Sozialrecht

Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall bei Abschluss einer Abfindungsvereinbarung

Aktenzeichen  41 O 2181/14

Datum:
13.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 156957
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 485 Abs. 2
VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4
StVG § 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2
BGB § 313

 

Leitsatz

1. Die Verjährungsfrist begann nach damaliger Rechtslage gem. § 199 BGB mit der Kenntnis vom Schaden (gleichbedeutend mit dem Unfallzeitpunkt und den dabei eingetretenen Verletzungen) zu Laufen; nicht erforderlich war hierbei die Kenntnis des gesamten Umfangs des Schadens, also hinsichtlich aller einzelner Schadensfolgen (ebenso BGH BeckRS 1997, 05138). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich kann bei wiederkehrenden Leistungen (hier Verdienstausfallschaden) nur sein, ob das Stammrecht bereits verjährt ist, denn wenn der Schadensersatzanspruch auf materielle Schäden bereits verjährt ist, kann der Anspruch auch nicht alleine dadurch wieder aufleben, dass es sich um wiederkehrende Leistungen handelt, d. h. die Ansprüche leben nicht alleine aufgrund der Jahre später entstehenden periodische Wiederkehr der aus dem potentiellen Stammrecht folgenden Ansprüche wieder auf. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Störung der Geschäftsgrundlage kann nach Abschluss eines Abfindungsvergleiches nicht bei vorhersehbaren Spätfolgen eines Unfalls angenommen werden. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für den Zeitraum vom 27.01.2015 bis 10.01.2016 auf 20.000 EUR €, ab dem 11.01.2016 auf 209.336,36 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Streitwert errechnet sich für den Zeitraum bis zur Klageerweiterung zunächst nur aus dem geltendgemachten Mindestschmerzensgeldanspruch in Höhe von 15.000,00 EUR, zuzüglich einer vom Gericht in Übereinstimmung mit dem Kläger in der Klage angesetzten Betrag von 5000,00 EUR für den Feststellungsantrag bezogen auf weitere immaterielle Schäden in der Zukunft.
Nach der Klageerweiterung war außerdem die bezifferte Summe für den geltend gemachten Verdienstausfall in der Vergangenheit in Höhe von 172.292,36 EUR und zusätzlich der Wert der beantragten Feststellung für den künftigen, wiederkehrenden Verdienstausfallschaden in Ansatz zu bringen. Nach dem hierbei vom Gericht für die Berechnung zugrundegelegte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S1. L. (41 OH 1032/13) ist dabei von einem durchschnittlichen jährlichen Verdienstausfall der Klägerin in Höhe von 13.230 EUR p. a. (Verdienstausfall nach der modifizierten Nettolohntheorie in 12 Jahren 158.758,52 EUR geteilt durch 12) auszugehen. Der Streitwert bei wiederkehrenden Leistungen betragt dabei gem. § 9 ZPO den 3,5 fachen Jahreswert, somit hier 46.305 EUR. Für den Feststellungsantrag hat das Gericht einen üblichen Abschlag von 20% vorgenommen, und für diesen Antrag daher einen Betrag von 37.044 EUR in Ansatz gebracht.
Aus allen Beträgen errechnet sich dann insgesamt ein Streitwert in Höhe von 209.336,36 EUR ab Klageerweiterung.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber aufgrund der abgeschlossenen Abfindungsvereinbarung hinsichtlich der immateriellen Ansprüche und aufgrund im übrigen eingetretener Verjährung auch hinsichtlich des geltend gemachten Verdienstausfallschadens nicht begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Ingolstadt für die Entscheidung sachlich und örtlich zuständig gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, § 32 ZPO. Hinsichtlich der erhobenen Feststellungsanträge ist das notwendige Feststellunginteresse grundsätzlich zu bejahen, da die Klägerin geltend macht, dass zum jetzigen Zeitpunkt weitere Spätfolgen und sich daraus ergebende Verdienstausfallschäden nicht auszuschließen seien, § 256 ZPO. Hinsichtlich der Klage auf künftige Leistungen ist die Feststellung ebenfalls zulässig, da diese potentiell künftig periodisch entstehenden Forderungen erst in Zukunft fällig wären, und daher nicht mit einer Klage auf sofortige Leistung verfolgt werden können.
Die von der Klägerin verfolgten Ansprüche stehen außerdem zueinander in zulässiger objektiver Klagehäufung, § 260 ZPO. Verbindungshindernisse bestehen nicht, die Ansprüche werden auch gegen den selben Beklagten in der selben Prozessart verfolgt.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine weiteren Ansprüche aus den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG mehr zu, da die Klägerin alle immateriellen Ansprüche in der von ihr abgeschlossenen streitgegenständlichen Abfindungsvereinbarung für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, gleich ob bekannt oder unbekannt endgültig abgegolten hat, und hinsichtlich der materiellen Ansprüche mittlerweile Verjährung eingetreten ist, wobei die Beklagte die Einrede der Verjährung auch ausdrücklich erhoben hat. Ausnahmegründe, die eine Bindung an den Vergleich oder den Eintritt der Verjährung entfallen lassen, liegen nicht vor:
Der Verkehrsunfall als Schadensereignis ereignete sich am 15.11.1981. Verjährungsbeginn für alle Ansprüche war daher gem. § 852 BGB a. F. der 16.11.1981, da die Frist nach damaliger Rechtslage gem. § 199 BGB mit der Kenntnis vom Schaden (gleichbedeutend mit dem Unfallzeitpunkt und den dabei eingetretenen Verletzungen) zu Laufen begann. Nicht erforderlich war hierbei die Kenntnis des gesamten Umfangs des Schadens, also hinsichtlich aller einzelner Schadensfolgen (vgl. BGH VersR 1997, 1111). Dabei gelten auch etwaige Folgeschäden als bekannt, wenn diese für einen Mediziner nach damaligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse als mögliche Folge vorhersehbar waren (BGH VersR 1979, 647; OLG Celle SP 2009,9).
