Aktenzeichen M 12 K 17.1457
BayVwVfG Art. 48
Leitsatz
1. Die Behörde genügt bei einer Dienstunfallanerkennung ihrer Beweislast bei der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts, dessen Voraussetzungen der Beamte zu beweisen hatte, schon durch den Nachweis, dass beim Erlass des Verwaltungsakts dessen Voraussetzungen nicht nachgewiesen waren (stRspr BayVGH BeckRS 2018, 3003). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hier: Ursprüngliche Anerkennung eines knöchernen Ausrisses mit deutlicher Calcification der ischiocruralen Muskulatur als Folge eines – insoweit zu Recht – als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses, wenn rückblickend bei späterer Überprüfung des Anerkennungsbescheides ein Schadenseintritt gerade durch den Unfall nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Bayerische Verwaltungsgericht München ist gem. § 52 Abs. 4 Satz 1 VwGO örtlich zuständig, da die Klägerin, die bei der … … arbeitet, ihren dienstlichen Wohnsitz in München und damit im Zuständigkeitsbereich des Gerichts hat.
Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
I.
Soweit die Klägerin die Aufhebung der Nr. 3 des Bescheids der Beklagten vom 10. Juli 2015 begehrt, ist die erhobene Anfechtungsklage nicht statthaft und damit unzulässig. Vielmehr hätte die Klägerin eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage unter Bezeichnung der weiteren anzuerkennenden Körperschäden erheben müssen.
Soweit sich die Klage gegen Nr. 5 des Bescheids vom 10. Juli 2015 richtet, ist die Klage mangels Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig. Die Regelung, dass der Klägerin bereits endgültig gewährte Versorgungsleistungen belassen werden, ist ausschließlich begünstigend. Dass die Klägerin hierdurch in ihren Rechten verletzt wäre, wurde weder geltend gemacht noch ist dies anderweitig ersichtlich.
II.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
1. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Juli 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 23. März 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Die Rücknahme des Bescheids vom 9. Dezember 2009 mit Wirkung für die Vergangenheit hinsichtlich der darin anerkannten Dienstunfallfolge „Knöcherner Ausriss mit deutlicher Calcification der ischio-cruralen Muskulatur rechtes Becken“ ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der teilweisen Rücknahme in Nr. 1a des angefochtenen Bescheids ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor, da Nr. 2 des Bescheids vom 9. Dezember 2009 rechtswidrig ist. Nach ständiger Rechtsprechung genügt bei einer Dienstunfallanerkennung die Behörde ihrer Beweislast bei der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts, dessen Voraussetzungen – wie vorliegend – der Beamte zu beweisen hatte, schon durch den Nachweis, dass beim Erlass des Verwaltungsakts dessen Voraussetzungen nicht nachgewiesen waren (BayVGH, B.v. 27.2.2018 – 3 ZB 16.938 – juris; B.v. 4.8.2014 – 3 ZB 12.2647 – juris; B.v. 10.3.2014 – 3 ZB 12.914 – juris mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 60). Dies bedeutet vorliegend, dass der Beklagte seiner materiellen Beweislast im Rahmen des Art. 48 BayVwVfG dadurch genügt, dass er nachweist, dass bei Erlass des Bescheids vom 9. Dezember 2009, mit dem das Landesamt für Finanzen einen knöchernen Ausriss mit deutlicher Calcification der ischio-cruralen Muskulatur rechtes Becken als Folge des Dienstunfalls vom … Dezember 2008 anerkannt hat, die Voraussetzungen für die Anerkennung dieses Körperschadens nicht vorgelegen haben.
Die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG für die Anerkennung eines knöchernen Ausrisses mit deutlicher Calcification der ischiocruralen Muskulatur als Folge des zu Recht als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom … Dezember 2008 lagen zum Zeitpunkt des ursprünglich anerkennenden Bescheids nicht vor.
Nach der Legaldefinition des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder als Folge des Dienstes eingetreten ist. Als Folgen eines Dienstunfalls können nur Körperschäden anerkannt werden, die durch diesen verursacht wurden.
Ein äußeres, den Dienstunfall verursachendes Ereignis kann dabei nicht nur ein physisch auf den Körper des Beamten einwirkendes Ereignis sein, sondern auch ein solches, das nur mittelbar krankhafte Vorgänge im Körper auslöst, etwa durch die Verursachung eines seelischen Schocks (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.1970 – juris Rn. 14). Unter einem Körperschaden im Sinne des Dienstunfallrechts ist jede über Bagatelleinbußen hinausgehende Verletzung der körperlichen oder seelischen Integrität zu verstehen, mithin auch eine als Folge einer Traumatisierung eingetretene seelische Erkrankung (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2009 – 2 C 134.07 – juris Rn. 24).
Als Ursachen im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung sind nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Der Ursachenzusammenhang ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn außer dem Unfall auch andere Umstände (namentlich eine anlage- oder schicksalsbedingte Krankheit oder ein anderes Unfallereignis) als Ursachen in Betracht kommen. In derartigen Fällen ist der Dienstunfall vielmehr dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt (vgl. BVerwG, U.v. 7.5.1999 – 2 B 117/98 – juris).
Löst ein Unfallereignis ein bereits vorhandenes Leiden aus oder beschleunigt oder verschlimmert es dieses, so ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen „der letzte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte“ bei einer Krankheit, „die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war“. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der krankhaften Veranlagung) derartig zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist. Nicht Ursache im Rechtssinn sind demgemäß sogenannte Gelegenheitsursachen, d.h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, d.h. wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2009 – 2 C 134.07 – juris Rn. 26; U.v. 18.4.2002 – 2 C 22.01 – juris Rn. 10; OVG NRW, U.v. 6.5.1999 – 12 A 2983/96 – juris Rn. 50; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Anm. 1 a und 5 zu § 31).
Der Grundgedanke dieser aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung übernommenen Kausaltheorie liegt darin, dass der Dienstherr nicht für Folgen haften soll, die nicht seiner Risikosphäre zugerechnet werden können. Die beamtenrechtliche Unfallfürsorge darf nicht dazu führen, dass dem Beamten jedes denkbare Risiko abgenommen wird, auch wenn es sich in gar keiner Weise aus dem Dienst ableitet; vielmehr kann nur eine solche Risikoverteilung sinnvoll sein, die dem Dienstherrn die eigentümlichen und spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit auferlegt, dagegen dem Beamten mindestens die Risiken belässt, die sich aus seinen persönlichen Anlagen und etwa bereits bestehenden Beeinträchtigungen seines Gesundheitszustandes ergeben. Körperschäden auch psychischer Art sind so dem individuellen Lebensschicksal des Beamten und damit seinem Risikobereich zuzurechnen, wenn der Körperschaden jederzeit auch außerhalb des Dienstes bei einer im Alltag vorkommenden Belastungssituation hätte eintreten können (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.2002, a.a.O., juris Rn. 11).
Für das Vorliegen eines Dienstunfalls, eines Körperschadens und der Ursächlichkeit des Dienstunfalls für den Körperschaden ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, sowohl für das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch dafür, dass die Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Bleibt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht offen, ob die anspruchsbegründenden Voraussetzungen erfüllt sind, geht dies damit zu Lasten des Beamten. Ein Anspruch ist nur dann zuzuerkennen, wenn sowohl das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch der Kausalzusammenhang mit dem Dienstunfallgeschehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 81.08 – NVwZ 2010, 708; BVerwG, B.v. 4.4.2011 – 2 B 7.10 – juris).
Gemessen an diesen Vorgaben ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin durch den Dienstunfall vom … Dezember 2008 nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen knöcherner Ausriss mit deutlicher Calcification der ischiocruralen Muskulatur erlitten hat und damit die Voraussetzungen für die Anerkennung dieses Körperschadens nicht vorlagen.
In seinem orthopädischen Gutachten vom 25. Juli 2014 kommt der sachverständige Zeuge in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass ein knöcherner Ausriss ausgeschlossen werden kann und als Unfallfolge nur eine Zerrung bzw. eine kleinere Rissbildung im Bereich der ischiocruralen Muskulatur in Betracht kommt. Er begründet diese Auffassung schlüssig damit, dass sämtliche vorliegenden Röntgenaufnahmen des Beckens keine Hinweise für eine knöcherne Verletzung, insbesondere keinen knöchernen Ausriss der Muskulatur vom Tuber ossis ischii erkennen lassen und folglich ein Dauerschaden auf Grund einer Verletzung der ischiocruralen Muskulatur im Ansatzbereich bzw. sehnigen oder muskulären Verlauf daher nicht angenommen werden kann. Wesentliche Befunde stellen nach Angaben des sachverständigen Zeugen demnach vielmehr degenerative Veränderungen im Bereich der LWS mit Bandscheibendegeneration, Höhenminderung, leichten Bandscheibenprotrusionen sowie Spondylarthrosen in den Etagen L3/4 und L4/5 bei fehlstatischen Veränderungen im Sinne eines Rundrückens mit deutlicher Hyperlordose der LWS, Verdacht auf beginnende Spondylolisthesis L5/S1, endgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk bei geringer Dysplasiehüfte, geringfügiges Streckdefizit an beiden Kniegelenken, Knick-Senk-Spreizfuß rechts, geringer links dar, die nicht im Zusammenhang mit dem Ereignis vom … Dezember 2008 stehen, sondern Folge krankhafter Veränderungen sind. Der sachverständige Zeuge kommt infolgedessen schlüssig zu dem Ergebnis, dass von einer Zerrung, möglicherweise auch einer Teilruptur im Bereich der ischiocruralen Muskulatur rechts als Folge des Ereignisses vom … Dezember 2008 auszugehen ist, von der auf Grund der bildgebenden Diagnostik Folgen nicht verblieben sind.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. Februar 2015 führt der sachverständige Zeuge weiter begründend aus, dass er Röntgenaufnahmen aus dem Röntgeninstitut der … M… habe einsehen können, die keine Hinweise für eine durchgemachte knöcherne Verletzung gezeigt haben. Gleiches gelte für Röntgenaufnahmen aus der Praxis W… vom 4. September 2009 sowie aus dem Orthopädischen Chirurgischen Zentrum Dr. B… und Kollegen in T… vom 29. Januar 2014 sowie Kernspintomographieaufnahmen aus dem Röntgeninstitut Dr. V… aus R… vom 7. März 2011. Diese Aufnahmen ließen keinen Sehnenabriss erkennen. Zu dem gleichen Ergebnis seien auch die Ärzte aus der Abteilung für Sportorthopädie der … M… gekommen, wo die Klägerin kurze Zeit nach dem Unfall klinisch und radiologisch untersucht worden sei. Von dort sei am 2. März 2009 berichtet worden, dass sich kein Hinweis auf ossäre Verletzungen gezeigt hätten. Auch in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T… sei kein knöcherner Ausriss beschrieben worden. In der fachradiologischen Beurteilung der Kernspintomographie vom 24. Juni 2009 aus dem Röntgeninstitut R… sei ein Sehnenabriss oder eine knöcherne Verletzung ausdrücklich ausgeschlossen worden. Sehnenabrisse ohne knöcherne Beteiligung wären an der betroffenen Körperregion als ungewöhnlich zu bezeichnen. Zudem sei auch eine solche Möglichkeit durch den Radiologen Dr. V… in der Befundung der MRT-Aufnahmen vom 25. Juni 2009 ausgeschlossen worden („kein Sehnenabriss, keine knöcherne Verletzung“). Grundsätzlich bestünden zudem im Fall eines Sehnenabrisses auffällige klinische Befunde, die bei der Erstuntersuchung nicht hätten übersehen werden können. Ausdrücklich sei im Erstbefund festgestellt worden, dass eine Muskellücke nicht tastbar gewesen sei.
An der Sachkunde und Unparteilichkeit des sachverständigen Zeugen bestehen für die Kammer keine Zweifel. Nach ständiger Rechtsprechung stellen im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässige Beweismittel dar, sofern sie inhaltlich und nach der Person des Sachverständigen den Anforderungen entsprechen, die an ein gerichtliches Gutachten zu stellen sind (BVerwG, B.v. 20. 2.1998 – 2 B 81/97 – juris). Die von einer Verwaltungsbehörde bestellten Gutachter sind grundsätzlich als objektiv urteilende Gehilfen der das öffentliche Interesse wahrenden Verwaltungsbehörde und nicht als parteiische Sachverständige anzusehen (BVerwG, U.v. 28. 8.1964 – VI C 45.61 – juris).
Das Gericht folgt den überzeugenden und in sich schlüssigen Ausführungen des Gutachtens. Das Gutachten überzeugt nach Methodik und Durchführung der Erhebungen. Der sachverständige Zeuge hat die relevanten Gutachten und Befunde der Akten umfassend ausgewertet und im Rahmen der Anamnese die Beschwerden der Klägerin ausführlich eruiert. Aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin hat er des Weiteren einen umfassenden Untersuchungsbefund erstellt. Seine Folgerungen beruhen sowohl auf eigenen medizinischen Erkenntnissen als auch auf Befunden, die in nachprüfbarer Weise in dem Gutachten selbst angegeben sind. Das Gutachten ist nachvollziehbar und weist keine offen erkennbaren Mängel auf.
Überzeugend weist der sachverständige Zeuge insbesondere darauf hin, dass sich aus den Befunden der Röntgen- und Kerspinuntersuchungen keine Hinweise auf eine knöcherne Verletzung oder einen Sehnenabriss ergeben. Dies wird auch durch eine Vielzahl ärztlicher Befunde bestätigt:
– So wurde von der erstbehandelnden Abteilung für Sportmedizin der … M… mit Schreiben vom 2. März 2009 mitgeteilt, dass sich bei der bildgebenden Untersuchung der rechten Hüfte in 2 Ebenen incl. Oberschenkel und Kniegelenk vom Unfalltag kein Hinweis auf eine ossäre Verletzung im Sinne eines knöchernen Muskelausrisses gezeigt habe. Infolgedessen sei lediglich die Verdachtsdiagnose einer Partialruptur der Ischiocruralmuskulatur rechts möglich gewesen.
– Auch im Befundbericht von Dr. … vom 12. Dezember 2008 wurden keine Frakturhinweise an der BWS sowie an Hüfte und Oberschenkel festgestellt.
– Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T… diagnostizierte mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 lediglich einen Muskelfaserriss am proximalen Ansatz der Ischiocruralmuskulatur rechts und bestätigt damit die Diagnose des sachverständigen Zeugen.
– Im Zwischenbericht der Abteilung für Sportmedizin der … M… vom 2. April 2009 wurde ebenfalls lediglich ein Z.n. Läsion der prox. ischiocruralen Muskulatur und ein LWS-Syndrom diagnostiziert.
– Im Bericht des Röntgeninstituts Dres. J… und V… vom 25. Juni 2009 wurden weder beim MRT der Wirbelsäule noch der Beckenregion Frakturen festgestellt. Eine knöcherne Verletzung oder ein Sehnenabriss wurden ausdrücklich verneint.
– Auch Herr H… führt in seinem Schreiben vom 27. Januar 2010 aus, dass eine Absprengung am Sitzbeinhöcker nicht nachzuweisen war.
Die Ausführungen des sachverständigen Zeugen werden durch anderweitige ärztliche Stellungnahmen nicht durchgreifend in Frage gestellt:
– Dr. W… diagnostiziert zwar in seinem Gutachten vom 3. November 2009 einen knöchernen Ausriss mit deutlicher Calcifikation der ischiocruralen Muskulatur rechtes Becken. In der mündlichen Verhandlung hat der sachverständige Zeuge hierzu aber überzeugend ausgeführt, dass es nicht erklärlich sei, wie es zu dieser Beurteilung gekommen sei, nachdem in derselben Praxis zuvor am 4. September 2009 ein Röntgenbild gemacht worden sei, das einen solchen Ausriss nicht darstelle. Diese Beurteilung des sachverständigen Zeugen wird insbesondere durch die nur wenige Monate zuvor durchgeführte kernspintomographische Untersuchung der Beckenregion durch Dr. V… am 25. Juni 2009 (Bl. 203 der BA) bestätigt, bei der ein Sehnenabriss oder eine knöcherne Verletzung ausdrücklich ausgeschlossen worden sind.
– Aus diesem Grund ist auch der Arztbericht der Abteilung für Sportmedizin der … M… vom 1. Februar 2010 und das Schreiben des Prof. I… an Herrn H… vom 18. Februar 2010 nicht schlüssig, in denen jeweils ein alter ossärer Ausriss der ischiocruralen Muskulatur diagnostiziert wird. Dies gilt umso mehr als seitens derselben Abteilung am Unfalltag eine ossäre Verletzung aufgrund der dort durchgeführten Röntgenuntersuchung ausgeschlossen wurde.
