Aktenzeichen S 8 AS 567/16
SGG SGG § 144 Abs. 2, § 183, § 193
Leitsatz
1. Keine Sanktionierung vor Eintritt einer Pflichtverletzung. (amtlicher Leitsatz)
Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der Sanktion einer Minderung des Arbeitslosengeldes ist die letzte Behördenentscheidung, mithin der Erlass des Widerspruchsbescheides. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2016 wird aufgehoben.
II.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
Der Kläger hat Anspruch auf Aufhebung der vom Beklagten verfügten Sanktion. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Voraussetzungen für die streitige Minderung des Arbeitslosengeldes II des Klägers von April bis Juni 2016 gemäß § 31a Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) liegen nicht vor.
Auf eine etwaige Verletzung von Pflichten aus den EGVen vom Oktober 2014 oder vom Februar 2015 kann die Sanktion schon deshalb nicht gestützt werden, weil im Zeitpunkt der Feststellung mit Bescheid vom 24. Februar 2016 die sechsmonatige Frist des § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II bereits verstrichen war.
Für die Zeit vom 19. Juli 2015 bis zum 21. Januar 2016 existiert keine EGV, so dass es für diesen Zeitraum bereits an der Statuierung einer entsprechenden Pflicht des Klägers fehlt. Daran ändert auch nichts, dass im Gespräch beim Vermittler der fortbestehende Wunsch seitens des Beklagten an der Teilnahme des Klägers erörtert worden sein mag. Dazu ist nichts weiter belegt, geschweige denn in der nach dem SGB II erforderlichen Form eine hinreichend konkrete Festlegung erfolgt.
Als Pflichtverletzung kommt daher allein infrage die Nichtteilnahme an der Maßnahme „Manufaktur der schönen Dinge“ ab Geltung der EGV vom 22. Januar 2016. Dies legt offenbar auch der Beklagte in seinem Bescheid vom 24. Februar 2016 zugrunde, auch wenn noch weitere Ausführungen zu anderen Pflichten aus der EGV vom 22. Januar 2016 angesprochen werden.
Insofern liegt aber keine vorwerfbare Pflichtverletzung des Klägers vor. Auch nach der EGV vom 22. Januar 2016 war für die Teilnahme kein bestimmter Zeitrahmen gesetzt worden. Dieser lässt sich wohl dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, ebenfalls vom 22. Januar 2016, entnehmen. Allerdings nimmt die EGV auf diesen nicht Bezug und der Gutschein selbst enthält keine Belehrung zu den Folgen einer Nichtteilnahme. Trotz vorangegangener EGVen mit entsprechenden Rechtsfolgenbelehrungen musste der Kläger nicht wissen, dass er nun diese Maßnahme oder eine der anderen Optionen bis Ende Februar 2016 wahrnehmen hätte sollen. Hinzu kommt, dass der Bescheid vom 24. Februar 2016 selbst noch vor dem Ablauf der im Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein gesetzten Frist bis 29. Februar 2016 erlassen wurde. Es lässt sich allenfalls annehmen, dass der Kläger davon ausgehen musste, dass er die Maßnahme (oder eine der anderen in der EGV genannten Möglichkeiten) bis zum Ende der Gültigkeit der EGV vom 22. Januar 2016, also bis 18. Juli 2016, hätte wahrnehmen sollen.
Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der Kläger auch später nicht an der Maßnahme teilgenommen hat, selbst wenn man annimmt, wie eben dargelegt, dass diese Pflicht aus der EGV vom 22. Januar 2016 noch fortbestand. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung bei der vorliegenden Anfechtungsklage ist die letzte Behördenentscheidung, hier der Widerspruchsbescheid vom 18. April 2016. Bis dahin war aber immer noch keine Pflichtverletzung eingetreten, weil der Kläger für die Teilnahme an der Maßnahme noch bis 18. Juli 2016 Zeit gehabt hätte. Ab Anfang Mai 2016 hat sich diese Pflicht zudem erledigt durch die nachfolgende EGV, die eine Teilnahme an dem Lehrgang vorsieht, an dem der Kläger auch seit 9. Mai 2016 tatsächlich teilnimmt.
Offen bleiben kann damit, ob dem Kläger die Teilnahme an der „Manufaktur der schönen Dinge“ im Hinblick auf die vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden zumutbar war.
Der Klage ist deshalb stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG bestehen nicht.