Durch die Anerkennung der Haftung dem Grunde nach durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die sich deren Erklärung zurechnen lassen muss, trat allerdings für die Dauer der Verhandlungen gem. § 208 BGB a. F. eine Unterbrechung der Verjährung ein.
Zudem trat gem. § 3 PflVG (a. F.) eine Hemmung der Verjährung durch die Anmeldung der Ansprüche bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ein, und dauerte auch an, solange zwischen den Parteien verhandelt wurde. Der Abschluss der Abfindungsvereinbarung am 17.09.1996 mit unstreitiger Zahlung des Abfindungsbetrages noch im September 1996 beendete die Hemmung bzw. die Unterbrechung der Verjährung und führte dazu, dass die Verjährungsfrist von 3 Jahren neu zu laufen begann und danach Verjährung auch der vorbehaltenen materiellen Ansprüche spätestens am 30.09.1999 eintrat.
Dabei spielt es auch keine Rolle, dass für die Klägerin eine Klage von Rechtsanwalt K2. vom 23.04.1982 beim Landgericht München II vom 23.04.1982 mit einer unbezifferten Leistungs- und Feststellungsklage aller materiellen und immateriellen Schäden erhoben worden war (Az. 10 O 2538/82), was die Verjährung nach § 209 Abs. 1 BGB a. F. ebenfalls unterbrochen hat. Das Verfahren soll nach Angabe der Klagepartei im Jahr 1995 noch anhängig gewesen sein, über das weitere Schicksal konnte die Klägerin aber keine Auskunft geben. Die Akte konnte vom Landgericht München II nicht mehr beigezogen werden, da sie nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist nach Aktenordnung bereits im Jahr 1992 vernichtet worden ist (Anl. K 12). Das Gericht geht daher davon aus, dass das Verfahren jedenfalls schon vor Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung zwischen den Parteien aus dem Jahr 1996 ohne vollstreckungsfähigen Titel beendet wurde, und jedenfalls keine Auswirkung auf den Lauf der Verjährung mehr ab September 1996 mehr entfalten konnte. Ein gegenteiliger Sachverhalt wurde von der insoweit beweisbelasteten Klägerin jedenfalls weder dargelegt, noch unter Beweis gestellt.
Die immateriellen Ansprüche für die Unfallfolgen und deren absehbare Spätfolgen erloschen durch den Abfindungsvergleich und die geleistete vereinbarte Abfindungszahlung bereits im September 1996. Demgemäß besteht auch kein Anspruch mehr auf Feststellung der Haftung der Beklagten für weiteren immateriellen Schaden aus Spätfolgen, die spätestens bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses absehbar waren.
Die Verjährung der materiellen Ansprüche umfasst auch die nunmehr geltend gemachten Spätfolgen, da diese nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme entgegen der Behauptung der Klägerin als bekannt anzusehen sind und daher vom Lauf der Verjährungsfrist mit umfasst sind. Sie erstreckt sich darüber hinaus auch auf weitere, künftig eintretende und voraussehbare Schäden, sodass die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung einer Einstandspflicht der Beklagten für weitere, künftig eintretende (mat.) Verdienstschäden hat.
Der Klägerin ist es insbesondere nicht gelungen, ihre Behauptungen zu beweisen, dass sämtliche oder zumindest ein Teil der von ihr als Spätfolgen behaupteten Erkrankungen sowohl kausal auf den Unfall zurück zu führen sind, als auch zum damaligen Zeitpunkt des Unfallereignisses, jedenfalls aber zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Vergleichs, nicht vorhersehbar und vielmehr erst seit dem Jahr 2011 für die Klägerin erkennbar gewesen wären, so dass die Erhebung der Klage am 31.12.2014 hinsichtlich dieser Spätfolgen noch möglich gewesen sei.
Auch kann sich die Klägerin insoweit nicht auf eine Verjährungsunterbrechung oder einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung durch die Beklagte durch die im Jahr 2011 wieder aufgenommenen Verhandlungen über weitere Schadensersatzleistungen der Beklagten an die Klägerin berufen, da die Beklagte im Zuge dieser Verhandlungen einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung ausdrücklich nur zeitlich begrenzt bis 30.06.2013 erklärt hat und nur für unfallbedingte, materielle Ansprüche, hinsichtlich derer noch keine Verjährung eingetreten ist und die nach dem 17.09.1996 entstanden sind (Anl. BLD2).