– Die Diagnose eines össären Abrisses wurde in der Folge offenbar von Herrn H… (Schreiben vom 26. März 2010, 27. März 2013, 15. August 2013), der Gemeinschaftspraxis S…B… (Schreiben vom 15. Mai 2010), Herrn D… (Schreiben vom 30. August 2013), dem Orthopädisch-Chirurgischen Centrum (Schreiben vom 3. Februar 2014) sowie im Arztbericht der … M… vom 17. März 2014 als gegeben übernommen, ohne dass sich aus diesen Schreiben und Berichten ein Anhaltspunkt dafür ergäbe, weshalb entgegen der o.g. zahlreichen bildgebenden Befunde dennoch von einem ossären Ausriss auszugehen wäre. Dies gilt auch für das im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Gutachten der P… GmbH vom 1. Februar 2018, deren Diagnose eines bloßen Verdachts auf einen nicht erkannten Ausriss der ischiocruralen Muskulatur offensichtlich allein auf den anamnestischen Angaben der Klägerin beruht.
Schließlich ist auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ein ossärer Ausriss der ischiocruralen Muskulatur bei der Klägerin bislang übersehen worden wäre. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 16. Februar 2015 führte der sachverständige Zeuge nachvollziehbar aus, dass der knöcherne Ausriss einer Sehne einfach festzustellen ist und keine diagnostischen Schwierigkeiten darstellt.
Dass bei der Klägerin durch den Dienstunfall ein knöcherner Ausriss der ischiocruralen Muskulatur eingetreten ist, ist nach alledem nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Damit ist der Beklagte seiner Beweislast nachgekommen. Nachdem die Voraussetzungen für die Anerkennung eines knöchernen Ausrisses der ischiocruralen Muskulatur als Dienstunfallfolge nicht vorgelegen haben, war der Bescheid vom 9. Dezember 2009 in Nr. 2 rechtswidrig.
Die in Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG normierte Jahresfrist für die Rücknahme ist eingehalten. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung seit dem Beschluss des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Dezember 1984 (BVerwG Gr. Sen.1.84 und 2.84 – BVerwG 70,356 = Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 33) geklärt, dass diese Frist erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollkommen bekannt sind. Selbst wenn man davon ausginge, dass dies bereits mit dem Gutachten des sachverständigen Zeugen vom 25. Juli 2014 der Fall gewesen wäre, wäre die Jahresfrist eingehalten. Dass die notwendige Kenntnis im o.g. Sinn bereits vor dem Gutachten des sachverständigen Zeugen vorgelegen hätte, ist in keiner Weise ersichtlich.
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat die wesentlichen Gesichtspunkte in die Erwägung eingestellt. Dass der Beklagte zu dem Ergebnis gekommen ist, dass im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an einer Aufhebung der als rechtswidrig erkannten Anerkennung, das auch die sparsame Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel umfasst, indem ein Beamter nicht zu Unrecht Leistungen erhalten soll, auf die er keinen Anspruch hat, das Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand einer für sie günstigen Regelung überwiegt, ist nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 27.2.2018 a.a.O. Rn. 8). Insbesondere ist dem in Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes dadurch Rechnung getragen worden, dass die geleisteten endgültigen Zahlungen an die Klägerin nicht zurückgefordert werden (Nr. 5 des Bescheids).
2. Die Feststellung einer Teilruptur im Bereich der ischiocruralen Muskulatur rechts als Dienstunfallfolge in Nr. 1b des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig. Die Unfallfolge ergibt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Gutachten des sachverständigen Zeugen und ist eine die Klägerin ausschließlich begünstigende Regelung.
3. Die Festlegung des Heilbehandlungszeitraums für die anerkannte Dienstunfallfolge einer Teilruptur im Bereich der ischiocruralen Muskulatur rechts in Nr. 2 des Bescheids vom 10. Juli 2015 ist ebenfalls rechtmäßig.
