Sozialrecht

Verfallfrist bei Umwandlung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld als Darlehen

Aktenzeichen  S 46 AS 1477/15

Datum:
8.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21160
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 44 Abs. 4 S. 1
SGB II § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
SGG § 105 Abs. 1

 

Leitsatz

Wenn in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X die Umwandlung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II als Darlehen in einen Zuschuss begehrt wird, gilt gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X eine sog. Verfallfrist von einem Jahr. Mit der Umwandlung wird eine Leistungserbringung begehrt und nicht eine Beseitigung der Rückforderung einer zuvor als Zuschuss erbrachten Leistung.

Tenor

I. Die Klage gegen den Überprüfungsbescheid von 9. März 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10. Juni 2015 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klage ist aber unbegründet, weil der strittige Bescheid dem Gesetz entspricht und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist.
Gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Statthaft ist die kombinierte Klage auf Aufhebung des Überprüfungsbescheids und Verpflichtung der Behörde zur Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids von einem Darlehen zu einem Zuschuss.
Die Klage ist unbegründet, weil der Beklagte die Überprüfung des Ursprungsbescheids vom 09.08.2006 zu Recht wegen Fristüberschreitung abgelehnt hat.
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt für das Verfahren nach dem SGB II das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist vom vorherigen Jahresbeginn auszugehen. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis 31.07.2016 geltenden Fassung gilt § 44 Abs. 4 Satz 1 des SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. An die Stelle dieser Vierjahresfrist gilt also eine Einjahresfrist.
Auf Rückforderungsbescheide sei laut BSG weder die Einjahres- noch die Vierjahresfrist anwendbar (BSG, Urteil vom 13.02.2014, B 4 AS 19/13 R, Rn. 20; von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 Rn. 28; a.A. mit guten Argumenten Mertens in Hauck/Noftz, SGB X, § 44 Rn. 106).
Es besteht Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur, dass eine Überprüfung eines Bescheids dann nicht mehr erforderlich ist, wenn sich aus § 44 Abs. 4 SGB X ergibt, dass es um die Erbringung von Sozialleistungen für einen Zeitraum außerhalb dieser Frist geht (von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 Rn. 38).
Weil es bei der Umwandlung von Darlehen in einen Zuschuss um die Erbringung von Sozialleistungen und nicht um eine Rückforderung einer zuvor gewährten Sozialleistung geht, ist die Einjahresfrist anwendbar. Im Übrigen wäre auch die Vierjahresfrist beim Überprüfungsantrag Ende 2014 für Leistungen im Jahr 2006 vorbei gewesen.
Bei einer unmittelbaren (ohne Überprüfungsverfahren) Klage auf Umwandlung eines Darlehens in einen Zuschuss ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft; einer Leistungsklage bedarf es nicht, weil die Geldleistung bereits erbracht wurde (BSG, Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 42/07 R, Rn. 16). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass der Kläger mit seinem Überprüfungsantrag die Beseitigung einer Rückforderung begehrt, die unbefristet möglich wäre. Der Kläger wendet sich nicht gegen eine Erstattungsforderung der Behörde, die aus einer Aufhebung einer vormals bewilligten Leistung resultiert. Der Kläger hatte immer nur Leistungen in Form eines Darlehens erhalten. Diesen Leistungen soll nun per Überprüfungsantrag eine andere „bessere Qualität“ als Zuschuss verliehen werden. Der Kläger begehrt damit die erstmalige Erbringung der Leistung in der Qualität eines Zuschusses. Dies ist ein Fall der Leistungserbringung nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Er unterliegt daher der Frist des § 44 Abs. 4 SGB X, die durch § 40 Abs. 1 S. 2 SGB II a.F. auf eine Einjahresfrist reduziert wird. Der Beklagte durfte deshalb die Überprüfung von vornherein ablehnen.
Auf die vom Kläger aufgestellte Behauptungen, dass sich trotz des hohen Alters der Nießbrauinhaber und dem außerordentlich nachfragegeprägten Immobilienmarkt kein Käufer der Immobilie gefunden hätte oder der Wert des Immobilienanteils zusammen mit sonstigem Vermögen den Vermögensfreibetrag von 9.000,- Euro (55 x 150 plus 750 Euro) unterschritten hätte, kommt es demnach nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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