Sozialrecht

Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit eines Arztes

Aktenzeichen  M 12 K 15.5695

Datum:
15.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133507
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung § 36 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Berufsunfähigkeit iSv § 36 Abs. 1 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung liegt dann vor, wenn das Mitglied außerstande ist, in nennenswertem Umfang seinem Beruf nachzugehen und sich dadurch eine materielle, existenzsichernde Lebensgrundlage zu schaffen oder zu erhalten, auch wenn die Verrichtung einzelner ärztlicher Tätigkeiten noch möglich ist (ebenso BayVGH BeckRS 2009, 37341). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten stellen auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässige Beweismittel dar, sofern sie inhaltlich und nach der Person des Sachverständigen den Anforderungen entsprechen, die an ein gerichtliches Gutachten zu stellen sind (ebenso BVerwG BeckRS 1998 30430599). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit setzt eine physische oder psychische Erkrankung voraus, die bei einer lediglich unzureichenden Persönlichkeitseignung für den ärztlichen Beruf nicht vorliegt. Die Wahl des falschen Berufs ist nicht versichert. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung kann ohne weitere mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit über den 31. Dezember 2014 hinaus (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit ist § 36 Abs. 1 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung (im Folgenden: Satzung).
Danach hat ein Mitglied Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit, das vor Vollendung des 65. Lebensjahres infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd oder vorübergehend zur Ausübung seines Berufs unfähig ist.
Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt dabei nicht erst dann vor, wenn das Mitglied außerstande ist, jegliche Tätigkeit, zu deren Ausübung seine berufliche Vorbildung ganz oder teilweise Voraussetzung ist, fortzuführen, sondern es genügt, wenn das Mitglied nicht mehr in der Lage ist, in nennenswertem Umfang seinem Beruf nachzugehen. Denn ein wesentliches Merkmal jeder beruflichen Tätigkeit ist, dass sie dem Grunde nach geeignet sein muss, eine entsprechende materielle Lebensgrundlage zu schaffen oder zu erhalten. Folglich liegt Berufsunfähigkeit auch dann vor, wenn die Möglichkeiten einer Berufsausübung krankheitsbedingt so stark eingeschränkt sind, dass ihr eine existenzsichernde Funktion – womit nicht die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards gemeint ist – nicht mehr zukommen kann, auch wenn die Verrichtung einzelner ärztlicher Tätigkeiten noch möglich ist (BayVGH, B.v. 7.4.2006 – 9 ZB 05.2587 – juris; BayVGH, U.v. 26.7.1995, NJW 1996, 1613).
Die Formulierung in § 36 Abs. 1 der Satzung „zur Ausübung seines Berufes unfähig“ ist umfassend so zu verstehen, dass sie alle beruflichen Tätigkeiten erfasst, zu deren Ausübung das Mitglied von seiner Ausbildung her berechtigt und unter Berücksichtigung des bisherigen beruflichen Werdeganges und der erworbenen Qualifikationen befähigt ist (BayVGH, B.v. 6.5.1999 – 9 ZB 98.1402 – juris). Maßgeblich ist daher nicht, ob die Klägerin der zuletzt ausgeübten Tätigkeit weiterhin nachgehen kann, sondern ob es ihr möglich ist, eine existenzsichernde Tätigkeit auszuüben, die sich im Rahmen des durch die Ausbildung vorgezeichneten Berufsfelds eines Arztes hält (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.5.2006 – W 7 K 05.559 – juris Rn. 19). Darauf, ob das Mitglied sich auf dem Arbeitsmarkt gegenüber anderen Bewerbern auf entsprechende Arbeitsstellen durchsetzen kann, kommt es für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit hingegen nicht an. Denn die Satzung des beklagten Versorgungswerks deckt nur das Risiko ab, aus gesundheitlichen Gründen aus der Tätigkeit als Arzt kein hinreichendes Einkommen zu haben. Nicht erfasst ist das Risiko, auf dem vorhandenen Arbeitsmarkt nicht zum Zuge zu kommen (BayVGH, B.v. 11.7.2011 – 21 ZB 11.721 juris Rn. 5; VG Regensburg, U.v. 5.7.2012 – RN 5 K 11.1139 – juris Rn. 36).
Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 der Satzung obliegt es dem Mitglied, die Berufsunfähigkeit durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Die Beklagte kann an die ausstellenden Ärzte Nachfragen richten oder eigene Gutachten einholen (§ 36 Abs. 2 Satz 4 der Satzung).