Zwar ist zutreffend, dass eine Anerkennung einer Schwerbehinderung der Klägerin mit Bescheid des zuständigen Amts vom 22.3.11 in Höhe von 50% vorliegt und eine mit Bescheid vom 28.2.2013 anerkannte Schwerbehinderung in Höhe von 60%, die zumindest auch auf den unfallbedingten Spätfolgen beruht, erging. Allerdings war die Klägerin – auch nach ihrem eigenen Sachvortrag – bereits im Jahr 2008 in ihrem bisherigen Beruf arbeitsunfähig, mindestens auch teilweise wegen der unfallbedingten Spätschäden. Die Schwerbehinderung war der Klägerin zudem bereits mit Bescheid vom 21.06.1996 erstmals mit 50%, dann nochmals mit Bescheid vom 1604.2007 (Anlage K 13) bestätigt, angegeben worden. Auch damals war Grund bereits unter anderem eine Funktionsbehinderung des Hüftgelenks rechts und der Wirbelsäule, wobei die Klägerin hier offenbar bereits am 03.11.2006 eine Erhöhung erfolglos beantragt hatte. Zwar liegt dieser Antrag dem Gericht nicht vor, erfordert jedoch zumindest den Sachvortrag der Klägerin, dass eine Verschlechterung der schon festgestellten Erkrankungen eingetreten oder eine neue Erkrankung hinzugekommen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des vom Gericht mit der medizinischen Begutachtung der Erkrankungen der Klägerin beauftragten Sachverständigen Dr. med s. H., dass sich eine so schwerwiegende Arthrose, wie die der Klägerin, nicht von Heut auf Morgen entwickele, und sich aus den vorliegenden Vorbefunden ergebe, dass die Klägerin schon mindestens seit 2006 an entsprechenden plausiblen Begleitbeschwerden im Hüftbereich litt, weisen darauf hin, dass die Spätfolgen nicht erst im Jahr 2011 erkennbar waren.
Insbesondere hat auch die Klägerin selbst bereits mit einem vorgerichtlichen Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2011 vortragen lassen, dass seit 2006 unfallbedingte Folgeprobleme bestünden und machte Ansprüche ab dem Jahr 2008 geltend, wobei sie in der Klageschrift auch behauptet, sie habe ihre Arbeitsstelle ab 2008 aufgegeben müssen, und zwar wegen der im Änderungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 13.03.2014 bezeichneten Erkrankungen (Anlage K 10), die zumindest teilweise auch nach ihrer Darstellung Folgen der unfallbedingten Verletzungen waren. Die Klägerin konnte insoweit nicht plausibel darlegen, weshalb ihr trotz der zwischenzeitlich durchgeführten Behandlungen, Antrag auf 41 O 2181/14 – Seite 13 – Erhöhung der anerkannten Schwerbehinderung und der nach ihren Angaben eingetretenen Arbeitsunfähigkeit am angestammten Arbeitsplatz im Jahr 2008 infolge der Folgen des Unfalls aus dem Jahr 1981 die mit der Klage geltend gemachten Spätfolgen aus den Unfallverletzungen erst ab 2011 erkennbar gewesen sein sollen.
Maßgeblich ist hierbei auch insbesondere das vom Gericht auf Antrag der Klägerin erholte fachärztliche Gutachten des Sachverständigen Dr. med S. H., dem Leitenden Arzt der Abteilung Rekonstruktive Endoprothetik der BGU M. gemäß dem Beweisbeschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 14.01.2016 (Bl. 46/51 d. A.), sowie dessen ergänzenden Erläuterungen im Rahmen der persönlichen Anhörung im Termin vom 28.10.2016 (Protokoll Bl. 93/99 d. A.). In seinem schriftlichen Gutachten vom 21.03.2016 (Bl. 65/74 d. A.) hatte der Sachverständige die Frage zu beantworten, welche klägerisch behaupteten Spätfolgen als kausal unfallbedingt zu bewerten sind, und ab welchem Zeitpunkt der Eintritt dieser möglichen Folgen für einen Facharzt erkennbar waren, insbesondere ob diese frühestens ab 2011 für die Klägerin erkennbar waren.
Hierbei kam der Sachverständige für das Gericht plausibel und nachvollziehbar begründet zu dem Schluss, dass letztlich nur die posttraumatische Koxarhtrose rechtsseitig, die Zyste im Bereich des hinteren Acetabulumpfeilers rechtsseitig und die Implantation einer Hüftgelenksendoprothese rechtsseitig über dorsalen Zugang vom 24.07.2014 als medizinisch nachweisbar unfallbedingt kausal einzustufen sind, nicht hingegen das Degenerative LWS-Syndrom, das Impingement-Syndrom der rechten Schulter, die Hüftdysplasie linksseitig und die Depression.
Der Sachverständige legte dabei zugrunde, dass die Klägerin bei dem PKW-Unfall im Jahr 1981 eine rechtsseitige Beckenringfraktur mit zentraler Hüftluxation und geringer Dislokation der Bruchstücke erlitten hatte, dass sie vom 15.11.1981 bis 26.01.1982 stationär behandelt wurde und dass das rechte Bein an Unterarmgehstützen bis 01.03.1982 entlastet werden musste. Der Sachverständige berücksichtigte auch, dass vor den Jahren 2011 keine weiteren medizinisch relevanten Unterlagen vorlagen und beim Unfallereignis vom 15.11.1981 keinerlei Verletzungen an der Wirbelsäule oder der Schulter rechtsseitig dokumentiert wurden. Neben den als degenerativen Veränderungen nach Ablauf von 30 Jahren anzusehenden Erkrankungen der Klägerin berücksichtigte der Sachverständige zudem, dass etwa das Einsacken des rechten Knies, ein Taubheitsgefühl lateral am rechten Knie und eine Erhöhung der Miktionsfrequenz, sowie eine Harninkontinenz erst in ärztlichen Befunden aus dem Jahr 2012 (Dr. D2.) auftraten und dann auch radiologische Untersuchungsmaßnahmen eingeleitet wurden, die im Juli 2012 eine AC-Gelenksarthrose aufwiesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist dabei das Einsacken des rechten Kniegelenkes unter Belastung als unwillkürliches Wegknicken des Kniegelenkes rechtsseitig aufgrund eines einschießenden Arthroseschmerzes anzusehen. Dies ist zurückzuführen auf den Arthroseschmerz im rechten Hüftgelenk und damit seiner Einschätzung nach eine unmittelbare Unfallfolge.
