Sozialrecht

Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen infolge nicht angegebener Sparbücher bzw. Sparverträge

Aktenzeichen  Au 3 K 15.234

Datum:
29.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 42755
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG § 1, § 11 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28, § 29 Abs. 3
SGB X § 45 Abs. 2, § 50 Abs. 1
BGB § 808

 

Leitsatz

1 Im Interesse eines Rechtsschutzsuchenden muss unter Berücksichtigung der einer Klageschrift beigefügten Unterlagen, insbesondere der angefochtenen Bescheide, gleichsam in einer Gesamtschau ermittelt werden, was dem Rechtsschutzbegehren des Klägers am ehesten gerecht wird. Erhebt ein Rechtsanwalt Klage, ohne der Klageschrift weitere Unterlagen beizufügen oder innerhalb der Klagefrist nachzureichen, muss dagegen ausschließlich auf den Inhalt der Klageschrift, wie er sich aus der Sicht eines verständigen Adressaten darstellt, abgestellt werden. (Rn. 34) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Inhaber eines Kontos und Gläubiger des darauf eingezahlten Betrags ist nach den hierfür auch ausbildungsförderungsrechtlich maßgeblichen zivilrechtlichen Grundsätzen derjenige, der nach dem von der Bank erkennbaren Willen des Kunden im Zeitpunkt der Kontoeröffnung Gläubiger des Guthabens werden sollte (vgl. BayVGH BeckRS 2012, 58883). Dabei kommt den Kontoeröffnungsunterlagen indizieller Charakter dahingehend zu, als ein sich aus diesen ohne schriftlich fixierte Vorbehalte ergebender Kontoinhaber regelmäßig als Gläubiger der Forderung anzusehen ist. (Rn. 49) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Ist ein Kapitalbetrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fest angelegt, hindert dies seine Verwertbarkeit vor Eintritt der Fälligkeit iSv § 27 Abs. 1 S. 2 BAföG nicht, denn der Auszubildende – als beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger gesetzlich vertreten durch seine Eltern – könnte dieses Guthaben jedenfalls beleihen (vgl. VG Augsburg BeckRS 2009, 47482). (Rn. 51) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Bei einem Sparbuch handelt es sich um ein Namenspapier mit Inhaberklausel, bei dem der Schuldner der verbrieften Forderung nur gegen Aushändigung der Urkunde an den Gläubiger zur Leistung verpflichtet ist (§ 808 Abs. 2 S. 1 BGB), was zur Folge hat, dass Banken und Sparkassen für die Auszahlung eines Guthabens grundsätzlich die Vorlage des Sparbuchs verlangen. Der Umstand, dass ein minderjähriger Auszubildender nicht im Besitz eines ihn als Gläubiger bezeichnenden Sparbuchs ist, erweist sich indes nicht als tatsächlich unüberwindbar, sodass sich auch dieses Sparbuch als wirtschaftlich verwertbar erweist. (Rn. 55) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Umstände, die der Verwertbarkeit eines Sparguthabens nach § 27 Abs. 1 S. 2 BAföG entgegenstehen, sind der Sphäre des Auszubildenden zuzuordnen und unterliegen deshalb dessen gesteigerter Mitwirkungspflicht bei der Sachaufklärung. Diese führt auch wegen der hohen Missbrauchsgefahr im Ausbildungsförderungsrecht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zur Frage des Vorhandenseins anzurechnenden Vermögens (vgl. OVG Lüneburg BeckRS 2015, 40609). (Rn. 57) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Rücknahme eines Bescheids über die Gewährung von Ausbildungsförderung und die Rückforderung ausbezahlter Ausbildungsförderungsleistungen.
1. Die am … 1992 geborene Klägerin (…) beantragte am 23. September 2009 beim Landratsamt … die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch einer privaten Berufsfachschule für Fremdsprachenberufe. Im entsprechenden Antragsformular bezifferte sie ihr Vermögen auf insgesamt 59,03 € (Barvermögen: 50,00 €, Bankguthaben bei der Sparkasse …: 9,03 €). Mit Bescheid vom 16. Oktober 2009 bewilligte das Landratsamt der Klägerin Ausbildungsförderung in Höhe von 383,00 € für den Monat September 2009 und je 455,00 € für die Monate Oktober 2009 bis Juli 2010. Eigenes verwertbares Vermögen der Klägerin wurde nicht angerechnet. Die Förderung (insgesamt 4.933,00 €) wurde der Klägerin ausbezahlt.
Für die Zeit vom August 2010 bis August 2011 beantragte die Klägerin keine Leistungen. Ab September 2011 bis einschließlich Juli 2013 erhielt sie antragsgemäß Ausbildungsförderung für den Besuch einer (anderen) Berufsfachschule (Kinderpflege).
2. Im Mai 2013 wurde dem Landratsamt aufgrund eines Datenabgleichs nach § 45d EStG bekannt, dass der Klägerin im Jahr 2009 freigestellte Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 321,00 € zugeflossen waren. Die daraufhin vom Landratsamt angestellten Ermittlungen ergaben, dass (nach den klägerseits vorgelegten Bankbestätigungen der Sparkasse … vom 7. Februar 2014 und der Stadtsparkasse … vom 14. Februar 2014) zum Antragszeitpunkt 23. September 2009 auf den Namen der Klägerin lautende Sparguthaben
– bei der Stadtsparkasse … (Sparkassenkapitalbrief im Wert von 5.000,00 € mit Fälligkeit am 4.10.2010 und Sparkonto in Höhe von 719,07 €) sowie
– bei der Sparkasse … (Guthabenstand: 4.586,29 €) vorhanden waren.
Hinsichtlich des Sparkassenkapitalbriefs (für den eine Urkunde nicht ausgestellt wurde) wurden der Kaufauftrag vom 4. Oktober 2004, dieser unterzeichnet vom Onkel des Vaters der Klägerin (….) und der Mutter der Klägerin, und hinsichtlich des Sparkontos bei der Stadtsparkasse … der Kontoeröffnungsantrag vom 4. Oktober 2004, dieser unterzeichnet von …, jeweils in Kopie, vorgelegt.
In Bezug auf das Sparguthaben bei der Sparkasse … übermittelte die Klägerin dem Landratsamt eine Ablichtung zweier Seiten des Sparbuchs, aus denen u. a. eine Abhebung des Gesamtguthabens von 5.063,94 € am 9. November 2010 ersichtlich wird.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 teilte die (von der Klägerin bevollmächtigte) Mutter der Klägerin mit, dass nicht die Klägerin „das Geld“ bei der Stadtsparkasse … angelegt habe; vielmehr handle es sich um eine Schenkung des … an die Klägerin „an ihrem 18. Geburtstag (07.11.2010)“, über das sie vorher nicht habe verfügen können. Ein Kontoeröffnungsantrag für das Sparkonto bei der Sparkasse … liege der Klägerin nicht vor; insoweit könne erforderlichenfalls nur eine Bestätigung des Großvaters der Klägerin vorgelegt werden, dass sie bis zu ihrem 18. Geburtstag nicht über das Guthaben habe verfügen können. Diese Bestätigung werde nachgereicht, falls dies vom Landratsamt gewünscht werde.
Das Landratsamt forderte daraufhin mit an die Mutter der Klägerin adressiertem Schreiben vom 11. März 2014 u. a. die Vorlage des Antrags auf Eröffnung des Sparkontos bei der Sparkasse … und sämtlicher dafür erteilter Freistellungsanträge.
Ausweislich eines Aktenvermerks vom 11. März 2014 erklärte der Vater der Klägerin fernmündlich, dass er und seine Ehefrau nicht mehr bereit seien, weitere Unterlagen und Nachweise vorzulegen, da dies mit Kosten und Zeitaufwand verbunden sei.
Mit Schreiben vom 9. April 2014, das dem Landratsamt per E-Mail am gleichen Tag um 16.43 Uhr und damit wohl nach Auslauf des nachfolgend unter 3. genannten (streitgegenständlichen) Bescheids vom 9. April 2014 übermittelt wurde, teilte die Mutter der Klägerin mit, dass aufgrund der eingereichten Unterlagen „eindeutig geklärt“ sei, dass die Guthaben bei der Stadtsparkasse … von … und das Sparkonto bei der Sparkasse … vom Großvater der Klägerin (…) angespart worden seien. Bis zu ihrer Volljährigkeit habe die Klägerin darüber nicht verfügen können; das Vermögen habe sich nicht in ihrem „Besitz/Eigentum“ befunden. Die Klägerin habe das Geld an ihrem 18. Geburtstag am 7. November 2010 erhalten. Die Konten seien zwischenzeitlich aufgelöst worden. Auskunft über die Verwendung des Vermögens werde nicht erteilt.
3. Mit (dem streitgegenständlichen) Bescheid vom 9. April 2014 berechnete das Landratsamt die Ausbildungsförderung für den Zeitraum September 2009 bis Juli 2010 neu, setzte die Höhe der monatlichen Ausbildungsförderung auf „0,00 €“ fest und forderte die für den genannten Zeitraum geleistete Ausbildungsförderung in Höhe von 4.933,00 € zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Verfügungen auf § 45 Abs. 2 und § 50 Abs. 1 SGB X beruhten. Der „Rückforderungsbescheid“ ergehe nach pflichtgemäßem Ermessen. Das öffentliche Interesse daran, dass Leistungen aus öffentlichen Mitteln nicht zu Unrecht erbracht und behalten werden, überwiege das Interesse der Klägerin am Bestand des (rechtswidrigen) Bewilligungsbescheids. Vertrauensschutzgründe stünden der Rücknahme der Leistungsgewährung nicht entgegen.
4. Die Klägerin ließ gegen den Bescheid vom 9. April 2014 durch ihre im Verwaltungsverfahren bevollmächtigte Mutter (…) Widerspruch erheben. Zur Begründung wurde mitgeteilt, dass „ethisch gesehen“ ein Geschenk keine Forderung sei. Die Klägerin habe das Festgeldkonto nicht eröffnet und das Geld nicht eingezahlt. Da … bis zur Volljährigkeit der Klägerin im Besitz des Sparbuchs gewesen sei, habe dieser die volle Kontrolle über das vorhandene Geld, das immer noch sein Eigentum gewesen sei, gehabt. Außerdem sei das Geld als Festgeld angelegt gewesen; auch im Zeitraum zwischen Fälligkeit des Sparkassenkapitalbriefguthabens am „6. Oktober 2014“ (gemeint: 4.10.2010) bis zum Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin am 7. November „2014“ (gemeint: 2010) habe … die „volle Handhabe“ über das Geld gehabt. Er sei nicht verpflichtet gewesen, das Guthaben der Klägerin zu schenken, so dass eine Forderung nicht vorgelegen habe. Die Sachbearbeiterin der Bank habe ebenfalls bestätigt, dass die Klägerin bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres keine Verfügungsmöglichkeit über das Geld gehabt habe. Lediglich die Eltern hätten die Möglichkeit gehabt, „dieses Geld einzufordern“; für diese sei es jedoch ethisch nicht vertretbar gewesen, gegen den eigenen Onkel (…) oder Vater (…) vorzugehen und das Geld, das diese „schenken“ wollten, einzufordern und damit einen „Familienstreit“ zu provozieren. Zum Zeitpunkt der BAföG-Antragstellung habe die Klägerin auch nicht gewusst, ob sie das Geld jemals erhalten werde. Von Klägerseite wurde weiter eine Bestätigung der Stadtsparkasse … vorgelegt, wonach hinsichtlich des Sparkassenkapitalbriefs keine Urkunde ausgehändigt worden und eine vorzeitige Verfügung über das Guthaben vor Fälligkeit des fest angelegten Sparbetrags vertraglich nicht vereinbart gewesen sei. Außerdem wurde eine Ablichtung eines „Freistellungsauftrags für Kapitalerträge“ für bei der Stadtsparkasse … anfallende Zinseinnahmen der Klägerin vom 4. Oktober 2004 vorgelegt, auf der weder ein Freibetrag eingetragen noch die Option für den gewollten Sparerfreibetrag gekennzeichnet war.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2015, der an die (bevollmächtigte) Mutter der Klägerin adressiert war, wies die Regierung von … den Widerspruch zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde am 23. Januar 2015 zur Post gegeben und der Mutter der Klägerin mit Übergabeeinschreiben zugestellt.
5. Am 23. Februar 2015 erhob der von der Mutter der Klägerin bevollmächtigte Rechtsanwalt beim Verwaltungsgericht Augsburg Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 9. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom „22.02.2015“. Als Klägerin war die Mutter der Klägerin (…) bezeichnet. Der Klageschrift war der an die Mutter der Klägerin adressierte Widerspruchsbescheid der Regierung von … vom 22. Januar 2015 beigefügt. Im Betreff des Widerspruchsbescheids wird die Klägerin als Auszubildende bzw. Bezieherin der Förderleistungen genannt („Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für Frau … …“). Weiter wird unter Nr. 2. des Entscheidungssatzes ausgeführt, dass „Ihre Tochter“ die Verfahrenskosten „selbst zu tragen“ hat. In der Begründung des Widerspruchsbescheids wird auch erwähnt, dass die Mutter der Klägerin bevollmächtigt sei.
Aufgrund eines richterlichen Hinweises erklärte der Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 22. April 2015, dass es „im Ergebnis“ so sei, dass die Klage der Frau … zuzurechnen sei; deren Mutter …, die in der Klageschrift als Klägerin bezeichnet ist, sei von der Tochter und tatsächlich betroffenen … bevollmächtigt worden. Diese Vollmacht sei auch „im Vorfeld“ anerkannt worden. „Rein vorsorglich“ werde die Klage noch „dahingehend ergänzt“, dass nunmehr Frau … als Klägerin auftrete. Da diese die Betroffene des Verwaltungsaktes sei, sei „eine solche Ergänzung sachdienlich und angezeigt“.
Weiter wurde beantragt,
der „berechtigten Klägerin …“ Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des unterzeichnenden Rechtsanwalts zu gewähren.
Die Klägerin habe vorhandenes Vermögen nicht bewusst verschwiegen. Die betreffenden Guthaben seien „während des Bewilligungszeitraums von September 2009 bis Juli 2010“ vom Großvater der Klägerin bzw. vom Onkel des Vaters der Klägerin angespart worden. Vor Eintritt der Volljährigkeit (am 7.11.2010) habe die Klägerin darüber nicht verfügen können, denn dies sei vertraglich so geregelt gewesen. „Dieses Geld“ habe sich daher auch nicht im Besitz der Klägerin befunden, sondern sei ihr erst mit Volljährigkeit zugeflossen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Klägerin jedoch nicht in einer förderfähigen Berufsausbildung befunden und demnach frei über das Geld verfügen können. Die Guthaben seien auch vor der weiteren Antragstellung verbraucht worden. Im Antragsformular sei (nur) jeweils der Vermögensstand zum Zeitpunkt der Antragstellung abgefragt worden. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt fehlerhafte Angaben gemacht. Somit weise die Klage Erfolgsaussichten auf.
Die dem Prozesskostenhilfeantrag beigefügten Unterlagen enthalten auch Ablichtungen mehrerer Seiten des oben benannten Sparbuchs, das von der Sparkasse … ausgestellt wurde. Eine der Ablichtungen weist folgenden handschriftlichen, jedoch nicht unterzeichneten Zusatz auf:
„Sparbuch …
Anlage von Großvater …
Sparbuch wurde zum 18. Geburtstag
am 07.11.2010 von Herrn … ausgehändigt.“
6. Das Landratsamt tritt für den Beklagten der Klage entgegen und beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen. Es wendet sich weiter auch gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Es bestünden bereits erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Klage. Der angefochtene Widerspruchsbescheid der Regierung von … sei in der Klageschrift bereits datumsmäßig falsch bezeichnet. Weiter sei nach der eindeutigen Bezeichnung in der von einem Rechtsanwalt unterzeichneten und eingereichten Klageschrift … die Klägerin, nicht deren Tochter …. … fehle aber die Klagebefugnis. Einer (subjektiven) Klageänderung (Parteiwechsel auf Klägerseite) werde nicht zugestimmt; eine solche sei auch nicht sachdienlich.
Jedenfalls sei die Klage unbegründet, wie sich aus den Ausführungen in der Begründung des Widerspruchsbescheids ergebe.
7. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts hat keinen Erfolg.
1. Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Bei der dabei vom Gericht anzustellenden vorläufigen Prüfung dürfen im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten gestellt werden. Insbesondere wäre es unzulässig, schwierige Sach- oder Rechtsfragen, die in vertretbarer Weise auch anders beantwortet werden können als von der Beklagtenseite angenommen, bereits in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren zu erörtern und damit den Zugang zu den Gerichten zu versagen (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.2003 – 1 BVR 1526/02 – NJW 2003, 1857). Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt deshalb bereits eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Dies trifft auch dann zu, wenn die Frage nach der Begründetheit der Klage nicht eindeutig in die eine oder andere Richtung zu beantworten ist, sondern erst einer weiteren Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren bedarf (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 29.11.2006 – 12 C 06.2108 – und B. v. 25.11.2013 – 12 C 13.2126 – beide juris).
2. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite kann der Klage nicht bereits wegen Unzulässigkeit eine Erfolgsaussicht abgesprochen werden.
Zwar kann bei einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Klageschrift grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Person der Klagepartei und der Streitgegenstand zutreffend bezeichnet sind, doch trifft dies – wie der vorliegende Fall zeigt – nicht immer zu. Im Interesse des Rechtsschutzsuchenden muss daher unter Berücksichtigung auch der der Klageschrift beigefügten Unterlagen, insbesondere wenn es sich dabei um (angefochtene) Bescheide handelt, gleichsam in einer Gesamtschau ermittelt werden, was dem Rechtsschutzbegehren am ehesten gerecht wird (vgl. z. B. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 82 Rn. 4 und 6; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 82 Rn. 3 f. und 7; jeweils m. w. N.). Erhebt ein Rechtsanwalt allerdings Klage, ohne der Klageschrift weitere Unterlagen beizufügen oder (innerhalb der Klagefrist) nachzureichen, muss ausschließlich auf den Inhalt der Klageschrift, wie er sich aus der Sicht eines verständigen Adressaten darstellt („objektiver Empfängerhorizont“; vgl. § 133 BGB), abgestellt werden.
Vorliegend war der Klageschrift der Widerspruchsbescheid der Regierung von … vom 22. Januar 2015 beigefügt, der sich erkennbar auf den Ausgangsbescheid des Landratsamts vom 19. April 2014 zur betreffenden Förderungsnummer bezieht. Damit ist der Klagegegenstand hinreichend bezeichnet. Bei dem in der Klageschrift genannten Datum des Widerspruchsbescheids – „22.02.2015“ – handelt es sich hinsichtlich der Monatsangabe „02.“ ersichtlich um einen Tippfehler und damit um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die der Rechtsanwalt übersehen hat; aus dem beigelegten Widerspruchsbescheid ergibt sich die zutreffende Monatsbezeichnung „Januar“ jedenfalls zweifelsfrei.
Nach Auffassung der Kammer ist vorliegend auch die Person der Klagepartei durch Auslegung hinreichend sicher zu ermitteln. Die Parteibezeichnung in einer Klageschrift ist Teil der prozessualen Erklärung, Klage zu erheben. Sie ist – wie der gesamte Vortrag in der Klageschrift – der Auslegung zugänglich. Es kommt darauf an, wie die Bezeichnung bei objektiver Würdigung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei einer unrichtigen oder mehrdeutigen Bezeichnung gilt diejenige Person als Verfahrensbeteiligte, die erkennbar durch den Klagegegenstand betroffen wird. Dies ist durch Auslegung des (Schriftsatz-) Rubrums unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Klageschrift zu ermitteln (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 22.3.2001 – 8 B 262/00 – und B. v. 23.9.2013 – 2 B 51/13 -beide juris), wobei zum Inhalt der Klageschrift auch der Inhalt beigefügter Unterlagen, auf die Bezug genommen wird, gehört.
Vorliegend geht die Kammer trotz der nicht sachgerechten Bezeichnung in der Klageschrift und der wenig hilfreichen Ausführungen unter I. des Schriftsatzes vom 22. April 2015 (die im ersten Absatz eher auf eine gewollte Prozessstandschaft schließen lassen, was unzulässig wäre [vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 42 Rn. 60; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 42 Rn. 76]), unter Berücksichtigung des Inhalts des der Klageschrift beigefügten Widerspruchsbescheids – wie oben unter I.5. dargestellt – davon aus, dass nicht die Mutter (…), sondern die Tochter (…) Klägerin im vorliegenden Verfahren ist. Das Gericht hat deshalb das Rubrum in Bezug auf die Person der Klägerin entsprechend geändert (vgl. BVerwG, B. v. 22.3.2001 – 8 B 262.00 – juris). Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur (grundsätzlich ausgeschlossenen) „Umdeutung“ einer von einem Rechtsanwalt so bezeichneten Berufung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung (vgl. z. B. bereits BVerwG, B. v. 12.3.1998 – 2 B 20.98 – NVwZ 1999, 641; BayVGH, B. v. 18.6.1998 – 11 B 98.1516 – juris) bietet keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Denn in der obergerichtlichen wie auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird zunächst ebenfalls darauf abgestellt, ob der Inhalt des anwaltlichen Schriftsatzes, mit dem ausdrücklich (trotz fehlender Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht) „Berufung“ eingelegt wurde, einen Anhalt für einen anderen erklärten Willen des Rechtsmittelführers enthält. Nur dann, wenn kein solcher Anhalt erkennbar ist (und innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO kein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt wird), kann die Berufung ohne weitere Prüfung des Inhalts der Berufungsschrift als nicht statthaft verworfen werden.
Dass (im Gegensatz zur Mutter) die Tochter … durch den angefochtenen Bescheid in eigenen Rechten verletzt sein kann und damit klagebefugt i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO ist, steht außer Frage.
Auf die beklagtenseits aufgeworfene Frage einer subjektiven Klageänderung (Parteiwechsel auf Klägerseite) und deren Sachdienlichkeit (§ 91 VwGO) kommt es daher nicht mehr an.
3. In der Sache kann der Klage allerdings keine hinreichende Erfolgsaussicht beigemessen werden, denn sie dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet sein.
3.1 Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist hinsichtlich der Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 16. Oktober 2009 § 45 Abs. 1, 2 und 4 SGB X; die Rückforderung bestimmt sich nach § 50 SGB X.
Der Leistungsträger kann hiernach nach pflichtgemäßem Ermessen einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, wenn der Begünstigte deswegen nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen durfte, weil dieser auf Angaben beruht, die er mindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Eine derartige Rücknahme war nach § 45 Abs. 1 SGB X vorliegend zulässig, da der betreffende Bewilligungsbescheid von Anfang an rechtswidrig war und die Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 nicht gegeben sind.
Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X); diese sind durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen, der mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden soll (§ 50 Abs. 3 SGB X).
3.2 Der für den Bewilligungszeitraum September 2009 bis Juli 2010 ergangene Bewilligungsbescheid vom 16. Oktober 2009 war zum Erlasszeitpunkt, d. h. von Anfang an rechtswidrig, denn die Klägerin war in der Lage, ihren ausbildungsförderungsrechtlichen Bedarf im Bewilligungszeitraum selbst zu decken.
3.2.1 Nach § 1 BAföG hat ein Auszubildender Anspruch auf Ausbildungsförderung, wenn ihm die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Auf seinen Förderbedarf ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG u. a. eigenes Vermögen anzurechnen. Zum Vermögen des Auszubildenden zählen nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG Forderungen und sonstige Rechte, wobei nach § 28 Abs. 2 BAföG deren Wert zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG müssen Vermögensgegenstände, die der Auszubildende aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann, unberücksichtigt bleiben. Für die anrechnungsfreien Vermögensbeträge nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BAföG sind nach § 29 Abs. 1 Satz 2 BAföG ebenfalls die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend.
Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum, weil die finanziellen Voraussetzungen für eine Förderung nicht vorlagen. Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügte die Klägerin über ausreichendes Vermögen in Form von Guthaben, so dass ihr auch unter Berücksichtigung des Freibetrags in Höhe von 5.200,00 € (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG) keine Ausbildungsförderung für die Monate September 2009 bis Juli 2010 zustand.
3.2.2 Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist davon auszugehen, dass die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung vorhandenen Guthaben in Höhe von 5.000,00 € und 719,07 € bei der Stadtsparkasse … (Sparkassenkapitalbrief Nr. … und Sparkonto Nr. …) und in Höhe von 4.586,29 € bei der Sparkasse … (Sparkonto Nr. …), die Forderungen gegen die beiden Sparkassen darstellten (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG), anrechenbares Vermögen der Klägerin waren.
3.2.2.1 Bei dem Guthaben in Höhe von 5.000,00 € bei der Stadtsparkasse … (Sparbrief Nr. …), für das eine Sparurkunde nicht ausgestellt wurde, handelte es sich um förderrechtlich verwertbares Vermögen der Klägerin.
Inhaber eines Kontos und Gläubiger des darauf eingezahlten Betrags ist nach den hierfür auch ausbildungsförderungsrechtlich maßgeblichen zivilrechtlichen Grundsätzen derjenige, der nach dem von der Bank erkennbaren Willen des Kunden im Zeitpunkt der Kontoeröffnung Gläubiger des Guthabens werden sollte (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 17.10.2012 – 12 ZB 12.184 – unter Verweis auf BVerwG, U. v. 4.9.2008 – 5 C 12.08 – BVerwGE 132, 21 ff. Rn. 12 und OVG NRW, U. v. 21.10.2011 – 12 A 2774/09 – juris). Dabei kommt den Kontoeröffnungsunterlagen indizieller Charakter dahingehend zu, als ein sich aus diesen ohne schriftlich fixierte Vorbehalte ergebender Kontoinhaber regelmäßig als Gläubiger der Forderung anzusehen ist.
In dem vorgelegten „Kaufauftrag“ vom 4. Oktober 2004, der von der Sparkasse gegengezeichnet und damit angenommen worden war, war ausschließlich die Klägerin als „Kontoinhaber = Gläubiger“ benannt. Hinweise, die auf eine Mitinhaberschaft und/oder Mitverfügungsberechtigung des … hindeuten könnten, sind nicht erkennbar. Insbesondere wurde nach dem klägerischen Vortrag auch keine Sparbriefurkunde, aus der sich möglicherweise eine Mitverfügungsberechtigung des … ergeben könnte, ausgestellt. Aus der im Verwaltungsverfahren beigebrachten Bestätigung der Stadtsparkasse … vom 14. Februar 2014 ergibt sich ebenfalls nicht, dass … Mitinhaber oder Mitverfügungsberechtigter gewesen wäre.
Dass der Kapitalbetrag bis zum 4. Oktober 2010 fest angelegt war, ändert an der Verwertbarkeit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG nichts, denn die Klägerin – als beschränkt geschäftsfähige Minderjährige gesetzlich vertreten durch ihre sorgeberechtigten Eltern (§ 106, § 1626 Abs. 1 Satz 1, § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB) – hätte dieses Guthaben jedenfalls beleihen können (vgl. z. B. VG Augsburg, U. v. 30.1.2009 – Au 3 K 08.1357 – juris). Insoweit kann ein Lastenabschlag nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG (wegen eventuell anfallender „Nebenkosten“ wie z. B. Darlehenszinsen) nicht berücksichtigt werden, denn mangels konkreter einschlägiger Angaben der Klägerin könnte allenfalls spekuliert werden, in welcher Höhe gegebenenfalls solche Lasten angefallen wären. Rein spekulative Zahlen sind jedoch vom Lastenbegriff des § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht erfasst (vgl. VG Würzburg, U. v. 12.11.2009 – W 3 K 09.447 – bestätigt durch BayVGH, B. v. 10.12.2011 – 12 ZB 10.113 – beide juris).
Die Aufnahme eines (durch den Sparbrief abgesicherten) Kredits hätte für die Klägerin auch keine unbillige Härte i. S. d. § 29 Abs. 3 BAföG bedeutet. Die Härteregelung ist als Ausnahmevorschrift eher eng auszulegen. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. bereits U. v. 13.6.1991 – 5 C 33.87 – BVerwGE 88, 303 und juris) ist davon auszugehen, dass das Maß dessen, was einem Auszubildenden bei der Verwertung seines Vermögens wirtschaftlich zumutbar ist, nicht zu gering veranschlagt werden kann; andernfalls würde die Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass es einem Auszubildenden im Regelfall zuzumuten sei, vorhandenes Vermögen oberhalb der Freibeträge im Grundsatz voll für die Ausbildung einzusetzen, über die Anwendung der Härtevorschrift unterlaufen. Dass es sich bei dem Sparkassenkapitalbrief letztlich um Zuwendungen des Onkels des Vaters der Klägerin (…) handelte, ist ohne Bedeutung. Die „ethischen Bedenken“ der Mutter der Klägerin, die diese gegen eine Verwertung des Guthabenbetrags im Schreiben vom 2. Juni 2014 geltend machte, entbehren jeder rechtlichen Relevanz.
3.2.2.2 Das Sparguthaben in Höhe von 719,07 € bei der Stadtsparkasse … (Sparkonto Nr. … mit gesetzlicher Kündigungsfrist und ohne Kündigungssperrfrist) ist ebenfalls als zum maßgeblichen Zeitpunkt rechtlich verwertbares Vermögen der Klägerin zu qualifizieren. Auf dieses Sparkonto flossen die Zinseinkünfte aus dem o.g. Sparbriefguthaben (5.000,00 €).
In dem vorgelegten Kontoeröffnungsantrag vom 4. Oktober 2004 für das Sparkonto Nr. … ist ebenfalls ausschließlich die Klägerin als Kontoinhaberin bezeichnet und durch Ankreuzen festgelegt, dass „Gläubiger der Spareinlage“ „der Kontoinhaber“ ist. Eine gewollte Mitinhaberschaft oder Mitverfügungsberechtigung des … kann dem Antrag nicht entnommen werden. Zwar ist unter „1. Verfügungsberechtigung bei Gemeinschaftskonto:“ die Option „Einzelverfügungsberechtigung“ gekennzeichnet, doch hatte dies nach dem nachfolgenden Text nur dann Bedeutung, wenn mehrere Personen Kontoinhaber sind. Nachdem im Feld „Kontoinhaber (Angaben zur Person und Anschrift)“ nur Name und Adresse der Klägerin angegeben sind, ist die Kennzeichnung irrelevant; aus ihr kann nicht im Rückschluss entnommen werden, dass … ebenfalls Kontoinhaber und Gläubiger der Forderung werden sollte. Somit kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die Klägerin (gesetzlich vertreten durch ihre Eltern) mit Kontoeröffnung verfügungsberechtigte Alleininhaberin war. Nichts anderes ergibt sich auch aus der im Verwaltungsverfahren beigebrachten Bestätigung der Stadtsparkasse … vom 14. Februar 2014. Aus den genannten Gründen kann auch nicht angenommen werden, dass sich … die Mitinhaberschaft und/oder Mitverfügungsberechtigung über die durch des Sparbuch verbriefte Forderung gegen die Sparkasse „bis zu seinem Tod“ dadurch hat erhalten wollen und können, dass er das Sparbuch (nach klägerischem Vortrag) in seinem Besitz gehalten hat (vgl. dazu BGH, U. v. 18.1.2005 – X ZR 264/02 – NJW 2005, 980). Da keine späteren Vereinbarungen zwischen … und der Stadtsparkasse … und/oder der Klägerin (vertreten durch die Eltern) getroffen wurden, muss davon ausgegangen werden, dass sich hinsichtlich der Berechtigung der Klägerin in Bezug auf das Sparkonto auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt keine Änderungen ergeben hatten.
