Behörde zugrunde gelegten Verhältnisse an, noch auf die Kenntnis der Behörde von der Änderung der Verhältnisse, sondern alleine auf die in Wirklichkeit vorliegenden Verhältnisse und deren objektive Änderung. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der von der Änderung der Verhältnisse spreche, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen hätten. Keinesfalls könne die Behörde durch Verwaltungshandeln selbst bestimmen, ob ein bestandskräftiger Verwaltungsakt unter erschwerten Bedingungen (§ 45 SGB X) oder unter erleichterten Bedingungen (§ 48 SGB X) beseitigt werden dürfe (BSG a.a.O., Rdnr. 31 und 32). Die Aufhebung des Bescheids vom 11.05.2011 kann auch nicht auf § 45 SGB X gestützt werden, weil dieser Bescheid im Hinblick auf den Anspruchsgrund nicht bei Erlass rechtswidrig gewesen ist. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Grunde nach ab dem 01.10.2010 sowohl einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung als auch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (aus arbeitsmarktbezogenen Gründen) gehabt hat, wobei die Regelung des § 89 Abs. 1 SGB VI hinsichtlich der Auszahlung der jeweiligen Renten in Frage steht. Für eine rückwirkende Aufhebung müssten außerdem die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X erfüllt sein, wofür sich vorliegend keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Zum anderen – und darauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.10.2016 schon selbst hingewiesen – würde die Anwendung des § 45 SGB X eine Ermessensentscheidung verlangen, die vorliegend nicht gegeben ist, so dass auch nach § 43 SGB X eine Umdeutung der Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X in eine solche nach § 45 SGB X nicht möglich wäre. Eine Anwendung des § 44 SGB X ist schon denknotwendig ausgeschlossen, weil es sich bei dem Bescheid vom 11.05.2011 nicht um einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt gehandelt hat, vielmehr sind aufgrund dieses Bescheids Leistungen an die Klägerin erbracht worden.
Hinsichtlich der Zahlungsansprüche der Klägerin aus den beiden ihr dem Grunde nach zustehenden Rentenansprüchen ab dem 01.10.2010 ist jedoch der Rechtsgedanke des § 89 Abs. 1 SGB VI umzusetzen, insoweit, als die Klägerin sich den Zahlbetrag der bereits in der Vergangenheit erhaltenen teilweisen Erwerbsminderungsrente soweit anrechnen lassen muss, soweit nach Abzug der geltend gemachten Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger – hier also der Krankenkasse der Klägerin und der Agentur für Arbeit A-Stadt – noch ein Nachzahlungsbetrag aus der vollen Erwerbsminderungsrente verbleibt, aber auch nur in dieser Höhe. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nur in der Höhe einen Nachzahlungsanspruch aus dem Stammrecht der vollen Erwerbsminderungsrente, in der dieser nach Abzug der Erstattungsansprüche anderer Träger noch vorhanden ist. Wegen des Rechtsgedankens des § 89 Abs. 1 SGB VI, dass nicht beide Rentenzahlbeträge nebeneinander zustehen können, muss sich die Klägerin die bereits erhaltenen Zahlbeträge aus dem Stammrecht der teilweisen Erwerbsminderungsrente in dieser Höhe anrechnen lassen.
Soweit die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 05.06.2013 in der Fassung des Bescheids vom 28.06.2013 einen weiteren Betrag von 1.960,75 EUR von der Klägerin erstattet verlangt, kann hierfür eine Rechtsgrundlage nicht gesehen werden. Selbst wenn allein im Hinblick auf den Zahlungsanspruch § 45 SGB X in Betracht gezogen würde, wäre zu beachten, dass die Klägerin hinsichtlich der Auszahlung der teilweisen Erwerbsminderungsrente in der Vergangenheit Vertrauensschutz im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 2 SGB VI genießen würde. Sie hat die Leistungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verbraucht und hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass ihr die ausgezahlten Beträge nicht zustehen könnten, weil sie sogar Anspruch auf eine höhere Rente gehabt hätte. Anhaltspunkte für eine Bösgläubigkeit der Klägerin sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Zu einem vergleichbaren Ergebnis ist das SG gelangt, indem es von einer Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VI dem Grunde nach ausgegangen war, den Zufluss von Einkommen aber auf den noch verbliebenen Nachzahlungsbetrag nach Abzug der geltend gemachten Erstattungsansprüche beschränkt hat.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Würzburg vom 11.08.2015 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 44 bis 48 SGB X bei rückwirkender, zeitgleicher Zuerkennung einer weiteren Rente und die Umsetzung des Rechtsgedankens des § 89 Abs. 1 SGB VI bei zeitgleichen Erstattungsansprüchen anderer Sozialleistungsträger ist höchstrichterlich noch nicht vollumfassend geklärt.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen