Sozialrecht

Rückforderung der Förderung einer Kindertageseinrichtung

Aktenzeichen  Au 3 K 19.155

Datum:
24.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30138
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 33, § 45, § 50
BayKiBiG Art. 18 Abs. 1 S. 1, Art. 21, Art. 22 S. 1
AVBayKiBiG § 23 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I.    Das Verfahren wird insoweit eingestellt, als ein Betrag in Höhe von 997,17 EUR aus Bundesmitteln zurückgefordert wurde. 
II.    Der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2019 wird insoweit aufgehoben, als für das Kind mit der ID * ein Gewichtungsfaktor von 1,0 statt 2,0 angesetzt wurde.
III.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.    Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu 14/15, die Beklagte zu 1/15 zu tragen.
V.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Der Rechtsstreit ist in Bezug auf die ursprünglich vom Kläger angegriffene Rückforderung aus Bundesmitteln in Höhe von 997,17 EUR aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Nach Abgabe der entsprechenden Erledigungserklärungen ist lediglich gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens insoweit nach billigem Ermessen zu entscheiden.
II.
Im Übrigen ist die zulässige Klage teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2019 ist insoweit rechtswidrig, als für das Kind mit der ID * ein Gewichtungsfaktor von 1,0 statt 2,0 angesetzt wurde. Im Übrigen ist der Bescheid in der Gestalt, die er durch die mündliche Verhandlung gefunden hat, formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Bewilligungsbescheide vom 12. November 2012 und vom 3. Juni 2013 wurden teilweise zu Recht zurückgenommen.
a) Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 der Kinderbildungsverordnung (AVBayKiBiG) darf ein begünstigender rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bereits erbrachte Leistungen sind nach § 50 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKiBiG zu erstatten. Die Vorschriften der §§ 45 ff. SGB X finden vorliegend Anwendung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich die Anwendbarkeit dieser Vorschrift schon daraus ergibt, dass das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ein Gesetz zur Ausführung der §§ 22 ff. SGB VIII ist und die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4, Art. 1 BayVwVfG anzuwenden sind (ausdrücklich offen gelassen noch in BayVGH, U.v. 28.9.2010 – 12 B 09.2955 – BeckRS; für eine Anwendung der §§ 45 ff. SGB X nunmehr BayVGH, B.v. 1.10.2015 – 12 ZB 15.1698 – BeckRS), oder ob § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKibiG eine Rechtsvorschrift im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayVwVfG darstellt, die abweichend von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayVwVfG die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch für die Rücknahme und den Widerruf konstitutiv anordnet.
b) Der Rücknahmebescheid war formell rechtmäßig. Zwar ist zweifelhaft, ob die ursprüngliche Fassung des Bescheids bestimmt genug i.S.d. § 33 Abs. 1 SGB X war. Der Verwaltungsakt muss, da er zugleich Titel und damit Grundlage der Vollstreckung ist, aus sich heraus verständlich sein. Vom Adressaten kann deshalb grundsätzlich nicht verlangt werden, dass er unter Hinzuziehung eines Dritten erforscht, was von ihm im Einzelnen verlangt wird (vgl. zu Art. 37 BayVwfG BayVGH, B.v. 22.4.2008 – 19 ZB 08.489 – BeckRS). Vorliegend wurde im Tenor des Bescheids in Ziff. 1 eine Summe ausgewiesen (30.291,43 EUR), die sich nicht ohne Weiteres erschloss. Dass eine 1 vergessen worden war und die Summe 301.291,43 EUR hätte lauten müssen, ergab sich erst aus dem Anhang des Bescheids auf S. 5. Auch die Bezugnahme auf freiwillige Leistungen der Beklagten ließ sich nur unter Zuhilfenahme des Bescheids vom 3. Juni 2013 der Beklagten an den Kläger verstehen, auf den im Bescheid vom 14. Januar 2019 nicht hingewiesen wurde.
