Aktenzeichen M 6 K 16.2505
GG GG Art. 6, Art. 3
Leitsatz
1 Da minderjährige Kinder nicht der Rundfunkbeitragspflicht unterliegen, kann das Vorliegen einer Behinderung bei ihnen nach den gesetzlichen Regelungen nicht zu einer Beitragsermäßigung führen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung führt nicht dazu, dass im Beitragsrecht, welches keinen Ermessenspielraum lässt, aufgrund eines einmaligen rechtswidrigen Bescheids fortgesetzt rechtswidrige Ermäßigungen zu gewähren wären. (redaktioneller Leitsatz)
3 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeit, dass ein Beitragsschuldner ein schwerbehindertes Kind hat, unbekannt war. Es handelt sich daher hierbei nicht um eine atypische, eine Beitragsbefreiung rechtfertigende Konstellation. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich beide Parteien hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ermäßigung des Rundfunkbeitrags. Der Bescheid des Beklagten vom 9. März 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 27. April 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die vom Kläger vorgelegten Nachweise erfüllen nicht die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ermäßigung nach § 4 Abs. 2 Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV). Weder der Kläger, noch seine Ehefrau machen geltend, in eigener Person den Tatbestand einer der dort genannten Behinderungen zu erfüllen. Hierfür ist auch im Übrigen nichts ersichtlich.
Die Behinderung des Sohnes des Klägers kann nach den gesetzlichen Regelungen nicht zu einer Ermäßigung führen, da dieser noch minderjährig und deshalb nicht beitragspflichtig ist (§ 2 Abs. 2 RBStV). Eine Ermäßigung für natürliche Personen kommt nur für Beitragsschuldner im Sinne des § 2 Abs. 1 RBStV in Betracht. Die Regelung des § 2 Abs. 1 RBStV sieht vor, dass im privaten Bereich grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt (§ 2 Abs. 2 RBStV). Somit sind der Kläger, bzw. seine Ehefrau Beitragsschuldner, nicht jedoch der minderjährige Sohn des Klägers. Im Übrigen würde sich eine Ermäßigung, selbst wenn sie dem (dann schon volljährigen) Sohn zu gewähren wäre, nicht auf den Vater als beitragspflichtigen Wohnungsinhaber erstrecken.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem ab 1.Januar 2017 geltenden § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV, welcher lautet:
„3. auf Kinder des Antragstellers und der unter den Nummern 1 und 2 genannten Personen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres“
Dieser Tatbestand erfasst gerade nur den Fall, dass dem Antragsteller, vorliegend also dem Kläger, eine Befreiung oder Ermäßigung zu gewähren wäre. Eine solche könnte bei Erfüllung der Voraussetzungen nur auf die dort genannten anderen Personen zu erstrecken sein.
Der Kläger kann auch aus der versehentlich für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. November 2014 gewährten Beitragsermäßigung keinen Anspruch auf Ermäßigung für die Zukunft ableiten. Der aus Art. 3 GG abgeleitete Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung setzt eine ständige Verwaltungspraxis und Entscheidungsermessen voraus. Er führt nicht dazu, dass im Beitragsrecht, das keinen Ermessenspielraum lässt, aufgrund eines einmaligen rechtswidrigen Bescheids fortgesetzt rechtswidrige Ermäßigungen zu gewähren wären.
Eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV wurde weder beantragt noch ist hierfür etwas vorgetragen.
Der Kläger kann sich auch nicht auf einen besonderen Härtefall im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV berufen. Abgesehen davon, dass sich die Vorschrift auf Befreiungen bezieht, der Kläger jedoch keine Befreiung beantragt hat, setzt diese Befreiungsmöglichkeit einen besonderen Härtefall voraus. Ein Härtefall im Sinne der Norm liegt jedoch nicht vor. Erschwerte Lebensbedingungen erfüllen nicht automatisch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV. Voraussetzung wäre eine atypische Fallkonstellation, die – obwohl mit den im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geregelten Fällen vergleichbar – vom Gesetzgeber nicht erkannt und nicht geregelt worden ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeit, dass ein Beitragsschuldner ein schwerbehindertes Kind hat, unbekannt war. Es handelt sich hierbei nicht um eine atypische, sondern um eine bekannte Konstellation.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis haben ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO -.