Aktenzeichen S 5 AS 191/18
AlgII-VO § 3 Abs. 2
Leitsatz
1. Als betriebliche Ausgaben gemäß § 3 Abs. 2 Alg II-VO können Mietzinsverpflichtungen der GmbH aus einem Untermietvertrag zwischen dem Kläger als Vermieter und den Kläger selbst als Geschäftsführer der GmbH als Untermieter bereits deshalb nicht anerkannt werden, weil die Miete tatsächlich nicht von der GmbH an den Kläger gezahlt wird. (Rn. 33 – 35)
2. Ausgaben für Beraterkosten in Höhe von jährlich 4.440,00 Euro für ein Unternehmen, welches seit vielen Jahren keine bedarfsdeckenden Gewinne erzielt, sind vermeidbar und entsprechen nicht den Lebensumständen bzw. einer Geschäftsführung während des Bezuges von Grundsicherungsleistungen, § 3 Abs. 3 SGB II. Solche Kosten können nicht als notwendige Betriebsausgaben anerkannt werden. (Rn. 37)
3. Die dem Konto des Klägers gutgeschriebenen Überweisungen seiner Mutter stellen ohne den Nachweis von Vereinbarungen über konkrete Rückzahlungsmodalitäten einen wertmäßigen Zuwachs dar und sind als Einkommen zu berücksichtigen. (Rn. 38)
4. Ermitttlungen zu ggf. vorhandenem Vermögen dürfen im konkret vorliegenden Fall aufgrund des Verbotes der reformatio in peius unterbleiben. (Rn. 45)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen nach SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.06.2017 bis 30.11.2017 gegenüber dem Beklagten.
Leistungen erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II Personen, die hilfebedürftig sind. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Im streitgegenständlichen Zeitraum gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22.03.2018 abschließend Leistungen für die Zeit 01.07.2017 bis 30.09.2017 in Höhe von 227,36 € monatlich. Über die vom Beklagten gewährten Leistungen hinaus, besteht keine Hilfebedürftigkeit des Klägers.
Bei der endgültigen Entscheidung wurde ein grundsicherungsrechtlich zu berücksichtigender Bedarf in Höhe von 409,00 € für Regelleistung und in Höhe von 165,77 € für die unter Berücksichtigung der Untervermietung auf seinen Privatanteil entfallenden Kosten der Unterkunft angesetzt. Auf diese Bedarfe wurde gemäß §§ 11 Abs. 1, 11b SGB II, nach Abzug der Freibeträge und Absetzungen, Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit in Höhe von 347,41 € monatlich, weiter im Juni 2017 eine Zahlung der GmbH an den Kläger in Höhe von 330,00 €, sowie in den Monaten Oktober 2017 und November 2017 das Einkommen aus der abhängigen Tätigkeit bei der Firma A. angerechnet.
1. In den Monaten Oktober 2017 und November 2017 verfügte der Kläger, unabhängig von sämtlichen in diesem Rechtsstreit entscheidungserheblichen Fragen, in jedem Fall über bedarfsdeckendes Einkommen aus der Tätigkeit bei der Firma A. in Höhe von 1.257,56 € netto und 1.445,90 € netto. Nach Abzug der Freibeträge war entsprechend ein zu berücksichtigendes Einkommen im Oktober 2017 in Höhe von 957,56 € und im November 2017 in Höhe von 1.145,90 € den Bedarfen gegenüberzustellen.
Damit konnte die Klage auf höhere Leistungen für die beiden Monate Oktober 2017 und November 2017 bereits aus diesem Grunde nicht erfolgreich durchgreifen.
2. Für die verbleibende Zeit vom 01.06.2017 bis 30.09.2017 hat der Kläger ebenso keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (AlgII-VO) ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit von den Betriebseinnahmen auszugehen. Der Beklagte hat die Einnahmen des Klägers, wie vom Kläger selbst abschließend angegeben, in die Berechnungen aufgenommen. Streitig sind zwischen den Beteiligten allein die zu berücksichtigenden Ausgaben.