Der Vortrag der Mutter der Klägerin (Schreiben vom 2. Juni und 21. Juli 2014 an das Landratsamt), dass (der zwischenzeitlich verstorbene) … das betreffende Sparbuch in seinem Besitz gehalten und der Klägerin erst zu deren Geburtstag, an dem sie volljährig wurde, ausgehändigt habe, begründet keine durchgreifenden Zweifel daran, dass das Sparguthaben zum maßgeblichen Zeitpunkt verwertbar war. Zwar handelt es sich bei einem Sparbuch um ein Namenspapier mit Inhaberklausel, bei dem der Schuldner der verbrieften Forderung nur gegen Aushändigung der Urkunde an den Gläubiger zur Leistung verpflichtet ist (§ 808 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Legitimationswirkung i. S. v. § 808 BGB hat zur Folge, dass seitens der Banken und Sparkassen grundsätzlich die Vorlage des Sparbuchs verlangt wird, was sich nach den Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U. v. 11.12.2007 – 12 B 07.1091 – juris) im Übrigen auch aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken für Sparkonten bzw. dem entsprechenden Satzungsrecht der Sparkassen ergibt. Das sich hieraus zunächst ergebende faktische Unvermögen der durch ihre Eltern vertretenen Klägerin, das Geld abzuheben, wäre jedoch überwindbar gewesen. Zum einen erscheint die Annahme, dass der Großonkel der Klägerin (…) einer entsprechenden Bitte, das Sparbuch an die Klägerin bzw. deren Eltern schon vor Volljährigkeit der Klägerin herauszugeben, um dieser die Finanzierung einer Ausbildung zu ermöglichen, nicht entsprochen hätte, als lebensfremd. Dies wird letztendlich auch durch den weiteren Geschehensablauf bestätigt, denn ein gutes Jahr später hat … das Sparbuch tatsächlich übergeben. Zum anderen hätte die Klägerin auch einen Anspruch auf Herausgabe des Sparbuchs nach § 985 BGB gehabt. Denn die Klägerin war nach § 952 Abs. 1 BGB als alleinige Inhaberin der verbrieften Forderung auch Alleineigentümerin des Sparbuchs. Da der Großonkel der Klägerin nach den obigen Darlegungen auch kein (Mit-)Verfügungsrecht über die Forderung hatte, ist auch nicht erkennbar, dass er am Sparbuch ein Besitzrecht i. S. d. § 986 BGB hatte, das er dem eigentumsrechtlichen Herausgabeanspruch der Klägerin hätte entgegenhalten können.
Dass die Verwertung des Sparguthabens bei der Stadtsparkasse … zum Zweck der Ausbildungsfinanzierung eine unbillige Härte i. S. d. § 29 Abs. 3 BAföG dargestellt hätte, ist aus den oben unter 3.2.2.1 genannten Gründen ebenfalls nicht erkennbar.
3.2.2.3 Auch hinsichtlich des bei der Sparkasse … vorhandenen Sparguthabens (Sparkonto Nr. …) ist von einer verwertbaren Forderung der Klägerin auszugehen. Das im Verwaltungsverfahren in Ablichtung auszugsweise vorgelegte Sparbuch weist allein die Klägerin als Forderungsinhaberin aus. Eine Verfügungsberechtigung zugunsten des Großvaters der Klägerin oder einer anderen Person wird daraus nicht ersichtlich. In der Bestätigung der Sparkasse … vom 7. Februar 2014 wird ebenfalls ausschließlich die Klägerin als Berechtigte genannt. Die Klägerseite hat zwar vorgetragen, dass die Klägerin bis zum Eintritt ihrer Volljährigkeit (7.11.2010) und damit zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung über das Guthaben nicht habe verfügen können, worüber eine Bestätigung des Großvaters der Klägerin, der das Sparkonto angespart habe, vorgelegt werden könne; sie hat jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch gegenüber dem Verwaltungsgericht (wo sie anwaltlich vertreten wird) substantiierte Angaben dazu gemacht, welche tragfähigen Gründe einer Verwertbarkeit entgegengestanden hätten. Sie hat weiter auch der ausdrücklichen Aufforderung zur Vorlage u. a. des betreffenden gegenüber der Sparkasse … abgegebenen Kontoeröffnungsantrags (Schreiben des Landratsamts vom 11.3.2014) keine Folge geleistet. Vielmehr hat der Vater der Klägerin dem Landratsamt am 11. März 2014 telefonisch mitgeteilt, dass er und seine Ehefrau (bevollmächtigte Mutter der Klägerin) keine weiteren Unterlagen und Nachweise mehr vorlegen würden. Nach den bekannten Umständen des Falles bestehen daher keine Zweifel an der Verwertbarkeit. Darüber hinaus muss in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt werden, dass die Umstände, die möglicherweise einer Verwertbarkeit des Sparguthabens bei der Sparkasse … i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG entgegenstehen könnten, allein der Sphäre der Klägerin zuzuordnen sind und diese deshalb eine gesteigerte Mitwirkungspflicht bei der Sachaufklärung hat, der sie nicht nachgekommen ist. Dies bewirkt – insbesondere auch wegen der hohen Missbrauchsgefahr des Ausbildungsförderungsrechts – nach obergerichtlicher Rechtsprechung eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zur Frage des Vorhandenseins anzurechnenden Vermögens (vgl. z. B. NdsOVG, B. v. 12.1.2015 – 4 LA 139/14 – juris).
An dieser Beurteilung vermag auch der in den Prozesskostenhilfeunterlagen enthaltene handschriftliche Vermerk, dass der Großvater der Klägerin das Sparbuch erst zum 18. Geburtstag am 7. November 2010 ausgehändigt habe, nichts zu ändern. Selbst wenn das tatsächlich so gewesen wäre, wäre dies nach den obigen Darlegungen unter 3.2.2.2 noch kein hinreichender Beleg dafür, dass die Klägerin vorher nicht über das Konto hätte verfügen können. Letzteres kann nur unter Auswertung des Inhalts der Kontoeröffnungsunterlagen verifiziert werden, deren Vorlage klägerseits jedoch abgelehnt wurde.
Dass die Verwertung des Sparguthabens bei der Sparkasse … eine unbillige Härte i. S. d. § 29 Abs. 3 BAföG dargestellt hätte, ist aus den oben unter 3.2.2.1 genannten Gründen ebenfalls nicht erkennbar.
