Aktenzeichen M 15 E 15.5674
BAföG BAföG § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Leitsatz
1 Die Leistung von Ausbildungsförderung im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO scheidet für Förderzeiträume, die zeitlich vor der Antragstellung liegen, schon mangels Anordnungsgrundes aus, da eine einstweilige Anordnung stets eine gegenwärtige, dringende Notlage voraussetzt, die eine sofortige Entscheidung erforderlich macht. Demgegenüber kann nach ständiger Rechtsprechung Ausbildungsförderung grundsätzlich nicht für die Vergangenheit zugesprochen werden, da ein entsprechender Bedarf durch Zeitablauf nicht mehr gegenwärtig und durch den Erlass einer einstweilige Anordnung nicht mehr behebbar ist (vgl. VGH München BeckRS 2002, 31715). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Ein Fachrichtungswechsel liegt nach § 7 Abs. 3 S. 3 BAföG vor, wenn ein Auszubildender einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsganges an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt. Die Fachrichtung wird demnach maßgeblich durch den Ausbildungsabschluss und den Ausbildungsgegenstand bestimmt (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Für die Annahme eines Fachrichtungswechsels ist nicht das abstrakte Berufsziel, sondern der Gegenstand der konkreten Ausbildung maßgeblich. (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Ein unabweisbarer Grund für einen Fachrichtungswechsel liegt nur dann vor, wenn er die Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und ihrem Abbruch oder dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht zulässt und er die Fortführung der bisherigen Ausbildung objektiv und subjektiv unmöglich macht (vgl. BVerwGE 120, 149 = BeckRS 2004, 22600). Dabei können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die zu einem Wegfall der Eignung des Auszubildenden für die künftige Ausübung des bisher angestrebten Berufs und die dahin zielende noch zu absolvierende Ausbildung geführt haben. (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber, der in § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BAföG für Fälle einer weiteren Ausbildung nach § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BAföG die Ausbildungsförderung in Form eines reines Bankdarlehens gestaltet hat, für den Fall eines Fachrichtungswechsels im Rahmen dieser weiteren Ausbildung einen anderen, großzügigeren Maßstab anlegen wollte als im Falle eines Fachrichtungswechsels bei einer Erstausbildung. (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine einstweilige Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, ihm nachträglich Ausbildungsförderung zu zahlen.
Der Antragsteller studierte von 2003 bis 2008 Rechtswissenschaften an der Universität … Dieses Studium schloss er mit dem Ersten Juristischen Staatsexamen ab. Zwischen 2008 und 2011 promovierte der Antragsteller an der Universität … Zeitgleich versuchte er, das Zweite Juristische Staatsexamen abzulegen, das er jedoch endgültig nicht bestand.
Zum Wintersemester 2011/12 begann der Antragsteller, für seinen neuen Berufswunsch Patentanwalt das Fach Bauingenieurwesen (Bachelor) am … Institut … (…) zu studieren.
Mit Bescheid vom 7. November 2011 wurde dem Antragsteller vom Studentenwerk Karlsruhe Ausbildungsförderung für das Studium der Fachrichtung Bauingenieurwesen als Bankdarlehen bewilligt. Als Ende der Förderungshöchstdauer war der September 2014 angegeben.
Für das Wintersemester 2012/2013, also zum dritten Fachsemester, ließ sich der Antragsteller beim … beurlauben und wechselte gleichzeitig an die Technische Universität …, was er damit begründete, dass der Prüfungsmodus für ihn dort angenehmer gestaltet sei.
Mit Bescheid vom 29. November 2012 versagte die Antragsgegnerin die Förderung des Studiums Bauingenieurwesen an der Technischen Universität …, da der Antragsteller erneut im ersten Semester zu studieren begonnen habe und für einen Wechsel kein wichtiger oder unabweisbarer Grund vorliege.
Am … Januar 2013 erkundigte sich der Antragsteller nach dem Sachstand seines am 10. Dezember 2012 eingelegten Widerspruchs. Nachdem die Antragsgegnerin festgestellt hatte, dass ein entsprechendes Widerspruchsschreiben bei ihr nicht eingegangen war, behandelte sie das Schreiben vom … Januar 2013 als Widerspruch, half diesem aber nicht ab, da aus ihrer Sicht der Wechsel der Ausbildungsstelle einen Fachrichtungswechsel darstelle, für den kein wichtiger Grund vorgelegen habe. Aus Sicht der Antragsgegnerin hätte sich der Antragsteller vor der Aufnahme des Studiums über die Studienbedingungen genau informieren müssen.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2013 wies die Regierung von Oberbayern als Widerspruchsbehörde die Antragsgegnerin an, dem Widerspruch abzuhelfen und dem Antragsteller Ausbildungsförderung zu bewilligen, da sich die Fachrichtung (Bauingenieurwesen) nicht geändert habe und der Antragsteller nur die Hochschule gewechselt habe.
