Aktenzeichen L 16 AS 573/17 NZB
SGG § 128 Abs. 1 S. 2, § 136 Abs. 1 Nr. 5, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. S. 2
GG Art. 103
Leitsatz
Zur Zulassung der Berufung wegen Verfahrensmangels, wenn im Urteil der Tatbestand völlig fehlt und die Entscheidungsgründe im Wesentlichen fehlen. (Rn. 16 – 22)
Eine den Anforderungen des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG nicht genügende Begründung liegt schon dann vor, wenn auch nur zu einem entscheidungserheblichen Streitpunkt die Erwägungen, die das Gericht zum Urteilsausspruch geführt haben, dem Urteil selbst nicht zu entnehmen sind. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 11 AS 12/16 2017-06-23 Urt SGREGENSBURG SG Regensburg
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23. Juni 2017 zugelassen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde wird als Berufung fortgeführt.
Gründe
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer bezieht vom Beklagten und Beschwerdegegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er wendet sich gegen einen Sanktionsbescheid.
Der Beklagte bewilligte dem 1988 geborenen Kläger mit Bescheid vom 13.03.2015 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von April 2015 bis März 2016. Für die Zeit ab Juli 2015 beliefen sich die Leistungen auf 749 € (Regelbedarf 399 €, Bedarfe für Unterkunft und Heizung 350 €), für die Zeit von April bis Juni 2015 wurden Minderungsbeträge wegen Sanktionen berücksichtigt.
Am 14.07.2015 schlossen der Kläger und der Beklagte eine bis 13.01.2016 gültige Eingliederungsvereinbarung (mit Rechtsfolgenbelehrung) ab. Der Beklagte verpflichtete sich zu folgenden Leistungen („Unterstützung durch Jobcenter“):
„Hilfestellung bei der Erstellung von Bewerbungsschreiben, Beratungsangebot, Angebot von Vermittlungsvorschlägen, Trainingsmaßnahmen, je nachdem, ob diese/s Angebot/e für den Leistungsempfänger geeignet ist. Diese Eignung wird von dem persönlichen Ansprechpartner des Jobcenters beurteilt.
Das Jobcenter unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB III, sofern Sie diese zuvor beantragt haben.
Das Jobcenter unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB III durch Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen, sofern die Kostenübernahme vor Fahrtantritt durch Sie beantragt wurde.“
Der Kläger verpflichtete sich wie folgt („Bemühungen von Herrn“ T.):
„Auf den mir soeben ausgehändigten Vermittlungsvorschlag „U.“ und IK H. bewerbe ich mich bis zum 17.07.2015.
Ich werde monatlich mindestens 3 Eigenbemühungen unternehmen und diese im Jobcenter B-Stadt auf Verlangen schriftlich nachweisen (Bewerbungsanschreiben, Einladung Vorstellungsgespräch, Absageschreiben).
Auf Vermittlungsvorschläge werde ich mich innerhalb von 3 Tagen nach Erhalt mit dem Ziel der Anstellung bewerben und meinem persönlichen Ansprechpartner sofort das Ergebnis in schriftlicher Form auf dem erhaltenen Vordruck mitteilen. Auf Verlangen weise ich dies dem Jobcenter nach. …“
Bei einem persönlichen Gespräch zwischen dem Kläger und dem zuständigen Sachbearbeiter teilte der Kläger mit, dass er sich nirgendwo beworben habe (Vermerk vom 22.09.2015). Nach Vorhalt mit Schreiben vom 22.09.2015, dass der Kläger nach der Eingliederungsvereinbarung monatlich mindestens 3 Eigenbemühungen zu unternehmen habe, aber nach seiner Erklärung keine Eigenbemühung getätigt habe, äußerte sich dieser dahingehend, dass er, wenn es eine Chance geben würde, eine Arbeitsstelle zu bekommen, diese nutzen würde. Da es nichts gäbe, habe er sich auch nicht beworben.
Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 14.10.2015 fest, dass der Kläger eine Pflicht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II verletzt habe, und verfügte die Minderung des Arbeitslosengelds II von 01.11.2015 bis 31.01.2016 in einer ersten Stufe um 30 v.H. des Regelbedarfs (119,70 €, insgesamt 359,10 €) sowie die entsprechende Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 13.03.2015. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die vom Kläger angegebenen Gründe nicht als wichtig anerkannt würden. Er habe mitgeteilt, dass er keine einzige Bewerbung getätigt habe. Damit habe er seine Pflicht aus der Eingliederungsvereinbarung verletzt (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Der nicht begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 zurückgewiesen. In dessen Begründung wird auf den Bescheid vom 14.10.2015 als Gegenstand des Widerspruchs Bezug genommen und dazu lediglich ausgeführt, dass die Widerspruchsstelle die Entscheidung geprüft habe und Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung weder genannt worden noch aus den Unterlagen ersichtlich seien.