Der Bescheid wurde jedenfalls durch die Klarstellungen in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2020 hinreichend bestimmt. Mangelnde Bestimmtheit kann zwar nicht nach dem abschließenden Katalog des § 41 SGB X geheilt werden. Allerdings kann dieser Mangel durch einen klarstellenden Verwaltungsakt geheilt werden (BVerwG, B.v. 21.6.2006 – 4 B 32/06 – BeckRS; BayVGH, B.v. 22.4.2008 – 19 ZB 08.489 – BeckRS). Ein solcher ist vorliegend ergangen und auch in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2020 bekannt gegeben worden.
c) Der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 14. Januar 2019 ist materiell insoweit rechtswidrig, als für das Kind mit der ID * ein Gewichtungsfaktor von 2,0 statt 1,0 angesetzt wurde. Im Übrigen ist er rechtmäßig. Dies erfordert in materieller Hinsicht, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X vorlagen und der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X berufen konnte. Überdies muss das Ermessen – sofern es nicht ohne auf Null reduziert ist – fehlerfrei ausgeübt und nach § 45 Abs. 4 SGB X die Rücknahmefrist gewahrt worden sein.
aa) Bei den oben genannten Bewilligungsbescheiden handelt es sich um begünstigende Verwaltungsakte nach § 45 Abs. 1 SGB X, die rechtswidrig sind, weil die Fördervoraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Kinderbildungs- und – betreuungsgesetzes (BayKiBiG) nicht erfüllt sind. Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG haben Träger von Kindertageseinrichtungen einen kindbezogenen Förderanspruch gegenüber den Aufenthaltsgemeinden. Dieser besteht nach Art. 22 Satz 1 BayKiBiG in Höhe der staatlichen Förderung an die Gemeinden erhöht um einen Eigenanteil der Gemeinden. Der Träger ist nach Art. 19 Nr. 8 und 10 BayKiBiG verpflichtet, die aktuellen Daten in das Förderprogramm einzugeben und die Vorschriften des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes und der Kinderbildungsverordnung zu beachten. Nach Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG gibt die Buchungszeit den von den Eltern mit dem Träger der Einrichtung vereinbarten Zeitraum an, während dem das Kind regelmäßig in der Einrichtung vom pädagogischen Personal gebildet, erzogen und betreut wird. Der zweite Halbsatz der Vorschrift stellt klar, dass es auf die tatsächliche Anwesenheit des Kindes in der Einrichtung ankommt. Für die Ermittlung der Buchungszeit sind nach Art. 21 Abs. 4 Satz 6 BayKiBiG und § 25 AVBayKiBiG Buchungszeitfaktoren zu ermitteln.
Diese Voraussetzung war in den streitgegenständlichen Bewilligungsjahren nicht erfüllt, weil die Buchungszeiten im Sinn von Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG nicht korrekt angegeben wurden.
(1) Bei acht Viertklässlern, drei Drittklässlern, zwei Zweit- und einem Erstklässler wurde der Buchungszeitbeginn von den Mitarbeitern des Klägers pauschal auf 11:30 Uhr festgesetzt. Dies entsprach jedoch nicht der tatsächlichen Anwesenheit der Kinder, so dass mithin keine aktuellen und korrekten Daten nach Art. 21 Abs. 4 Satz 2, Art. 19 Nr. 8 BayKiBiG vorlagen. Dem ist der Kläger auch nicht entgegengetreten. Darüber hinaus regelt § 25 Abs. 2 AVBayKiBiG lediglich die grundsätzliche Zulässigkeit von Hortbuchungen während der Schulzeit ab 11 Uhr, trifft jedoch keine Aussage zur tatsächlichen Buchung. Die Buchungszeit kann zwar um 11 Uhr beginnen, dies setzt aber voraus, dass das Kind auch tatsächlich in der Einrichtung anwesend ist. Sog. „Luftbuchungen“ (Zeiten, die die Eltern vorsorglich buchen, ohne sie regelmäßig zu nutzen) sind nicht zulässig und widersprechen Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG. Eine Buchung kommt in der Regel nur für Betreuungszeiten nach dem regulären Unterrichtsende in Betracht (so auch Dunkl in Dunkl/Eirich, BayKiBiG, April 2020, Erl. 3.1 zu § 25 AVBayKiBiG).
Nach Anlage 1 zu § 9 der Grundschulordnung (GrSO) beträgt das wöchentliche Stundendeputat 23 Schulstunden, d.h. 17,25 Zeitstunden in Klassenstufe 1. Nach der Stundentafel des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst endet der Unterricht an nicht mehr als drei Wochentagen nach der vierten Schulstunde um 11:35 Uhr, an den übrigen Tagen dauert der Unterricht bis zur fünften oder sechsten Schulstunde. In den höheren Klassenstufen steigt das wöchentliche Deputat an, so dass erst recht keine regelmäßige Anwesenheit ab 11:30 Uhr möglich ist. Sofern die Schule ungeplant früher endet, ist die Schule verpflichtet, im Anschluss eine Betreuung sicherzustellen (Dunkl in Dunkl/Eirich, BayKiBiG, April 2020, Erl. 3.1 zu § 25 AVBayKiBiG).
