Aktenzeichen 22 C 16.2132
GG GG Art. 103 Abs. 1
VwGO VwGO § 152a
Leitsatz
Eine Gegenvorstellung ist nicht statthaft, wenn die Anhörungsrüge erhoben werden kann. Denn es widerspricht der Rechtsklarheit, gegen rechtskräftige Entscheidungen neben der ausdrücklich geregelten Anhörungsrüge (§ 69a GKG; § 152a VwGO) eine Gegenvorstellung als ungeschriebenen außerordentlichen Rechtsbehelf zuzulassen (BVerwG BeckRS 2016, 48160). (redaktioneller Leitsatz)
Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet keine Pflicht der Gerichte, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Insbesondere kann das Gericht Ausführungen außer Betracht lassen, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder offenbar unsubstantiiert sind. Hiernach liegt kein Gehörsverstoß vor, wenn das Gericht bei der Festsetzung des Auffangstreitwertes (§ 52 Abs. 2 GKG) Vortrag unberücksichtigt lässt, der mit der Streitwertfestsetzung ersichtlich nichts zu tun hat. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
22 C 16.1849 2016-10-14 Bes VGHMUENCHEN VG München
Tenor
Der Gegenvorstellung wird nicht entsprochen; die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof (Einzelrichter) eine Streitwertbeschwerde der Klägerin zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 „Gegenvorstellung sowie die Anhörungsrüge“ erhoben.
2. Gegenvorstellung und Anhörungsrüge der Klägerin haben keinen Erfolg.
2.1. Die Gegenvorstellung ist nicht statthaft. Denn es widerspräche der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit, gegen rechtskräftige Entscheidungen neben der ausdrücklich geregelten Anhörungsrüge (§ 69a GKG; § 152a VwGO) eine Gegenvorstellung als ungeschriebenen außerordentlichen Rechtsbehelf zuzulassen (BVerwG, B. v. 27.5.2016 – 3 B 25/16 u. a. – NVwZ-RR 2016, 723, Rn. 2 m. w. N.). Abgesehen davon wäre die Gegenvorstellung aus den nachfolgend geschilderten Gründen ebenso wie die Anhörungsrüge erfolglos.
2.2. Über die Anhörungsrüge entscheidet der Einzelrichter, der den beanstandeten Beschluss über die Streitwertbeschwerde erlassen hat. In § 69a Abs. 4 Satz 4 GKG ist nur bestimmt, dass über den Antrag durch Beschluss entschieden wird; hinsichtlich der Besetzung des Gerichts dagegen ist in § 69a GKG keine Regelung getroffen. Damit bleibt es wegen des engen Sachzusammenhangs der Entscheidungen bei derjenigen Bestimmung, die für die von der Anhörungsrüge betroffene Entscheidung gilt (vgl. BayVGH, B. v. 7.9.2009 – 10 CE 09.1932 – und B. v. 30.5.2012 – 6 M 12.1223); es bleibt somit bei der Zuständigkeit des Einzelrichters gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG.
Es kann dahinstehen, ob die Anhörungsrüge nicht bereits unzulässig und deshalb zu verwerfen ist (§ 69a Abs. 4 Satz 2 GKG), weil ihrer Begründung – entgegen der Anforderung nach § 69a Abs. 2 Satz 5 GKG – nicht entnommen werden kann, inwiefern das Gericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben soll. Jedenfalls wird mit dem Vortrag der Klägerin ein Gehörsverstoß nicht dargetan und er ist auch nicht ersichtlich.
Die Klägerin begründet ihre Rüge damit, dass es sich beim Beschluss vom 14. Oktober 2016 „ausweislich des Umfangs Ihres Beschlusses … in Wirklichkeit um keine Streitwertbeschwerde-Entscheidung, sondern um eine Berufungszurückweisung“ handele. Abgesehen davon, dass die rechtliche Qualifizierung eines Beschlusses in keiner Weise von dessen Umfang abhängt, hat diese Qualifizierung auch nicht das Geringste damit zu tun, ob ein Gehörsverstoß vorliegt oder nicht. Mit den weiteren Ausführungen wiederholt die Klägerin zum einen diejenigen Argumente, mit denen sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss ausdrücklich befasst hat, nämlich die Argumentation der Klägerin mit den – geringen – Kosten einer Schornsteinreinigung und die von ihr vorgebrachte Kostenfreiheit der Bescheide beim Landratsamt (vgl. B. v. 14.10.2016, Rn. 12 und 13). Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit den Vortrag der Klägerin gerade nicht übergangen, sondern gewürdigt, wenngleich mit einem anderen als dem von der Klägerin für richtig gehaltenen Ergebnis.
Was den übrigen, mit der Streitwertbeschwerde und – weitgehend wiederholend – mit der Anhörungsrüge angebrachten Vortrag der Klägerin angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass das Gebot des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht zwar verpflichtet, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet aber keine Pflicht der Gerichte, jedes Vorbringen der Verfahrensbeteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Um eine Verletzung dieses Anspruchs anzunehmen, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass der Sachvortrag eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen worden ist. Besondere Umstände dieser Art liegen nicht vor, wenn das Gericht Ausführungen eines Beteiligten außer Betracht lässt, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder offenbar unsubstantiiert sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 108 Rn. 31 m. w. N.; BVerfG, B. v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133; BVerwG, B. v. vom 22.5.2006 – 10 B 9/06 – NJW 2006, 2648, m. w. N.). Von einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist auszugehen, wenn bezüglich einer für die Entscheidung wesentlichen Frage nicht ersichtlich ist, warum sie das Gericht so und nicht anders entschieden hat, oder wenn konkrete Umstände die Schlussfolgerung nahelegen, dass das Gericht bestimmtes wesentliches Parteivorbringen nicht in Erwägung gezogen hat.
Diese Voraussetzungen sind für denjenigen, den größten Teil des klägerischen Vortrags ausmachenden, vom Verwaltungsgerichtshof nicht behandelten Inhalt der klägerischen Schriftsätze nicht erfüllt. Denn aus allen Schriftsätzen der Klägerin (vom 7.9.2016, 10.10.2016 und 19.10.2016) wird auch nicht ansatzweise erkennbar, was die im Vortrag der Klägerin zwar sehr umfangreich, aber weitgehend nicht nachvollziehbar thematisierten Unstimmigkeiten oder Streitigkeiten um Guts-, Erb- oder Bauernhöfe, um Rechte an solchen Höfen und um die korrekte Anschrift der Höfe, sowie auch eine Enteignung, um die es am 4. Februar 2016 gegangen sein soll, mit dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren M 1 K 16.641 anzusetzenden Streitwert zu tun haben sollen. Der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Betrag (5.000 €) beruht auch nicht auf der Heranziehung des „Mindestwerts der Höfeordnung“, wie die Klägerin mit ihrer Streitwertbeschwerde und – immer noch – mit der Anhörungsrüge bemängelt hat. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof schon im Beschluss vom 14. Oktober 2016 unmissverständlich dargelegt, dass es sich hierbei um den „Auffangwert“ nach § 52 Abs. 2 GKG handelt, der mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine bessere Bestimmung der Bedeutung der Sache anzusetzen ist und vorliegend zu Recht angesetzt wurde.
2.3. Einer Kostenentscheidung und einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil das Verfahren nach § 69a GKG mangels eines Gebührentatbestands gerichtsgebührenfrei ist (BVerwG, B. v. 3.3.2008 – 7 KSt 1/08, 7 B 39/07 – juris) und Kosten nicht erstattet werden (§ 69a Abs. 6 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 69a Abs. 4 Satz 4 GKG).