Die Antragsgegnerin bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 23. Januar 2013 dem Antragsteller Ausbildungsförderung für das Studium Bauingenieurwesen an der TU … für den Bewilligungszeitraum 12/2012 bis 7/2013 in Höhe von 720,- € und für die Monate August und September 2013 in Höhe von 545,- €, wobei die Förderung jeweils als Bankdarlehen erfolgte.
Am … Februar 2013 legte der Antragsteller hiergegen Widerspruch ein und beanstandete, dass eine Förderung in den Monaten Oktober und November 2012 unterblieben sei und die Förderung in den Monaten August und September 2013 nur 545,- € betragen habe.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 wurde dem Antragsteller für den Bewilligungszeitraum 10/2012 bis 9/2013 Ausbildungsförderung in Höhe von 712,- € und für den Zeitraum 10/2013 bis 6/2014 in Höhe von 670,- € bewilligt. Ab Juli 2014 wurde die Förderung auf Null festgesetzt, weil im Juni 2014 die Abschlussprüfungen stattfänden. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass eine Förderung über den 30. Juni 2014 hinaus nur möglich sei, wenn der Antragsteller noch entsprechende Leistungsnachweise vorlege.
Am … August 2014 stellte der Antragsteller einen weiteren Antrag auf Bewilligung von Ausbildungsförderung. Auf der Anlage 1 zu Formblatt 1 gab er an, seit Oktober 2013 im Fachbereich Biologie (Bachelor) zu studieren. Der Studienwechsel sei zwingend erforderlich gewesen, da ihm andernfalls eine spätere Berufstätigkeit im Bereich der Mikrobiologie/Genetik als Patentanwalt mangels Fachkenntnissen nicht möglich wäre. Aus einer mit dem BAföG-Antrag vorgelegten Bestätigung der Universität … vom … August 2014 (S. 130 BA) geht hervor, dass der Antragsteller bereits seit dem Wintersemester 2013/2014 an Vorlesungen und Prüfungen im Studienfach Biologie teilgenommen und zeitgleich Kurse des Bachelor-Studiengangs … besucht hat.
Mit Bescheid vom 17. November 2014 lehnte die Antragsgegnerin die Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 9/2015 ab, da der Antragsteller die Förderungshöchstdauer (bis September 2014) überschritten habe und eine Förderung im Anschluss nur noch im Rahmen der Studienabschlusshilfe möglich sei, die der Antragsteller aber bereits erhalten habe. Zugleich lehnte die Antragsgegnerin die Bewilligung von Ausbildungsförderung auch für die Monate Juli 2014 bis September 2014 ab.
Am … November 2014 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. November 2014 ein. Diesen begründete er damit, dass das Ende der „Regelförderungsdauer“ im Studium Bauingenieurwesen zum 30. September 2014 gewesen sei und eine Abschlussförderung noch bis zum 30. September 2015 möglich sei. Zudem habe er Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Kombination seiner rechtswissenschaftlichen Kenntnisse mit denen eines Bauingenieurs hinsichtlich des beabsichtigten Berufsfeldes als Patentanwalt entwickelt. Ein freiwilliger Einführungskurs in die Genetik habe sein Interesse geweckt, sich fortan im Bereich der „Lebenswissenschaften“ zu orientieren. Er verfolge weiterhin sein Berufsziel Patentanwalt. Teile seines Studiums des Bauingenieurwesens habe er sich für sein Biologie Studium anrechnen lassen können.
Am 13. Januar 2015 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller erneut mit, dass eine Förderung nicht mehr in Betracht komme, da er die Förderungshöchstdauer bereits im September 2014 erreicht habe.
Am … Januar 2015 wies der Antragsteller darauf hin, dass er einen schwerwiegenden Grund im Sinne des § 15 Abs. 3 BAföG geltend gemacht habe. Zugleich bat er um eine Nachzahlung für die Monate Juli bis September 2014.
