Sozialrecht

Rentenversicherung, Bescheid, Leistungen, Altersrente, Verfahrensmangel, Berufung, Verletzung, Beitragserstattung, Wiedereinsetzung, Mangel, Beweisaufnahme, Aufhebung, Notwendigkeit, Ausland, Deutsche Rentenversicherung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, von Amts wegen

Aktenzeichen  L 14 R 803/17

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30491
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 110
SGG § 159 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Zur Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Urteil des Sozialgerichts trotz nicht ordnungsgemäßer Ladung des Klägers. Notwendigkeit einer umfassenden und aufwändigen Beweisaufnahme. Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie sowie dem Verlust einer Instanz.

Verfahrensgang

S 12 R 187/17 A 2017-09-12 Urt SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.09.2017 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Landshut zurückverwiesen.
II. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Urteils vom 12.09.2017 und einer Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht Landshut begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2016, mit denen ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Altersrente abgelehnt wurde.
Das Verfahren vor dem Sozialgericht Landshut leidet an einem wesentlichen Mangel. Denn das Sozialgericht hat das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör missachtet. Der Kläger war nicht ordnungsgemäß geladen, da er die Ladung zum Termin nicht rechtzeitig erhalten hat. Demnach hätte im Termin eine Entscheidung nicht ergehen dürfen.
Rechtsgrundlage für die Entscheidung, das Urteil des Sozialgerichts Landshut aufzuheben und zurückzuverweisen, ist § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Hier liegt der Verfahrensmangel darin, dass der Kläger nicht ordnungsgemäß zur Sitzung am 12.09.2017 geladen worden war und damit sein Recht auf Gehör verletzt worden ist.
Beim gegenwärtigen Sachstand ist auch davon auszugehen, dass der vorliegende Verfahrensmangel eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich macht. Denn dem Einwand des Klägers, den Erstattungsbetrag nie erhalten zu haben, hat das Sozialgericht nachzugehen. Bereits aus dem Erstattungsbescheid ist zudem ersichtlich, dass der Betrag nicht an den Kläger, sondern an einen Dritten gezahlt wurde. Das Sozialgericht hat bisher nicht aufgeklärt, ob der Kläger überhaupt selbst einen Antrag auf Beitragserstattung gestellt hatte und warum der Bescheid an eine Adresse in der Türkei versandt wurde, obwohl der Kläger angibt, sich seit dem Jahr 1982 in Österreich aufgehalten zu haben. Möglicherweise ist vor einer endgültigen Entscheidung auch der im Bescheid genannte „O. I.“ als Zeuge zu hören.
Die Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Instanz andererseits führt hier im Rahmen des Ermessens nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dazu, dass die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen wird. Der Kläger hat ausdrücklich die Zurückverweisung beantragt, ohne einen Antrag in der Sache zu stellen. Damit bringt er zum Ausdruck, dass er sich beide Tatsacheninstanzen erhalten möchte. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Berufung des Klägers erst seit 15.12.2017 und somit seit relativ kurzer Zeit in der Berufungsinstanz anhängig ist und auch in der ersten Instanz das Verfahren nur etwas über sechs Monate anhängig war. Dem Kläger entsteht durch die Zurückverweisung somit kein wesentlicher zeitlicher Nachteil. Auch ist der Rechtsstreit aus den genannten Gründen nicht entscheidungsreif. Vielmehr ist zunächst der genaue Ablauf des Erstattungsverfahrens von Amts wegen umfassend aufzuklären, um abschließend prüfen zu können, ob tatsächlich eine Beitragserstattung erfolgt ist, die einem Anspruch des Klägers auf Altersrente entgegenstünde. Möglicherweise liegt tatsächlich, wie von der Tochter des Klägers vermutet, eine Personenverwechslung vor.
Der Senat weist aber bereits jetzt darauf hin, dass bei weniger als 12 Monaten Beitragszeiten keine Rente aus der deutschen Rentenversicherung zu zahlen ist, sondern die Zeiten vom österreichischen Träger mit übernommen werden. Nachdem der Kläger eine Ausgleichszulage erhält, sollte er beim österreichischen Träger prüfen lassen, ob er bei einer Zahlung aus deutschen Versicherungszeiten überhaupt eine höhere Leistung erhalten würde. Diese Frage könnte allerdings auch das Sozialgericht Landshut über den österreichischen Versicherungsträger klären.
Das Sozialgericht Landshut wird im Rahmen der erneuten Entscheidung insgesamt über die Kosten zu befinden haben (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 193 Rn. 2a).
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht.

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