Sozialrecht

Vermögensanrechnung eines geerbten Hausgrundstückanteils im Ausbildungsförderungsrecht

Aktenzeichen  12 ZB 17.1509

Datum:
11.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16789
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 93, § 101 Abs.2, § 124, § 124a Abs. 4
BAföG § 11, § 26, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1, Abs. 3
SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 8

 

Leitsatz

1 Die Verbindung zweier Verfahren nach § 93 S. 1 VwGO bedarf keiner vorherigen Anhörung der Verfahrensbeteiligten, auch wenn sie durch Beschluss unmittelbar vor Ergehen einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO erfolgt. (Rn. 3) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die Anrechnungsfreistellung weiteren Vermögens des Auszubildenden nach § 29 Abs. 3 BAföG setzt voraus, dass im konkreten Fall tatsächlich eine Verwertungsmöglichkeit des Vermögensgegenstandes im maßgeblichen Bewilligungszeitraum besteht. Denn nur wenn vorhandenes, einsatzpflichtiges Vermögen tatsächlich aktuell verwertet werden kann, steht es für die Bedarfsdeckung auch zur Verfügung (vgl. BayVGH BeckRS 2012, 25635). (Rn. 9) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Der Auszubildende, der sich auf das Vorliegen einer besonderen Härte bei der Vermögensanrechnung beruft, ist für diesen Umstand darlegungs- und beweispflichtig (vgl. VG Köln BeckRS 2014, 59168). (Rn. 11) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Die Annahme einer unbilligen Härte iSv § 29 Abs. 3 BAföG kann auch dann in Betracht kommen, wenn die Inanspruchnahme des Vermögens zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Lebensgrundlage des Auszubildenden oder seiner Angehörigen führen würde, etwa wenn die Verwertung des Vermögens die Veräußerung oder wesentliche Belastung eines selbst bewohnten angemessenen Hausgrundstücks zur Folge hätte und damit der tatsächliche oder zumindest wirtschaftliche Verlust der Wohnstatt zu besorgen wäre (vgl. OVG Lüneburg BeckRS 2013, 56568). (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Ob ein im Vermögen des Auszubildenden stehendes Hausgrundstück sich als angemessen darstellt, bestimmt sich zwar primär nach der Größe der Wohnfläche, kann jedoch durch weitere Faktoren wie die Lage der Immobilie oder besondere Wohnraumerfordernisse aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung eines Familienmitglieds im Rahmen einer Gesamtbetrachtung modifiziert werden (vgl. VG Frankfurt BeckRS 2016, 43070). (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

AN 2 K 16.371, AN 2 K 17.30 2017-04-20 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Kläger beansprucht für die Bewilligungszeiträume Oktober 2015 bis September 2016 und Oktober 2016 bis September 2017 die Leistung von Ausbildungsförderung für sein Studium der physischen Geographie unter Anrechnungsfreistellung seines Erbanteils an einem Hausgrundstück nach § 29 Abs. 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wegen unbilliger Härte. Das Verwaltungsgericht hat die auf die genannten Bewilligungszeiträume gerichteten, zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verpflichtungsklagen mit Urteil vom 20. April 2017 abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger nunmehr mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sowie sinngemäß das Vorliegen von Verfahrensfehlern i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend macht. Das beklagte Studentenwerk verteidigt das angefochtene Urteil.
2. Der zulässige Antrag erweist sich vorliegend jedoch als unbegründet, da die vorgetragenen Zulassungsgründe nicht gegeben oder aber nicht den Erfordernissen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gemäß dargelegt sind.
2.1 Soweit die Klägerbevollmächtigte in der Zulassungsbegründung zunächst darauf abstellt, dass das Verwaltungsgericht ein Urteil in den beiden erstinstanzlichen Verfahren AN 2 K 16.00371 und AN 2 K 17.00030 erlassen habe, ohne diese Verfahren zuvor förmlich gemäß § 93 VwGO durch Beschluss zu verbinden bzw. dass der (tatsächlich vorhandene) Verbindungsbeschluss erst unmittelbar vor dem Urteil ergangen und erst mit diesem übersandt worden sei, liegt hierin kein die Zulassung der Berufung gebietender Verfahrensfehler. § 93 Satz 1 VwGO erlaubt die Verbindung zweier Verfahren in jedem Verfahrensstadium (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1), somit auch, wie im vorliegenden Fall, durch Beschluss unmittelbar vor Ergehen einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO. Einer vorherigen Anhörung der Verfahrensbeteiligten (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 93 Rn. 4: lediglich nobile officium des Richters) bedarf es dabei nicht. Mithin liegt, ungeachtet der widersprüchlichen Argumentation der Klägerbevollmächtigten, ein Verfahrensfehler in der Verbindung der zwei Ausgangsverfahren zur gemeinsamen Entscheidung nicht vor.