Am … Januar 2015 legte der Antragsteller eine Studienbescheinigung der TU … vor, wonach er am 30. November 2014 aus dem Studiengang Bauingenieurwesen exmatrikuliert worden ist.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2015 änderte die Antragsgegnerin die Förderung des Antragstellers wie folgt ab: Der Bescheid vom 18. Juli 2013 wurde bezüglich des Bewilligungszeitraums 10/2013 bis 9/2014 aufgehoben, der Bescheid vom 17. November 2014 zum Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 9/2015 wurde vollständig aufgehoben. Für den Bewilligungszeitraum 10/2013 bis 2/2014 wurde Ausbildungsförderung in Höhe von 670,- € als Bankdarlehen bewilligt. Ab März 2014 wurde keine Förderung mehr bewilligt. Die Begründungen seien nicht korrekt gewesen, da der Antragsteller ausweislich des Sammelzeugnisses der Universität … vom 8. August 2014 bereits seit dem Wintersemester 2013/2014 parallel zum Studium Bauingenieurwesen in der Fachrichtung Biologie studiert habe. Da das Studium des Bauingenieurwesens nach dem fünften Semester abgebrochen worden sei, sei für die weitere Förderung ein unabweisbarer Grund erforderlich. Ein solcher sei aber nicht erkennbar und liege insbesondere auch nicht in der Tatsache, dass der Antragsteller an der Sinnhaftigkeit der Kombination seiner rechtswissenschaftlichen Kenntnisse mit denen eines Bauingenieurs gezweifelt habe.
Am … Februar 2015 legte der Antragsteller gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Sein Anspruch auf Förderung des Bauingenieurstudiums habe bis zum September 2014 bestanden, da er das Studium erst danach abgebrochen habe. Dass er vorher parallel in anderen Studiengängen eingeschrieben gewesen sei, bedeute nicht, dass er das Studium bereits vorher abgebrochen habe. § 7 Abs. 3 BAföG müsse im vorliegenden Fall zudem teleologisch reduziert werden. Die Vorschrift wolle dem gesetzlichen Förderungszweck für eine erste Ausbildung Rechnung tragen, bei der die Förderung der Erstausbildung jeweils zur Hälfte aus einem Zuschuss und einem Darlehen bestehe. Nachdem sich der Antragsteller in einer weiteren Ausbildung befinde, für die er – anders als bei einer Erstausbildung – nur Förderung in Form eines vollständig zurückzuzahlenden Darlehens erhalte, sei die Interessenlage eine andere. Die Anforderungen an einen Fachrichtungswechsel dürften daher nicht so streng angesetzt werden wie dies im Falle eines Wechsels im Rahmen der Erstausbildung geregelt sei. Es genüge für den Erhalt der Förderfähigkeit daher ein wichtiger Grund für den Fachrichtungswechsel. Ein solcher liege in dem glaubhaft gemachten schwerwiegenden Neigungswandel.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2015 wies die Regierung von Niederbayern den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ein unabweisbarer Grund liege nicht vor. Es sei irrelevant, dass die Ausbildungsförderung als reines Bankdarlehen gewährt worden sei. Beim Studienwechsel vom Bauingenieurwesen zur Biologie handele es sich nicht um eine Schwerpunktverlagerung, da das Biologiestudium ein eigenständiges naturwissenschaftliches Studium darstelle. In einer E-Mail vom … August 2015 habe der Antragsteller dargelegt, dass er unter Allergien gegen verschiedene Pollenarten und den Baustoff Epoxidharz sowie an Höhenangst leide. Dies sei jedoch nicht durch ein ärztliches Attest belegt worden. Für eine Förderung des Studiums des Bauingenieurwesens wäre es erforderlich gewesen, dass der Antragsteller dieses Studium tatsächlich betrieben hätte. Dies gehe aus dem vorgelegten Studienblatt jedoch nicht hervor.
Am … September 2015 hat der Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und beantragt, die Antragsgegnerin unter Aufhebung der Bescheide vom 29. Januar 2015 und vom 10. September 2015 zu verpflichten, ihm gemäß seinem Antrag vom 11. August 2014 Ausbildungsförderung für ein Biologiestudium für den Zeitraum Juli 2014 bis September 2015 zu bewilligen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag vom 11. August 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Gleichzeitig beantragte er im Wege der einstweiligen Anordnung,
die Antragsgegnerin zur Bewilligung von Ausbildungsförderung für das Biologiestudium für den Zeitraum Juli 2014 bis September 2015 zu verpflichten.