(2) Die Ferienbuchungen wurden unstrittig ebenfalls falsch abgerechnet. Nach Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG, § 25 Abs. 2 i.V.m. § 26 Abs. 3 AVBayKiBiG kann bei zusammengezählten Buchungszeiträumen von mindestens 15 Betriebstagen ein Kalendermonat, ab mindestens 30 Betriebstagen zwei Kalendermonate und ab 45 Betriebstagen drei Kalendermonate abgerechnet werden. Bei neun Kindern wurden 45 Tage abgerechnet, obwohl die Einrichtung im streitgegenständlichen Zeitraum nur an 40 Tagen in den Ferien geöffnet war. Daher erfolgte der Ansatz von 45 Buchungstagen zu Unrecht. Ein Kind (ID *) besuchte den Hort nur neun Tage während der Ferien, eine Förderung erfolgte für 15 Tage. Gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 AVBayKiBiG ist die Ferienbuchung jedoch erst ab 15 Tagen förderfähig, so dass die in Anspruch genommene Betreuung insgesamt nicht förderfähig war.
(3) Der Ansatz des Gewichtungsfaktors von 2,0 für das Kind mit der ID * war nicht rechtmäßig. Nach Art. 21 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BayKiBiG wird für Kinder unter drei Jahren der Gewichtungsfaktor 2,0 angesetzt, nach Art. 21 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayKiBiG für Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt 1,0. Da das Kind im September 2011 drei Jahre alt wurde, ist die Änderung gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 AVBayKiBiG bereits für den September 2011 zu berücksichtigen.
bb) Der Kläger kann sich im Hinblick auf die pauschal angesetzte Buchungszeit von 11:30 Uhr sowie die Ferienbuchungen nicht auf Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 SGB X berufen. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(1) Der Kläger ist zwar nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X entreichert. Er hat nach eigenen Angaben, denen die Beklagte nicht entgegengetreten ist, die gewährten Mittel zweckbestimmt verwendet und darüber hinaus Verträge mit Personal geschlossen, die nicht ohne Weiteres rückgängig zu machen sind.
(2) Vertrauensschutz scheidet aber hinsichtlich der Buchungszeit und der Ferienbuchungen aus, weil der Kläger grob fahrlässig falsche Angaben nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gemacht hat. Maßgebend dafür ist die Einsichtsfähigkeit des Begünstigten, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (stRspr seit BSG, U.v. 13.12.1972 – 7 RKg 9/69 – BSGE 35, 108). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach insbesondere, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (stRspr, seit BSG, Uv.v. 31. 8. 1976 – 7 RAr 112/74 – BSGE 42, 184). Entscheidend ist danach das Vermögen, die Fehlerhaftigkeit der gemachten Angabe erkennen zu können. Bei geschäftsmäßig tätigen Organisationen wie der klägerischen sind dabei strengere Anforderungen zu stellen als etwa bei ehrenamtlich Tätigen.
Zugunsten des Klägers und gegen eine Sorgfaltspflichtverletzung spricht zwar, dass der Kläger mit seiner Buchungspraxis den Eltern entgegenkommen und Schulausfälle kompensieren wollte. Auch der (klarstellende) Erlass des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst stammt erst aus dem Jahr 2017, d.h. deutlich nach Vornahme der entsprechenden Eintragungen.
Vorliegend hat der Kläger aber Angaben im Programm KiBiG.web gemacht, die nicht der Realität entsprachen. Gemäß § 19 AVBayKiBiG ist der Träger dafür verantwortlich, die förderrelevanten Daten einzutragen; Fehleintragungen liegen im Verantwortungsbereich des Trägers (VG München, U.v. 10.11.2016 – M 17 K 15.4663 – juris). Dem Kläger muss sich aufgedrängt haben, dass die im KiBiG.web angegebenen Anwesenheitszeiten der großen Mehrheit der Kinder nicht mit der Realität übereinstimmten.