2.2 Die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung erweist sich ferner unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerbevollmächtigten in der Zulassungsbegründung auch nicht als ernstlich zweifelhaft i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall in der Anrechnung des in einer ungeteilten Erbengemeinschaft gebundenen Anteils des Klägers an einem Hausgrundstück in S. über den Freibetrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG hinaus keine unbillige Härte im Sinne von § 29 Abs. 3 BAföG liegt. Dabei erweist sich der Anteil des Klägers an der ungeteilten Erbengemeinschaft zunächst nicht als von vorneherein wirtschaftlich unverwertbar (2.2.1). Weiter liegt eine unbillige Härte auch deshalb nicht vor, weil es sich bei der in Rede stehenden Immobilie nicht um ein angemessenes Hausgrundstück handelt, deren Verwertung zum Verlust der Wohnstatt des Klägers führen würde (2.2.2).
2.2.1 Nach §§ 1, 11 Abs. 1 BAföG besteht ein Anspruch auf individuelle Ausbildungsförderung nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Daher ist nach § 11 Abs. 2 BAföG auf den Bedarf des Auszubildenden unter anderem sein Vermögen anzurechnen. Zum Vermögen rechnen nach § 27 Abs. 1 BAföG alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, Forderungen und sonstigen Rechte, mit Ausnahme derjenigen Gegenstände, die der Auszubildende aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann.
Der Grundsatz der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung (BVerwG, U.v. 21.9.1989 – 5 C 10.87 – BVerwGE 82, 323, [325 ff.]; U.v. 17.1.1991 – 5 C 71.86 – BVerwGE 87, 284, [286]) wird für den Bereich der Vermögensanrechnung in §§ 27 und 29 BAföG näher konkretisiert. Diesen Bestimmungen lässt sich die Wertung des Gesetzgebers entnehmen, dass Aufwendungen für eine Ausbildung, die auf die Vermittlung einer beruflichen Qualifikation zielt, die maßgebliche Investition des Auszubildenden für die Schaffung seiner zukünftigen Lebensgrundlage darstellen und es deshalb einem unverheirateten, kinderlosen Auszubildenden (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG) im Regelfall zuzumuten ist, vorhandenes Vermögen für diesen Zweck im Grundsatz voll – bis auf den Freibetrag von aktuell 7.500 € – einzusetzen (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.1991 – 5 C 3.87 – BVerwGE 88, 303, [309]; OVG Münster, U.v. 14.10.2014 – 22 K 3368/13 – juris Rn. 16). Dabei geht der Gesetzgeber in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG allerdings davon aus, dass das Vermögen für den Ausbildungsbedarf des Auszubildenden auch wirklich einsetzbar ist. Träfe dies nicht zu, wäre der Auszubildende bei einem Festhalten an der Vermögensanrechnung auf Vermögen verwiesen, das einem Verwertungszugriff gar nicht zugänglich ist.
Soweit § 29 Abs. 3 BAföG daher zur Vermeidung unbilliger Härten die Möglichkeit eröffnet, weitere Teile des Vermögens des Auszubildenden anrechnungsfrei zu stellen, dient diese Norm dazu, diejenigen Härten abzufedern, die sich aus den der Vermögensanrechnung ergebenden Pauschalierungen und Typisierungen ergeben können. Zu diesen Typisierungen rechnet auch diejenige, dass der Gesetzgeber für den Regelfall davon ausgeht, dass das nach den §§ 26 bis 29 Abs. 1 BAföG anrechenbare Vermögen für den Ausbildungsbedarf auch wirklich einsetzbar ist. Könnte folglich der Ausbildungsbedarf aus dem angerechneten Vermögen nicht gedeckt werden, läge darin eine unbillige Härte, da sie den Auszubildenden auf Vermögen verweist, das einem Vermögenszugriff nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2006 – 5 B 102.05 – BeckRS 2006, 24764; U.v. 13.6.1991 – 5 C 33.87 – BVerwGE 88, 303, [307]). § 29 Abs. 3 BAföG dient folglich auch der Abwehr von Gefahren für die Durchführung der Ausbildung, die daraus resultieren, dass der Auszubildende trotz vorhandener, die Freibeträge übersteigender Vermögenswerte seinen Ausbildungsbedarf aus dem angerechneten Vermögen nicht decken kann.
Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „unbilligen Härte“ ist ferner zu berücksichtigen, dass diese Härteklausel als Ausnahmevorschrift ausgestaltet ist, über die sich allgemeine Gesetzeshärten nicht beseitigen lassen und deren Auslegung sich am Zweck des Gesetzes auszurichten hat. Nach § 1 BAföG liegt der Zweck staatlicher Ausbildungsförderung darin, dem Auszubildenden eine seiner Neigung und Eignung entsprechende Ausbildung durch staatliche Finanzierung zu gewährleisten, soweit ihm die erforderlichen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung stehen. Danach gesteht der Gesetzgeber Auszubildenden, die wie der Kläger eigenes Vermögen besitzen, insoweit grundsätzlich, d.h. über die gesetzlichen Freibeträge hinaus, keine Förderleistungen zu. Der Auszubildende kann nicht unter Schonung seines eigenen Vermögens staatliche Hilfen verlangen.
Bezogen auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit vorhandenen Vermögens kommt es daher für die Annahme einer unbilligen Härte i.S.v. § 29 Abs. 3 BAföG zunächst darauf an, ob im konkreten Fall tatsächlich eine Verwertungsmöglichkeit im maßgeblichen Bewilligungszeitraum besteht. Denn nur wenn vorhandenes, einsatzpflichtiges Vermögen tatsächlich aktuell verwertet werden kann, steht es für die Bedarfsdeckung auch zur Verfügung (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.1991 – 5 C 33.87 – BVerwGE 88, 303, [307]; zusammenfassend hierzu BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 12 C 11.1343 – juris Rn. 25 ff.; VGH Mannheim, U.v. 7.7.2011 – 12 S 2872/10 – BeckRS 2011, 53402). Allerdings ist das Maß dessen, was dem Auszubildenden bei der Verwertung seines Vermögens wirtschaftlich zumutbar ist, nicht zu gering zu veranschlagen. Denn die Grundentscheidung des Gesetzgebers über die Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung darf über eine weite Anwendung der Härtevorschriften nicht unterlaufen werden (vgl. BayVGH a.a.O Rn. 26).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs geht das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass eine unbillige Härte i.S.v. § 29 Abs. 3 BAföG sich nicht aus einer wirtschaftlichen Unverwertbarkeit des in der Erbengemeinschaft gebundenen Eigentumsanteils des Klägers an dem Hausgrundstück in S. ergibt. Zwar sei es dem Kläger bei lebensnaher Betrachtung kaum möglich, seinen Erbanteil, der im Wesentlichen aus dem Anteil an dem Hausgrundstück besteht, an einen außenstehenden Dritten zu veräußern. Ebenso erscheine es wenig realistisch, dass der Kläger seinen Erbanteil als Sicherheit für einen Bankkredit verwerte, solange er aus seinem Einkommen nicht einmal die laufenden Zinsen für einen Kredit decken könne. Dies bestätige das vorgelegte Schreiben der Sparkasse Hochfranken vom 2. Oktober 2015. Indes sei es dem Kläger nicht von vornherein unzumutbar, seinen Erbanteil an seine Mutter oder seinen Bruder zu übertragen bzw. gemäß § 2042 BGB die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verlangen. Dass seine Mutter oder sein Bruder nicht in der Lage wären, seinen Erbanteil zu übernehmen, um eine Auseinandersetzung und damit möglicherweise den Verlust des Hausgrundstücks zu verhindern, sei aus der Akte nicht ersichtlich. Ferner habe der Kläger sich zu der diesbezüglichen, ausdrücklichen Anfrage des Gerichts vom 21. Februar 2017 nicht geäußert. Es sei daher auch nicht erkennbar, ob der Kläger bereits Anstrengungen unternommen habe, die Erbauseinandersetzung zu betreiben oder seinen Erbanteil auf seine Mutter oder seinen Bruder zu übertragen.
