Sozialrecht

Rückforderung von Ausbildungsförderung wegen nachträglicher Vermögensanrechnung

Aktenzeichen  M 15 K 17.841

Datum:
7.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143225
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 45
BAföG § 11 Abs. 2 S. 1
BAföG § 26

 

Leitsatz

An den Nachweis eines Treuhandverhältnisses unter Angehörigen durch den Auszubildenden im Zusammenhang mit beantragter Ausbildungsförderung sind wegen der Missbrauchsgefahr bei solchen Abreden strenge Anforderungen zu stellen. Soweit die tatsächlichen Grundlagen in der Sphäre des Auszubildenden liegen, obliegt ihm bei der Sachverhaltsaufklärung eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 23. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Ausbildungsförderung zurückgenommen und von der Klägerin 10.652,00 Euro zurückgefordert. Zur Begründung wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zunächst auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend ausgeführt:
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Ausgangsbescheide vom 15. November 2011, 8. November 2012 und 14. Oktober 2013 ist § 45 Sozialgesetzbuch X (SGB X). Nach dessen Abs. 1 darf ein begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, zurückgenommen werden, wenn er rechtswidrig ist und sich der Begünstigte nach Maßgabe des § 45 Abs. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Die Gewährung von Ausbildungsförderung mit den Bescheiden vom 15. November 2011, 08. November 2012 und 14. Oktober 2013 war rechtswidrig, weil in ihnen Vermögen der Klägerin, das nach §§ 11 Abs. 2, 26 ff. BAföG anzurechnen ist, nicht berücksichtigt worden ist und dies bei Kenntnis durch die Behörde zu einer Ablehnung der beantragten Leistungen geführt hätte.
Nach § 1 BAföG besteht ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nur soweit, als dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und für seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Dabei ist auf den Bedarf (§ 11 Abs. 1 BAföG) u.a. Vermögen nach Maßgabe der §§ 26 ff. BAföG anzurechnen.
Der Klägerin ist für die streitgegenständlichen Bewilligungszeiträume ein Guthaben des auf ihren Namen lautenden Kontos mit der Nr. … bei der … in Höhe von insgesamt 19.906,00 Euro als Vermögen i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG zuzurechnen.
Das streitgegenständliche Guthaben auf diesem Konto war als Forderung der Klägerin gegenüber der Bank und damit als eigenes Vermögen der Klägerin im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG zu beurteilen, da die Klägerin als Kontoinhaberin nach dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen, objektiv für die Bank erkennbaren Willen ab dem Zeitpunkt der Geldanlage Gläubigerin des Guthabens werden sollte (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – DVBl 2009, 129 unter Hinweis auf BGH, U.v. 18.10.1994 – IX ZR 237/93 – BGHZ 127, 229). Derjenige, der eine Bank anweist, einen Betrag aus seinem Vermögen einem bestimmten fremden Vermögen gutzuschreiben, verliert mit der Ausübung dieser Anweisung seine Rechte gegen die Bank in Bezug auf das Zugewendete. Gleichzeitig verschafft er dem Kontoinhaber ein entsprechendes Recht gegenüber der Bank aus der Gutschrift (BayVGH, U.v. 28.1.2009 – 12 B 08.824 – BayVBl 2009, 404 unter Hinweis auf BGH, U.v. 2.2.1994 – IV ZR 51/93 – NJW 1994, 931). Aus wessen Mitteln das eingezahlte Geld stammt, ist für die Frage, wer Gläubiger der Einlage ist, ohne Belang. Soll nicht derjenige, der in den Kontounterlagen als Kontoinhaber bezeichnet ist, sondern ein Dritter im Verhältnis zur Bank Rechte auf das Sparguthaben erwerben, muss sich dies aus den schriftlichen Kontounterlagen ergeben. Mündliche Abreden sind regelmäßig nichtig (BayVGH, U.v. 28.1.2009 a.a.O. unter Hinweis auf BGH, U.v. 2.2.1994, a.a.O.).
Das Konto bei der … mit der Nr. … wurde auf den Namen der Klägerin eröffnet. Dementsprechend sollte die Klägerin nach dem für die Bank erkennbaren Willen Gläubigerin der Spareinlage werden. Ein etwaiger anderweitiger Vorbehalt bei der Kontoerrichtung wäre gemäß § 116 Satz 1 BGB unbeachtlich.
Auch der Vortrag der Klägerin, sie habe ihrer Mutter und dem Zeugen … die Verwaltung des Kontos überlassen, führt nicht dazu, dass das Vermögen auf dem betreffenden Konto bei der … in Höhe von insgesamt 19.906,00 Euro nicht als Vermögen der Klägerin anzusehen wäre. Die Erteilung einer Vollmacht ändert nämlich nichts daran, dass es sich um ihr eigenes Guthaben handelt.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie das Geld auf dem streitgegenständlichen Konto lediglich treuhänderisch für ihre Mutter verwaltet und daher mit dessen Auszahlung auf eine bestehende Schuld geleistet habe (§ 28 Abs. 3 BAföG).
Ein Treuhandvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in der Ausübung der sich aus dem Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (BSG, U.v. 28.8.2007 – B 7/7a AL 10/06 R – juris). Eine rechtlich anzuerkennende Treuhandschaft setzt eine entsprechende schuldrechtliche Vereinbarung voraus, aus der sich ergeben muss, dass die mit der rechtlichen Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist. Die Treuhandabrede muss die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und dessen Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treugutes zum Gegenstand haben. Die Vereinbarung eines entsprechenden Auftrags-, Geschäftsbesorgungs- oder Darlehensverhältnisses muss ernsthaft gewollt sein und es muss eine konkrete, mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache nachgewiesen werden. Dabei muss das Handeln des Treuhänders im eigenen Namen wegen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig erkennbar sein (BayVGH, B.v. 1.10.2013 – 12 ZB 13.1738 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – BVerwGE 132, 21 ff.) An den Nachweis eines solchen Treuhandverhältnisses unter Angehörigen durch den Auszubildenden im Zusammenhang mit beantragter Ausbildungsförderung sind wegen der Missbrauchsgefahr bei solchen Abreden strenge Anforderungen zu stellen (BayVGH, U.v. 28.1.2009 a.a.O.). Soweit die tatsächlichen Grundlagen in der Sphäre des Auszubildenden liegen, obliegt ihm bei der Sachverhaltsaufklärung eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Deshalb spricht es gegen das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses, wenn der Inhalt der Vereinbarung und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden. Gleiches gilt, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Treuhandvertrages nicht genannt werden kann (BVerwG, U.v. 4.9.2008 a.a.O.). Ebenso ist es als Indiz gegen einen wirksamen Vertragsschluss zu werten, wenn der Auszubildende eine treuhänderische Bindung (von Teilen) seines Vermögens nicht von vorneherein im Antragsformular bezeichnet, sondern erst geltend macht, nachdem er der Behörde gegenüber nachträglich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen (BVerwG, U.v. 4.9.2008 a.a.O.).
Gemessen an diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen spricht hier schon gegen das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses, dass die Klägerin eine treuhänderische Bindung des streitgegenständlichen Guthabens erstmals am Ende des Widerspruchsverfahrens geltend gemacht, als das Verfahren bereits zweieinhalb Jahre andauerte und nachdem sie nunmehr anwaltlich vertreten war (vgl. BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – BVerwGE 132, 21 ff.). Obwohl sie vom Beklagten vor Rücknahme der Bewilligungsbescheide mehrfach zur Stellungnahme aufgefordert worden war, haben weder die Klägerin selbst, noch ihre gleich zu Beginn des Verwaltungsverfahrens bevollmächtigte Mutter geltend gemacht, dass die Klägerin hier Vermögen der Mutter verwaltet habe.
Es fehlt vorliegend auch an der notwendigen schuldrechtlichen Treuhandabrede. So wurde nicht vorgetragen, wann und mit welchem genaueren Inhalt eine Treuhandabrede zustande gekommen sein soll. Abgesehen davon ist das diesbezügliche Vorbringen der Klägerseite von erheblichen Widersprüchen geprägt. Die Klägerin hat zunächst auf Rückfrage des Beklagten angegeben, sie verfüge weder über Vermögen, noch habe sie Zinsen eingenommen, sondern sie habe lediglich eine Unterschrift geleistet, um ihren Zinsfreibetrag für eine Anlage ihrer Mutter zu nutzen. Demnach habe es sich um Geld der Mutter gehandelt. Dann wurde von der Mutter der Klägerin vorgetragen, sie habe ein Konto für die Klägerin angelegt, um für eventuelle Ausbildungsmaßnahmen anzusparen. Somit hätte das Geld gerade der Klägerin zugutekommen sollen, wofür auch spricht, dass die Mutter als Unterhaltspflichtige nach Maßgabe der §§ 1601 ff. BGB ohnehin für die Ausbildung der Klägerin aufzukommen hat. Die Klägerin erklärte sodann, die Geldmittel seien für den Kauf von Möbeln am Ausbildungsort verwendet worden sowie für die Bezahlung von Kosten für den Führerschein und andere Auslagen, welche die Mutter der Klägerin vorgestreckt habe. Dabei konnte die Klägerin jedoch nicht erklären, warum bereits im Jahr 2011 Möbel für die Wohnung der Klägerin angeschafft worden sein sollen, obwohl die Klägerin im ersten Ausbildungsjahr noch bei ihrer Mutter gewohnt und erst im September 2012 eine eigene Wohnung bezogen hat. Erst später trug der nun bestellte Klägerbevollmächtigte vor, die Klägerin habe ausschließlich als Treuhänderin im Hinblick auf das Vermögen ihrer Mutter gehandelt. Abgesehen davon, dass keine dieser gegensätzlichen Behauptungen belegt wurde, verhält sich die Klägerin auch widersprüchlich, wenn sie einerseits behauptet, von ihrem Konto und dem Geld darauf nichts gewusst zu haben, und andererseits durch ihren Bevollmächtigten vortragen lässt, sie habe mit ihrer Mutter eine Treuhandvereinbarung bezüglich des Geldes auf diesem Konto geschlossen bzw. das Geld für Möbel und andere Anschaffungen ausgegeben zu haben.
Alles dies spricht gegen die zuletzt von der Klägerseite geltend gemachte Treuhandvereinbarung. Auch im Rahmen der Beweisaufnahme ist es der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin nicht gelungen, ein Treuhandverhältnis mit ihrer Mutter glaubhaft zu machen. Nach der Beweisaufnahme spricht vielmehr Einiges dafür, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Guthaben um das Erbe der Klägerin von ihrem verstorbenen Vater bzw. um Geldleistungen aus einer Lebensversicherung des Vaters zugunsten der Klägerin und ihrer Geschwister gehandelt hat.
Der Zeuge … hat bezeugt, sich seit dem Tod des Vaters der Klägerin um die Vermögensverhältnisse der Familie gekümmert zu haben. Es habe kein Testament des Vaters der Klägerin gegeben. Er erklärte, er habe sich um das Vermögen aus Lebensversicherungen des Vaters der Klägerin mit einem Wert in Höhe mehrerer zehntausend Euro gekümmert. In den Versicherungspolicen sei kein Begünstigter eingetragen gewesen, sondern es sei „nach der gesetzlichen Erbfolge“ gegangen. Die Klägerin habe noch zwei Schwestern. Das Geld aus der Lebensversicherung habe die Mutter der Klägerin verwaltet. Auf Anraten eines Bankberaters hätten der Zeuge … und die Mutter der Klägerin das Geld auf verschiedenen Anlagen aufgeteilt: 30.000,00 Euro seien auf die Mutter der Klägerin angelegt worden, jeweils 10.000,00 Euro auf die Klägerin und ihre Zwillingsschwester. Auf Vorhalt des Gerichts, das mindestens im letzten Jahr vor der Antragstellung zwei Anlagen von jeweils 10.000,00 Euro auf die Klägerin angelegt waren, hielt der Zeuge … dies für möglich. Diese Aussage ist glaubhaft, da sich der Zeuge … sowohl nach dem Vortrag der Klägerin als auch nach der Aussage der Zeugin … seit der Scheidung der Eltern der Klägerin bzw. dem Tod des Vaters der Klägerin um die Vermögensverhältnisse der Familie gekümmert und somit Zugang zu den relevanten Unterlagen hatte. Die Zeugin … hat ausgesagt, sie habe sich bereits im Jahr 2007 vom Vater der Klägerin scheiden lassen, der dann im Jahr 2008 verstorben sei. Damit war die Zeugin … von der Erbfolge ausgeschlossen (vgl. §§ 1931 Abs. 1, 1564 Satz 2 BGB), die drei gemeinsamen Töchter waren zu gleichen Teilen erbberechtigt (vgl. § 1924 Abs. 1 und 4 BGB).