Die Fehlerhaftigkeit seiner Angaben muss für den Kläger damals ersichtlich gewesen sein. Wenn der Kläger anführt, er habe die Buchungszeit auf 11:30 Uhr angesetzt, weil er Schulausfälle habe kompensieren und demzufolge Personal vorhalten müssen, so kann er damit nicht durchdringen. Denn die Überhangzeiten sind nicht notwendig, um einen früheren Schulschluss aufzufangen oder gar um Rüstzeiten zu erlangen. Vielmehr wird dem erhöhten Aufwand für Schulkinder bereits durch eine erhöhte Förderung nach Art. 21 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BayKiBiG mit einem Gewichtungsfaktor von 1,2 begegnet. Damit sind die Aufwendungen und Vorbereitungen dafür abgegolten.
Der pauschale Buchungsbeginn um 11:30 Uhr lässt sich insgesamt mit dem Ausfall einzelner Schulstunden und damit mit einem vorzeitigen Ende des Unterrichts auch nicht ansatzweise in Einklang bringen. Es handelte sich dabei nicht um komplexe Angaben, für die besonderer Sachverstand notwendig war, sondern um Tatsachenfragen. Vielmehr hätten einfachste Überlegungen genügt, um die Zeiten korrekt einzutragen. Hinzu kommt, dass die Eingaben in das Förderprogramm zwar von der Hortleitung vor Ort vorgenommen, allerdings auf Ebene des Bezirksverbands überprüft und ggf. korrigiert wurden. Wie die Vertreterin des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wurde die Freischaltung der Angaben klägerseits vorgenommen. Es muss davon ausgegangen werden, dass zumindest auf dieser Ebene entsprechende Erfahrungen für den Umgang mit Buchungsdaten vorgelegen haben, so dass dort die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Buchungen hätte erkannt werden müssen. Überdies verfügt der Kläger über eine hauptamtliche Struktur auf Landes- und Bundesebene, so dass klägerseits ohne Weiteres die Möglichkeit offen gestanden hätte, bei Unklarheiten Erkundigungen anzustellen.
Die gesetzliche Regelung zu den Buchungszeiten war ferner nicht missverständlich. Der Wortlaut des Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG mag im ersten Halbsatz noch nahelegen, dass auf die Vereinbarung zwischen dem Träger und den Eltern abzustellen ist. Allerdings wird im zweiten Halbsatz deutlich (und ist auch ohne juristischen Sachverstand verständlich), dass es auf die tatsächliche Anwesenheit des Kindes in der Einrichtung ankommt. Darüber hinaus regelt § 25 Abs. 2 AVBayKiBiG lediglich die Unzulässigkeit von Hortbuchungen während der Schulzeit zwischen 8.00 Uhr und 11.00 Uhr, trifft jedoch keine Aussage darüber, welche Buchungszeiten im Einzelfall förderfähig sind. Der Schluss des Klägers, dass aufgrund dieser Regelung 11 Uhr oder 11:30 Uhr pauschal als Beginn der Buchungszeit angesetzt werden könne, ist offenkundig unrichtig.
Auch für die Frage der Ferienbuchungen ist eindeutig, dass dem Kläger hätte einleuchten müssen, dass eine Buchung von 45 Tagen aufgrund der nur an 40 Tagen in den Ferien geöffneten Einrichtung nicht möglich war. Es drängt sich hier sogar der Vorwurf zielgerichteten und vorsätzlichen Handelns auf, weil nach § 26 Abs. 3 Satz 2 AVBayKiBiG ab 45 Betriebstagen Ferienbuchung drei Monate abgerechnet werden können, bei 30 Tagen jedoch nur zwei Monate.
Das Argument, der Kläger verfüge nicht über juristischen Sachverstand und habe daher derartige Angaben gemacht, vermag ihn nicht zu entlasten. Denn bei Unklarheiten wäre es in seinen Verantwortungsbereich gefallen, sich (externen) juristischen Sachverstands zu bedienen. Ansonsten könnten hier grobe Sorgfaltspflichtverletzungen im wesentlichen nur Juristen zur Last gelegt werden.
Gegen den Kläger spricht auch, dass nach Aussage des für die Belegprüfungen zuständigen Landratsamts * der Hort eines anderen Trägers in * durchaus in der Lage war, korrekte Buchungszeiten anzugeben. Soweit ersichtlich, ist die systematische Angabe fiktiver Buchungszeiten bayernweit nur beim Kläger und seinen Schwesterorganisationen vorgekommen.
