Aktenzeichen M 18 K 15.3156
SGB X SGB X § 43, § 45, § 48
Leitsatz
1 Ein Kind wohnt nicht lediglich alleine bei einem Elternteil (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG), wenn es regelmäßig drei Nächte pro Woche bei dem anderen Elternteil verbringt und die Ferienzeiten hälftig aufgeteilt werden. Zu berücksichtigen ist auch ein erhöhter Betreuungsaufwand an Wochenenden im Vergleich zu Schultagen (ebenso OVG NRW BeckRS 2016, 40941). (redaktioneller Leitsatz)
2 Wurde die Betreuungssituation von Anfang an richtig geschildert, können Unterhaltsvorschussleistungen nicht über § 45 SGB X für die Vergangenheit zurückgenommen oder über § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG ersetzt verlangt werden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Bescheid des Beklagten vom 26. November 2014 in Gestalt des Widerspruchbescheids der Regierung von Oberbayern vom 12. Juni 2015 wird in Ziffer 1 aufgehoben, soweit er den Bescheid des Beklagten vom 12. März 2013 mit Wirkung vor dem 1. Januar 2015 aufhebt.
Der Bescheid des Beklagten vom 26. November 2014 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 12. Juni 2015 wird hinsichtlich Ziffer 2 aufgehoben.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin hinsichtlich der Anfechtung der Ziffer 1 des Bescheids vom 26. November 2014 klagebefugt. Zwar ist Begünstigter der Leistungen nach dem UVG das betreffende Kind. Jedoch ist auch der allein erziehende Elternteil im Streit um UVG-Leistungen klagebefugt, weil er sie nach § 9 Abs. 1 UVG in eigenem Namen geltend machen kann (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2014 – 12 C 13.2488 – juris Rn. 8).
Die Klage ist auch begründet, da der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2014 in Form des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015, soweit er angegriffen wurde, rechtswidrig ist.
1. Die Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2013 durch Ziffer 1 des Bescheids vom 26. November 2014 kann sich grundsätzlich auf § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stützen.
1.1 Die Begründung des Bescheids spricht zwar eine Aufhebung und keine Rücknahme aus und nennt § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X als Rechtsgrundlage. Die Voraussetzung für eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB X liegen nicht vor. Es ist keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Die Betreuungsregelung zwischen der Klägerin und dem Kindsvater bestand vielmehr seit Leistungsbewilligung ohne wesentliche Änderungen fort. Die Erfolglosigkeit der zivilrechtlichen Durchsetzung der Barunterhaltsansprüche gegen den Kindsvater durch den Freistaat Bayern begründet keine wesentliche Änderung der Verhältnisse, da das Bestehen solcher Ansprüche keine Voraussetzung der Leistungsgewährung nach § 1 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) ist.
Der Bescheid kann jedoch entsprechend § 43 Abs. 1 SGB X in einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X umgedeutet werden. Dem steht nicht § 43 Abs. 3 SGB X entgegen. Nach dieser Vorschrift darf eine gebundene Entscheidung nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Ermessen auf eine bestimmte Entscheidung reduziert ist, weil jedes andere Entscheidungsergebnis rechtswidrig wäre (vgl. BSG, U.v. 11.4. 2002 – B 3 P 8/01 R – juris Rn. 25). Dies ist hier der Fall. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzung der Rücknahme nach § 45 SGB X für einen Bescheid über Unterhaltsvorschussleistungen für einen zukünftigen Zeitraum vor, wäre jede andere Entscheidung, die zur Fortsetzung des rechtswidrigen Leistungsbezugs in der Zukunft führen würde, rechtswidrig, weil die entscheidende Behörde nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sowie nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO) zur wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung verpflichtet ist.
1.2 Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Bescheid vom 12. März 2013 hat einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet, weil er Grundlage für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist.