Mit einer beim Sozialgericht Regensburg am 07.01.2016 eingegangenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 14.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2015 beantragt und zur Begründung u.a. vorgebracht, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 14.07.2015 als Grundlage für eine Sanktion nicht geeignet sei. Eine für eine wirksame Eingliederungsvereinbarung notwendige Beratung im Vorfeld sei nicht erfolgt. Die Forderung von Eigenbemühungen mit einer pauschalen Anzahl berücksichtige nicht, dass Eigenbemühungen nur vorgenommen werden könnten, wenn sich die Möglichkeit hierzu biete und dementsprechende Arbeitsplätze verfügbar, zumutbar und erreichbar seien. Die mit der Eingliederungsvereinbarung verfolgten Ziele seien nicht ausreichend dargestellt, darüber hinaus sei sie in der „Ich-Form“ gehalten. Für den Kläger sei nicht ersichtlich, dass „diese Eigenbemühungen zu einer Sanktion verpflichten würden“, zumal ihm die deutsche Sprache nicht so geläufig sei. Die Belehrung auf Seite 2 der Eingliederungsvereinbarung sehe eine Sanktion nur bei Verstößen gegen die festgelegten Pflichten vor. Eine Rechtsfolgenbelehrung müsse konkret, verständlich, richtig und vollständig sein. Es ergäbe sich nicht, dass die Eigenbemühungen eine Pflicht seien. Außerdem ist unter Bezugnahme auf einen Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha geltend gemacht worden, dass die Minderung der Leistungen verfassungswidrig sei. Das Sozialgericht Gotha habe festgestellt, dass eine Minderung des soziokulturellen Existenzminimums nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sei. Eine Minderung als Sanktion sei nicht mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) vereinbar, wenn diese zu einer Lebensgefährdung oder Beeinträchtigung der Gesundheit der Sanktionierten führe und damit gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit verstoße.
In der mündlichen Verhandlung am 23.06.2017 hat der Kläger behauptet, sich beworben zu haben und eine Liste an die Beklagtenseite versandt zu haben, was vom Bevollmächtigten des Beklagten bestritten worden ist. Nachdem die Suche des Klägers nach einem entsprechenden Nachweis in seinen elektronischen Unterlagen ohne Erfolg geblieben war, hat er erklärt, dass er sich nicht habe bewerben können, weil keine Arbeitsstellen angeboten worden seien.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.06.2017 abgewiesen und zur Begründung unter der Überschrift „Tatbestand und Entscheidungsgründe“ ausgeführt, dass das Gericht von der Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) absehe und insoweit auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 verweise. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend angegeben habe, er habe eine Liste von Bewerbungen an die Beklagtenseite geschickt, und sei infolgedessen seiner Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung vom 14.07.2015 nachgekommen, so dass eine Absenkung mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2015 nicht hätte erfolgen dürfen, erscheine dies dem Gericht widersprüchlich und unglaubwürdig und sei auch nicht belegt worden. In den Akten fände sich diesbezüglich kein Hinweis. Auch habe es der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht geschafft, einen derartigen Nachweis in seinen elektronischen Unterlagen zu finden. Vielmehr habe der Kläger im Anhörungsverfahren selbst angegeben, er habe sich nicht beworben, da letztlich keine Arbeitsstellen in für ihn erreichbarer Nähe zur Verfügung gestanden hätten. Die Berufung werde nicht zugelassen. Das Urteil ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 12.07.2017 zugestellt worden.