Zwar kann es nach seinen Angaben bei einer schweren Beckenverletzung zu einer Beeinträchtigung der Harn- und Stuhlkontinenz kommen, zeitnah wurde jedoch nach den vorliegenden Unterlagen eine entsprechende Unfallfolge nicht dokumentiert. Ursachen für eine derartige Inkontinenz können nach den Ausführungen des Sachverständigen jedoch auch neurologische oder auch urologische Gründe sein. Die genauen Ursachen seien bei der Klägerin aber differentialdiagnostisch ärztlicherseits nicht abgeklärt worden, allerdings bringe die Klägerin eine Reihe von prädisponierenden Diagnosen für die erhöhte Miktionsfrequenz, wie z. B. die Radikulopathie der LWS mit Spondylarthrosen, Foramenstenosen (Diagnose Dr. R. 10/2013) mit, und in der weiteren Dokumentation des Dr. D2. in den Verlaufsbefunden vom 18.5.12 und 15.3.13 würde die Miktion als normal beschrieben. Letztlich ließ sich ein unfallbedingter Zusammenhang insoweit jedenfalls nicht hinreichend sicher nachweisen und wurde letztlich von der Klägerin in ihren Klageanträgen auch nicht behauptet.
Degenerativ arthrotische Veränderungen sind nach Beurteilung des Sachverständigen die Schultergelenke, das AC-Gelenk rechts betont, die Sternoklavikulargelenke, die Kniegelenke, die Sprunggelenke und Mittelfüße. Auch die Befunde an der Wirbelsäule sind nach den Beschreibungen in den Befunden am Ehesten als osteodegenerative Veränderungen einzustufen. Mangels dokumentierter Verletzungen in diesen anatomischen Bezirken bei dem Unfallereignis aus dem Jahr 1981 konnten diese ärztlicherseits auch nicht als unfallkausal angesehen werden. Insbesondere ist dort auch keine Verletzung des Schultergelenkes dokumentiert. Die Einschätzung des Sachverständigen, dass derartige arthrotische Veränderungen bei einem Lebensalter der Klägerin von zum Untersuchungszeitpunkt 53 Jahren wie in vergleichbaren Fällen häufig anzutreffen, degenerative Verschleißerscheinungen, etwa im Schulterbereich sind, ist daher plausibel und nachvollziehbar. Der Sachverständige hat hierbei auch berücksichtigt, dass etwa die Arthrose und Nervenwurzelirritationen im Wirbelsäulenbereich dann in einem kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehen könnten, wenn etwa unfallbedingt eine Asymmetrie des Knochenskelettes bestünde, etwa eine Beinverkürzung der rechten Seite von mehr als 2 cm. Eine solche unfallbedingte Asymmetrie des Knochenskelettes geht jedoch aus den dem Sachverständigen klägerseits vorgelegten ärztlichen Unterlagen ebenfalls nicht hervor. Die Einschätzung des Sachverständigen, dass diese Diagnosen ausschließlich altersbedingter, degenerativer Natur sind, ist daher ebenfalls schlüssig. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme wurden klägerseits nicht vorgetragen.
Gleiches gilt für die Diagnosen betreffend die linke Schulter, die durch Magnetresonanztomographiebilder des Dr. med. B. festgestellt wurden. Auch hier geht der Sachverständige in sich schlüssig und plausibel von einem unfallbedingten Verschleiß aus, da auch insoweit die von ihm erwogene Alternativursache, dass ein unfallbedingter Verschleiß dann vorliegen könnte, wenn über Jahre eine Entlastung der unteren Extremitäten an Unterarmgehstützen oder im Rollstuhl erforderlich gewesen wäre, vorliegend nicht erkennbar ist. Aus den vom Sachverständigen ausgewerteten medizinischen Unterlagen geht jedoch vielmehr hervor, dass die Entlastung an Unterarmgehstützen lediglich vom Unfalltag 15.11.1981 bis zum 01.03.1982 erforderlich, somit maximal 3 1/2 Monate betrug, wobei ergänzend wohl auch nicht zu erwarten ist, dass die Klägerin sich nach dem Unfall in Anbetracht der erlittenen Primärverletzung sogleich mit Unterarmgehstützen bewegen konnte, der tatsächliche Zeitraum der Benutzung der Unterarmgehstützen daher eher noch kürzer sein dürfte.
Der Sachverständige ist gleichzeitig jedoch zu dem klaren Ergebnis gekommen, dass jedenfalls als Folge des Unfallereignisses vom 15.11.1981 die posttraumatische Coxarthrose rechtsseitig, die Zyste im Bereich des hinteren Acetabulurpfeilers rechtsseitig und die Implantation einer Hüftgelenksendoprothese rechtsseitig über dorsalen Zugang vom 24.07.2014 im Klinikum G.-P. auf das Unfallereignis vom 15.11.1981 kausal zurückgeführt werden können. Auch die im Anschluss an die Operation im Jahr 2014 erforderliche Rehamaßnahme in der Fachklinik Bad Heilbronn ist demgemäß ebenfalls Folge des Unfallereignisses.