2. Gemessen an diesen Vorgaben ist nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass die Klägerin, die für das Vorliegen der Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit die materielle Beweislast trägt, krankheitsbedingt außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit als Ärztin in nennenswertem Umfang auszuüben und damit berufsunfähig im Sinne von § 36 Abs. 1 der Satzung ist. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass die Klägerin hinreichend belastbar ist, um zumindest eine existenzsichernde Tätigkeit im Berufsfeld des Arztes auszuüben. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der von der Beklagten eingeholten fachärztlichen orthopädischen und psychiatrischen Gutachten sowie den ausführlichen Erläuterungen der sachverständigen Zeugen Dr. K. und Dr. K. hierzu in der mündlichen Verhandlung.
a) Orthopädisches Fachgebiet:
aa) Der sachverständige Zeuge Dr. K. kommt in seinem orthopädischen Gutachten vom … August 2015 zu dem Ergebnis, dass der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet die Tätigkeit als Fachärztin für … weiterhin zugemutet werden kann. Lediglich das Heben und Tragen schwerer Lasten, Zwangshaltungen, Arbeiten auf Treppen, Leitern und Gerüsten sowie unebenem Gelände, Kälte, Nässe und Zugluft sollten vermieden und die Arbeitspausen strikt eingehalten werden. Bei der Klägerin lägen ein HWS- und LWS-Syndrom mit Muskelhartspann und Blockaden ohne sensomotorische Defizite sowie Pseudoischialgien bei Osteochondrose L5/S1 bei degenerativer Lendenwirbelsäule vor. Die Diagnosen hätten bei der Untersuchung mit den angegebenen Beschwerden nur partiell zur Kongruenz gebracht werden können. Sensomotorische Defizite hätten nicht festgestellt werden können; die Beweglichkeit der Wirbelsäule und der großen Gelenke sei altersentsprechend regelrecht.
In der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2016 hat der sachverständige Zeuge Dr. K. nochmals ausführlich zu seinem Gutachten Stellung genommen und erläutert, dass die Klägerin mit Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in die Wade links, Schmerzen in der Halswirbelsäule rechts mit Ausstrahlung in die Rückenmuskulatur und migräneartigen Schmerzen zur Begutachtung gekommen sei. Bei der Untersuchung seien jedoch keine sensomotorischen Defizite festgestellt worden. Bei den radiologisch bildgebenden Elementen hätten sich keine altersunspezifischen Merkmale ergeben. Aus orthopädischer Sicht sei die Klägerin berufsfähig. Eine Pseudoischialgie sei ein Entzündungs- und Schmerzzustand im Bereich der Glutealmuskulatur, der durch Behandlung wieder weggehe. Eine Osteochondrose sei eine Verschmälerung des Zwischenraums zwischen zwei Wirbelkörpern, was schmerzhaft sein könne, aber nicht müsse.
bb) Das Gericht folgt den in sich schlüssigen und nachvollziehbar begründeten Folgerungen des sachverständigen Zeugen Dr. K., wonach die Klägerin aufgrund der feststellbaren Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet zwar einige wenige Tätigkeiten wie das Heben schwerer Lasten vermeiden sollte, im Übrigen aber ihrer ärztlichen Tätigkeiten vollschichtig nachgehen kann.
Das Gutachten überzeugt nach Methodik und Durchführung der Erhebungen. Der sachverständige Zeuge Dr. K. hat die beigezogenen Akten ausgewertet und im Rahmen der Begutachtung die Beschwerden der Klägerin eruiert. Aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin unter Einbeziehung röntgenologischer und sonographischer Verfahren hat er des Weiteren einen umfassenden Untersuchungsbefund erstellt. Seine Folgerungen beruhen sowohl auf eigenen medizinischen Erkenntnissen als auch auf Befunden, die in nachprüfbarer Weise in dem Gutachten selbst angegeben sind. In der mündlichen Verhandlung hat der sachverständige Zeuge Dr. K. die von ihm erhobenen Befunde ausführlich dargelegt und seine Schlussfolgerungen überzeugend erläutert.
Dass – wie der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 6. April 2016 ausführt – den sachverständigen Zeugen Dr. K. der Hinweis der Klägerin auf Schmerzen in der Lendenwirbelsäule (LWS) nicht interessiert hätte und die körperliche Untersuchung nicht auf die schmerzenden Stellen der LWS konzentriert worden sei, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr ergibt sich aus dem Gutachten, dass der sachverständige Zeuge die diesbzgl. Angaben der Klägerin sehr wohl zur Kenntnis genommen (vgl. Anamnese unter „Jetzige Beschwerden“ S. 3 des Gutachtens), eine Untersuchung der Wirbelsäule und des Rückens mit den Bewegungsausmaßen von HWS und LWS nach der Neutral-0-Methode vorgenommen und ein HWS- und LWS-Syndrom sowie Pseudoischialgien bei Osteochondrose L5/S1 diagnostiziert hat. Unzutreffend ist ferner auch, dass der sachverständige Zeuge seine Einschätzung ohne eigene Bildgebung auf Grundlage älterer Befunde getroffen hätte. Vielmehr waren die Unterlagen der Radiologie M. gerade einmal ein halbes Jahr alt. Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit fällt in das neurologische Fachgebiet. Dort sind von Dr. K. keine wesentlichen Auffälligkeiten festgestellt worden. Dass der sachverständige Zeuge auch die Knie der Klägerin mit bildgebenden Verfahren untersucht hat, ist angesichts ihrer eigenen Angaben zu Schmerzen im linken Knie und der Tatsache, dass hierzu noch keine röntgenologischen und sonographischen Untersuchungen durchgeführt wurden, nicht zu beanstanden. Vielmehr spricht dies für das sorgfältige Vorgehen des sachverständigen Zeugen.
An der Sachkunde oder Unparteilichkeit des sachverständigen Zeugen Dr. K. bestehen für die Kammer keine Zweifel.
Nach ständiger Rechtsprechung stellen im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässige Beweismittel dar, sofern sie inhaltlich und nach der Person des Sachverständigen den Anforderungen entsprechen, die an ein gerichtliches Gutachten zu stellen sind (BVerwG, B.v. 20. 2.1998 – 2 B 81/97 – juris), was vorliegend der Fall ist. Die von einer Verwaltungsbehörde bestellten Gutachter sind grundsätzlich als objektiv urteilende Gehilfen der das öffentliche Interesse wahrenden Verwaltungsbehörde und nicht als parteiische Sachverständige anzusehen (BVerwG, U.v. 28. 8.1964 – VI C 45.61 – juris).
Das Gutachten vom … August 2015 geht weder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus noch weist es offen erkennbare Mängel auf. Der sachverständige Zeuge hat nachvollziehbar begründet, dass die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet die Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht wesentlich beeinträchtigen, so dass ihr eine ärztliche Tätigkeit noch vollschichtig möglich ist.
Bestätigt wird dieses Ergebnis des Gutachtens auch durch das ebenfalls von der Beklagten eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. G. vom … März 2015, der wie der sachverständige Zeuge Dr. K. zu der Einschätzung gelangt, dass Berufsfähigkeit besteht, wobei Zwangshaltungen sowie Kälte, Nässe und Zugluft zu vermeiden sind.
cc) Die Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. K. werden auch nicht durch privatärztliche Befunde bzw. Atteste durchgreifend in Frage gestellt. Sämtliche der Beklagten vorgelegten medizinischen Unterlagen lagen dem sachverständigen Zeugen Dr. K. bei seiner Begutachtung vor.
Die von der Klägerin vorgelegten privatärztliche Befunde und Atteste enthalten keine substantiierte Aussage darüber, welche einzelnen Tätigkeiten des ärztlichen Berufs der Klägerin infolge der festgestellten Gesundheitsstörungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zugemutet werden können. Nur eine in diesem Sinne qualifizierte ärztliche Stellungnahme ist aber geeignet, die erforderliche volle richterliche Überzeugung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO von der Berufsunfähigkeit der Klägerin zu vermitteln.
(1) Die Schreiben der …-Praxis für Orthopädie & Sportmedizin vom … August 2014 (Rezidivierende Lumbalgien, mehrsegmentale degenerative Veränderungen), der Radiologie … vom … April 2014 (multisegmentales degeneratives Bandscheibenleiden der unteren Lendenwirbelsäule und des lumbosakralen Übergangs), von Prof. Dr. S. vom … Januar 2015 (Wirbelsäulenbeschwerden auf dem Boden erheblicher degenerativer Veränderungen der unteren LWS und des lumbosakralen Übergangs) und der Radiologie M. vom … Januar 2015 (angedeutete skoliotische Fehlhaltung; Osteochondrose LWK 5/SWK 1; geringe Facettengelenksarthrose LWK 5/SWK 1) und 11. Februar 2015 (leichte Hyperkyphosierung i.H. HWK 3/4; geringe Osteochondrosen HWK 3/4 und 5/6, Unkovertebralarthrosen 5/6, Spondylarthrosen HWK 7/BWK 1, rechts foraminale Bandscheibenextrusionen) bestätigen letztendlich lediglich die vom sachverständigen Zeugen festgestellten orthopädischen Erkrankungen der Klägerin an einem HWS- und LWS-Syndrom. Aussagen zur Leistungsfähigkeit der Klägerin in Bezug auf die Ausübung einer nennenswerten ärztlichen Tätigkeit und damit zur Beurteilung der Frage der Berufsunfähigkeit werden in den o.g. Schreiben nicht getroffen (s.o.). Im Gegensatz dazu hat der sachverständige Zeuge aufgrund seiner Untersuchung, insbesondere angesichts der altersentsprechenden Beweglichkeit der Klägerin, die Leistungsfähigkeit der Klägerin in ihrem Beruf mit geringen Einschränkungen nachvollziehbar als gegeben angesehen.
(2) Die mit Schreiben der …-Klinik vom … April 2015 diagnostizierte Cervikobrachialgie rechts lag jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung des sachverständigen Zeugen nicht mehr vor. Denn die Klägerin hat in der Anamnese selbst nicht von Schmerzen in der HWS berichtet, die in den Arm ausstrahlen. Auch die deutlich eingeschränkte Rotation der HWS nach rechts hat sich ausweislich der festgestellten Rotation von 60 – 0 – 60 nicht mehr gezeigt. Die Diagnose einer Neuroformenstenose C5/C6 rechts widerspricht dem vom sachverständigen Zeugen diagnostizierten HWS-Syndrom nicht. Aussagen zur beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin werden in dem Schreiben nicht getroffen.
(3) Die im Schreiben der …-Klinik vom … Oktober 2016 erneut diagnostizierte Cervikobrachialgie rechts ist angesichts dessen, dass in der Anamnese gerade kein Ausstrahlen der Schmerzen in die Arme angegeben wird, schon nicht nachvollziehbar. Zu dem MRT, in dem in Höhe C5/6 rechts knöchern ein hochgradig eingeengtes Neuroforamen festgestellt wird, hat der sachverständige Zeuge in der mündlichen Verhandlung schlüssig erklärt, dass eine Neuroforamenstenose nicht zu Beschwerden führen müsse. Aus dem Vorliegen einer Neuroforamenstenose könne daher nicht auf das Ausmaß des Schmerzes geschlossen werden, zumal ein Beurteilungsspielraum bestehe, was hochgradig ist. Dies deckt sich mit der Erfahrung des Gerichts, dass ein radiologischer Befund nichts über die Leistungsfähigkeit aussagt. Zur Frage der beruflichen Leistungsfähigkeit wird in dem Schreiben nichts ausgeführt (s.o.). Bei seiner Untersuchung hat der sachverständige Zeuge hingegen eine regelrechte Beweglichkeit bei der Klägerin festgestellt. Dass sich hieran in der Zwischenzeit etwas derart gravierend geändert haben sollte, dass die Klägerin entgegen des damaligen Zustands nunmehr nicht mehr in der Lage wäre, einer Berufstätigkeit als Ärztin in nennenswertem Umfang nachzugehen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr wird in dem Schreiben der …-Klinik vom … Oktober 2016 ausgeführt, dass die Klägerin im letzten Jahr mit ihren Beschwerden relativ gut zurechtgekommen sei und sich die Schmerzen im Bereich der HWS gebessert hätten. Eine neue Sachlage ist bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch nicht vorgetragen worden.
Insgesamt lässt sich daher feststellen, dass die mittlerweile 50-jährige Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule leidet, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestünden, dass sie deshalb einer ärztlichen Tätigkeit – bei der es sich per se nicht um eine schwere körperliche Arbeit handelt – nicht mehr in nennenswertem Umfang nachgehen könnte.
b) Nervenärztliches Fachgebiet:
aa) In seinem nervenärztlichen Fachgutachten vom … Oktober 2015 kommt der sachverständige Zeuge Dr. K. zu dem Ergebnis, dass der Klägerin die Ausübung ihres Berufes als Ärztin sowohl in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als … als auch in anderweitiger Form (ärztliche gutachterliche Tätigkeiten, medizinisch-analytische Tätigkeiten sowie Tätigkeiten in Ambulanzen) noch möglich ist. Es bestehe ab Januar 2015 lediglich eine partielle Berufsunfähigkeit. Innerhalb der … sei auf größere Operationen, einschließlich Lymphknotenentfernungen und Varizenoperationen, zu verzichten. Weiter bedürfe es einer quantitativen Leistungseinschränkung. Die Klägerin sei zunächst nur sechsstündig in der Lage, ihre ärztliche Tätigkeit unter Verzicht auf statische Belastungen der Wirbelsäule durchzuführen. Auch das Zusammenwirken der Einzelerkrankungen in ihren sich verstärkenden Komponenten sei als nicht so erheblich anzusehen, dass die Klägerin nicht in eingeschränktem Umfang – sowohl als … als auch in anderen ärztlichen Tätigkeitsfeldern – in der Lage wäre, etwa sechsstündig arbeiten zu können. Von einer vollständigen Berufsunfähigkeit könne nicht mehr ausgegangen werden.