Gemäß § 3 Abs. 2 AlgII-VO sind zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. § 3 Abs. 3 AlgII-VO regelt, dass tatsächliche Ausgaben nicht abgesetzt werden sollen, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen. Ausgaben können bei der Berechnung nicht abgesetzt werden, soweit das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht.
a) Die Anerkennung des hälftigen Anteils der tatsächlich angefallenen Telekommunikationskosten als Betriebskosten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Abzug eines darüber hinausgehenden Betrages kommt nicht in Betracht, weil das Telefon und Internet jedenfalls auch privat vom Kläger genutzt werden und der Umfang der betrieblichen Nutzung nicht konkret nachgewiesen wurde. Die Schätzung einer hälftig betrieblich veranlassten Nutzung durch den Beklagten ist deshalb schlüssig und nicht angreifbar.
b) Die vom Kläger angegebenen Fahrtkosten konnten keine Berücksichtigung finden, weil der Kläger keine entsprechenden Nachweise erbracht hat. Der Kläger konnte nicht darlegen, dass er sein Fahrzeug überwiegend betrieblich nutzt. Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt. Bei überwiegend privater Nutzung des Pkw sind gem. § 3 Abs. 7 Satz 4 Alg II-VO die tatsächlichen Ausgaben keine Betriebsausgaben. In diesem Falle können gem. § 3 Abs. 7 Satz 5 Alg II-VO für betriebliche Fahrten 0,10 € pro gefahrenen Kilometer oder die nachzuweisenden höheren Ausgaben abgesetzt werden. Der Kläger hat jedoch keine konkreten Angaben zu betrieblichen Fahrten mit Datums- und Entfernungskilometerangabe gemacht.
c) Das vom Kläger hauptsächlich mit der Klage verfolgte Ziel der Berücksichtigung der Raumkosten in Höhe von 500,00 € entbehrt ebenso einer rechtlichen Grundlage. Zu berücksichtigen sind gemäß § 3 Abs. 2 AlgII-VO betriebliche Ausgaben, die im Rahmen der selbständigen Tätigkeit tatsächlich anfallen. Zwar hat der Kläger mit sich selbst als Geschäftsführer der GmbH einen Untermietvertrag über die Anmietung von Teilen seiner Privatwohnung geschlossen und damit möglicherweise eine rechtliche Verpflichtung der GmbH zur Zahlung der Miete an ihn begründet. Jedoch werden diese monatlichen Zahlungen tatsächlich weder von der GmbH getätigt noch vom Kläger gegenüber der GmbH rechtlich durchzusetzen versucht. Eine Berücksichtigung der Raumkosten kann damit nicht erfolgen.
Zwar hat der Kläger tatsächlich selbst monatlich Unterkunftskosten in Höhe von 520,00 € für Kaltmiete zuzüglich 145,00 € Heizkosten und 35,00 € sonstigen Betriebskosten aufzuwenden. Aufgrund des, wie vom Kläger angegeben, betrieblichen Anteils an der Gesamtwohnung wird von diesen Gesamtkosten vom Beklagten nur der verbleibende Anteil als privater Bedarf für Kosten der Unterkunft in Höhe von 165,67 € anerkannt. Somit könnte davon ausgegangen werden, dass die Differenz zwischen den tatsächlich anfallenden Kosten und dem anerkannten Bedarf in Höhe von 534,33 € vom Kläger tatsächlich doch für betriebliche Raumkosten aufgewendet werden.
