Aktenzeichen AN 2 K 19.01702
SGB X § 45 Abs. 2
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht aufgrund des beiderseitigen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 25 Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der angegriffene Bescheid beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG.
a) Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG ist die Bewilligung von Ausbildungsförderung insoweit aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als der Auszubildende Einkommen im Sinne des § 21 BAföG erzielt hat, dass bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden ist, und die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tag des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist. Anerkannt ist, dass die dargestellte Norm lex specialis gegenüber den allgemeinen Bestimmungen nach §§ 45 ff. SGB X über die Rücknahme und Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte ist (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 20 Rn. 6). Die Vorschrift ermöglicht zulasten der Auszubildenden eine Nachberechnung, wenn Auszubildende im Bewilligungszeitraum ein höheres Einkommen erzielt haben, als dies im Zeitpunkt der Bewilligung zugrunde gelegt wurde. Einer solchen Regelung bedarf es, weil Ausbildungsförderung regelmäßig für die Zukunft bewilligt wird, sodass im Bewilligungszeitpunkt noch nicht sicher feststeht, ob und in welcher Höhe Auszubildende im Bewilligungszeitraum Einkommen erzielen werden (vgl. so zum Ganzen Steinweg a.a.O. Rn. 26). Insbesondere erfasst die Vorschrift Fälle, in denen das Einkommen Auszubildender zu niedrig angesetzt wurde, wobei es auf die Gründe hierfür nicht ankommt (vgl. Steinweg a.a.O. Rn. 28). Die Vorschrift bleibt auch dann anwendbar, wenn anrechenbares Einkommen bereits im Zeitpunkt der Bewilligung von dem Amt für Ausbildungsförderung hätte erkannt und angerechnet werden können (Schepers, BAföG, 3. Online-Auflage 2016, § 20 Rn. 2 m.w.N.). Unerheblich ist auch, ob Auszubildende die fehlende Berücksichtigung von Einkommen zu vertreten haben (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 20 Rn. 28). Schließlich wird der Anwendungsbereich von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG auch nicht durch Vertrauensschutz beschränkt (Steinweg a.a.O. Rn. 11). Etwaiges Vertrauen von Auszubildenden auf den Bestand des Bewilligungsbescheids hat der Gesetzgeber – zulässigerweise – nicht für schutzwürdig erachtet (Steinweg a.a.O. m.w.N.). Hierfür ist auschlaggebend, dass Auszubildende spätestens im Rahmen der Antragstellung aufgrund der obligatorischen Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen erfahren, dass die Bewilligung von Ausbildungsförderung insbesondere von ihren Einkommensverhältnissen abhängt. Auch im nachfolgenden Bewilligungszeitraum sind Auszubildende in keiner Weise darüber im Ungewissen, ob und ggf. in welcher Höhe sie neben der Ausbildungsförderung Einkommen erzielen. Sollten sie im Bewilligungszeitraum weiteres Einkommen erzielen, muss es sich Auszubildenden also zumindest aufdrängen, dass sie – je nach Höhe ihres zusätzlichen Einkommens – ggf. nicht mehr oder nicht mehr in der bisherigen Höhe der Ausbildungsförderung förderfähig sind. Sofern Auszubildende in solchen Fällen dennoch auf den unveränderten Bestand des Bewilligungsbescheids vertrauen, wäre dieses Vertrauen nach dem Vorgesagten nicht mehr schutzwürdig (vgl. zum Ganzen Steinweg a.a.O. Rn. 25). Anders ausgedrückt steht die Bewilligung von Ausbildungsförderung sozusagen unter dem stillschweigenden Vorbehalt der Änderung mit Blick auf ggf. noch zu erzielendes Einkommen (BayVGH, B.v. 24.2.2014 – 12 ZB 13.780 – BeckRS 2014, 48496; Seinweg a.a.O.). Schließlich erfolgt die Neuberechnung von Ausbildungsförderung nach dem Monatsprinzip (Steinweg a.a.O. Rn. 23).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze beruht der angegriffene Rückforderungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG. Denn unstreitig hat die Klägerin vorliegend im Bewilligungszeitraum Oktober 2017 bis September 2019 Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit – also Einkommen im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG – erzielt, das der Beklagte im Zeitpunkt der Bewilligung von Ausbildungsförderung mit vorangegangenem Bescheid vom 8. Mai 2019 noch nicht berücksichtigt hatte. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG sieht eine gebundene Entscheidung des Amts für Ausbildungsförderung vor, so dass diesem kein Ermessen eingeräumt war. Rechtlich unerheblich ist, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Angabe ihrer aktuellen Einkommensverhältnisse gegenüber dem Beklagten stets nachgekommen war. Etwaiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand des Bewilligungsbescheids war nach dem Vorgesagten auch vorliegend nicht schutzwürdig. Soweit die Klägerin auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2015 (Az. 5 C 15/14) und 16. Dezember 1994 (Az. 11 C 6/92) verweist, sind diese hier nicht einschlägig. Beide Entscheidungen beziehen sich vielmehr auf die Rechtsgrundlage nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG. Nach dieser Vorschrift ist das Amt für Ausbildungsförderung ebenfalls im Rahmen einer gebundenen Entscheidung verpflichtet, zuungunsten von Auszubildenden Bewilligungsbescheide abzuändern, sofern sich ein maßgeblicher Umstand für die Leistung der Ausbildungsförderung ändert. Im Rahmen solcher Entscheidungen über die Neufestsetzung von Ausbildungsförderung ist auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass Auszubildende verfassungsrechtlich durch ein Mindestmaß an Vertrauensschutz geschützt sind. Denn im Unterschied zu dem hier in Frage stehenden, von Auszubildenden selbst erzielten Einkommen, über das Auszubildende regelmäßig nicht in Zweifel sein können, kann die Änderung von Umständen im Sinne von § 53 Abs. 1 BAföG für Auszubildenden mitunter kaum oder nur schwer vorhersehbar sein.
Nach alledem war der Beklagte nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG – ohne dass ihm Ermessen eingeräumt gewesen wäre – verpflichtet, die Ausbildungsförderung der Klägerin nach dem Monatsprinzip neu zu berechnen und etwaige Überzahlungen zurückzufordern. Die Berechnung des Beklagten zur Neufestsetzung und Rückforderung von Ausbildungsförderung als solche war zwischen den Beteiligten außer Streit.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1,154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.