In der mündlichen Verhandlung am 17. November 2016 hat der sachverständige Zeuge Dr. K. nochmals ausführlich zu seinem Gutachten Stellung genommen und erläutert, dass die Klägerin eine depressive Episode mittleren Grades habe, die zur Wiederholung neige, eine Migräne ohne Aura, neurologische Lumboischialgien, Cervikocephalgien, Tinnitus, Morbus Meniere und einen Zustand nach Neuronitis vestibularis. Die Depression sei gutartig, d.h. sie könne psychotherapeutisch und psychopharmakologisch gut behandelt werden. Die Klägerin nehme Duloxetin, was eine angemessene Behandlung der Depression sei. Betreffend die psychotherapeutischen Behandlung mache sie eher eine aufdeckende, weniger eine handlungsorientierte Therapie. Eine adäquate Behandlung sei dies wohl eher nicht. Es handle sich um einen typischen Zirkelschluss. Die Klägerin stehe spät auf, mache nicht viel und gehe früh ins Bett. Sie habe keine Außenkontakte und auch die Kontakte innerhalb der Familie verloren. Im Prinzip sei die bei der Klägerin angewandte Psychotherapie „im Bett“ geendet. Am Schlusspunkt der Behandlung stehe jedenfalls die Passivität der Klägerin. Die Erklärung der Klägerin als berufsunfähig sei für ihre Depression in den letzten Jahren kontraproduktiv gewesen, da der Klägerin positive Verstärker fehlten, die man im Berufsleben erfahren könne. Dass sie nicht berufstätig sein könne, habe sich bei der Klägerin verankert. Die Klägerin sehe sich selbst unzutreffend und die Zukunft schwärzer als sie sei und glaube, dass sie niemand achtet. Dieser Zustand sei psychotherapeutisch, insbesondere mit der Verhaltenstherapie, angehbar.
bb) Das Gericht folgt den in sich schlüssigen und nachvollziehbar begründeten Folgerungen des sachverständigen Zeugen Dr. K., wonach die Klägerin trotz der auf psychiatrischem Fachgebiet feststellbaren Gesundheitsstörungen einer täglich sechsstündigen Tätigkeit im Berufsfeld eines Arztes nachgehen kann.
Das Gutachten überzeugt nach Methodik und Durchführung der Erhebungen. Der sachverständige Zeuge Dr. K. hat die beigezogenen Akten umfassend ausgewertet und im Rahmen der Begutachtung die Beschwerden der Klägerin eruiert. Aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin unter Verwendung apparativer Methoden (EEG, Tibialis-SEP) und standardisierter Diagnosewerkzeuge (Gießener Persönlichkeitsinventar, Beck-Depressions-Inventar, State Trait Anxiety Inventory (STAI), Tinnitus-Beeinträchtigungs-Fragebogen (TBF-12), d2-R-Test, MMPI-2-Persönlichkeitsinventar, Schmerzfragebogen der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin) hat er des Weiteren einen umfassenden Untersuchungsbefund erstellt. Seine Folgerungen beruhen sowohl auf eigenen medizinischen Erkenntnissen als auch auf Befunden, die in nachprüfbarer Weise in dem Gutachten selbst angegeben sind. In der mündlichen Verhandlung hat der sachverständige Zeuge Dr. K. die von ihm erhobenen Befunde ausführlich dargelegt und seine Schlussfolgerungen überzeugend erläutert. An der Sachkunde oder Unparteilichkeit des sachverständigen Zeugen Dr. K. bestehen für die Kammer keine Zweifel.
Dass die Klägerin bei der dreistündigen Begutachtung zunächst Fragebögen mit Fragen hat ausfüllen müssen, die aus ihrer Sicht wenig mit ihrer Situation zu tun gehabt hätten, stellt die Durchführung der Erhebungen nicht in Frage, sondern ist das übliche Vorgehen bei der psychiatrischen Begutachtung mittels standardisierter Diagnosewerkzeuge. Dass nach aktuellen Therapien nicht gefragt worden sei, ist angesichts dessen, dass in dem Gutachten sowohl die derzeit behandelnden Ärzte als auch die derzeitige Medikation aufgeführt ist, nicht nachvollziehbar. Auch dass die körperliche Untersuchung lediglich grob orientierend gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Der sachverständige Zeuge hat einen umfassenden neurologischen Befund auch unter Zuhilfenahme apparativer Untersuchungen erhoben (vgl. S. 11-14 des Gutachtens).
Das Gutachten vom … Oktober 2015 geht weder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus noch weist es offen erkennbare Mängel auf. Der sachverständige Zeuge hat nachvollziehbar begründet, dass die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen die Tätigkeit als Ärztin zwar einschränken, ihr bei Reduzierung des zeitlichen Umfangs auf sechs Stunden täglich aber grundsätzlich jede Tätigkeit im Arbeitsfeld des Arztes mit wenigen Einschränkungen noch möglich ist.
Dies ist vor dem Hintergrund, dass die diagnostizierten Erkrankungen wie Morbus Meniere niederfrequent auftreten bzw. gut behandel- und beeinflussbar sind; insbesondere ist auch die wesentliche Erkrankung auf nervenärztlichem Fachgebiet, nämlich die depressive Episode mittleren Grades, gutartig und sowohl medikamentös als auch psychotherapeutisch behandelbar. Bestätigt wird dieses Ergebnis des Gutachtens auch durch das ebenfalls von der Beklagten eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. B. vom … Dezember 2014, die wie der sachverständige Zeuge Dr. K. zu der Einschätzung gelangt, dass lediglich eine partielle Berufsfähigkeit besteht.
