Sozialrecht

Leistungen, Schadensersatz, Bescheid, Bewilligung, Arbeitslosengeld, Abfindung, Anfechtungsklage, Berufung, Amtshaftung, Leistungsbewilligung, Auslegung, Anrechnung, Verletzung, Erstattung, Sicherung des Lebensunterhalts, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, Sicherung des Lebensunterhaltes

Aktenzeichen  L 11 AS 230/18

Datum:
30.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 29848
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

S 10 AS 566/17 2018-01-31 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 31.01.2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 02.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 02.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2017, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, den Bescheid vom 25.08.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 und den Bescheid vom 02.10.2015 abzuändern. Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin, das sich auf die Anrechnung der Abfindung bezieht, geht der Senat davon aus, dass sich dementsprechend auch die Überprüfungsanträge der Klägerin auf den (weiteren) Bescheid vom 02.10.2015, der die Monate Juli und August 2015 betroffen hatte, bezog. In dem Bescheid wird auf den Widerspruch der Klägerin gegen die Anrechnung der Abfindung Bezug genommen, so dass sich der Widerspruchsbescheid vom 06.10.2015 ua hierauf bezogen hat. Letzteren hat die Klägerin in ihrem streitgegenständlichen Überprüfungsantrag jedenfalls ausdrücklich bezeichnet. Das SG hat hierüber auch entschieden. So hat es in dem von ihm sinngemäß formulierten Antrag der Klägerin auf den Zeitraum vom 01.07.2015 bis 31.12.2015 abgestellt und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 01.07.2015 bis 31.12.2015 abgelehnt. Daher ist es unerheblich, dass am Ende angemerkt wird, es sei kein Überprüfungsantrag für die Zeit vom 01.07.2015 bis 31.08.2015 gestellt worden. Statthafte Klageart für das Begehren der Klägerin ist die von ihr erhobene kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage.
Darüber hinaus ist nach dem von der Klägerin beim SG mit Schriftsatz vom 17.12.2017 gestellten Antrag aber auch – dies hat das SG im Rahmen der Auslegung des klägerischen Begehrens verfahrensfehlerhaft verkannt – der Bescheid vom 09.11.2015, mit dem der Beklagte die Erstattung der für Juli und August 2015 infolge der zunächst unterbliebenen Anrechnung der Abfindung vorläufig im Bescheid vom 19.03.2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 10.04.2015 und 02.06.2015 zu hoch festgesetzten Leistungen in Bezug auf die geringere endgültige Bewilligung mit Bescheid vom 02.10.2015 gefordert hat, streitgegenständlich. Diesbezüglich hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Forderung des Restbetrages aus der Anrechnung der Abfindung aufzuheben. Unter Auslegung dieses Begehrens (§ 123 SGG) möchte sie damit die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 09.11.2015 erreichen und erhebt damit eine Anfechtungsklage bzw. eine kombinierte Verpflichtungs- und Anfechtungsklage (Verpflichtung des Beklagten, den Bescheid im Rahmen eines Überprüfungsantrages aufzuheben) gegen bzw. in Bezug auf diesen Bescheid. Im Hinblick darauf, dass sie offensichtlich bereits ratenweise Zahlungen auf die mit Bescheid vom 09.11.2015 geltend gemachte Forderung erbracht hat – dies ergibt sich aus E-Mail in den Akten des Beklagten vom 21.02.2018, wonach noch eine Restforderung von 219,42 EUR bestehen soll -, ist das Begehren auf Rückzahlung der von ihr bereits geleisteten Beträge als entsprechende Leistungsklage auszulegen. Über diese Anträge war im Berufungsverfahren auch zu entscheiden, da das SG bei der unvollständigen sinngemäßen Auslegung der Anträge der Klägerin diesen Antrag ausgeklammert hat (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 140 Rn 2c; so auch Beschluss des Senates vom 18.10.2018 – L 11 AS 718/18 B ER – nicht veröffentlicht).