Der Kläger hat am 02.08.2017 wegen der Nichtzulassung der Berufung Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht einlegen lassen. Das Sozialgericht habe die Klage abgewiesen und dabei im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen allein auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 verwiesen und die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung als unglaubwürdig zurückgewiesen. Nicht berücksichtigt habe das Erstgericht das umfängliche Vorbringen über die formellen Fehler der zugrunde liegenden Eingliederungsvereinbarung, der fehlerhaften Rechtsfolgenbelehrung und der grundrechtlichen Bedenken wegen einer Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums bei einer Minderung der Leistungen. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Klärungsbedürftig und klärungsfähig sei die Frage, ob eine Minderung des soziokulturellen Existenzminimums mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sei. Die Berufung sei auch deshalb zuzulassen, weil das angefochtene Urteil von den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.12.2008 (B 4 AS 60/07 R) und vom 23.06.2016 (B 14 AS 42/15 R) abweiche. Auf den Vortrag, dass die Eingliederungsvereinbarung unwirksam sei und einer Sanktion nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen, sei das Sozialgericht nicht eingegangen. Die Eingliederungsvereinbarung habe entgegen § 15 Abs. 1 SGB II außer der Zusage von Vermittlungsvorschlägen keine individuellen, konkreten und verbindlichen Leistungsangebote des Jobcenters zur Eingliederung des Klägers in Arbeit enthalten. Sie sei in der „Ich-Form“ des Klägers gehalten, ohne konkrete Darstellung der Pflichten des Klägers, so dass es für den Kläger nicht ersichtlich sei, dass diese zu einer Sanktion verpflichten würden. Die Belehrung auf Seite 2 sehe eine Sanktion nur bei Verstößen gegen die festgelegten Pflichten vor, so dass diese im Hinblick auf die „Ich-Form“ nicht konkret verständlich, richtig und vollständig gewesen sei. Des Weiteren liege ein Verfahrensmangel nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vor, der zur Zulassung der Berufung zu führen habe, nachdem das rechtliche Gehör des Klägers durch die Entscheidung verletzt worden sei. Das Gericht müsse den Vortrag des Klägers zur Kenntnis nehmen und in die Erwägungen einbeziehen. Aus den Entscheidungsgründen ergäbe sich deutlich, dass das Gericht die in den Schriftsätzen vorgetragenen Probleme der fehlenden Wirksamkeit der Eingliederungsvereinbarung sowie der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Minderung nicht zur Kenntnis genommen und erwogen habe. Dies zeige sich deutlich daran, dass das Erstgericht auf die Widerspruchsentscheidung verwiesen habe. Das Gericht sei auf den wesentlichen Kern einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung sei, in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen, was auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen lasse. Die angefochtene Entscheidung könne auf diesem Verfahrensfehler der Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs beruhen.
Der Beklagte hat beantragt, die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung zurückzuweisen, weil ein Zulassungsgrund nicht vorliege.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere wurde sie gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt.
Die Beschwerde ist begründet und die Berufung dementsprechend zuzulassen.
Die Berufung bedarf der Zulassung, weil der Minderungsbetrag des streitgegenständlichen Sanktionsbescheids vom 14.10.2015 359,10 € beträgt und damit nicht den Beschwerdewert von 750 € übersteigt. Es geht auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG).
Die Beschwerde ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG begründet. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Offen bleiben kann bei diesen Gegebenheiten, ob die weiteren geltend gemachten Zulassungsgründe bestehen.
Es liegen mehrere der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegende Verfahrensmängel gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vor, auf denen das Urteil beruhen kann. Die vom Kläger zu Recht beanstandeten Verfahrensmängel bestehen darin, dass in dem angefochtenen Urteil entgegen § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG die Darstellung des Tatbestands völlig fehlt und entgegen § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG die Entscheidungsgründe zu wesentlichen Teilen fehlen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 34; Keller, a.a.O., § 136 Rn. 6c, 7h; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 4/06 R, Juris Rn. 12). Die damit einhergehende und vom Kläger auch geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist ebenfalls ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG, auf dem das Urteil des Sozialgerichts beruhen kann (Leitherer, a.a.O. § 144 Rn. 34).
Das angefochtene Urteil enthält nicht die gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG erforderliche „gedrängte Darstellung des Tatbestandes“, d.h. es fehlt die Darstellung des Sach- und Streitstands. Statt darzulegen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist, hat das Sozialgericht auf den Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 Bezug genommen, der seinerseits eine Sachverhaltsschilderung nicht enthält, sondern lediglich auf den Bescheid vom 14.12.2015 als Gegenstand des Widerspruchs Bezug nimmt. Damit ist sowohl unklar, von welchem Sachverhalt das Gericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist, als auch ungewiss, ob das Gericht die im Klageverfahren vorgebrachten Einwendungen, z.B. gegen die Eignung der Eingliederungsvereinbarung als Grundlage des streitgegenständlichen Sanktionsbescheids, überhaupt zur Kenntnis genommen hat.
