Sozialrecht

Neue Anwartschaftszeit für Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erfüllt

Aktenzeichen  L 10 AL 305/15

Datum:
21.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NZS – 2016, 917
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III SGB III § 26, § 142, § 143, § 161

 

Leitsatz

1. Neue Anwartschaftszeit für Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erfüllt. (amtlicher Leitsatz)
2 Ein Anspruch auf Arbeitslosigkeit setzt nach § 137 Abs. 1 SGB III Arbeitslosigkeit (Nr. 1), Arbeitslosmeldung (Nr. 2) und  Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr. 3) voraus. (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Bezug von 165 Tagen Krankengeld reicht nicht aus für eine Anwartschaftszeit von zwölf Monaten. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 19 AL 254/14 2015-10-16 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.10.2015 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist die Zahlung von Alg ab dem 06.11.2014, die die Beklagte mit den hier angefochtenem Bescheid vom 11.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2014 abgelehnt hat.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg ab dem 06.11.2014. Ein solcher Anspruch setzt nach § 137 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Arbeitslosigkeit (Nr. 1), eine Arbeitslosmeldung (Nr. 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr. 3) voraus. Der Kläger hat die für einen Anspruch auf Alg ab 06.11.2014 notwendige Anwartschaftszeit i. S. v. § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht erfüllt.
Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 143 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Der Kläger hat sich am 06.11.2014 (erneut) arbeitslos gemeldet, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestellt und die Zahlung von Alg beantragt. Damit ergibt sich hieraus eine Rahmenfrist vom 06.11.2012 bis 05.11.2014. Eine Verlängerung der Rahmenfrist kommt nicht in Betracht. Nach § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III werden allein Zeiten nicht in die Rahmenfrist eingerechnet, in denen der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat. Dies war vorliegend nicht gegeben. Ausnahmen für weitere Fälle sind vom Gesetz nicht (mehr) vorgesehen, so dass es bei der Rahmenfrist vom 06.11.2012 bis 05.11.2014 verbleibt. In diesem Zeitraum hat der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Vielmehr ist nur ein Versicherungspflichtverhältnis für 165 Tage nachgewiesen.
Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen u. a. in der Zeit, für die sie von einem Leistungsträger Krankengeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten. Der Kläger erhielt im Anschluss an seinen Alg-Bezug (bis 17.04.2014) vom 18.04.2014 bis 30.09.2014 Krankengeld von der Knappschaft. Damit war er für 165 Tage versicherungspflichtig. Dies entspricht jedoch nicht der Voraussetzung des Bestehens eines Versicherungspflichtverhältnisses von zwölf Monaten.
Weitere Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses in der Rahmenfrist wurden vom Kläger nicht nachgewiesen. Der Bezug von Krankengeld von der … M. endete am 20.10.2010 und damit vor Beginn der Rahmenfrist. Nach Auskunft der … M. ist auch weder ein Überprüfungsverfahrens noch ein Berufungsverfahren wegen des Bezuges von Krankengeld anhängig. Im Übrigen kommt es für die Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III auf die tatsächliche Zahlung des Krankengeldes an, so dass es nicht ausreichend wäre, dass alleine ein Anspruch bestanden hat (vgl. dazu auch Brand in Brand, SGB III, 7. Auflage, § 26 Rn. 19). Andere Tatsachen, die ein Versicherungspflichtverhältnis innerhalb der Rahmenfrist hätten begründen können, sind weder hinreichend konkret vorgetragen bzw. nachgewiesen worden noch überhaupt erkennbar. Auf den Ausgang des Berufungsverfahrens gegen die Knappschaft () kommt es nicht an. Im Hinblick auf den dort geltend gemachten Anspruch käme in der Rahmenfrist allenfalls – unabhängig davon, dass eine tatsächliche Zahlung nicht erfolgt ist – ein geltend gemachter Krankengeldanspruch für die Zeit vom 01.10.2014 bis 05.11.2014 in Betracht. Dies wären allenfalls 36 Tage, so dass auch deren Berücksichtigung nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit führen würde.
Die Geltendmachung eines Restanspruchs aus dem am 06.11.2009 entstandenen Alg-Anspruch von ursprünglich 540 Tagen (bestandskräftiger Bescheid vom 29.10.2012) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 161 Abs. 2 SGB III kann der Anspruch auf Alg nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die ohne jede Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeit rein kalendermäßig abläuft, und auch nicht bei Vorliegen von Härten verlängert werden kann (vgl. dazu BSG, Urteil vom 21.10.2003 – B 7 AL 28/03 R – SozR 4-4300 § 147 Nr. 2; Urteil vom 19.01.2005 – B 11a/11 AL 35/04 R – SozR 4-4300 § 147 Nr. 3; Karmanski in Brand, SGB III, 7. Auflage, § 161 Rn. 20). Die Regelung ist dabei mit Verfassungsrecht und Europarecht vereinbar (vgl. dazu Karmanski a. a. O. m. w. N.). Im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs auf Alg am 06.11.2014 war die Vier-Jahres-Frist kalendermäßig bereits weit abgelaufen.
Auch sein Restanspruch aus einem anderen erworbenen Stammrecht bestand am 06.11.2014 nicht. So hatte der Kläger insbesondere bei seiner Arbeitslosmeldung vom 08.04.2013 keinen neuen Anspruch auf Alg erworben, da auch hier in der maßgeblichen Rahmenfrist vom 08.04.2011 bis 07.04.2013 kein Versicherungspflichtverhältnis von zwölf Monaten bestanden hat. Dies hat der Senat auch mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren L 10 AL 304/15 entschieden. Auf die dortigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.
Anhaltspunkte dafür, die Beklagte könnte in Bezug auf die Geltendmachung des Restanspruchs ihre Beratungspflichten verletzt haben, so dass Raum für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wäre, gibt es nicht. Der Kläger hat zuvor den Restanspruch von 388 Tagen mit Bescheid vom 11.04.2013 ab dem 08.04.2013 bewilligt bekommen. Die Aufhebung der Bewilligung ab dem 18.04.2014 (Bescheid vom 22.04.2014) erfolgte im Hinblick auf das Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall und der Kläger hat im Anschluss ab 19.04.2014 Krankengeld bezogen. Eine Geltendmachung des Restanspruchs vor Ablauf der Vier-Jahres-Frist war damit weder rechtlich noch tatsächlich möglich,
Soweit der Kläger zudem die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für ein früheres Klageverfahren vor dem SG begehrt, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens gewesen. Die Geltendmachung eines solchen Anspruchs im Berufungsverfahren stellt eine Klageänderung bzw. -erweiterung dar. Diese ist nur zulässig, wenn sie sachdienlich ist oder sich die Beklagte hierauf eingelassen hat (§ 99 SGG). Beides ist vorliegend nicht der Fall.
Im Ergebnis hat der Kläger damit unter keinerlei Gesichtspunkten einen Anspruch auf Alg ab dem 06.11.2014. Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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