Der Annahme der grundsätzlichen wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Hausgrundstücks und – daraus resultierend – dem Fehlen einer unbilligen Härte des Verwertungszugriffs setzt die Klägerbevollmächtigte in der Zulassungsbegründung indes allein die Behauptung entgegen, weder der Bruder noch die Mutter des Klägers seien in der Lage, ihm seinen Erbanteil abzugelten. Damit genügt sie dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht, das verlangt, dass sich der Rechtsmittelführer mit der Argumentation des verwaltungsgerichtlichen Urteils inhaltlich auseinandersetzt. Allein das bloße Bestreiten eines bestimmten Sachverhalts ist hierfür nicht ausreichend (vgl. hierzu ausführlich Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 63, 67). Wie bereits im Ausgangsverfahren, erläutert die Klägerbevollmächtigte die maßgebliche Frage nach den Möglichkeiten von Mutter und Bruder des Klägers, dessen Erbanteil zu übernehmen, auch im Zulassungsverfahren nicht. Hinzu kommt, dass der Kläger, der sich auf das Vorliegen einer unbilligen Härte beruft, für diesen Umstand darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. VG Köln, U.v. 14.10.2014 – 22 K 3368/13 – juris Rn. 18). Das Zulassungsvorbringen führt demzufolge gegenüber der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
2.2.2 Ausgehend von der grundsätzlichen wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Hausgrundstücks des Klägers kann die Annahme einer unbilligen Härte i.S.v. § 29 Abs. 3 BAföG auch dann in Betracht kommen, wenn die Inanspruchnahme des Vermögens zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Lebensgrundlage des Auszubildenden oder seiner Angehörigen führen würde, etwa wenn die Verwertung des Vermögens die Veräußerung oder wesentliche Belastung eines selbstbewohnten angemessenen Hausgrundstücks zur Folge hätte und damit der tatsächliche oder doch zumindest wirtschaftliche Verlust der Wohnstatt zu besorgen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 12 C 11.1343 – juris Rn. 25; OVG Lüneburg, B.v. 14.8.2013 – 4 LC 293/11 – juris Rn. 23 ff.; BVerwG, U.v. 13.6.1991 – 5 C 33.87 – BVerwGE 88, 303, 307). Diese Fallgruppe hat zum Ziel, dem Auszubildenden die Wohnstattfunktion eines kleinen Hausgrundstücks zu erhalten (BVerwG, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall geht das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass es sich bei der in Rede stehenden Immobilie des Klägers nicht um ein selbstbewohntes kleines Hausgrundstück handelt. Zunächst werde die Immobilie nicht vom Kläger selbst bewohnt, vielmehr lebten dort nur seine Mutter und sein Bruder. Der Kläger selbst habe in der Nähe seines Studienorts eine eigene Wohnung gemietet. Dass er in S. noch seinen formellen Erstwohnsitz unterhalte, sei im vorliegenden Zusammenhang irrelevant. Vielmehr sei darauf abzustellen, wo sich der Kläger überwiegend aufhalte, wo mithin seine „Wohnstatt“ liege. Der Eintritt von Obdachlosigkeit, d.h. der Verlust der eigenen „Wohnstatt“ sei im Falle der Verwertung des Hausgrundstücks nicht zu besorgen, da der Kläger eine Wohnung am Studienort unterhalte, die im Rahmen der Bedarfsberechnung bei der Ausbildungsförderung bereits berücksichtigt worden sei. Es sei davon auszugehen, dass sich der Kläger überwiegend am Studienort aufhalte und allenfalls im Rahmen von Besuchsaufenthalten bei seiner Mutter bzw. seinem Bruder in S. wohne. Hinzu komme, dass er bei der Antragstellung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2016 bis September 2017 in der Wohnraumerklärung vom 29. September 2016 selbst angegeben habe, dass das Haus in S. nur von seiner Mutter und seinem Bruder bewohnt werde.
Dieser Auffassung des Verwaltungsgerichts tritt die Bevollmächtigte des Klägers im Rahmen der Zulassungsbegründung ebenfalls nicht durchgreifend entgegen. So konzediert sie zunächst, dass der Kläger im Falle einer Verwertung des Hausgrundstücks in S. aufgrund seiner am Studienort angemieteten Wohnung nicht obdachlos werden würde. Soweit sie weiter vorträgt, am Studienort lebe der Kläger lediglich in einer Wohngemeinschaft, seine tatsächliche „Wohnstatt“ sei hingegen das Familienheim in S., wo er seine Wochenenden und die Semesterferien verbringe, ist dieses Vorbringen nicht schlüssig, weil es insbesondere nicht erklärt, weshalb der Kläger in der Wohnraumerklärung vom 29. September 2016 nicht mehr angegeben hat, das Hausgrundstück in S. zu bewohnen. Auf diesen Umstand hat das Verwaltungsgericht indes maßgeblich abgestellt. Ernstliche Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung resultieren daher aus dem Zulassungsvorbringen diesbezüglich nicht.
