Aktenzeichen 13 K 2396/13
Leitsatz
1. Ist in einem Klageverfahren betreffend Einkommensteuer der Ansatz des Gewinnanteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA streitig, so ist das Klageverfahren nach § 74 FGO auszusetzen, bis das für die KGaA zuständige Betriebsstätten-Finanzamt durch Feststellungsbescheid über die Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung der Gewinnanteile des Klägers nach § 15 I Satz 1 Nr. 3 EStG entschieden hat. Das gilt auch dann, wenn möglicherweise für die gesonderte Feststellung der streitigen Einkünfte die Feststellungsfrist bereits abgelaufen ist. (Leitsatz der LSK-Redaktion)
2. Es erscheint zumindest möglich, dass der Gewinnanteil aus einer Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter an einer KGaA gesondert festzustellen ist. (Leitsatz der LSK-Redaktion)
Gründe
Finanzgericht München
Az.: 13 K 2396/13
Beschluss
Stichwort
In der Streitsache
1. …
Kläger
prozessbevollmächtigt: zu 1-2: …
gegen
Finanzamt …
Beklagter
wegen Einkommensteuer 2004 – 2008
hat der 13. Senat des Finanzgerichts München durch … als Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung
am 28. Januar 2016 beschlossen:
Das Verfahren wird bis zur Bestandskraft der im Zusammenhang mit den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz) zu erlassenden Feststellungsbescheide für die Jahre 2004 bis 2008 ausgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
1. Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bundesfinanzhof in München zu.
Die Beschwerde ist beim Finanzgericht München, Ismaninger Str. 95, 81675 München (Briefanschrift: Finanzgericht München, Postfach 86 03 60, 81630 München; Telefax-Anschluss: 089 /9 29 89-300) oder Außensenate Augsburg, Frohsinnstr. 21, 86150 Augsburg (Briefanschrift: Postfach 10 16 61, 86006 Augsburg; Telefax-Anschluss: 0821 /3 46 27-100) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe (Zustellung) der Entscheidung einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bundesfinanzhof eingeht. Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie Telefax-Anschluss: 089 /92 31-201.Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.b…de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.
2. Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
I.
Der Kläger war in den Streitjahren 2004 bis 2008 neben weiteren Personen persönlich haftender Gesellschafter .(KGaA). In diesem Zusammenhang wurden ihm für die Streitjahre Gewinnanteile zugerechnet. Diese wurden unmittelbar im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen berücksichtigt. Eine gesonderte und einheitliche Feststellung (§§ 179 ff Abgabenordnung – AO) der Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafter erfolgte bisher nicht.
Gegen die Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre legten die Kläger erfolglos Einspruch ein. Im vorliegenden Klageverfahren begehren sie, auf die Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der KGaA (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz – EStG) das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden, soweit diese auf Dividenden und Veräußerungsgewinnen von inländischen Beteiligungen beruhen, sowie das DBA-Schachtelprivileg anzuwenden, soweit die Einkünfte aus Dividenden von ausländischen Beteiligungen stammen.
Mit richterlichem Hinweis vom 14. Oktober 2015 wurden die Beteiligten auf die mögliche Notwendigkeit der Aussetzung des Klageverfahrens bis zur Entscheidung des Betriebsstätten-Finanzamts über die Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung (positiver oder negativer Feststellungsbescheid) hingewiesen.
Der Kläger vertreten die Auffassung, dass die Einkünfte persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA gesondert und einheitlich nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO festzustellen sind.
Der Beklagte (Finanzamt) vertritt die Auffassung, dass keine gesonderte und einheitliche Feststellung der Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafter zu erfolgen habe, da die persönlich haftenden Gesellschafter keine gemeinsame Einkunftsquelle besitzen.
II.
Das vorliegende Verfahren ist auszusetzen, bis das zuständige Betriebsstätten-Finanzamt durch Feststellungsbescheide über die Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung der Gewinnanteile des Klägers nach §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG in den Streitjahren entschieden hat und die erforderlichen Feststellungen bestandkräftig geworden sind.