Die Sorgfaltspflichtverletzung wird nicht dadurch gemindert, dass die Beklagte und das Landratsamt * über das Hortkonzept informiert waren. Denn die Vorlage des Hortkonzepts erfolgte im Verfahren zur Erteilung der Betriebserlaubnis. Im Rahmen dieses Verfahrens ging es jedoch nicht um die konkrete Vornahme von Buchungen, sondern um andere Aspekte.
(3) Hinsichtlich des falsch angesetzten Gewichtungsfaktors von 2,0 statt 1,0 steht der Rücknahme des Bescheids allerdings Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X entgegen, da der Kläger nur leicht fahrlässig gehandelt hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt gerade nicht vor, vielmehr greift gerade die Regelvermutung des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Für die Angabe eines einzelnen Gewichtungsfaktors für das Kind mit der ID * ist zu Gunsten des Klägers nicht davon auszugehen, dass er grob fahrlässig gehandelt hat, weil er einfachste Überlegungen nicht angestellt hat. Denn das Kind wurde im September 2011 in das Haus für Kinder aufgenommen, als es noch zwei Jahre alt war und vollendete das dritte Lebensjahr dann am 18. September 2011. Daher ist nachvollziehbar, weshalb klägerseits der Gewichtungsfaktor 2,0 für Kinder unter drei Jahren eingegeben wurde. Der Fehler war auch nicht unter Anstellung einfachster Überlegungen vermeidbar und hätte sich aufdrängen müssen. Es ist vielmehr von leichter Fahrlässigkeit auszugehen.
cc) Die Rücknahme war, soweit sie sich auf die Buchungszeiten und die Ferienbuchungen erstreckte, auch nicht ermessensfehlerhaft. Das Rücknahmeermessen der Beklagten war vorliegend auf Null reduziert.
Zwar steht die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 Abs. 1 SGB X grundsätzlich im Ermessen der Behörde. (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.1987 – 5 C 26.84 -, BVerwGE 78, 101 [105 f.]), weshalb die Rechtmäßigkeit der Rücknahme in der Regel eine entsprechende Ermessensausübung voraussetzt. Besonderheiten gelten jedoch, wenn der zu treffenden Entscheidung durch das einschlägige Fachrecht eine bestimmte Richtung vorgegeben ist und ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vorliegt (sog. intendiertes Ermessen). Trifft dies zu, so bedarf es, wenn in dem durch das Gesetz vorgegebenen Sinne entschieden wird, keiner Abwägung des Für und Wider mehr, womit zugleich eine nähere Begründungspflicht der Behörde entfällt (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1992 – 8 C 68 und 70.90 – BVerwGE 92, 82 [90] m.w.N.). So liegt der Fall hier. Das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz bestimmt in Art. 18 Abs. 1 Satz 1, dass ein Anspruch des Trägers besteht, wenn die Fördervoraussetzungen nach Art. 19 BayKiBiG erfüllt werden. Das schließt für den Fall einer unter Verstoß gegen diese Vorschrift erfolgten Förderleistung die Anordnung der Rücknahme des entsprechenden Bewilligungsbescheids und die Rückforderung des gezahlten Betrages ein (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1992 – 8 C 68 und 70.90 – BVerwGE 92, 82 [90 f.] – für die missbräuchliche Gewährung von Wohngeld). Auch die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung zeichnen in der Regel die Rücknahme von rechtswidrigen Geldleistungsbescheiden als nicht weiter begründungsbedürftige Konsequenz vor (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1997 – 3 C 22.96 – BVerwGE 105, 55 [57 f.]; U.v. 10.12.2003 – 3 C 22/02 – NVwZ -RR 2004, 413 [415] m.w.N.). Bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 Abs. 1 SGB X bleibt deshalb im Regelfall für die Ausübung von Ermessen kein Raum (vgl. BayVGH, B.v. 1.10.2015 – 12 ZB 15.1698 – juris für die Rückforderung von Fördermitteln des Freistaats gegenüber einer Gemeinde; BSG, U.v. 25.6.1986 – 9 a RVg 2/84 – juris, LS 3 u. Rn. 29; U.v. 5.11.1997 – 9 RV 20/96 – juris, Rn. 16). Zwar sind Ausnahmen denkbar, wenn besonders