1.2.1 Der Bescheid vom 12. März 2013 ist rechtswidrig.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ist Voraussetzung für den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss u. a., dass der Betroffene bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt. Ein Kind lebt im Sinne dieser Vorschrift bei einem seiner Elternteile, wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft unterhält, in der es auch betreut wird. Dem Sinn und Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes entsprechend ist das Merkmal nur erfüllt, wenn der allein stehende leibliche Elternteil wegen des Ausfalls des anderen Elternteils die doppelte Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung in seiner Person zu tragen hat. Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn das Kind regelmäßig einen Teil des Monats auch bei dem anderen Elternteil verbringt. Es ist entscheidend auf die persönliche Betreuung und Versorgung, die das Kind bei dem anderen Elternteil erfährt, und die damit einhergehende Entlastung des alleinerziehenden Elternteils bei der Pflege und der Erziehung des Kindes abzuheben. Trägt der den Unterhaltsvorschuss beantragende Elternteil trotz der Betreuungsleistungen des anderen Elternteils tatsächlich die alleinige Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes, weil der Schwerpunkt der Betreuung und Fürsorge des Kindes ganz überwiegend bei ihm liegt, so erfordert es die Zielrichtung des Unterhaltsvorschussgesetzes, das Merkmal als erfüllt anzusehen, dass das Kind lediglich bei einem seiner Elternteile lebt. Wird das Kind hingegen weiterhin auch durch den anderen Elternteil in einer Weise betreut, die eine wesentliche Entlastung des den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Pflege und der Erziehung des Kindes zur Folge hat, ist das Merkmal zu verneinen (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2012 – 5 C 20/11 – BVerwGE 144, 306 Rn. 20). Das Kind lebt nicht bei lediglich einem Elternteil, wenn die leiblichen Eltern – auch wenn sie nicht zusammen wohnen – die Erziehungsaufgaben so untereinander aufteilen, dass keiner der Elternteile diese Aufgabe ganz oder weit überwiegend alleine erfüllen muss. Dabei ist nicht zu fordern, dass die Erziehungs- und Betreuungsanteile in quantitativer und qualitativer Hinsicht gleich sind. Es genügt, wenn der andere Elternteil in wesentlichem Umfang an der erzieherischen Leistung mitwirkt (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2013 – 12 C 12.2737 – juris Rn. 10).
Nach diesen Maßstäben lag hier die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG seit Beginn der Leistungsgewährung nicht vor. Nach der seit dem Jahr 2007 ohne grundlegende Änderung fortgeschriebenen Umgangsregelung erbringt der Kindsvater eine wesentliche Erziehungsleistung, die die Klägerin wesentlich entlastet. Außerhalb der Schulferien erfolgten und erfolgen regelmäßig drei von sieben Übernachtungen in der Woche im Haushalt des Kindsvaters. Der 2003 geborene Sohn der Klägerin verbringt nach der durch die einstweilige Anordnung vom 3. April 2014 modifizierten Zwischenvereinbarung vom 24. Juni 2013 regelmäßig die Wochenenden von Freitagmittag bis Montagvormittag mit Ausnahme des jeweils letzten Wochenendes im Monat beim Kindsvater. Die Betreuung und Versorgung in den Ferienzeiten wurde hälftig aufgeteilt. Dabei ist hinsichtlich der Wesentlichkeit des Erziehungsbeitrages des Kindsvaters zu berücksichtigen, dass die Klägerin außerhalb der Zeiten der Schulferien dadurch entlastet ist, dass sich ihr Sohn in der Schule und der anschließenden Betreuung befindet. Der Betreuungsaufwand an Wochenenden ist regelmäßig erhöht, weil während dieser Zeit die Kinder gerade nicht schon in größerem Umfang anderweitig, nämlich in Kindertageseinrichtungen oder Schulen, betreut werden (vgl. OVG NW U.v. 15.12.2015 – 12 A 1053/14 – juris Rn. 36). Nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Betreuungsprotokollen des Kindsvaters und der Klägerin über den Dezember 2014 wurde die Umgangsregelung auch nahezu vollständig in die Wirklichkeit umgesetzt.
1.2.2 Der Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig, soweit er die Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2013 für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2015 anordnet. Insoweit ist der Bescheid vom 26. November 2014 in Ziffer 1 rechtswidrig.
