Aktenzeichen B 3 P 1/10 R
§ 9 Abs 2 PflegeG ND vom 22.05.1996
§ 9 Abs 3 S 1 PflegeG ND vom 22.05.1996
§ 11 Abs 1 PflegeG ND vom 22.05.1996
§ 13 PflegeG ND vom 22.05.1996
§ 7 Abs 2 S 1 Nr 2 LottG ND vom 21.06.1997
§ 9 LottG ND vom 21.06.1997
§ 41 Abs 1 SGB 11
§ 42 SGB 11
§ 82 Abs 3 SGB 11 vom 14.06.1996
§ 82 Abs 4 SGB 11 vom 14.06.1996
§ 162 SGG
Art 3 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG
§ 87 Abs 1 S 1 SGG
Verfahrensgang
vorgehend SG Osnabrück, 23. Juni 2006, Az: S 14 P 39/02, Urteilvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 24. Februar 2010, Az: L 15 P 39/06, Urteil
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Februar 2010 – L 15 P 39/06 – wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Der Kläger, ein als eingetragener Verein organisierter Verband der Freien Wohlfahrtspflege, betreibt in L. das von den Pflegekassen zur Versorgung ihrer pflegebedürftigen Versicherten zugelassene (§ 72 SGB XI) Pflegeheim “Haus S.” mit 32 Dauerpflegeplätzen, 16 Kurzzeitpflegeplätzen und 10 Tagespflegeplätzen. Das Projekt wurde ua mit einer Finanzhilfe in Höhe von 1 215 100 DM aus den Konzessionsabgaben der Lotterie- und Wettunternehmen finanziert. Diese Finanzhilfe wurde zu Anfang sowohl von dem Kläger als auch von dem beklagten Landkreis Emsland bei der Berechnung und Festsetzung der betriebsnotwendigen Investitionsfolgeaufwendungen als Eigenmittel des Klägers behandelt und deshalb bei den Zinsen für eingesetztes Eigenkapital sowie bei den Abschreibungen auf Gebäude und Inventar berücksichtigt. Dementsprechend wurde der Tagesbetrag, den der Kläger den Pflegeheimbewohnern bei der vollstationären Dauerpflege nach § 82 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB XI in Rechnung stellen durfte, für die Zeit vom 1.1.1999 bis zum 30.6.2000 auf 11,84 DM festgesetzt. Die Investitionsfolgeaufwendungen betrugen in diesem Zeitraum bei der Kurzzeitpflege 18,40 DM und bei der Tagespflege 11,79 DM pro Kalendertag. Diese Kosten wurden seinerzeit aber nicht den in Kurzzeitpflege bzw Tagespflege befindlichen Personen in Rechnung gestellt, sondern an deren Stelle einkommensunabhängig vom Land Niedersachsen im Wege der Einrichtungsförderung nach dem Gesetz zur Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI (Niedersächsisches Pflegegesetz – NPflegeG) getragen.
2
Für die Folgezeit vom 1.7.2000 bis zum 30.6.2001 beantragte der Kläger die Festsetzung der Tagesbeträge auf 11,81 DM (Dauerpflege), 19,73 DM (Kurzzeitpflege) und 12,04 DM (Tagespflege). Der Beklagte lehnte diese Anträge ab und setzte die Tagesbeträge auf 10,91 DM (Dauerpflege), 5,20 DM (Kurzzeitpflege) und 3,21 DM (Tagespflege) fest (drei Bescheide vom 16.10.2000, gemeinsamer Widerspruchsbescheid vom 19.6.2001). Zur Begründung berief sich der Beklagte auf einen Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales (MFAS) vom 6.6.2000 (Az: 107.1-43 590/14.1), wonach die den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege zustehenden Finanzhilfen aus Konzessionsabgaben nach dem Niedersächsischen Gesetz über das Lotterie- und Wettwesen (NLottG) hinsichtlich der Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionsfolgeaufwendungen nicht als Eigenkapital des Einrichtungsträgers, sondern als Mittel aus “öffentlicher Förderung” durch das Land anzusehen seien, sodass diese Mittel bei der Verzinsung von Eigenkapital sowie bei den Abschreibungen auf Gebäude und Inventar nicht berücksichtigt werden dürften. Der Kläger hält diese rechtliche Wertung für rechtswidrig.
3
Das VG Osnabrück hat die am 18.7.2001 erhobene Klage zuständigkeitshalber an das SG Osnabrück verwiesen (Beschluss vom 24.5.2002). Die Klage war ursprünglich gegen die Widerspruchsbehörde (Bezirksregierung Weser-Ems) gerichtet und ist am 27.7.2001 auf den jetzigen Beklagten umgestellt worden. Die Vorinstanzen haben diese Umstellung als schlichte Berichtigung des Passivrubrums angesehen und die Klage deshalb als rechtzeitig erhoben erachtet.
4
Die Klage richtete sich in erster und zweiter Instanz gegen alle drei Bescheide des Beklagten. Im Revisionsverfahren sind nur noch die Bescheide bezüglich der Kurzzeitpflege und der Tagespflege streitbefangen. Die den Bescheid zur Dauerpflege betreffende Klage war erfolgreich. Das SG hat diesen Bescheid aufgehoben, weil der Kläger für die gesonderte Berechnung betriebsnotwendiger Investitionsfolgeaufwendungen gegenüber den in Dauerpflege befindlichen Heimbewohnern keine Zustimmung der zuständigen Landesbehörde nach § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XI benötigt habe, sondern die gesonderte Berechnung dort nur anzuzeigen gewesen sei (§ 82 Abs 4 SGB XI). Es habe keine öffentliche Förderung der Dauerpflegeplätze in dem Pflegeheim stattgefunden. Die bis Ende 2003 gezahlten Aufwendungszuschüsse nach § 13 NPflegeG für einkommensschwache Pflegebedürftige stellten keine einrichtungs- bzw objektbezogene Förderung iS der §§ 9 und 82 Abs 3 SGB XI dar, sondern eine bewohner- bzw subjektbezogene Sozialleistung sui generis, sodass der Bescheid zur Dauerpflege rechtswidrig sei. Das LSG hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt, auch die Verwendung der Finanzhilfe im Rahmen der Errichtung des Objekts löse keine Zustimmungsbedürftigkeit nach § 82 Abs 3 SGB XI aus, weil nur eine aktuelle Objektförderung zur Zustimmungsbedürftigkeit führe, nicht aber eine in der Vergangenheit erfolgte Förderung, wie es hier der Fall sei. Diese Entscheidung ist rechtskräftig geworden, weil der – insoweit allein beschwerte – Beklagte keine Revision eingelegt hat.
5
Das SG hat die beiden im Revisionsverfahren nur noch streitbefangenen Bescheide zur Kurzzeitpflege und Tagespflege ebenfalls aufgehoben (Urteil vom 23.6.2006). Das LSG hat diese Entscheidung im – diesbezüglich von beiden Beteiligten betriebenen – Berufungsverfahren geändert und die Klage insoweit abgewiesen (Urteil vom 24.2.2010). Die Bescheide über die öffentliche Förderung der Kurzzeitpflegeplätze mit täglich 5,20 DM und der Tagespflegeplätze mit täglich 3,21 DM seien rechtmäßig. Bei der Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionsfolgeaufwendungen seien nach § 9 Abs 3 NPflegeG die Finanzhilfen aus den Konzessionsabgaben nicht zu berücksichtigen, weil es sich dabei nicht um Eigenkapital der Heimträger, sondern um eine mittelbare staatliche Förderung handele, die bei der Verzinsung des Eigenkapitals und bei den Abschreibungen für das Gebäude und das Inventar außer Ansatz bleiben müsse. Die auf die Festsetzung höherer Tagesbeträge gerichtete Klage sei deshalb unbegründet.
6
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Zwar beruhe der Förderanspruch allein auf Normen des niedersächsischen Landesrechts (§§ 9 und 11 NPflegeG). Die Auslegung der Normen verletze aber Bundesrecht, weil sich das LSG auf einige systematische Erwägungen beschränkt, die historische Entwicklung und die Gesetzesmaterialien zum NPflegeG und NLottG aber außer Acht gelassen und auf diese Weise den Rahmen zulässiger Auslegung überschritten habe. Dadurch habe das LSG Bundesrecht in Form des Willkürverbots (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) missachtet. Die “historisch-teleologische Auslegung” beider Gesetze ergebe nämlich, dass die Mittel aus den Konzessionsabgaben aufgrund eines Rechtsanspruchs an die Verbände ausgezahlt werden und die Gelder deshalb als Eigenmittel und gerade nicht als öffentliche Förderung anzusehen seien. Auch in der am 27.3.1998 getroffenen Vereinbarung zwischen dem Land Niedersachsen und den in der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbänden seien diese Finanzhilfen ausdrücklich den “Eigenmitteln” zugeordnet.
7
Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Februar 2010 und des Sozialgerichts Osnabrück vom 23. Juni 2006 zu ändern, die Bescheide des Beklagten vom 16. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni 2001 die förderfähigen Investitionsfolgeaufwendungen für die Kurzzeitpflegeplätze auf kalendertäglich 19,73 DM (10,09 Euro) und für die Tagespflegeplätze auf kalendertäglich 12,04 DM (6,16 Euro) festzusetzen.
8
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,die Revision zurückzuweisen.