Bei dieser Betrachtungsweise bestünde jedoch zum einen die Gefahr, dass der Kläger auf diesem Weg indirekt Kosten für eine grundsicherungsrechtlich unangemessen große und teure Wohnung berücksichtigt bekäme. Zum anderen konnte der Kläger nicht erklären, aus welchen Gründen seine GmbH die Raumkosten nicht aus den vorhandenen finanziellen Mitteln begleicht. Der Kläger gibt an, zwischenzeitlich insgesamt 100.000,00 € als Darlehen in seine Firma eingezahlt zu haben, diese Gelder aber nicht angreifen zu wollen. Seine Firma könnte offensichtlich für diese Betriebskosten selbst aufkommen. Es kann nicht nachvollzogen werden, aus welchen Gründen der Kläger sich selbst unter anderem aufgrund der hohen Mietkosten persönlich in eine finanzielle Notlage bringt, ohne wiederum sich selbst durch Begleichen der Raumkosten aus dieser Lage herauszuhelfen. Offensichtlich beabsichtigt der Kläger, durch hohe Betriebsausgaben sowohl seinen steuerrechtlichen, als auch den grundsicherungsrechtlich zu berücksichtigenden Gewinn zu schmälern, um finanzielle Vorteile zu erlangen. Im konkreten Fall der Raumkosten, welche mangels tatsächlicher Zahlung durch die GmbH nicht als Ausgabe anerkannt werden können, geht diese vom Kläger geschaffene Konstellation zulasten des Anspruches des Klägers auf Leistungen nach SGB II.
Selbst wenn man jedoch aufgrund der doppelten Nichtberücksichtigung der tatsächlich anfallenden Kosten für die Wohnung den Anteil der Kosten für Unterkunftsbedarf des Klägers erhöhen bzw. doch Raumkosten der GmbH anerkennen würde, so errechneten sich dennoch keine höheren Leistungen für den Kläger.
d) Denn der Beklagte lässt in seinen Berechnungen zum einen die Einnahmen des Klägers in Höhe von 370,00 € monatlich aus der Vermietung an zwei Briefkastenfirmen unberücksichtigt. Diese Einnahmen sind hingegen als Einkommen zu werten. Der Kläger ist verpflichtet, dieses Einkommen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zu verwenden. Sein Einwand, dass diese Gelder direkt an seinen Steuerberater zur Begleichung dessen Kosten fließen, kann dabei keine Berücksichtigung finden. Ausgaben für Beraterkosten in Höhe von 4.440,00 € jährlich für ein Unternehmen, welches seit Jahren keine bedarfsdeckenden Gewinne abwirft, können nicht als notwendige Betriebsausgaben anerkannt werden. Beraterkosten in dieser Höhe sind vermeidbar und entsprechen nicht den Lebensumständen und einer Geschäftsführung während des Bezuges von Grundsicherungsleistungen, § 3 Abs. 3 SGB II.
e) Zum anderen sind die Zahlungen der Mutter des Klägers in Höhe von 3.000,00 € ohne weitere Ermittlungen durch den Beklagten unberücksichtigt geblieben. Am 28.06.2017 wurden dem Konto des Klägers bei der Raiffeisenbank S. 3.000,00 € durch Überweisung von Frau A. ohne Verwendungszweck gutgeschrieben. Es liegen keinerlei Nachweise vor, dass der Kläger und seine Mutter einen Darlehensvertrag geschlossen und sich über die konkreten Rückzahlungsmodalitäten geeinigt haben. Ohne solche Absprachen, die einem Vergleich mit einem Darlehensvertrag unter Fremden standhalten können, sind auch diese 3.000,00 € nach Aufteilung auf einen Zeitraum von sechs Monaten gemäß § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II als Einkommen des Klägers, welches er zur Deckung seiner Bedarfe vorrangig einzusetzen hat, zu berücksichtigen. Mangels konkret vereinbarten Rückzahlungszeitpunktes oder -zeitraumes kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Betrag keinen wertmäßigen Zuwachs für den Kläger darstellt. Damit verfügte der Kläger im Zeitraum vom 01.07.2017 bis 31.12.2017 über weiteres anzusetzendes Einkommen in Höhe von monatlich 500,00 €.