Der Sachverständige führt diese Folgen zwanglos auf die bei dem Unfall eingetretene Acetabulumfraktur zurück. Die sich hieraus typischerweise entwickelnde posttraumatische Coxarthrose kann frühzeitig oder auch eine Langzeitfolge sein, die erst nach 20 bis 30 Jahren klinisch auffällig wird. Dies ist ein Erfahrungswert, mit dem ein Facharzt sowohl 1981, als auch 1996 zu rechnen hatte nach Angaben des Sachverständigen, der sich hierin gänzlich sicher zeigte (schriftliches Gutachten Seite 9 1. Absatz untere Hälfte, Bl. 73 d. A., und nochmals ausdrücklich auf Nachfrage bestätigt in der mündlichen Anhörung vom 28.10.2016, Bl. 96 3. und 4. Absatz).
Der Sachverständige kommt insbesondere in seiner Einschätzung auch zu dem Ergebnis, dass die posttraumatische Coxarthrose geradezu eine typische Folge einer Acetabulumfraktur ist, deren Eintritt in der einschlägigen Fachliteratur mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 bis 57% angegeben wird. Sowohl die Coxarthrose, als auch die mögliche Notwendigkeit einer endoprothetischen Versorgung sind dabei ein Erfahrungswert, mit dem auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs im Jahr 1996 ein Arzt bzw. Facharzt zu rechnen hatte.
In Ergänzung zu seinem schriftlichen Gutachten erklärte der Sachverständige auf ausdrückliche Frage des Gerichts insbesondere, dass sämtliche streitgegenständlichen Folgen der eingetreten Acetabulumfraktur, nämlich die spätere Entwicklung einer Coxarthrose, einer Zyste (Entwicklung eines Knochenhohlraums als Folge der Arthrose) und bei dem Erreichen eines besonders schweren Stadiums auch die Notwendigkeit der Implentation einer Hüftgelenksendoprothese, schon mit der eingetretenen Fraktur, also bereits zum Zeitpunkt des Unfalls für einen Facharzt absehbar waren.
Darüberhinaus erklärte der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ergänzend, dass die Hüftveränderungen der Klägerin, die schon im Jahr 2008 beschrieben wurden, sich nicht von Heut auf Morgen, sondern über Jahre hinweg entwickelt hätten. Eine Acetabulumzyste sei ein Zeichen einer fortgeschrittenen Arthrose der Hüftpfanne. Nach den Feststellungen des ärztlichen Kollegen Bauer zeigten bereits Aufnahmen aus dem Jahr 2006, dass hier Veränderungen vorlagen. Eine Coxarthrose entwickle sich über Jahre. Zwar sei das subjektive Empfinden des Patienten unterschiedlich. Allerdings ergäbe sich aus der Zusammenfassung aus der Anlage K 14, dass die Beweglichkeit der Patientin zu diesem Zeitpunkt (6.10.2010) bereits stark eingeschränkt sei, dass ihre subjektiven Beschwerden mit den objektiven Befunden insoweit korrelieren würden und es ihr derzeit bei eingeschränkter Geh- und Stehfähigkeit eine Berufsausübung nicht möglich ist. Dies erscheine auch im Hinblick auf die festgestellte Erkrankung für den Sachverständigen plausibel. Der Sachverständige bestätigt auch, dass sich aus dem Bescheid aus dem Jahr 2007 (Anlage K 13) bereits eine Funktionsbehinderung des Hüftgelenks rechts ergibt, die auch einen Hinweis auf die Coxarthrose der Hüftpfanne gibt. Das Giving-Way-Symptom ist dabei nur ein klinisches Symptom der Coxarthrose, keine eigenständige Erkrankung. Auf ausdrückliche Nachfrage erklärte der Sachverständige, dass die hohe Wahrscheinlichkeit der späteren Entwicklung einer Coxarthrose, die mögliche Folge der Entwicklung einer Zyste und die Notwendigkeit der Implantation einer Hüftgelenksendoprothese schon zum Unfallzeitpunkt vorhersehbar war, unabhängig davon, dass früher konservativ behandelt und nicht operiert wurde. Der Sachverständige führte insoweit aus, dass es als Folge der konservativen Behandlungsmethode sogar eine hohe Quote späterer Coxarthroseerkrankungen eintrat. Deshalb habe man später dann operative Behandlungen bevorzugt, die aber immer noch eine, zwar leicht verbesserte, hohe Quote derartiger späterer Folgeerkrankungen nicht verhindern konnte. Der Grund liege einfach darin, dass nicht nur der Knochen bei dem Bruch verletzt werde, der wieder heilen könne, sondern insbesondere auch Knorpelschäden eintreten, die kaum verbesserungsfähig seien. Diese spätere Folge sei jedenfalls im Jahr 1981 bereits genau bekannt gewesen.
Das Gericht folgt aufgrund der fundierten Sachverständigenbeurteilung des Sachverständigen dieser Einschätzung. Das Gericht hat auch keinen Zweifel, an der Sachkunde des Sachverständigen, der an der BGU Murnau aufgrund seiner Tätigkeit dort in einer Vielzahl von Fällen mit vergleichbaren Erkrankungen befasst ist und sein Gutachten in wissenschaftlicher Weise erstellt hat. Im Rahmen der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Beweiswürdigung verbleiben keine hinreichenden Zweifel an der Einschätzung des Sachverständigen, dass die bei der Klägerin diagnostizierten Verletzungen zwar zum Teil unfallbedingte, kausale Spätfolgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens waren, es sich jedoch entsprechend der Einschätzung des Sachverständigen hierbei um typische, und auch bereits im Jahr 1981, jedenfalls aber im Jahr 1996 umso mehr bekannte typische Folgeerkrankungen des von der Klägerin unstreitig erlittenen Beckenringbruchs handelte.
Soweit die Klagepartei ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß Schriftsatz vom 20.12.2016 zum Beweis der Behauptung, dass die rechtsseitige Beckenringfraktur mit zentraler Hüftluxation im Jahr 1981 die alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im Jahr 2008 gewesen sei, die Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens beantragt, wurde diesem Beweisantrag nicht nachgekommen, da keine Relevanz für die vorliegenden streitgegenständlichen Fragen ersichtlich ist. Maßgeblich für die Frage der Verjährung der materiellen Ansprüche der Klägerin bzw. die Frage, ob diese behaupteten Spätfolgen bereits vom Abfindungsvergleich hinsichtlich der immateriellen Schäden erfasst sind, ist ausschließlich die Frage, ob unfallbedingt Spätschäden eingetreten sind, die zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht vorhersehbar waren.
Nicht mehr von Relevanz hingegen ist die Frage, ob zwischenzeitlich eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gänzlich oder teilweise unfallbedingt eingetreten ist. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die im Jahr 2008 eingetretene Arbeitsunfähigkeit teilweise oder ausschließlich auf eine bereits im Jahr 1981 vorhersehbare Spätfolge beruht, oder ob noch andere Erkrankungen von Relevanz sind.
Zumindest ein Teil der Diagnosen, die zur Schwerbehinderung der Klägerin von zuletzt 60% gemäß der Anlage K 10 geführt haben, und auch zumindest ein Teil der Gesundheitsbeeinträchtigungen, die zur Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2008 führten, sind zwar nach Einschätzung des Sachverständigen unfallbedingt, insbesondere die Einschränkungen der Hüfte, auch wenn die Arthrose des rechten Hüftgelenkes nicht die alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2008 war.
Auch bestätigt der Sachverständige, dass die Klägerin auch künftig mit weiteren Spätfolgen, die kausal auf das Unfallereignis und die dort erlittenen Verletzungen zurückzuführen sind, rechnen müsse, insbesondere dass sie als Trägerin einer Endoprothese bei bakteriellen Infektionen/invasiven Eingriffen wegen einer potentiellen Bakteriemie gefährdet ist und daher bei allen chirurgischen und zahnärztlichen Behandlungen eine Antibiotikaprophylaxe erhalten müsse.
Allerdings waren diese Spätfolgen eben bereits zum Zeitpunkt des Unfalls, und damit auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs entgegen dem Sachvortrag der Klägerin vorhersehbar und bekannt, konnten also bei Vergleichsabschluss bereits mit berücksichtigt werden. Verjährungshemmende Maßnahmen wurden von der Klägerin in der Folgezeit nicht ergriffen, soweit nicht ohnehin die Ansprüche bereits endgültig abgefunden waren. Somit trat, wie ausgeführt bereits Ende 1999 Verjährung ein, und die später aufgenommenen Verhandlungen der Klägerin entfalteten keine rechtliche Relevanz mehr, zumal ein Anerkenntnis der Beklagten nicht vorliegt und diese die Einrede der Verjährung erhoben hat.
Nicht stichhaltig ist auch der Einwand des Klägervertreters, dass der Sachverständige die Frage der Vorhersehbarkeit der Coxarthrose nur bezogen auf das Jahr 1996 und nicht auf das Unfalljahr 1981 beantwortet hätte. Es ist auch nicht erforderlich, dem Sachverständigen hier nochmals ein Ergänzungsgutachten aufzugeben, da er diese Frage bereits in seiner mündlichen Anhörung ausdrücklich auf Frage des Gerichts beantwortet hat. Soweit Formulierungen des Sachverständigen im schriftlichen Gutachten dem Gericht nicht hinreichend klar erschienen, wurde der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nochmals dazu befragt und hat durch eindeutige Angaben den Inhalt seiner gutachterlichen Aussage klar definiert. Auch die Klagepartei hatte insoweit ausreichend Gelegenheit, den anwesenden Sachverständigen dazu zu befragen, und von ihrem Fragerecht auch Gebrauch gemacht. Das Gericht sieht daher keinerlei Anlass, ein neues Gutachten einzuholen oder den bisherigen Sachverständigen erneut die gleichen Fragen zu stellen, die bereits in der mündlichen Verhandlung gestellt wurden. Insbesondere die im letzten Absatz dieses Schriftsatzes wiederum aufgestellte Behauptung, dass die Zyste im Bereich des Acetabulumpfeilers rechts und die Hüftgelenksendoprothese sowie das Einsacken des rechten Beines im Jahr 1981 für einen Facharzt nicht vorhersehbar gewesen seien, ist durch die bereits durchgeführte Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes ausführlich und eindeutig negativ vom Sachverständigen beantwortet worden. An der Sachkunde des hochqualifizierten Sachverständigen, der Leiter einer Fachabteilung für Rekonstruktive Endoprothetik einer berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik ist und mit derartigen Verletzungsbildern vertraut ist, besteht kein vernüftiger Zweifel des Gerichts. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme wurden klägerseits nicht dargelegt. Für die Beantwortung der Beweisfragen ist auch nicht erforderlich, dass er Arbeitsmediziner sein müsste, da er nicht die Arbeitsfähigkeit der Klägerin begutachten soll und muss. Es ist nicht ersichtlich, dass der Sachverständige gegen Grundsätze einer ordnungsgemäßen Gutachtenserstattung verstoßen hätte, dass er medizinische Erfahrungssätze missachtet oder medizinischen Erkenntnissen widersprechende Behauptungen aufgestellt oder getätigt hätte. Dass der Sachverständige aus fachärztlicher Sicht zu einer anderen Bewertung der Vorhersehbarkeit bestimmter Spätschäden aus Verletzungsbilndern kommt, als die Klägerin, rechtfertigt nicht die Erholung eines weiteren Gutachtens. Die Klagepartei hat insoweit auch keine entsprechenden substantiierten Einwände gegen die Richtigkeit des Gutachtens erhoben, sodass es insoweit bei der bereits erfolgten Beweisaufnahme zu verbleiben hat.