Dass der sachverständige Zeuge Dr. K. trotz der Aussage im MMPI-2-Persönlichkeitsinventar, dass mäßige bis schwere Ängste und Spannungen der Klägerin selbst einfache Alltagsaufgaben zur Last werden lassen, zu dem Ergebnis einer lediglich partiellen Berufsunfähigkeit gelangt, stellt keinen offen erkennbaren Mangel dar. Denn es ist nachvollziehbar, dass das Ergebnis des MMPI-2-Persönlichkeitsiventars nach Angaben des sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung nicht überbewertet werden darf. Bei dem MMPI-2-Persönlichkeitsinventar handelt es sich lediglich um eines von mehreren testpsychologischen Diagnosewerkzeugen. Diese stellen lediglich Hilfsmittel für den Arzt bzw. Gutachter dar und sind nicht eins zu eins zu übernehmen. Dass ein Gutachter in der Gesamtschau der Ergebnisse sämtlicher testpsychologischer Verfahren und seiner eigenen Untersuchung zu einer eigenständigen Diagnose und Einschätzung gelangt, ist kein Mangel des Gutachtens, sondern ureigene Aufgabe des begutachtenden Arztes. Dies bestätigt sich auch im vorliegenden Fall. So ist im Ergebnis des MMPI-2-Persönlichkeitsinventars beispielsweise auch ausgeführt, dass ein solches Bild bei schweren depressiven als auch psychotischen Erkrankungen denkbar sei. Die Klägerin leidet jedoch nach einhelliger Meinung aller Gutachter weder an einer schweren depressiven noch an einer psychotischen Erkrankung. Nachvollziehbar wird hierzu auch im Gutachten ausgeführt, dass sich die bei den testpsychologischen Untersuchungen gemessenen Schweregrade der Depressionen durch das subjektive Empfinden der Patienten vor dem Hintergrund relativierten, dass auch leichter depressive Patienten meistens der Meinung seien, sich aktuell am Tiefpunkt einer Depression zu befinden. Insofern relativiere sich auch der Schweregrad der aus der psychometrischen Depressionsuntersuchung abgeleiteten Ergebnisse. Die Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. K. zu einem möglichen Bandscheibenvorfall der Klägerin können einen erheblichen Mangel des Gutachtens schon deshalb nicht begründen, da diese außerhalb des Fachgebiets liegen. Im Übrigen ist die Aussage aber auch zutreffend, da es sich bei Bandscheibenextrusionen lediglich um eine Vorwölbung der Bandscheibe handelt. Beim Bandscheibenvorfall wird im Gegensatz zur Vorwölbung der Faserring zerrissen und nicht nur vorgewölbt (vgl. https://befunddolmetscher.de/mrt/ wirbelsaeule/3490/Extrusion).
Darüber hinaus hat der sachverständige Zeuge Dr. K. nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin nicht adäquat behandelt ist und eine intensive verhaltensorientierte Psychotherapie mit lernpsychologischen Interventionen und handlungsorientierten Ansätzen verknüpft mit einer geeigneten antidepressiven Medikation eine Besserung erwarten lasse. Er hat schlüssig dargestellt, dass die Klägerin bislang schwerpunktmäßig, aber zuletzt niederfrequent, eine vorwiegend aufdeckende Psychotherapie durchgeführt hat, die angesichts des Krankheitsbildes, insbesondere angesichts der dysfunktionalen Kognitionen, aufgrund derer sich die Vorstellung, nicht berufsfähig zu sein, bei der Klägerin verfestigt hat, nicht adäquat ist. Dass der sachverständige Zeuge von einer Heilbarkeit aller psychischen Erkrankungen durch Verhaltenstherapie ausgegangen sei, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls stellt die Verhaltenstherapie aber eine bislang nicht durchgeführte Therapiemaßnahme dar, die zumindest erfolgsversprechend ist. Eine mögliche stationäre Behandlung begründet im Übrigen entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten allenfalls eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, nicht eine Berufsunfähigkeit. Solange die Klägerin nicht alles in ihrer Macht stehende getan hat, um ihre Erkrankung zu behandeln, kann nicht von Berufsunfähigkeit i.S.d. Satzung der Beklagten ausgegangen werden. Erforderlich ist hierzu – wie der sachverständige Zeuge Dr. K. schlüssig ausführt – eine psychotherapeutische Verhaltenstherapie mit geeigneter antidepressiver Medikation.
cc) Die Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. K. werden auch nicht durch privatärztliche Gutachten, Befunde und Atteste durchgreifend in Frage gestellt. Sämtliche der Beklagten vorgelegten medizinischen Unterlagen lagen dem sachverständigen Zeugen Dr. K. bei seiner Begutachtung vor.
(1) Das Gutachten des sachverständigen Zeugen Dr. S. und dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung und im Schreiben vom … November 2016 stellen das Gutachten des sachverständigen Zeugen Dr. K. nicht durchgreifend in Frage. Im Hinblick auf die Diagnose einer depressiven Episode mittleren Grades bestätigt es das Ergebnis des Gutachtens des sachverständigen Zeugen Dr. K. Auch bestätigt der sachverständige Zeuge Dr. S. letztlich ebenfalls, dass die Klägerin die Therapiemöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft hat und die bisherige Therapie nicht adäquat war.