Die Darstellung des Tatbestands ist nicht nach der (Ausnahme-) Regelung des § 136 Abs. 4 SGG entbehrlich, weil die Beteiligten nicht auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet haben. Nach § 136 Abs. 3 SGG kann bei Vorliegen der Voraussetzungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe, nicht aber auch von der Darstellung des Tatbestands abgesehen werden. Das Vorgehen im erstinstanzlichen Urteil ist auch nicht durch § 136 Abs. 2 SGG gerechtfertigt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann die Darstellung des Tatbestands durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zur Sitzungsniederschrift erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. Eine solche Bezugnahme ist hier nicht erfolgt. Die Bezugnahme auf einen Widerspruchsbescheid genügt den Anforderungen dieser Vorschrift nicht. Ebenfalls nicht ausreichend ist, dass im Urteil „ergänzend“ Abläufe in der mündlichen Verhandlung Erwähnung finden. Ein in sich verständlicher Tatbestand ist dadurch nicht zustande gekommen. Klar nicht erfüllt sind zudem die Anforderungen gemäß § 136 Abs. 2 Satz 2 SGG, wonach in jedem Fall die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen sind und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben sind (vgl. Keller, a.a.O. § 136 Rn. 6, 6b).
Das angefochtene Urteil ist zudem insoweit verfahrensfehlerhaft, als die Entscheidungsgründe nicht den Anforderungen des § 136 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG gerecht werden. Gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG hat das Urteil die Entscheidungsgründe zu enthalten; nach der dies konkretisierenden Regelung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Um die Überprüfung der Entscheidung zu ermöglichen, sollen die Beteiligten darüber informiert werden, von welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Gericht ausgegangen ist. Mindestinhalt ist die ausreichende Angabe der angewendeten Rechtsnormen, der für erfüllt oder nicht erfüllt gehaltenen Tatbestandsmerkmale und der dafür ausschlaggebenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe. Für jeden rechtlich erheblichen Streitpunkt ist zumindest eine kurze Begründung erforderlich. Die rechtlichen Grundlagen des Anspruchs und auch der Einwendungen sind anzusprechen (vgl. Keller, a.a.O. § 136 Rn. 7, 7a, 7e, 7f, § 128 Rn. 16; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 4/06 R, Juris Rn. 13). Eine den Anforderungen des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG nicht genügende Begründung liegt schon dann vor, wenn auch nur zu einem entscheidungserheblichen Streitpunkt die Erwägungen, die das Gericht zum Urteilsausspruch geführt haben, dem Urteil selbst nicht zu entnehmen sind (BSG, Urteil vom 15.11.1988, 4/11a RA 20/87, Juris Rn. 15).
Das angefochtene Urteil verfügt bei weitem nicht über den Mindestinhalt, den Entscheidungsgründe haben müssen. Im Urteil wird mit der aus Sicht des Sozialgerichts widersprüchlichen Behauptung des Klägers, er habe eine Liste von Bewerbungen an den Beklagten geschickt, lediglich ein Teilaspekt des gesamten Streitstoffs angesprochen, ohne die maßgeblichen Rechtsgrundlagen und die zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen auch nur anzudeuten. Keine Auseinandersetzung erfolgt zudem mit den vom Kläger schriftlich vorgebrachten Einwendungen gegen die verhängte Sanktion, z.B. mit dem Einwand, dass die dem Sanktionsbescheid zugrunde liegende Eingliederungsvereinbarung und die Rechtsbehelfsbelehrung:fehlerhaft seien. Die im Urteil des Sozialgerichts erfolgte Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid ist zwar grundsätzlich gemäß § 136 Abs. 3 SGG möglich, macht aber hier im Hinblick auf die erst im Klageverfahren vorgebrachten Einwendungen gegen den Sanktionsbescheid und die Eingliederungsvereinbarung und auch wegen der Kürze des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2015 die Darstellung der Entscheidungsgründe im Urteil keineswegs entbehrlich.
Mangels Darstellung des Tatbestands und ausreichender Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil liegen hier besondere Umstände vor, aus denen sich ergibt, dass das Sozialgericht entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers, wie beispielsweise seinen Vortrag zur Fehlerhaftigkeit der dem streitgegenständlichen Bescheid zugrunde liegenden Eingliederungsvereinbarung, nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat. Damit liegt auch der Verfahrensfehler der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß § 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 GG vor. Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, lässt dies grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern der Vortrag nach dem Rechtsstandpunkt des erkennenden Gerichts nicht unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG, Beschluss vom 27.05.2016, 1 BvR 1890/15, Juris Rn. 14 f.; Beschluss vom 19.05.1992, 1 BvR 986/91, Juris Rn. 39 f.; vgl. auch Keller, a.a.O. § 62 Rn. 7).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).