Das Gericht folgt auch nicht der Auffassung der Klagepartei, dass hinsichtlich der nunmehr mit der Klageerweiterung geltend gemachten Verdienstausfallschaden deshalb keine Verjährung eingetreten sein könne, weil es sich um wiederkehrende Leistungen, gehandelt habe. Maßgeblich kann nach Auffassung des Gerichts hier nur sein, ob das Stammrecht bereits verjährt ist, denn wenn der Schadensersatzanspruch auf materielle Schäden bereits verjährt ist, kann der Anspruch auch nicht alleine dadurch wieder aufleben, dass es sich um wiederkehrende Leistungen handelt, d. h. die Ansprüche leben nicht alleine aufgrund der Jahre später entstehenden periodische Wiederkehr der aus dem potentiellen Stammrecht folgenden Ansprüche wieder auf. Die Wiederkehr periodischer Ansprüche unterbricht vielmehr lediglich immer wieder die Verjährung und verhindert so gegebenenfalls den Eintritt der Verjährung des – noch unverjährten – Stammrechts, beseitigt aber nicht nachträglich die bereits eingetretene Verjährung des Stammrechts.
Um den Eintritt der Verjährung zu verhindern hätte die Klägerin seinerzeit entweder bereits in der streitgegenständlichen Abfindungsvereinbarung einen Verjährungsverzicht mit aufnehmen zu lassen, oder jedenfalls nach Änderung der früher großzügigen Verjährungsvorschriften durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vor Ablauf der nunmehr ab 01.01.2002 verkürzt anlaufenden Frist nachträglich einen Verjährungsverzicht hinsichtlich der vorbehaltenen materiellen Ansprüche mit aufnehmen lassen oder vor Eintritt der Verjährung die Klage erheben müssen, da ihr die Risiken von Spätfolgen bereits seit dem Unfallzeitpunkt bekannt waren, oder jedenfalls ihr auch schon mindestens seit Eintritt ihrer Berufsunfähigkeit bekannt sein mussten.
Eine anderweitige Unterbrechung der Verjährung konnte die Klägerin auch nicht durch ihren Sachvortrag, es sei bereits unter dem 23.04.1982 eine Klage für die Klägerin beim Landgericht München II erhoben worden (Anl. K 11), untermauern. Insoweit wird auf die oben getätigten Ausführungen verwiesen, wonach die Akte bereits am 11.08.1992 nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen beim Gericht entsorgt wurde (Anl. K 12), damit also bereits im Jahr 1982 erledigt war und daher keine Relevanz mehr für den Lauf der Verjährungsfrist entfalten konnte.
Das Gericht folgt auch nicht der Auffassung der Klägerin unter Berufen auf eine Entscheidung des BGH vom 16.09.2008 (VI ZR 296/07; VersR 2008, 1648 ff), dass die Klägerin jedenfalls deshalb Nachforderungen stellen könnte, weil ihr ein Festhalten am Vergleich nach Treu und Glauben nicht zuzumuten sei. Voraussetzung für eine Korrektur geschlossener Vereinbarungen über die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB wegen schwerwiegender Veränderung der Umstände, die zur Grundlage der Vereinbarung geworden sind, sind entweder schwerwiegende Veränderungen durch nachträgliche Ereignisse (Abs. 1) oder wenn die Geschäftsgrundlage fehlte, weil sich die Parteien hinsichtlich einer wesentlichen Voraussetzung des Geschäfts in einem beiderseitigen Irrtum befunden haben (Abs. 2). Dies ist jedoch in der Regel nicht anzunehmen, wenn es sich um vorhersehbare Änderungen handelt. Die Rechtsprechung geht daher überwiegend davon aus, dass bei Eintritt von Spätfolgen, die vorhersehbar sind, kein Fall des § 313 BGB vorliegt (vgl. Pal. Rz. 23 m. w. N. z. Rspr.). Genau die Vorhersehbarkeit aller klägerseits geltend gemachten und als unfallbedingt anzusehenden Spätfolgen wurde jedoch vom Sachverständigen eindeutig bejaht.
Darüber hinaus sieht das Gericht auch nicht in ausreichender Weise die für § 313 BGB zudem erforderliche Feststellung der Unzumutbarkeit am Festhalten der getroffenen Vereinbarung gegeben. Zwar erscheint der damals abgeschlossenen Betrag von noch 8000,00 DM in Anbetracht der nicht unerheblichen Verletzung der Klägerin im Beckenbereich und der nunmehr erforderlich gewordenen weiteren Behandlungen in diesem Bereich aus heutiger Sicht eher im unteren Bereich.