Dies gilt zunächst für den Zeitraum vom 1. August bis zum 10. Dezember 2014. Für diesen Zeitraum kann die Rücknahme nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 SGB X erfolgen. Nach dieser Vorschrift wird ein begünstigender rechtswidriger Verwaltungsakt nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Für den Zeitraum bis zum 10. Dezember 2014 liegt eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit vor. In der Akte des Beklagten ist nicht dokumentiert, wann der Bescheid vom 26. November 2014 per Einschreiben zur Post gegeben wurde. Es ist zu unterstellen, dass er der Klägerin jedenfalls am 11. Dezember 2014 zugegangen war, da der von ihren Prozessbevollmächtigten eingelegte Widerspruch, der auf den Bescheid Bezug nimmt, auf diesen Tag datiert ist.
Eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit ist nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 SGB X zulässig, wenn der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 SGB X kann eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Auf dem Antragsvordruck hat die Klägerin bereits angegeben, dass der Kindsvater den 2003 geborenen Sohn von Freitag bis Montag betreut. Auch aus der am 13. März 2013 abgegebenen Erklärung ergibt sich, dass die Kinder vom Kindsvater an jedem Freitagmittag von der Schule abgeholt und am Montagmorgen wieder zur Schule gebracht werden.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Dabei sind dem 2003 geborenen Sohn als Begünstigtem hier Kennen und Kennen müssen der Klägerin zuzurechnen, weil dieser nach § 9 Abs. 1 Satz 1 UVG ein eigenes Antragsrecht für die ihrem Sohn als Begünstigtem zu gewährende Leistung zusteht. Dafür, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 12. März 2013 positiv erkannte, ist nichts ersichtlich. Auch Unkenntnis infolge grober Fahrlässigkeit ist nicht gegeben. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Hs. 2 SGB X. Dieser Vorwurf eines besonders schweren Sorgfaltspflichtverstoßes kann der Klägerin hier nicht gemacht werden. Sie hat im Antragsformular und in der Erklärung vom 13. März 2013 zutreffende Angaben gemacht. Es kann ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, indem sie in der Folgezeit auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 12. März 2013 vertraute. Wie sich aus den Akten des Beklagten ergibt, lag bei diesem selbst vor Erlass des Bescheids vom 12. März 2013 Zweifel dahingehend vor, ob der Lebensmittelpunkt des Kindes bei der Klägerin zu sehen sei. Angesichts dessen und der höheren Sachkunde der Behörde ist ersichtlich, dass ein Grenzfall der Gewährung vorlag, der erst durch das Endurteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen in eine Richtung entschieden wurde. Wenn nun bereits die sachkundige Behörde sich nicht sicher über das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „Lebensmittelpunkt“ war und erst ein Endurteil des Amtsgerichts dies indirekt aufklärt, kann der rechtsunkundigen Klägerin eine grobe Fahrlässigkeit wegen des Verkennens des Vorliegend des Tatbestandsmerkmals nicht unterstellt werden.
Auch der Ansicht des Beklagten, dass seit Erlass des Endurteils des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Hs. 2 SGB X vorlag, kann nicht gefolgt werden. Ein besonders schwerer Sorgfaltsverstoß der Klägerin sieht das Gericht auch hier nicht. Weder die Klägerin, noch der Beklagte waren Parteien im Verfahren vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, so dass schon fraglich ist, ob die Klägerin Kenntnis vom Verfahren gegen den Kindsvater, geschweige denn des Urteils hatte. Doch selbst, wenn sie Kenntnis gehabt hätte, kann aufgrund der unterschiedlichen Streitgegenstände und der komplexen Verzahnung zwischen dem UVG-Recht und dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund des Urteilsspruches hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzung „Lebensmittelpunkt“ für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss weggefallen ist.
Für den Zeitraum vom 11. bis zum 31. Dezember 2014 ist die Rücknahme des Bescheids über die Leistungsgewährung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Das Gericht geht davon aus, dass die Unterhaltsvorschussleistung für den Monat Dezember 2014, entsprechend der aus anderen Verfahren bekannten Praxis der Zahlung zum Ersten des Monats, zum Zeitpunkt des Zugangs des Bescheids vom 26. November 2014 bereits ausgezahlt war. Ihre Bevollmächtigten haben im Widerspruchsschriftsatz vom 11. Dezember 2014 ausgeführt, sie habe das Geld vollständig für die Versorgung der Kinder ausgegeben und eine auch nur ratenweise Rückzahlung sei nicht möglich.
