Sozialrecht

Keine Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Pflege

Aktenzeichen  L 8 SO 128/16

Datum:
28.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 114030
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 32 Abs. 1, § 34 Abs. 3, § 39 Abs. 2
SGB XI § 33
SGG § 96, § 99

 

Leitsatz

1. Bei Bescheiden der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII handelt es sich meist um ein Regelungsbündel. Es sind zu unterscheiden eine Grundlagenentscheidung für Grund- und Bereitschaftspflege, über das (meist gekürzte) Pflegegeld und eine Zusage auf konkrete Leistungen bei der Inanspruchnahme der gewählten Versorgungsform.
2. Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII wird meist als Grundlagenbescheid bewilligt; die Form der Leistung erfolgt als Zusage eventuell nach § 32 Abs. 2 SGB X befristet.
3. Bescheide über Folgezeiträume führen zur Erledigung vorangegangener Bescheide. Diese sind in ihrem Regelungsgehalt zeitlich begrenzt und lehnen nicht Leistungen für Folgezeiträume ab.
4. Eine Gestaltung des Inhalts, dass die Nebenbestimmung aufgehoben wird, führt bei einer echten Befristung auch nicht zur Herstellung eines zeitlich unbegrenzten Anspruchs.
5. Zur Anwendung der Verfahrensvorschriften der gesetzlichen Pflegeversicherung in Verfahren der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII.
6 Wird infolge einer Einbeziehung eines weiteren Bescheides in ein laufendes Klageverfahren die Klage geändert, ist eine spätere Klage gegen den einbezogenen Bescheid wegen entgegenstehender Rechtshängigkeit unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 22 SO 447/15 2016-05-20 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Mai 2016 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 23. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2015 abgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Urteil des SG ist aufzuheben und Klage abzuweisen.
1. Beide schriftlich eingelegten Berufungen sind form- und fristgemäß zum LSG eingelegt (§ 151, 153 SGG). Es handelt sich damit bei der Berufung des Klägers vom Montag, den 04.07.2016 um keine Anschlussberufung im Sinne von § 524 ZPO an die vom Beklagten eingelegte Berufung vom 16.06.2016 gegen das am 03.06.2016 zugestellten Urteil.
Die Berufungen sind statthaft und bedürfen keiner Zulassung (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 SGG). Es ist umstritten, ob dem Kläger ein Recht auf Dauer zusteht, womit laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind.
2. Gegenstand der Berufung ist ein Urteil des SG vom 20. Mai 2016. Seit dem 21.09.2015 war aber bereits eine Berufung beim LSG (Az.: L 8 SO 206/15) anhängig, mit der das Urteil des SG vom 2. Juli 2015 angefochten wurde, in welchem es „die Befristung auf 31.03.2015 im Bescheid vom 19.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2014 in der Fassung des Bescheids vom 05.03.2015 aufgehoben“ und im Übrigen die Klage abgewiesen hat.
Die Entscheidung des SG war aber unvollständig. Aus dem Tenor der angefochtenen Entscheidung vom 02.07.2015 ergibt sich keine Entscheidung über den – hier angefochtenen – Bescheid vom 23.03.2015. Dieser ist aber gemäß § 99 SGG im Wege der Klageerweiterung Gegenstand des Verfahrens geworden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 02.07.2015 hat der Klägerbevollmächtigte beantragt, die Befristung sowohl im Bescheid vom 19.03.2014 wie auch in der Fassung des Bescheides vom 23.03.2015 aufzuheben (Wortlaut: „die Befristung im Bescheid vom 19.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2014 in der Fassung der Bescheide vom 05.03.2015 und 23.03.2015 aufzuheben“). Selbst wenn damit ein Hilfsantrag beabsichtigt gewesen wäre, wie der Kläger angesichts des Wortlauts seines Antrags „in der Fassung des“ argumentiert (für den Fall, dass das SG eine Einbeziehung gemäß § 96 SGG annehmen würde), hätte auch dies zu einer Einbeziehung geführt. Jedenfalls hat die Beklagte einer Einbeziehung des Bescheides vom 23.03.2015 nicht widersprochen und sich rügelos durch eigene Antragstellung in der mündlichen Verhandlung darauf eingelassen. Damit ist der Tatbestand des § 99 Abs. 2 SGG gegeben. Gemäß § 99 Abs. 1 1. Alt. SGG liegt somit eine Klageänderung vor. Diese war auch zulässig, weil schon vor der mündlichen Verhandlung am 02.07.2015 ein Widerspruchsbescheid am 30.06.2015 ergangen ist.
3. Die erst am 03.08.2015 erhobene Klage zum SG, das hier streitige Verfahren mit dem Az.: S 22 SO 447/15, war damit wegen anderweitiger, bereits seit 02.07.2015 infolge Klageänderung bestehender Rechtshängigkeit im Verfahren S 51 SO 531/14 unzulässig (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz ).
4. Die Berufung der Beklagten ist damit begründet, weil das SG kein Urteil in der Sache hätte erlassen dürfen. Das Urteil vom 20.05.2016 war daher aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 23.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.06.2015 als unzulässig abzuweisen.
5. Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen. Sein Klageziel, anstelle der vom LSG vorgenommenen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Befristung die Befristung auf den 31.03.2016 im Bescheid vom 23.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2016 aufzuheben, hat er in diesem Verfahren nicht erreichen können. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger in seinem Antrag auch – kombiniert mit dem Aufhebungsantrag befristeter Bescheide – die Aufhebung des Urteils des SG formuliert hat.
6. Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger nicht zu erstatten (§ 193 SGG).
7. Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).

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