Allerdings handelt es sich hierbei nur um einen Teilbetrag, insgesamt nämlich leistete die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin 23.500,00 DM, was bei entsprechender Indexierung nach heutigem Wert etwa 26.000,00 EUR entsprach.
Zudem ist zu sehen, dass die damalige Vereinbarung nur die immateriellen Ansprüche abgelten sollte, und die materiellen davon nicht erfasst waren. Der Umstand, dass die Klägerin hinsichtlich der deutlich höheren materiellen Ansprüche im Zeitraum danach eine Verjährung eintreten ließ, muss daher bei der Betrachtung der Unzumutbarkeit am Festhalten der getroffenen Vereinbarung außen vor bleiben. Darüber hinaus ist zu sehen, dass der Betrag von insgesamt 23.500 DM im Jahr 1996 inflationsbereinigt einem Betrag von ca. 26.000,00 EUR heute entsprechen würde, und die Klägerin – vom Gericht befragt, weshalb sie damals die Summe akzeptiert hatte, sich nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt gesundheitlich wiederhergestellt fühlte und auch wieder Sport treiben konnte. Sie hat daher damals die offenkundige Entscheidung getroffen, in Kenntnis ihrer schweren Unfallverletzung, des Umfangs der notwendig gewordenen und weiter anvisierten Behandlungen und Rehamaßnahmen und aller damit zunächst verbundenen Einschränkungen, den genannten Restabfindungsbetrag jedenfalls als Schmerzensgeld für die Vergangenheit und Zukunft als ausreichend zu akzeptieren.
Dabei war bereits mit Eintritt der Verletzung nach ärztlichwissenschaftlichen Standpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit das Risiko gegeben, dass sich aus der Verletzung mit zunehmendem Alter eine Arthrose entwickeln könnte, die bei schwererem Verlauf auch bis zu einer Hüftgelenkstotalendoprothese führen könnte.
Auch wenn die Klägerin angibt, dass sie persönlich dieses Risiko nicht gekannt hätte und von ihren damals behandelnden Ärzten über dieses Risiko nicht aufgeklärt worden sei, so kann maßgeblich für die Frage der Zumutbarkeit am Festhalten nur die Frage sein, ob diese Folgen aus fachärztlicher Sicht vorhersehbar waren und bei hinreichender Nachfrage der Klägerin auch bekannt sein hätten können. Denn die Abwägung der Frage, ob das Festhalten an der getroffenen Vereinbarung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht vereinbarenden Ergebnis führen würde, setzt eine umfassende Interessenabwägung sämtlicher Parteien unter Würdigung aller Umstände voraus. Dies vor allem im Hinblick auf die im Zivilrecht grundsäztlich geltende Vertragsfreiheit und den Grundsatz „pacta sunt servanda“. Eine nachträgliche Korrektur einmal getroffener Vereinbarungen kann daher nur unter größter Zurückhaltung, somit nur als Ausnahmefall zur Wiederherstellung eines ansonsten als unerträglich anzusehenden Rechtszustands vom Gericht ausgesprochen werden. Dabei kann es nicht allein auf die subjektive Vorstellung einer Partei ankommen, sondern eben im Einklang mit der herrschenden Meinung auf damals objektiv erkennbare Umstände. Dabei kommt das Gericht vorliegend bei objektiver Betrachtung und Würdigung der Aussagen des medizinischen Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass die Spätfolgen objektiv vorhersehbar waren und somit keine nachträgliche Änderung darstellen, die einer Partei ein Loslösen oder Anpassen von den einmal getroffenen Vereinbarungen im Sinne des § 313 BGB ermöglichen könnten. Vielmehr gehören einseitige Fehleinschätzungen über die künftige Entwicklung grundsätzlich zu den von den Parteien übernommenen Risiken, anders nur bei einem krassen Mißverhältnis zwischen Abfindungssumme und Schaden bei unvorhersehbaren Folgen (Pal. BGB § 313 Rz. 44 m. w. Nw z. Rspr.).
Betrachtet man die Beckenringfraktur der Klägerin und vergleicht insoweit mit den hier nach der einschlägigen Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Wellner/Häcker in der 34. Auflage aus 2016, so ergeben sich auch insoweit Summen zwischen 3000,00 EUR (Urteil von 2009, Doppelter Beckenbruch eines Kindes lfd Nr. 115), 8000,00 DM (Urteil von 1998, Beckenringbruch und Gehirnerschütterung mit ausdrücklicher Berücksichtigung der Arthrosegefahr, lfd. Nr. 116) bis zu 25.000 DM (Urteil 2001, Verrenkungsbruch des linken Hüftgelenks, Frakturen des Beckenrings und Beckenschaufelfraktur bei 50% Mitverschulden und zu erwartenden Dauerschäden, lfd. Nr. 123). Bei den in der zitierten Tabelle aufgeführten Schmerzensgeldbeträgen für Beckenbrüche liegen nur diejenigen im Bereich des Betrages, den die Klägerin insgesamt erhalten hat, oder darüber, die noch erhebliche anderweitige Verletzungen aufweisen. Insgesamt erscheint der hier ausgehandelte Betrag daher nicht deutlich unvertretbar gegenüber sonstigen in ähnlichen Verletzungsfällen im damaligen Zeitraum und danach ausgewiesenen Schmerzensgeldbeträgen. Das Gericht kann daher auch kein krasses Mißverhältnis erkennen, das eine Korrektur geradezu unerlässlich erscheinen ließe.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 2 ZPO.

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