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte den Bescheid vom 25.08.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 und den Bescheid vom 02.10.2015 abändert und ihr für die Zeit von Juli bis Dezember 2015 weitere Leistungen gewährt. Der Senat folgt insoweit den Gründen des Urteils des SG und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass der Beklagte eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X iVm § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bereits deshalb nicht mehr zu treffen hatte, weil eine rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung keine Wirkung mehr entfalten könnte, da ausschließlich Leistungen für Zeiten betroffen sind, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallsfrist liegen, so dass die nicht mehr vorhandene Möglichkeit einer rückwirkenden Erbringung von Sozialleistungen dann auch einer isolierten Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides nach § 44 Abs. 1 SGB X entgegensteht (vgl dazu BSG, Urteil vom 23.02.2017 – B 4 AS 57/15 R; BayLSG, Urteil vom 19.04.2018 – L 10 AL 275/17 – beide zitiert nach juris). Die Regelung entspricht dabei auch dem Verfassungsrecht (vgl BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R – juris). Im Hinblick auf den erst im September 2017 gestellten Überprüfungsantrag kann die Klägerin keine weiteren Leistungen mehr für die Zeit vor dem 01.01.2016 erhalten. Dies gilt auch in Bezug auf die Leistungen für Juli und August 2015. Zwar folgte aus dem Bescheid vom 02.10.2015 eine niedrigere endgültige Leistungsfestsetzung als im Rahmen der zunächst vorläufig vorgenommenen Bewilligung – mit der Folge einer Erstattungsforderung -, jedoch handelte es sich bei den zuvor gewährten Leistungen lediglich um solche aufgrund einer vorläufigen Leistungsbewilligung. Damit geht es insofern um das Begehren nach weiteren (endgültigen) Leistungen, die außerhalb der Jahresfrist des § 44 Abs. 1 SGB X iVm § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II liegen. Darauf, ob die Verfallsfrist für den Erstattungsbescheid vom 09.11.2015 gilt, kommt es hier nicht an.
Eine Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2015, der nicht angefochten worden und damit für die Beteiligten bindend ist (§ 77 SGG), scheidet aus, denn die Klägerin hat bislang diesbezüglich beim Beklagten keinen Überprüfungsantrag gestellt – dieser Bescheid war von der Klägerin nicht erwähnt worden und auch sonst war ein entsprechendes Begehren im Rahmen des Überprüfungsantrages beim Beklagten nicht erkennbar. Demzufolge liegt auch noch keine Verwaltungsentscheidung vor. Die entsprechende Anfechtungsklage bzw. kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist daher unzulässig. Wegen des bestandskräftigen Erstattungsbescheides vom 09.11.2015 besteht zugunsten des Beklagten ein Rechtsgrund, die von der Klägerin bereits erbrachten Rückzahlungen behalten zu dürfen. Die Leistungsklage auf Rückzahlung der Raten ist somit unbegründet.
Soweit die Klägerin Ansprüche auf Schadensersatz wegen Amtshaftung (§ 839 BGB iVm Art. 34 GG) geltend macht, hat hierzu das SG zutreffend auf die fehlende Zuständigkeit der Sozialgerichte hingewiesen (Art. 34 Satz 3 GG). Eine Prüfung, ob ein solcher Anspruch tatsächlich besteht, hat deshalb hier nicht zu erfolgen. Eine Entscheidungskompetenz des Senats folgt auch nicht aus § 17a Abs. 5 GVG, weil das SG in der Sache nicht über Schadensersatzansprüche entschieden hat. Damit liegt keine entsprechende Bindungswirkung vor. Sofern es der Klägerin – entgegen ihrer ausdrücklichen Bezeichnung ihres Begehrens als Schadenersatz aus Amtshaftung – um sozialrechtliche Schadensersatzansprüche aufgrund der Verletzung von Nebenpflichten gegen den Beklagten gehen sollte, wäre die Klage – unabhängig davon, ob solche Ansprüche überhaupt in Betracht kommen würden – mangels Vorliegens einer diesbezüglichen Verwaltungsentscheidung unzulässig (vgl dazu BSG, Beschluss vom 14.02.2017 – B 14 AS 45/16 BH – juris).
Die Berufung war demzufolge zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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