Zur Begründung führte er aus, dass er zwei Semester lang sowohl im Studiengang Biologie als auch im Studiengang Bauingenieurwesen eingeschrieben gewesen sei, um in dieser Zeit zu erwägen, welches Studium er fortführen wolle. Er habe darauf vertraut, dass er auch weiterhin Ausbildungsförderung erhalten werde. Zwischenzeitlich habe er einen Förderantrag beim Studentenwerk Augsburg gestellt, da er ein Auslandssemester in der Schweiz absolviere. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass über seinen Antrag erst entschieden werden könne, wenn über den Widerspruch entschieden worden sei. Erst dadurch habe er erkannt, dass er den Studiengangwechsel weiter begründen müsse, woraufhin er die Allergien angegeben habe. Er sei auf die Nachzahlung der Ausbildungsförderung für den Zeitraum Juli 2014 bis September 2015 angewiesen, da er derzeit nur einen Bildungskredit in Höhe von 300 € monatlich sowie einen Mobilitätszuschuss der Universität … in Höhe von monatlich 360 Franken erhalten. Allein sein Zimmer im Studentenwohnheim koste bereits 765 Franken. Hierzu kämen noch die normalen Lebenshaltungskosten, die in der Schweiz sehr hoch sein. Bei seinem Wechsel zum Fach Biologie handele es sich um eine Schwerpunktverlagerung, da sein Berufsziel Patentanwalt gleich geblieben sei. Die Nachzahlung des Darlehens für den Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015 verfolge er, da er damit sein Studium abschließen könne und keiner weiteren Förderung bedürfe. Er habe sich im Sommersemester 2014 auch mit den Lehrinhalten des Bauingenieurstudiums befasst. Voraussetzung für eine Förderung sei nicht der Besuch von Vorlesungen oder das Absolvieren von Prüfungen, sondern allein die akademische Auseinandersetzung mit den Studieninhalten und den Lehrmaterialien. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb er Ende des sechsten Semesters im Fach Bauingenieurwesen noch Prüfungen hätte ablegen sollen, wenn er sich zu dieser Zeit bereits entschieden habe, fortan Biologie zu studieren. Einen neuen Antrag auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für den aktuellen Bewilligungszeitraum könne er nicht weiter verfolgen, da die Bewilligung einen zu langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde. Hinsichtlich seiner Erkrankungen habe er der Antragsgegnerin angeboten, auf deren Kosten einen Arzt zu beauftragen, hierzu habe sich diese jedoch nicht bereit erklärt.
Ab dem 1. Januar 2016 werde er einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen müssen, um so seinen Lebensunterhalt der Schweiz bestreiten zu können. Hierdurch werde sich der Studienabschluss und der Berufseintritt um mindestens sechs Monate verzögern, was zu einem erheblichen finanziellen Schaden durch einen verspäteten Einstieg in die Laufbahn eines Patentanwaltsanwärters führen werde. Dadurch werde sich exakt das Risiko verwirklichen, das er mit Betreiben des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes habe abwenden wollen. Der Anordnungsgrund entfalle dennoch nicht, da bei einer Entscheidung und Nachzahlung bis Mitte Februar 2016 das Beschäftigungsverhältnis gekündigt werden könnte und er ab März 2016 die Laborpraktika in vollem Umfang absolvieren könnte. Ein Anspruch auf Nachzahlung für den Zeitraum Juli bis September 2014 ergebe sich bereits im Rahmen des regulären Förderungszeitraums. Hinsichtlich des Anspruchs für die Zeit von Oktober 2014 bis September 2015 bitte er das Gericht, die anwendbaren Normen im Lichte des übergeordneten Gesetzeszweckes zu interpretieren. Das BAföG sei als Förderungsgesetz konzipiert und sehe Einschränkungen dort vor, wo der Missbrauch oder die Erschöpfung öffentlicher Gelder zu befürchten sei, was vorliegend nicht der Fall sei. Er habe trotz eines geringen Bildungsstands seiner Eltern und einer MS-Erkrankung des Vaters das erste juristische Staatsexamen und die Promotion erfolgreich absolviert. Nach dem Scheitern im zweiten Staatsexamen habe er sich aufgemacht, ein naturwissenschaftliches Studium mit dem Berufsziel Patentanwalt zu betreiben, das in der Regelstudienzeit und unter Ausbau seiner Französischkenntnisse abgeschlossen werden könne.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund, da nicht ersichtlich sei, weshalb der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Nachzahlung von Ausbildungsförderung verfolge. Er sei gehalten, vorrangig einen Antrag für den aktuellen Bewilligungszeitraum zu stellen. Im Übrigen fehle auch ein unabweisbarer Grund für den Fachrichtungswechsel.