Weiter hat der Zeuge … angegeben, dass im Vermögen des Vaters der Klägerin zum Zeitpunkt des Erbfalls noch Geld aus einem Immobilienverkauf vorhanden gewesen sei. Von dem Verkaufserlös der Immobilie seien noch 250.000,00 Euro übrig gewesen. Davon habe die Mutter der Klägerin etwa 60 Prozent und der Vater etwa 40 Prozent bekommen. Beim Tod des Vaters seien diese Anlagen wieder zusammengeflossen. Die Zeugin … hat bestätigt, dass nach der Scheidung das Haus verkauft wurde, und erklärte, sie habe die Hälfte des Erlöses erhalten. An dessen Höhe könne sie sich jedoch nicht einmal ungefähr erinnern. Sie meinte, sie wisse auch nicht, was der Vater ihrer Kinder zum Todeszeitpunkt außer den Lebensversicherungen noch an Vermögen hatte. Sie denke, vom Hauskauf sei alles weg gewesen. Auch insofern hält das Gericht die Aussage des Zeugen … für glaubhaft, dass nach dem Tod des Vaters die Anlagen wieder zusammengeschlossen seien. Denn er kümmerte sich um die Finanzen der Familie, während die Zeugin … zur fraglichen Zeit nach eigener Aussage „fix und fertig“ gewesen sei. Zudem offenbart ihre Aussage große Erinnerungslücken. Außerdem widerspricht sich die Zeugin … auch insoweit, als dass sie zwar erklärte, sich an kein Erbe zu erinnern, jedoch gleichzeitig aussagte, sie habe das Erbe des Verstorbenen erhalten und für ihre Kinder verwaltet. Es spricht somit Einiges dafür, dass die Klägerin und ihre beiden Schwestern neben den Beträgen aus den Lebensversicherungen zusätzlich ein nicht unbeträchtliches Vermögen von ihrem verstorbenen Vater geerbt haben. Nach alledem konnte die insoweit darlegungspflichtige Klägerin nicht glaubhaft machen, dass das vom Beklagten zugrunde gelegte Vermögen in Höhe von insgesamt 19.906,00 Euro nicht ihr, sondern ihre Mutter zugestanden habe.
Auch jenseits einer Treuhandabrede hat die Klägerin nicht glaubhaft machen können, auf eine bestehende Schuld geleistet zu haben. Sonstige Ansprüche der Mutter, etwa aus Darlehensvertrag bezüglich angeblich vorgestreckter Kosten für Möbel und Führerschein, hat die insoweit darlegungspflichtige Klägerin trotz Aufforderung durch den Beklagten nicht belegt und zuletzt auch nicht mehr geltend gemacht.
Für den ersten Bewilligungszeitraum hat der Beklagte somit zu Recht ein Vermögen der Klägerin in Höhe von 19.906,00 Euro (für die beiden folgenden Bewilligungszeiträume jeweils weniger) angerechnet, obwohl sich das Guthaben zum Stichtag der Antragstellung am 23. August 2011 nicht mehr auf dem betreffenden Konto der Klägerin bei der … befand. Dieses Guthaben hat der Beklagte zu Recht fiktiv als Vermögen der Klägerin angerechnet, da die Übertragung dieses Vermögens rechtsmissbräuchlich war.
Zu den maßgeblichen Stichtagen der Antragstellungen am 23. August 2011, am 24. August 2012 und am 9. September 2013 befand sich das Guthaben von 19.906,00 Euro nicht mehr auf dem Konto der Klägerin bei der … , da am 14. April 2011 10.000,00 Euro vom Konto der Klägerin abgehoben wurden und am 12. Juli 2011 das Zertifikat WKN … auf das Konto der Zeugin … übertragen wurde.
