Aktenzeichen L 5 KR 433/14
SGG § 88 Abs. 1 S. 1
SGB V § 44 Abs. 1
Leitsatz
1 Die Auslegung von Klagebegehren richtet sich nach dem Grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz und dem Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes. (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird eine Untätigkeitsklage nach Erlass des eingeklagten Bescheides weiterverfolgt, fehlt diesem Begehren die Zulässigkeit. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 29 KR 563/14 2014-09-04 GeB SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.09.2014 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft, §§ 143, 151 SGG, sie bleibt aber ohne Erfolg.
Streitgegenstand ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 4.9.2014, mit welchem die Untätigkeitsklage vom 12.1.2009 abgewiesen wurde.
Eine Untätigkeitsklage ist nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig, wenn seit der Stellung eines Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsaktes sechs Monaten vergangen sind, und sie ist begründet, wenn der Antrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist.
1. Maßgebend für die Bestimmung des Streitgegenstands ist der geltend gemachte prozessuale Anspruch, d.h. Klageantrag und Klagegrund im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt (vgl. BSG vom 28.3.2013, B 4 AS 12/12 R – mwN).
Zur Recht hat das Sozialgericht die Klage als Untätigkeitsklage iSd § 88 SGG gewertet. Denn der Kläger selbst hatte im Klageschriftsatz angegeben, er habe „keine Hilfe von … bekommen“. Um dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. BVerfG vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02 und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03) ist vor der Tatsache, dass die Beklagte im September 2009 nicht über einen geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld wegen der am 23.10.2008 von Dr. H. erstbescheinigten ab 22.10.2008 sowie für die Zeit bis 31.10.2008 (Dr. H.) und am 6.11.2008 bis 16.11.2008 (Dr. G.) folgebescheinigte Arbeitsunfähigkeit entschieden hatte, das Begehren des Klägers als Tätigwerden gegenüber der Untätigkeit der Beklagten zu werten. Dem entspricht der Anwalts-Schriftsatz vom 13.7.2009, mit welchem unter dem Betreff „Leistungen nach dem SGB V (Krankengeld)“ nach Bescheiderlass nachgefragt sowie angekündigt wurde, für den Fall des zwischenzeitlichen Bescheiderlass könne das Klageverfahren erledigt werden.
2. Die zunächst formwirksame Untätigkeitsklage ist jedenfalls unzulässig geworden, als die Beklagte mit Bescheid vom 31.7.2014 einen Anspruch des Klägers auf Krankengeld ab 22.10.2009 abgelehnt hat. Denn mit Bescheiderlass war das Ziel der Klage erreicht, ein Rechtsschutzbedürfnis liegt seither nicht mehr vor.
3. Die Untätigkeitsklage war darüber hinaus unbegründet, weil die Beklagte zum Einen sachliche Veranlassung hatte, den Sachverhalt zum Anspruch auf Krankengeld eingehend zu ermitteln und zum Anderen die Sachverhaltsermittlung zeitaufwändig war. Denn der Kläger hatte nach dem Inhalt der beigezogenen Akten sowie nach den Gerichtsakten beider Instanzen im Laufe des Jahres 2008 in einer Vielzahl von Fällen während des Alg-II-Bezuges, namentlich am 22.10.2008, Kontakt zu Arbeitgebern aufgenommen und sodann faktenwidrig jeweils das Vorliegen eines Arbeitsunfalles sowie mit dem Ziel des Erhalts von Krankengeld durch die Beklagte Arbeitsunfähigkeit behauptet. Dieses Vorgehen ist auch durch die Klage vom 19.11.2008 zum Arbeitsgericht B-Stadt – Az.: RAST 424/08) sowie durch die Vielzahlt von Arbeitsgerichtsverfahren nachgewiesen. Wegen dieser Vorgehensweise ist der Kläger zudem in mehreren Fällen rechtskräftig vom Amtsgericht B-Stadt (Az.: 852 Ds 388 Js 35507/09) wegen Betruges verurteilt.
Um diese Hintergründe aufzuklären war die Beklagte somit veranlasst, vom Erlass eines Bescheides hinsichtlich eines Krankengeldanspruches ab 22.10.2008 abzusehen.
4. Schließlich fehlt es für die Klage an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil dem Kläger kein Krankengeldanspruch ab 22.10.2008 zusteht. Denn der Ablehnungsbescheid vom 31.7.2014 ist gem. §§ 84 Abs. 2 S. 3, 66 Abs. 2 SGG nach Ablauf der Jahresfrist nicht mehr mit einem Widerspruch anfechtbar und damit rechtskräftig geworden; ein Schriftsatz, welcher in einen Widerspruch (um-)gedeutet werden kann, ist im vorliegenden Verfahren nicht feststellbar.
Im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Krankengeld gem. § 44 Abs. 1 SGB V, weil er nach den glaubhaften Angaben der Firma X. A. bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war. Die anderslautenden Einlassungen des Klägers sind vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Verurteilung nicht glaubhaft. Im maßgeblichen Zeitpunkt war der Kläger vielmehr als Alg-II-Bezieher krankenversichert und hatte somit nach § 44 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V keinen Anspruch auf Krankengeld.
Die Berufung bleibt damit vollumfänglich ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe iSd § 160 Abs. 2 SGG sind nicht erkennbar.