Nach Anhörung der Beteiligten hat sich das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 10. Dezember 2015 für örtlich unzuständig erklärt und sowohl den Rechtsstreit in der Hauptsache (vgl. Az. M 15 K 15.5672) als auch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Verwaltungsgericht München verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren (M 15 K 15.5672) sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Der Antragsteller hat dabei sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu regelnden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Für vergangene Zeiträume ist der Bedarf dabei grundsätzlich als gedeckt anzusehen, weshalb die Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung regelmäßig nur ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bejaht werden kann. Dabei ist es grundsätzlich unzulässig, dem Antragsteller bereits im Verfahren des Eilrechtsschutzes vollständig dasjenige zu gewähren, was er erst im Hauptsacheverfahren begehrt (sog. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache). Das Gericht kann dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache nur dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d. h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht.
Diese Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen hier nicht vor.
1. Der Antragsteller hat schon keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Für Förderzeiträume, die zeitlich vor der Antragstellung gemäß § 123 VwGO liegen, scheidet ein Anordnungsgrund schon aus dem Grund aus, da eine einstweilige Anordnung eine gegenwärtige, so dringende Notlage voraussetzt, dass eine sofortige Entscheidung erforderlich ist. Ausbildungsförderung kann daher nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich nicht für die Vergangenheit zugesprochen werden, denn die Notlage ist durch Zeitablauf nicht mehr gegenwärtig und durch eine einstweilige Anordnung behebbar. Ansprüche, die sich auf die Vergangenheit beziehen, sind aus diesem Grund vielmehr nur in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen (vgl. BayVGH, B. v. 25.3.1999 – 12 CE 97.1832 – juris; BayVGH, B. v. 14.11.2002 – 12 CE 02.1597 – juris; SächsOVG, B. v. 4.3.2013 – 1 B 306/13 – juris; VG Würzburg, B. v. 18.7.2013 – W 1 E 13.521 – juris; VG München, B. v. 19.4.2005 – M 15 E 05.911 – juris; Rothe/Blanke, BAföG, Rn. 15.1 zu § 54).
Eine Auslegung des Antrags dergestalt, dass im Wege der einstweiligen Anordnung die Bewilligung von Ausbildungsförderung für einen künftigen Zeitraum beantragt wird, ist hier nicht möglich.
Zum einen hat der Antragsteller bewusst und ausdrücklich eine Nachzahlung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beantragt, so dass das Gericht bei einer anderen Auslegung über das Begehren des Antragstellers hinausgehen würde (§ 88 VwGO).
Zudem hat der Antragsteller für sein Auslandssemester in der Schweiz, des er gegenwärtig absolviert, Ausbildungsförderung beim hierfür zuständigen Studentenwerk Augsburg beantragt. Selbst wenn man also einen Antrag für einen künftigen Zeitraum unterstellen würde, wäre hierfür nicht die Landeshauptstadt München, sondern das Studentenwerk Augsburg passiv legitimiert. Für einen Parteiwechsel auf Seiten des Antragsgegners von der Landeshauptstadt München auf das Studentenwerk Augsburg fehlt es jedoch an der gemäß § 91 Abs. 1 VwGO mangels erteilter Zustimmung der Beteiligten erforderlichen Sachdienlichkeit, da im Falle eines solchen Parteiwechsels das Verwaltungsgericht München örtlich unzuständig wäre.
2. Im Übrigen ist auch zweifelhaft, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurde.
a) Soweit der Antragsteller Ausbildungsförderung für das Biologiestudium ab dem Wintersemester 2014/2015 geltend macht (Antrag vom 11. August 2014 für den Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 9/2015), dürfte es schon am Anspruch auf Ausbildungsförderung fehlen, weil es für den Fachrichtungswechsel an einem unabweisbaren Grund fehlt.
Die Beendigung des Studiengangs Bauingenieurwesen und der Beginn des Studiengangs Biologie stellt einen Fachrichtungswechsel im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 3 BAföG dar.