gewichtige Gründe eine andere Entscheidung rechtfertigen (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1992 – 8 C 68 und 70.90 – BVerwGE 92, 82 [91]). Solche sind hier auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich. Stellt sich jedoch heraus, dass Vertrauensschutz zu versagen ist, so dass für eine Ermessensausübung keine Gesichtspunkte bleiben, ist das Rücknahmeermessen regelmäßig auf Null reduziert (vgl. BayVGH, B.v. 1.10.2015 – 12 ZB 15.1698 – juris; BSG, U.v. 5.11.1997 – 9 RV 20/96 – juris, Rn. 16). In diesem Fall kann nur eine Entscheidung richtig sein, nämlich die Leistungsbewilligung zurückzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1992 – 8 C 68 und 70.90 – BVerwGE 92, 82 [90]; U.v. 16.6.1997 – 3 C 22.96 – BVerwGE 105, 55 [57]). Dies folgt aus Art. 18 Abs. 1 und 2 BayKiBiG, der den Förderanspruch der Gemeinde gegenüber dem Staat an die Einhaltung der Fördervoraussetzungen durch den Einrichtungsträger bindet. Erfüllt der Träger die Fördervoraussetzungen des Art. 19 BayKiBiG nicht, so muss die Gemeinde nicht nur ihren eigenen Förderanteil (Art. 18 Abs. 1, 22 BayKiBiG), sondern auch den staatlichen Anteil (Art. 18 Abs. 2, 21, 22 BayKiBiG) zurückfordern (§ 23 Abs. 4 AVBayKiBiG); sie ist aber ihrerseits zugleich auch dem Rückforderungsanspruch des Freistaats hinsichtlich des staatlichen Förderanteils ausgesetzt (dazu BayVGH, B.v. 1.10.2015 – 12 ZB 15.1698 – juris).
Damit liegt hier kein Ausnahmefall vor, der ein Abweichen von der Ermessensreduzierung auf Null rechtfertigen würde.
dd) Die Bewilligungsbescheide wurden innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X zurückgenommen. Danach muss die Rücknahme innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Hierzu gehören jedenfalls die Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des früheren Verwaltungsakts ergibt. Frühestens beginnt die Frist nach erfolgter Anhörung (BSG, U.v. 7.7.2000 – B 7 AL 88/99 R – NJOZ 2001, 121). Die Stellungnahme des Klägers im Rahmen der Anhörung erfolgte vorliegend mit Schreiben vom 11. Dezember 2018, so dass die am 14. Januar 2019 erfolgte Rücknahme die Jahresfrist in jedem Fall wahrte.
ee) Der Umstand, dass der Zeitraum zur Belegprüfung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 AVBayKiBiG fünf Jahre umfasst, wirkt sich auf Rechte des Klägers nicht aus. Die Begrenzung auf fünf Jahre dient nur der Aufgabenbegrenzung der Bewilligungsbehörden. Träger, die sich z. B. Leistungen aufgrund falscher Angaben erschlichen haben, können sich auf die zeitliche Befristung des Prüfauftrags nicht berufen. Es handelt sich dabei um keine Schutzvorschrift für Träger, die auf rechtswidrige Weise Fördermittel erhalten haben (Dunkl in Dunkl/Eirich, BayKiBiG, April 2020, Erl. 2.2 zu § 23 AVBayKiBiG). Die Vorschrift soll dem Träger keine individuelle Rechtsposition vermitteln, auf die er sich zu seinen Gunsten berufen kann.
c) Soweit die Bewilligungsbescheide zu Recht gemäß § 45 SGB X i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKiBiG zurückgenommen wurden, konnten auch die gewährten Fördermittel gemäß § 50 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 23 Absatz 4 Satz 1 AVBayKiBiG zurückgefordert werden. Die Berechtigung zur Erhebung von Zinsen und deren Berechnung folgt aus § 50 Abs. 2a SGB X i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKiBiG. Dass die Beklagte nicht auf die Zahlung von Zinsen nach § 50 Abs. 2a Satz 2 SGB X verzichtet hat, war aufgrund der festgestellten Sorgfaltspflichtverletzung nicht ermessensfehlerhaft.
2. Da die Beteiligten teils obsiegt haben, teils unterlegen sind, sind die Kosten des Verfahrens verhältnismäßig zu teilen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verfahren ist gemäß § 188 S. 2 VwGO gerichtskostenfrei.
3. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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