3.2.3 Da somit nach Aktenlage davon auszugehen ist, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt sämtliche Guthaben bei den genannten Sparkassen für die Klägerin, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, verwertbar waren, ergibt sich – einschließlich des von der Klägerin bei der Antragstellung angegebenen weiteren Vermögens (59,03 €) – ein verwertbares Vermögen zum Zeitpunkt der (ersten) Antragstellung der Klägerin am 23. September 2009 von insgesamt 10.364,39 €. Das den Freibetrag nach § 29 Abs. 1 Satz Nr. 1 BAföG in Höhe von 5.200,00 € übersteigende verwertbare Vermögen betrug damit 5.164,39 €.
Auf den Bewilligungszeitraum September 2009 bis Juli 2010 (= 11 Monate) verteilt (§ 30 BAföG), standen der Klägerin somit 469,49 € an verwertbarem Vermögen je Monat zur Verfügung, womit der ausbildungsförderungsrechtliche Bedarf jeweils hätte gedeckt werden können. Da somit der Klägerin für den genannten Bewilligungszeitraum keine Förderungsleistungen zustanden, war der Bewilligungsbescheid vom 18. Oktober 2009 von Anfang an rechtswidrig.
3.2.4 Die Klägerin kann sich gegenüber der Rücknahme des Bewilligungsbescheids nicht auf Vertrauensschutz berufen, da dieser auf Angaben beruhte, die die Klägerin jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X).
Die Klägerin hat im Antrag vom 23. September 2009 die genannten Guthaben bei den Sparkassen … und … nicht angegeben. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X), weil schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BVerwG, B. v. 18.3.2009 – 5 B 10/09 – juris). Selbst wenn man davon ausginge, dass der Klägerin selbst die Guthaben bei den beiden Sparkassen nicht bekannt waren (was im Übrigen so nicht ausdrücklich geltend gemacht wird), kann ihr der Vorwurf nicht erspart werden, dass sie zumindest grob fahrlässig Vermögen nicht angegeben hat. Auch wenn die Klägerin zum Antragszeitpunkt zwar sozialrechtlich handlungsfähig (§ 36 Abs. 1 Satz 1 SGB I) aber noch nicht volljährig, sondern (erst) 16 Jahre und 10 Monate alt war, hätte es sich ihr aufdrängen müssen, bei ihren Eltern nachzufragen, ob noch zusätzliches Vermögen vorhanden ist. Denn der Klägerin musste aufgrund der Hinweise im Antragsformblatt, das sie unterzeichnet hat, die Bedeutung der Angaben zum vorhandenen Vermögen bewusst gewesen sein. Gerade weil sie seinerzeit noch minderjährig war und als Minderjährige in vermögensrechtlichen Angelegenheiten von ihren Eltern gesetzlich vertreten wurde, somit selbst möglicherweise keinen Gesamtüberblick über ihr Vermögen hatte, lag eine solche Nachfrage nahe. Darüber hinaus enthielt die „Anlage zum Formblatt 1“, mit dem eine Bankbestätigung über die Höhe vorhandener Guthaben beizubringen war und das von der Klägerin auch unterschrieben wurde, auf der Rückseite u. a. folgenden Hinweis: „Bitte vergewissern Sie sich, ob auf Ihren Namen Vermögensanlagen getätigt werden, da auch solche Kapitalwerte anzugeben sind.“ Dass sie dies unterlassen hat, muss als grob fahrlässig gewertet werden (vgl. VG Schleswig, U. v. 30.4.2008 – 15 A 140/07 – juris). Es besteht weiter auch kein Grund zu der Annahme, dass den Eltern der Klägerin oder zumindest einem Elternteil die betreffenden Guthaben nicht bekannt waren. Bezüglich des Sparkassenkapitalbriefs ergibt sich eine Kenntnis der Mutter schon daraus, dass diese den Kaufauftrag mit unterzeichnet hat. Hinsichtlich des Sparguthabens bei der Sparkasse … hat sich die Klägerseite geweigert, den Kontoeröffnungsantrag, aus dem ersichtlich gewesen wäre, von wem dieser unterzeichnet worden war, dem Landratsamt vorzulegen. Darüber hinaus wurde nicht substantiiert vorgetragen, dass die Eltern keine Kenntnis von dem genannten Sparguthaben hatten.
3.2.5 Das Landratsamt konnte daher innerhalb der Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nach pflichtgemäßem Ermessen den Bescheid vom 16. Oktober 2009 zurücknehmen.
Dass mit Erlass des Bescheids über die Neuberechnung der Ausbildungsförderung vom 9. April 2014 die Jahresfrist eingehalten wurde, liegt angesichts dessen, dass das Landratsamt (erst) im Mai 2013 das Ergebnis des Datenabgleichs nach § 45d EStG zur Kenntnis bekommen hat, auf der Hand.
Die Ermessensausübung durch das Landratsamt, die nach § 114 VwGO lediglich einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, kann ebenfalls nicht beanstandet werden. Ausweislich der kurzen, aber dennoch ausreichenden Begründung des angefochtenen Bescheids war sich die Behörde bewusst, dass sie Ermessen auszuüben hatte. Die angestellten Ermessenserwägungen weisen keine Rechtsfehler auf.
3.3 Da somit der Bewilligungsbescheid in rechtmäßiger Weise aufgehoben wurde, war die geleistete Förderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwingend zurückzufordern. Insoweit stand der Behörde kein Ermessensspielraum zur Verfügung. Das bedeutet, dass der angefochtene Bescheid insgesamt rechtmäßig ist. Die Klage wird daher voraussichtlich keinen Erfolg haben.
4. Nachdem somit bereits keine hinreichende Erfolgsaussicht erkennbar ist, kommt es auf die Frage, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfüllt sind, nicht mehr an.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts der Klägerin ist daher abzulehnen.

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