2. Die Klage ist auch begründet, soweit sie sich gegen die in Ziffer 2 des Bescheids vom 26. November 2014 festgesetzte Ersatzverpflichtung in Höhe von 900,- € wendet.
Der Zulässigkeit der Klage steht insoweit nicht die Stundungsvereinbarung vom 25. August 2015 entgegen. Das in der vom Beklagten vorformulierten und von der Klägerin unterschriebenen Erklärung enthaltene Anerkenntnis der Zahlungspflicht bezieht sich eindeutig auf nach § 7 UVG übergegangene Unterhaltsansprüche. Solche sind hier nicht Verfahrensgegenstand. Eine entsprechende Auslegung der Vereinbarung entsprechend §§ 133, 157 BGB scheidet aus, da nicht angenommen werden kann, dass die Klägerin ohne Bezug zum von ihr betriebenen Klageverfahren den mit der Klage bekämpften Anspruch anerkennen wollte.
Der Beklagte hat keinen Ersatzanspruch gegen die Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG. Nach dieser Vorschrift hat der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen haben, den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren. Die Klägerin hat nicht positiv gewusst, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsvorschussleistung nicht erfüllt waren. Ihr ist auch keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Der Maßstab der Fahrlässigkeit entspricht demjenigen der einfachen Fahrlässigkeit im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.2006 – 5 B 42/06 – juris Rn. 11). Fahrlässig handelt danach, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt. Die Klägerin hat nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt. Angesichts ihrer zutreffenden Angaben im Antrag und in der Erklärung vom 13. März 2013 durfte sie auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 12. März 2013 vertrauen. Unbeschadet des ihr übergebenen Merkblatts über die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durfte sie sich darauf verlassen, dass der Beklagte ihre Angaben zutreffend würdigen und eventuelle Unklarheiten hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen durch die Nachforderung von ergänzenden Angaben aufklären würde. Von der Klägerin konnte nicht erwartet werden, sich näher mit den Voraussetzungen der Unterhaltsvorschussleistung und insbesondere mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG auseinanderzusetzen, sowie in der Folge zu erkennen, dass in ihrer konkreten Situation ein Anspruch nicht gegeben war. Auch an den Beschluss des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 23. Juni 2014 lässt sich kein Vorwurf der fahrlässigen Unkenntnis anknüpfen. Es kann offen bleiben, ob die Kenntnis dieser Entscheidung dazu führen konnte, dass die Klägerin nicht mehr ohne Fahrlässigkeit von der Rechtmäßigkeit des Bezugs von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihren 2003 geborenen Sohn ausgehen konnte. Dies begegnet erheblichen Zweifeln vor dem Hintergrund, dass sich die Entscheidung lediglich mit den zivilrechtlichen Ansprüchen auf Barunterhalt auseinandersetzt und dieser Streitgegenstand nur mittelbar und hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen mit dem Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zusammenhängt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass und wann dieser Beschluss vor Erlass des Bescheids vom 26. November 2014 zur Kenntnis der Klägerin gelangt wäre. Sie war an dem Verfahren zwischen dem Freistaat Bayern und dem Kindsvater nicht beteiligt.
Jedenfalls ab dem 11. Dezember 2014 besteht zwar fahrlässige Unkenntnis. Nach Zugang des Bescheids vom 26. November 2014 spätestens am genannten Tag musste die Klägerin erkennen, dass die Leistungsvoraussetzungen nicht vorlagen. Dies betrifft jedoch nur Leistungen, die nach diesem Zeitpunkt in ihre Verfügungsmacht gelangten (vgl. BayVGH, U.v. 23.10.2001 – 12 B 00.2737 – juris Rn. 22), hier also den Zeitraum ab Januar 2015.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.
Angesichts der schwierigen Rechtsmaterie war die Beiziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 S. 1 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.