Hinzu kommt, dass es sich bei dem Hausgrundstück in S. nicht um ein angemessenes Hausgrundstück handelt, das in Anlehnung an die sozialhilferechtlichen Bestimmungen in § 90 Abs. 2 Nr. 8 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) im Rahmen der Härtefallregelung des § 29 Abs. 3 BAföG anrechnungsfrei gestellt werden kann. Insoweit geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass das Haus nach den Angaben des Klägers eine Wohnfläche von ca. 150 m² besitze. Teilziffer 29.3.2b BAföG-VwV sehe hingegen für einen Drei-Personen-Haushalt lediglich eine Wohnfläche von 110 m² als angemessen an. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger das Haus in S. selbst bewohne, überschreite die vorhandene Wohnfläche die ausbildungsförderungsrechtlich angemessene Wohnfläche deutlich, sodass es auf die weitere Frage, ob in diesem Fall eine strikte Obergrenze gelte, nicht weiter ankomme. Dass es sich bei der Größe des Hausgrundstücks jedenfalls um ein wesentliches Kriterium für die Frage der Angemessenheit handele, ergebe sich bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach nur das selbstbewohnte „kleine“ Hausgrundstück anrechnungsfrei gestellt werden könne.
Soweit die Klägerbevollmächtigte dem in der Zulassungsbegründung unter Bezugnahme auf sozialgerichtliche Rechtsprechung entgegenhält, dass starre Grenzen hinsichtlich der Wohnfläche nicht als Kriterium der Angemessenheit herangezogen werden könnten, vielmehr eine Gesamtbetrachtung zu erfolgen habe, kann sie mit dieser Argumentation ernstliche Richtigkeitszweifel wiederum nicht aufzeigen. Denn es fehlt in diesem Zusammenhang an der Darlegung, welche weiteren Kriterien – beispielsweise Lage der Immobilie, besondere Wohnraumerfordernisse aufgrund Erkrankung oder Behinderung eines Familienmitglieds (vgl. zur Anwendung der sog. „Kombinationstheorie“ OVG Schleswig, U.v. 27.10.2011 – 2 LB 13/11 – BeckRS 2011, 56392 Rn. 50 ff.) – im vorliegenden Fall heranzuziehen wären, um die Größe der Wohnfläche als Entscheidungskriterium (vgl. hierzu ausführlich VG Frankfurt, U.v. 6.1.2016 – 3 K 2556/14.F – BeckRS 2016, 43070) im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu modifizieren.
Zu keiner anderen Betrachtungsweise führt auch das weitere Vorbringen der Klägerbevollmächtigten, dass anders als im Rahmen der Sozialhilfe, die auf einen jahrelangen Leistungsbezug angelegt sei, bei dem regelmäßig einen kürzeren Zeitraum in Anspruch nehmenden Bezug von Ausbildungsförderung nach der Natur der Sache auch eine größere Wohnimmobilie noch als angemessen zu bewerten sei. Diese Betrachtungsweise (vgl. hierzu auch OVG Schleswig, U.v. 27.10.2011 – 2 LB 13/11 – BeckRS 2011, 56392 Rn. 56 ff.) erschließt sich im vorliegenden Zusammenhang ohne weitere Darlegungen nicht. Unterstellt, sie zielte darauf ab, dass es im Falle eines „kürzeren“ Bezugs von Ausbildungsförderung nicht möglich sei, innerhalb dieses Zeitraums die Immobilie auch tatsächlich zu verwerten, bliebe die Argumentation gleichwohl unvollständig, weil es – wie bereits unter 2.2.1 aufgezeigt – an substanziellen Darlegungen fehlt, dass es weder der Mutter noch dem Bruder des Klägers möglich ist, dessen Erbanteil zu übernehmen. Erläuterungen hierzu hat der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren trotz ausdrücklicher Anfragen des Gerichts nicht gegeben; sie sind auch in der Zulassungsbegründung nicht enthalten. Mithin vermag der Kläger die Annahme des Gerichts, das Hausgrundstück in S. sei nicht angemessen und von daher auch nicht anrechnungsfrei, nicht in Frage zu stellen. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt daher nicht vor.
2.3 Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ausweislich des in der Verwaltungsakte des beklagten Studentenwerks befindlichen Kataster- bzw. Lageplans zu ersehen ist, dass das in Rede stehende „Hausgrundstück“ letztlich aus zwei Grundstücken besteht, wobei lediglich ein Anbau in das größere der beiden Grundstücke (Fl.-Nr. 39) hineinragt. Angesichts der dadurch entstehenden großen Gartenfläche von über 1000 m² kann dem Kläger daher in jedem Fall angesonnen werden, zumindest dieses Grundstück zu verwerten (vgl. hierzu OVG Lüneburg, B.v. 14.8.2013 – 4 LC 2293/11 – juris Rn. 33 f. zur Verwertung einer Garage bei Anrechnungsfreistellung einer Eigentumswohnung). Einen Verlust der „Wohnstatt“ hätte dies weder für den Kläger noch für die sonstigen Miteigentümer zur Folge.
3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Ausbildungsförderungsrechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das verwaltungsgerichtliche Urteil nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.

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