Zwar kommt es grundsätzlich gem. § 28 Abs. 2 BAföG auf das Vermögen zum Zeitpunkt der Antragstellung an. Abweichend hiervon schließt jedoch eine vor der Antragstellung erfolgte Vermögensübertragung nicht aus, dass dem Auszubildenden das übertragene Guthaben förderungsrechtlich weiterhin als Vermögen anzurechnen ist, wenn die Vermögensverfügung als Rechtsmissbrauch anzusehen ist. Wegen des in § 1 BAföG normierten Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung handelt ein Auszubildender rechtsmissbräuchlich, wenn er im Hinblick auf eine konkret geplante oder schon begonnene Ausbildung, für die Ausbildungsförderung in Anspruch genommen werden soll, Vermögen an einen Dritten überträgt, anstatt es für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung einzusetzen, um durch die Übertragung eine Vermögensanrechnung zu vermeiden. Er muss dabei nicht subjektiv verwerflich handeln; es genügen der zeitliche Zusammenhang zwischen Vermögensverfügung und Antragstellung, das Fehlen einer gleichwertigen Gegenleistung sowie der Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck. Unabhängig von der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit der (unentgeltlichen) Weggabe von Vermögen ist in solchen Fällen der Betrag dem Vermögen des Auszubildenden förderungsrechtlich weiterhin – fiktiv – zuzurechnen und auf seinen Bedarf nach der Maßgabe der §§ 26 ff. BAföG anzurechnen (BVerwG, U.v. 13.1.1983 – 5 C 103/80 – NJW 1983, 2829; BayVGH, U.v. 28.1.2009 – 12 B 08.824 – BayVBl 2009, 404).
In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend von einer rechtsmissbräuchlichen Übertragung des Guthabens auf dem Konto Nr. … bei der … in Höhe von 19.906,00 Euro auszugehen.
Dem steht auch nicht entgegen, dass nach dem Vorbringen der Klägerin die Übertragung bzw. Auszahlung des Guthabens nicht durch die Klägerin selbst, sondern durch deren Mutter und den Zeugen … erfolgte, da sich die Klägerin deren Handeln aufgrund der von ihr erteilten Vollmacht zurechnen lassen muss, § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Es besteht hier auch der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen der Vermögensverfügung und der konkret geplanten Ausbildung bzw. der Stellung des Antrages auf Ausbildungsförderung. Selbst bei einer Zeitdauer von etwa 8 Monaten zwischen der Vermögensverfügung und der Antragstellung kann ein zeitlicher Zusammenhang gegeben sein, wenn sich der finale Charakter der Vermögensverfügung – wie hier – aus den Umständen des Einzelfalles ergibt (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 12 ZB 11.479 – juris). Die Klägerin hat ihren Antrag auf Ausbildungsförderung am 23. August 2011 beim Beklagten eingereicht. Das Guthaben in Höhe von insgesamt 19.906,00 Euro wurde am 14. April 2011 abgehoben bzw. am 12. Juli 2011 übertragen, mithin nur einen bzw. vier Monate vor der BAföG-Antragstellung. Es liegt damit ein enger zeitlicher Zusammenhang vor.
Eine irgendwie geartete, gleichwertige Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens auf die Mutter bzw. eine entsprechende Zahlungspflicht – hier in Gestalt einer Treuhandvereinbarung – konnte die Klägerin nicht glaubhaft machen.
Da der Klägerin damit bei ihren Anträgen auf Ausbildungsförderung jeweils Vermögen weit über dem Freibetrag in Höhe von 5.200 Euro zuzurechnen ist, errechnet sich für die streitgegenständlichen Bewilligungszeiträume keine Ausbildungsförderung. Zu Einzelheiten wird auf die Berechnung des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2017 Bezug genommen, gegen welche die Klägerin nichts erinnert hat.
2. Die Klägerin kann sich gegenüber der Rücknahme der Bewilligungsbescheide auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da diese auf Angaben beruhen, die sie jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), indem sie in den Anträgen das Vorhandensein ihres Guthabens bis kurz vor der Antragstellung nicht angegeben und die unentgeltliche Vermögensübertragung an die Mutter bzw. den Zeugen … verschwiegen hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X), weil schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BVerwG, B.v. 18.3.2009 – 5 B 10/09 – Buchholz 435.12 § 45 SGB X Nr. 14).