Der sachverständige Zeuge hat in seinem Gutachten schlüssig ausgeführt, dass nach ärztlicher Erfahrung bei einer derartigen Verletzung von einem Ausheilungszeitraum von 12 Wochen auszugehen und selbst bei Annahme einer größeren Rissbildung ein Heilbehandlungszeitraum von maximal sechs Monaten anzunehmen ist. Es sind keinerlei Tatsachen dafür ersichtlich, dass diese Angabe des sachverständigen Zeugen unzutreffend wäre oder dass im Fall der Klägerin die Teilruptur im Bereich der ischiocruralen Muskulatur nicht innerhalb eines hierfür üblichen bzw. sogar reichlich bemessenen Zeitraums von sechs Monaten ausgeheilt sein sollte.
4. Die Rückforderung der mit Bescheiden vom 12. Januar 2011, 7. April 2011, 28. Juni 2011, 10. Januar 2012, 28. Februar 2012, 25. Juni 2012, 7. September 2012 und 11. Januar 2013 geleisteten vorläufigen Zahlungen in Höhe von insgesamt 10.216,39 Euro ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung ist Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m. §§ 818 ff. BGB. Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die erbrachten Heilverfahrenskosten zählen gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 BayBeamtVG zu den Versorgungsbezügen. Versorgungsbezüge sind „zu viel gezahlt“ in diesem Sinne, wenn sie ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2011 – 14 B 10.567 – juris). Die Klägerin erhielt vorliegend Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt 10.216,39 Euro ohne Rechtsgrund und damit zu viel i.S.v. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG, da die den Rechnungen zugrunde liegenden Behandlungen und Verschreibungen, die als dienstunfallbedingte Heilverfahrenskosten beim Beklagten geltend gemacht und vorläufig gewährt wurden, außerhalb des o.g. Heilbehandlungszeitraums lagen und somit nicht notwendig i.S.v. Art. 50 Abs. 1 BayBeamtVG zur Behandlung der festgestellten Dienstunfallfolge einer Teilruptur der ischiocruralen Muskulatur mehr waren.
Die Klägerin ist daher nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m § 818 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung des überbezahlten Betrags i.H.v. 10.216,39 Euro verpflichtet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin entreichert ist i.S.d. § 818 Abs. 3 BGB. Denn der Beklagte hat vorliegend unabhängig von dem Wegfall der Bereicherung der Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung der überbezahlten Bezüge. Die Klägerin haftet verschärft nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 820 Abs. 1 BGB und kann sich somit nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Denn die Überzahlungen wurden unter dem Vorbehalt der Rückforderung bzw. Rückzahlung geleistet.
Nach §§ 818 Abs. 4, 820 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt. Diese Norm umfasst auch den Fall einer Überzahlung von unter Vorbehalt gezahlten Versorgungsbezügen (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris). Solch ein Fall ist hier gegeben, denn die Versorgungsbezüge der Klägerin in Höhe von insgesamt 10.216,39 Euro wurden ausdrücklich unter einem Rückforderungsvorbehalt gezahlt.
Dass der Beklagte nicht aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung abgesehen hat (Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG), ist nicht zu beanstanden. Billigkeitsgründe sind vorliegend nicht ersichtlich. Der Klägerin war von Anfang an bekannt, dass die Zahlungen nur vorläufig und unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung gewährt werden. Aus den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Klägerin sind keine Billigkeitsgründe ersichtlich, aufgrund derer nach Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG von der Rückforderung teilweise abgesehen werden könnte. Die Klägerin ist durch die Rückforderung der überbezahlten Bezüge in Höhe von 10.216,39 Euro nicht unzumutbar belastet. Zudem besteht die Möglichkeit, diese bei der Beihilfe und der Krankenkasse geltend zu machen.
5. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung der mit Antrag vom … August 2013 eingereichten Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 2.643,44 Euro (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 12. September 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 23. März 2017 sind vielmehr rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nach Art. 50 Abs. 1 BayBeamtVG hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der zur Behandlung der festgestellten Dienstunfallfolge notwendigen Behandlungskosten sowie der notwendigen Kosten für Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie ergänzende Leistungen. Nachdem die mit Antrag vom … August 2013 eingereichten Behandlungskosten Behandlungen und Arzneimittel betreffen, die außerhalb des Heilbehandlungszeitraums von sechs Monaten stattgefunden haben bzw. verschrieben wurden, waren diese zur Behandlung der festgestellten Dienstunfallfolge einer Teilruptur der ischiocruralen Muskulatur nicht notwendig.
6. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
7. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.