Ein Fachrichtungswechsel liegt gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BAföG vor, wenn ein Auszubildender einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsganges an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt. Die Fachrichtung wird demnach maßgeblich durch den Ausbildungsabschluss und den Ausbildungsgegenstand bestimmt (Rothe/Blanke, BAföG, Stand September 2013, § 7 Rn. 47). Die Studiengänge „Bauingenieurwesen“ und „Biologie“ unterscheiden sich – wie bereits die Bezeichnungen der Studiengänge zeigen – hinsichtlich ihres Ausbildungsgegenstands deutlich, so dass bereits aus diesem Grund von einem Fachrichtungswechsel im oben genannten Sinne auszugehen ist. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang der Vortrag des Antragstellers, dass sich an seinem Berufsziel Patentanwalt nichts geändert habe, da insoweit maßgeblich nicht das abstrakte Berufsziel ist, sondern der Gegenstand der konkreten Ausbildung. Die Voraussetzungen einer bloßen Schwerpunktverlagerung liegen daher nicht vor, da die beiden Studiengänge nicht bis zum Wechsel identisch waren und auch die im bisherigen Studiengang verbrachten Semester für den neuen Studiengang nicht voll anrechenbar gewesen sind (Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Auflage 2014, Rn. 127 zu § 7). Der Antragsteller hat vorgetragen, dass nur einige Kurse auf das Biologiestudium hätten angerechnet werden können und dass er sich auf Biologie konzentriert habe, da es sinnwidrig gewesen wäre, auch im Fach Bauingenieurwesen noch Klausuren zu schreiben, da er diese für Biologie nicht hätte verwenden können.
Der Fachrichtungswechsel erfolgte erst nach dem Beginn des vierten Fachsemesters, so dass für diesen ein unabweisbarer Grund nötig gewesen wäre (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG). Ein solcher liegt hier nicht vor. Dies hat zur Folge, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für das Studium Biologie an der Universität … hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Grund für einen Fachrichtungswechsel nur unabweisbar, wenn er die Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und ihrem Abbruch oder dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht zulässt und er die Fortführung der bisherigen Ausbildung objektiv und subjektiv unmöglich macht (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 19.2.2004 – 5 C 6/03 – BVerwGE 120, 149). Es können daher nur solche Umstände berücksichtigt werden, die zu einem Wegfall der Eignung des Auszubildenden für die künftige Ausübung des bisher angestrebten Berufs und die dahin zielende noch zu absolvierende Ausbildung geführt haben (BVerwG, U. v. 19.2.2004 a. a. O.). Ein diesen gesteigerten Anforderungen entsprechender, unabweisbarer Grund kann etwa angenommen werden für den Fall, dass ein Sportstudent bei einem Unfall ein Bein verloren hat oder eine Musikstudentin während der Ausbildung zur Pianistin krankheitsbedingt eine Hand nicht mehr bewegen kann (vgl. hierzu Rothe/Blanke, BAföG, § 7 Rn. 43).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Antragsteller schon einen unabweisbaren Grund i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG nicht glaubhaft gemacht. Die Gründe, die der Antragsteller vorgetragen hat, genügen den gesteigerten Anforderungen an einen unabweisbaren Grund nicht, denn sie führen nicht dazu, dass dem Antragsteller die Fortführung der bisherigen Ausbildung tatsächlich objektiv und subjektiv unmöglich wäre. Der Antragsteller hatte zunächst vorgetragen, dass bei einer Einführungsveranstaltung zur Genetik sein Interesse für die Biologie geweckt worden sei; daraufhin habe er angefangen, Veranstaltungen der Biologie zu besuchen und sei zeitgleich in zwei Studiengängen immatrikuliert gewesen, um so seine Interessenlage ausloten zu können. Diese Darstellung spricht eindeutig dafür, dass beim Antragsteller ein Neigungswandel stattgefunden hat und er nicht durch einen unerwarteten Umstand zu einem Fachrichtungswechsel gezwungen worden ist. Die vom Antragsteller erst später angeführten Allergien, unter anderem gegen bestimmte Baustoffe, wurden zum einen vom Antragsteller trotz seiner diesbezüglichen Darlegungslast nicht durch entsprechende Atteste nachgewiesen, zum anderen wäre selbst im Falle eines entsprechenden Nachweises fraglich, ob eine solche Allergie einen unabweisbaren Umstand darstellen würde. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der Antragsteller aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr in der Lage wäre, das Studium Bauingenieurwesen fortzuführen. Außerdem hat der Antragsteller sein Studium des Bauingenieurwesens aufgenommen, um später als Patentanwalt tätig zu sein. Bei dieser Tätigkeit dürfte eine Baustoffallergie nicht dazu führen, dass der Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Im Übrigen wird auf die ausführliche Begründung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 10. September 2015 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Eine andere Beurteilung des Sachverhalts ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller bisher nur in Form von Darlehen gefördert worden ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber, der in § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG für Fälle einer weiteren Ausbildung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG eine Ausbildungsförderung in Form eines reines Bankdarlehen festgelegt hat, für den Fall eines Fachrichtungswechsels anlässlich dieser weiteren Ausbildung einen anderen, großzügigeren Maßstab anlegen wollte als im Falle eines Fachrichtungswechsels bei einer Erstausbildung. Der Gesetzgeber ist auch im Rahmen seiner weiten Gestaltungsfreiheit nicht gehindert, den praktischen Erfordernissen der Verwaltung durch generalisierende und typisierende Regelungen Rechnung zu tragen, was gerade im Massengeschäft der Ausbildungsförderung nachvollziehbar ist. im Übrigen spricht die Konstellation hier sogar eher gegen eine großzügigere Handhabung eines Fachrichtungswechsels im Rahmen einer weiteren Ausbildung, da die Förderung einer weiteren Ausbildung (§ 7 Abs. 2 BAföG) bereits eine Ausnahme zum Grundsatz des Ausbildungsförderungsrechts auf Förderung einer ersten berufsqualifizierenden Ausbildung (§ 7 Abs. 1 BAföG) darstellt. Es ist nichts dafür ersichtlich, weshalb bei der Förderung einer weiteren Ausbildung dann ein großzügigerer Maßstab zugunsten des Auszubildenden angelegt werden sollte als bei einem Auszubildenden, der eine Förderung für eine erste Ausbildung erhält, zumal man Auszubildenden, die bereits eine Ausbildung absolviert haben, eher ein größeres Maß an Sorgfalt bei der Wahl der zweiten Ausbildung abverlangen können wird als dies bei Auszubildenden in ihrer ersten Ausbildung der Fall ist.
b) Auch für die Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Zeitraum 7/2014 bis 9/2014 ist kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Ein Anspruch auf Ausbildungsförderung für das Studium der Biologie scheitert daran, dass der Fachrichtungswechsel – unabhängig davon, ob er möglicherweise schon zum Wintersemester 2013/14 oder zum Sommersemester 2014 stattgefunden hat – nach Angaben des Antragstellers frühestens zum Wintersemester 2013/14 und damit in jedem Fall nach dem vierten Fachsemester erfolgt ist. Der somit nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG erforderliche unabweisbare Grund für den Fachrichtungswechsel liegt – wie bereits ausgeführt – nicht vor.
Einen Anspruch auf Ausbildungsförderung für das Studium des Bauingenieurwesens hat der Antragsteller ebenfalls nicht glaubhaft gemacht, da nach seinen Angaben im Rahmen der summarischen Prüfung davon auszugehen ist, dass er das Studium des Bauingenieurwesens in den Monaten Juli bis September 2014 nicht (mehr) betrieben hat.
Gegen ein Betreiben dieses Studiums spricht, dass der Antragsteller sich nach eigener Aussage bereits im Wintersemester 2013/14 für das Fach Biologie eingeschrieben hatte und für das Studium Bauingenieurwesen bislang keine Nachweise vorgelegt hat, aus denen sich ein weiteres Betreiben dieses Studiums ergeben könnte. In seinem Schriftsatz vom 8. Oktober 2015 hat der Antragsteller vielmehr selbst ausgeführt, dass es jeglicher Logik widersprochen hätte, im Juni 2014 noch Prüfungen im Fach Bauingenieurwesen abzulegen, nachdem er einen gründlicher Abwägungsprozess zugunsten des Faches Biologie vorgenommen habe. Auch spricht gerade seine Einlassung, sich im Sommersemester 2014 vollständig auf die Prüfungen in der Biologie konzentriert zu haben und im originären Eigeninteresse den Studienabschluss durch eine „Fokussierung“ beschleunigen zu wollen, gegen die Behauptung, sich in den Monaten Juli bis September 2014 noch mit den Lehrinhalten des Bauingenieur-Studiums befasst zu haben.
Nach alldem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.