Die Klägerin hat trotz Kenntnis von dem streitgegenständlichen Konto bei der … keine Angaben hierzu gemacht, obwohl in den Antragsformularen in dem fettgedruckten Bereich vor der Unterschriftszeile ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Vermögenswerte auch dann dem Vermögen des Auszubildenden zuzurechnen sind, wenn sie in zeitlichem Zusammenhang mit der Stellung des Antrags auf Ausbildungsförderung unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte, beispielsweise die Eltern, übertragen werden.
Dass unter das in den Antragsformularen abgefragte Vermögen auch das Guthaben auf dem betreffenden Konto bei der … gehört, hätte der Klägerin zumindest aufgrund dieses fettgedruckten Hinweises klar sein müssen. Auch in Ansehung der geforderten Angaben zu ihrem Einkommen und Vermögen muss ihr bewusst geworden sein, dass die Gewährung von Ausbildungsförderung entscheidend von ihrer privaten wirtschaftlichen Situation abhängig ist. Aus der Abfrage dieser Angaben und dem fett gedruckten Hinweis wird deutlich, dass Ausbildungsförderung erst gewährt wird, wenn der Auszubildende selbst nicht in der Lage ist, seinen Bedarf während des Bewilligungszeitraums zu decken. Deshalb hätte der Klägerin klar sein müssen, dass auch ein kurz vor Antragstellung weggegebenes Vermögen auf einem kurz vor Antragstellung aufgelösten Konto für die Entscheidung über die Gewährung von Ausbildungsförderung von Bedeutung sein kann und deshalb dem Beklagten offengelegt werden muss. Da sie die Kontoverwaltung ihrer Mutter bzw. dem Zeugen … überlassen hat, hätte sie sich zumindest kundig machen müssen, wie es um das betreffende Konto bestellt ist. An dieser Bewertung ändern auch die Aussagen der Zeugin … … und des Zeugen …, die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt von dem Konto und dem darauf befindlichen Guthaben gewusst, nichts. Denn die Klägerin hat vorliegend nicht nur zum Zeitpunkt ihrer Volljährigkeit eine Kontovollmacht unterschrieben, sondern scheinbar einige Wochen vor der Antragsstellung auch die Kündigung des Kontos zum 13. Juli 2011 unterzeichnet. Diese Unterschriftsleistungen hätten für sie Anlass sein müssen, vor der Antragsstellung bei ihrer Mutter, dem Zeugen … oder der … nähere Informationen über das fragliche Konto einzuholen. Schließlich erscheint es wenig glaubhaft, dass die Klägerin angesichts des Verkaufs des gemeinsamen Hauses ihrer Eltern in dem Jahr zwischen der Scheidung der Eltern und dem Tod des Vaters niemals, auch nicht zum Zeitpunkt der Antragstellung drei Jahre nach dem Tod des Vaters, nach ihrem Erbe gefragt haben soll. Spätestens bei der Stellung des Antrags auf Ausbildungsförderung hätte sie schon aufgrund der dort gestellten Fragen nach ihrem Vermögen bei ihrer Mutter oder dem Zeugen … nachfragen müssen, wie es sich mit ihrem Erbteil verhält.
Bei gebotener Sorgfalt hätte sie somit Kontostände und Kontobewegungen vor Antragstellung überprüfen müssen, was ihr auch durch Nachfrage bei dem Zeugen … bzw. bei der …ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Sie hätte sich dann wegen der übertragenen Geldbeträge ggf. durch das Amt für Ausbildungsförderung beraten lassen müssen. Dass sie dies nicht getan hat, sondern das Konto bei der … verschwiegen hat, war somit zumindest grob fahrlässig (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2006 – Az. 12 C 06.1171 – juris; OVG Bautzen; U.v. 26.11.2009 – 1 A 288/08 – DVBl 2010, 463).
3. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X für eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide liegen vor, insbesondere wurde das Rücknahmeermessen vom Beklagten ordnungsgemäß ausgeübt und begründet (§ 114 VwGO).
4. Da die Rücknahmebescheide somit zu Recht ergangen sind, hat die Klägerin die ihr zu Unrecht erbrachten Förderleistungen in Höhe von insgesamt 10.652,00 Euro zurückzuzahlen (§ 50 Abs. 1 und 3 SGB X).
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

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