Das Vorliegen einer ängstlich-depressiven Persönlichkeitsstörung gemäß ICD 10-F 60.6 G ist nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt. Dass der sachverständige Zeuge Dr. K. in seinem Gutachten keine Persönlichkeitseinschätzung vorgenommen habe, ist für das Gericht schon nicht nachvollziehbar. Vielmehr hat dieser im Rahmen des STAI-Tests festgestellt, dass das Ergebnis auf eine ängstliche Persönlichkeit hinweise, wobei Ängstlichkeit als relativ überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal verstanden werde, und eine depressive Episode mittleren Grades bei ängstlich vermeidender Persönlichkeit diagnostiziert (S. 21 des Gutachtens). Dies zeigt, dass der sachverständige Zeuge Dr. K. sehr wohl eine Persönlichkeitseinschätzung vorgenommen hat.
Zur ängstlich-depressiven Persönlichkeitsstörung hat der sachverständige Zeuge Dr. K. nachvollziehbar ausgeführt, dass unterschieden werden müsse zwischen einer Persönlichkeit und einer Persönlichkeitsstörung. Seiner Ansicht nach handelt es sich entgegen der Auffassung des sachverständigen Zeugen Dr. S., der die Klägerin als selbstunsichere und ängstliche vermeidende Person beschrieben und darin eine Persönlichkeitsstörung gesehen habe, bei diesen Eigenschaften lediglich um den Ausdruck der Persönlichkeit der Klägerin, nicht um einen Ausdruck einer krankhaften Veränderung. Es gebe alle möglichen Varianten von Persönlichkeiten, die aber keinen Krankheitswert hätten. Der sachverständige Zeuge Dr. K. begründet dies nachvollziehbar damit, dass die durchgeführten Tests ergeben hätten, dass die Klägerin zwar eine ängstlich vermeidende Persönlichkeit, aber keine Persönlichkeitsstörung habe. Schlüssig führt er hierzu weiter aus, dass die Klägerin hohe Hürden bewältigt hat, wie Abitur, Studium, Physikum und Assistenzarztzeit, was mit einer Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sei. Dass sie in der Assistenzarztzeit Probleme gehabt habe, wie der sachverständige Zeuge Dr. S. ausführt, ändert nichts an der vom sachverständigen Zeugen Dr. K. angeführten Tatsache, dass sie auch diese Zeit erfolgreich bestanden und sogar den Facharzt gemacht hat. Bestätigt wird das Ergebnis des sachverständigen Zeugen Dr. K. auch dadurch, dass weder die drei Vorgutachter (Dr. H., Dr. P., Dr. B.) in insgesamt sechs Gutachten seit 2007 noch die die Klägerin behandelnde Ärztin Dr. K. (vgl. Attest vom … November 2014) eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert haben. Dies wäre jedoch zu erwarten gewesen, wenn – wie der sachverständige Zeuge Dr. S. ausführt – sogar eine Persönlichkeitsstörung von besonderem Schweregrad vorläge. Ob die Annahme einer Berufsunfähigkeit durch die Vorgutachter tatsächlich zutreffend war, ist nicht Verfahrensgegenstand und kann somit dahinstehen.
Da nach überzeugender Ansicht des sachverständigen Zeugen Dr. K. nicht von einer ängstlich-depressiven Persönlichkeitsstörung auszugehen ist, können folgerichtig daraus auch keine qualitativen Leistungseinschränkungen abgeleitet werden. Eine Einordnung nach der ICD-10 ist mangels einer krankhaften Veränderung ebenfalls nicht möglich.
Angesichts der somit im Zentrum stehenden Erkrankung an einer depressiven Episode mittleren Grades bei ängstlich vermeidender Persönlichkeit ist auch nachvollziehbar, dass nach Ansicht des sachverständigen Zeugen Dr. K. die derzeit nicht vorhandenen Kernkompetenzen wieder auftreten, sobald die Depression gemildert ist. Dass die Klägerin keinen Durchhaltewert habe, liegt nach seiner schlüssigen Auffassung nicht daran, dass sie diese Fähigkeit nicht hat, sondern dass ihr durch die lange nicht ausgeübte Berufstätigkeit die Übung darin fehlt. Die Klägerin habe durchaus die Fähigkeit, in Berufssituationen durchzuhalten. Die Annahme des sachverständigen Zeugen Dr. K. wird letztlich belegt durch das von der Klägerin erfolgreich absolvierte Studium, ihre abgelegten Examina, die Assistenzarztzeit und die erfolgreiche Facharztausbildung.
Soweit der sachverständige Zeuge Dr. S. wiederholt darauf abstellt, dass die Klägerin für den Beruf des Arztes von Anfang an aufgrund ihrer Persönlichkeit unzureichend geeignet gewesen sei und sie somit den falschen Beruf ergriffen habe, ist anzumerken, dass die Wahl des falschen Berufs nicht versichert ist. Sinn und Zweck des Ruhegelds wegen Berufsunfähigkeit ist, das Risiko abzudecken, dass ein Arzt während seiner beruflichen Tätigkeit infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd oder vorübergehend zur Ausübung seines Berufs unfähig wird. Das Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit setzt mithin eine physische oder psychische Erkrankung voraus, die bei einer lediglich unzureichenden Persönlichkeitseignung für den ärztlichen Beruf nicht vorliegt.
Dass der sachverständige Zeuge Dr. K. keine somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt hat, wird vor dem Hintergrund, dass dieser im Gegensatz zum sachverständigen Zeugen Dr. S. den Deutschen Schmerzfragebogen der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin angewandt hat, durch die Ausführungen von Dr. S. nicht substantiiert in Frage gestellt.
(2) Das Attest von Dr. K., Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, vom … November 2014 enthält neben den auch vom sachverständigen Zeugen Dr. K. diagnostizierten Erkrankungen lediglich die Diagnose einer somatoformen autonomen Funktionsstörung, ohne diese jedoch näher zu begründen. Vielmehr wird in dem Attest im Wesentlichen auf orthopädische Befunde eingegangen. Eine somatoforme Schmerzstörung hat sich bei der Begutachtung unter Verwendung des o.g. Schmerzfragebogens jedoch nicht bestätigt. Das Ergebnis des Gutachtens des sachverständigen Zeugen Dr. K. wird durch die lapidare Aussage, dass in Zusammenschau der Krankheitsbilder die Klägerin als berufsunfähig angesehen werde, nicht substantiiert in Frage gestellt.
(3) Dr. K., Neurologe, führt mit Schreiben vom … März 2015 aus, dass sich bei seinen Untersuchungen keine relevanten neurologischen Ausfälle und nur geringe elektrophysiologische Abweichungen ergeben hätten. Aussagen zur beruflichen Leistungsfähigkeit werden darin nicht getroffen.
(4) Dr. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, diagnostiziert im Schreiben vom … September 2015 eine mittelgradige depressive Episode und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Aussagen zur beruflichen Leistungsfähigkeit werden darin nicht getroffen.
(5) Aus dem Schreiben von Dr. B., Dipl.- Psychologin und Psycholog. Psychotherapeutin, vom … Oktober 2016 ergibt sich, dass sich die Klägerin dort aufgrund einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und einer rezidivierend depressiven Erkrankung ggw. mittelgradige Episode seit September 2015 in psychotherapeutischer Behandlung befindet. Bei Dr. B. handelt es sich jedoch weder um eine Fachärztin noch werden darin Aussagen zur beruflichen Leistungsfähigkeit getroffen. Gleiches gilt für das Schreiben von Dr. B. vom … Dezember 2016.
c) Fibromyalgie aa) In dem Bericht von Prof. Dr. S. wird lediglich der Verdacht auf primäre Fibromyalgie geäußert. Aussagen zur beruflichen Leistungsfähigkeit werden darin nicht getroffen.
bb) In dem Kurzbericht von Prof. Dr. E. S. vom … November 2016 wird zwar eine spezielle Form einer primären Fibromyalgie linksbetont diagnostiziert. Fibromyalgie (Faser-Muskel-Schmerz) ist eine Krankheit mit weit verbreiteten Schmerzen mit wechselnder Lokalisation in der Muskulatur, den Gelenken und im Rücken, Druckschmerzempfindlichkeit sowie verschiedenen Begleitsymptomen wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Morgensteifigkeit, Konzentrations- und Antriebsschwäche.
Der Bericht von Prof. Dr. S. kann jedoch eine Berufsunfähigkeit der Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen. Zum einen fehlen in dem Bericht jegliche substantiierten Aussagen dazu, welche einzelnen Tätigkeiten des ärztlichen Berufs der Klägerin infolge der primären Fibromyalgie nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zugemutet werden können, so dass eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Klägerin im ärztlichen Beruf aufgrund der Fibromyalgie nicht erkennbar ist. Aus der Darstellung des Beschwerdebilds (v.a. Beschwerden mit wechselnder Intensität im Lumbalbereich und im Hinterhaupt, Wetterfühligkeit, Schlafstörungen) ist eine nennenswerte Einschränkung auch nicht ersichtlich. Zum anderen ist die Fibromyalgie durch Medikamente und verschiedene Therapien beeinflussbar. Die Klägerin hat weder substantiiert vorgetragen, inwieweit die Fibromyalgie zusätzlich zu den anderen attestierten Erkrankungen ihre Leistungsfähigkeit einschränkt, noch welche Therapien sie zu deren Bekämpfung eingesetzt hat. Insofern bedurfte es auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.
3. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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