Am 29.05.2017 floss dem Kläger zuvor bereits ein Betrag in Höhe von 1.000,00 € von Herrn M. zu. Auch hier sind zugunsten des Klägers weitere Ermittlungen durch den Beklagten, ob diese „Leihgabe“ möglicherweise als Einkommen zu berücksichtigen sei, unterblieben.
f) Zuletzt sei angemerkt, dass vom Beklagten die Vermögenssituation des Klägers ungeprüft geblieben ist. Nach Auffassung der Kammer verfügt der Kläger bereits über Vermögen, welches sämtliche Leistungsansprüche entfallen lässt, § 12 SGB II. Der Kläger gibt selbst an, mittlerweile über 100.000,00 € darlehensweise in seine Firma eingezahlt zu haben.
Nachdem der Kläger die Firma nunmehr seit 1996 betreibt und er daraus auch nach der Phase des Gründungszuschusses durch die Agentur für Arbeit weiter kein Einkommen in bedarfsdeckender Höhe erzielt, ist das Betreiben als Liebhaberei einzustufen. Der Kläger ist gehalten, die selbständige Tätigkeit aufzugeben und aus dem, nach Auflösung der Gesellschaft vorhandenen Vermögen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Betriebsaufgabe und Rückzahlung der eingezahlten Darlehensbeträge stehen keine rechtlichen Hürden im Weg. Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und befugt, entsprechende Rechtsgeschäfte zu tätigen.
Der Kläger gab selbst mit Schreiben vom 04.05.2017 die Erklärung ab, sich ein festes Einkommen erst dann bewilligen zu wollen, wenn abzusehen sei, dass problemlos eine Auszahlung erfolgen könne. Er gab in der mündlichen Verhandlung weiter an, dass das in die Firma eingezahlte Geld tatsächlich auch vorhanden sei. Gründe dafür, dass er sich nicht bereits im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund seiner finanziellen Notlage seine Darlehen zurückzahlt, hat der Kläger nicht benannt. Er wolle Rücklagen für Zeiten finanzieller Schwierigkeiten bilden.
Der Beklagte hat die Aufgabe, bei Hilfebedürftigkeit die persönlichen Grundbedürfnisse des Klägers zu sichern, nicht jedoch dessen Firmen aufzubauen und finanziell zu unterstützen, Liebhaberei zu fördern oder indirekt geschäftliche Darlehen zu gewähren.
Auch ist ungeprüft geblieben, inwiefern eine Verpflichtung des Klägers besteht, die nach seinen Angaben noch ausstehenden Provisionen aus seiner Beratertätigkeit rechtlich geltend zu machen. Auch hieraus könnte weiteres zu berücksichtigendes Vermögen erwachsen.
Eine Verböserung findet aufgrund des Verbotes der reformatio in peius im Klageverfahren nicht statt, § 123 SGG. Eine ungünstigere Entscheidung als die Klageabweisung, so etwa der Zuspruch geringerer Leistungen oder eine Entziehung von Leistungen, darf zulasten des Klägers nicht ergehen. Aus diesem Grunde sind konkrete Ermittlungen zur Vermögenslage im vorliegenden Verfahren unterblieben.
3. Nach alledem war festzustellen, dass dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.06.2017 bis 30.11.2017 aus seiner selbständigen Tätigkeit 347,41 € monatlich, aus der abhängigen Beschäftigung bei der Firma A. im Oktober 2017 in Höhe von 957,56 € und im November 2017 in Höhe von 1.145,90 €, aus der Darlehensrückzahlung der GmbH im Juni 2017 330,00 €, aus den Zuwendungen durch seine Mutter 500,00 € monatlich und den Vermietungen an die Firme F. insgesamt 370,00 € monatlich als bedarfsdeckende Einkommen zur Verfügung standen. Der Beklagte hat zu Recht Kürzungen auf der Ausgabenseite vorgenommen. Selbst wenn der Bedarf des Klägers für Kosten der Unterkunft über den vom Beklagten angesetzten Betrag in Höhe von 165,77 € hinaus bis zu den tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten in Höhe von 700,00 € angehoben würde, so blieben die Bedarfe in Höhe von maximal 1109,00 € in jedem einzelnen streitgegenständlichen Monat durch Einkommen gedeckt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.