1. Gemäß § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder der von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
Ist ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen, ist ein Klageverfahren gegen den Folgebescheid zwingend auszusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 17.05.1995 X R 64/92, BFHE 177, 478, BStBl II 1995, 640). Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung vorliegen, kann verbindlich nur in dem Feststellungsverfahren entschieden werden. Ein Verfahren ist bereits dann auszusetzen, wenn es möglich erscheint, dass ein Gewinnfeststellungsbescheid zu erlassen ist. Hierfür reicht aus, wenn das Erfordernis einer gesonderten Feststellung behauptet wird oder aufgrund des (ggf. streitigen) Sachverhalts möglich erscheint (vgl. BFH-Beschluss vom 22.08.2013 X B 16-17/13, BFH/NV 2013, 1763).
2. Vorliegend erscheint es zumindest möglich, dass der Gewinnanteil des Klägers aus seiner Beteiligung als persönlich haftenden Gesellschafter an der KGaA gesondert festzustellen ist. Unter Berücksichtigung der Rechtlage sowie der Rechtsprechung und der Literaturmeinungen sprechen gewichtige Gründe dafür, dass eine gesonderte Feststellung der Einkünfte des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA durchzuführen ist.
2.1. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der vorliegenden Rechtsfrage liegt nicht vor.
Zwar sind die Finanzgerichte i.d.R. in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass keine gesonderte Feststellung stattzufinden hat (vgl. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 12.04.2011 5 K 136/07, EFG 2011, 2038; Finanzgericht München, Urteil vom 16.01.2003 7 K 5340/01, EFG 2003, 670; a.A. nun offensichtlich Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 09.07.2015 3 K 308/14, juris). Der BFH konnte diese Frage in den letzten Entscheidungen offen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 21.06.1989 X R 14/88, BStBl II 1989, 881; vom 07.12.2011 I R 5711, BFH/NV 2012, 222). In einer Entscheidung aus dem Jahr 1967 (BFH-Urteile vom 21.07.1967 VI 270/67, nicht veröffentlicht) hatte er die Notwenigkeit einer gesonderten Feststellung für den Fall angedeutet, dass mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden sind.
In Teilen der Literatur (vgl. u. a. Kusterer in DStR 2008, 484; Drüen/Heek in DStR 2012, 541) wird die Notwendigkeit der Durchführung einer gesonderten Feststellung bejaht.
2.2. Die Rechtslage zur Frage der Notwendigkeit einer gesondert und einheitlichen Feststellung der Einkünfte eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA ist auch nicht hinreichend eindeutig, um die Notwendigkeit der Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens mit Sicherheit verneinen zu können.
Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG angeordneten transparenten Besteuerung des Gewinnanteils der persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA – unabhängig von der Frage, ob insoweit eine Mitunternehmerschaft vorliegt – sowie aufgrund der zivilrechtlichen Ausgestaltung der KGaA als hybride Rechtsform eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO zumindest aufgrund einer teleologischen Auslegung der Vorschrift durchzuführen ist. Auch wenn die KGaA steuerlich der Körperschaftssteuer unterfällt (§ 1 Nr. 1 Körperschaftsteuergesetz) schließt dies nicht automatisch eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO aus, da diese Vorschrift ausdrücklich auch auf körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen Bezug nimmt. Soweit § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO weiter voraussetzt, dass an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind, kann dies bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht ohne Weiteres verneint werden, da – auch wenn die Einkünfte der KGaA der Körperschaftsteuer unterliegen – die Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafter aus dem gemeinschaftlich von den Gesellschaftern der KGaA erwirtschafteten Ergebnis stammen.
2.3. Die Aussetzung des Verfahrens ist auch deshalb geboten, da – sofern eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO nicht in Betracht kommt – vom Betriebsstätten-Finanzamt zu prüfen wäre, ob eine solche nicht möglicherweise wegen § 180 Abs. 1 Nr. 2 b i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO erforderlich ist. Denn es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass durch die Qualifizierung der Einkünfte des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA als gewerbliche (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) auch ein gewerblicher Betrieb i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO entsteht, der am Sitz der Geschäftsleitung der KGaA anzusiedeln ist.
3. Vorliegend ist nicht maßgeblich, dass möglicherweise für die gesonderte Feststellung der streitigen Einkünfte die Feststellungsfrist in den Streitjahren bereits abgelaufen ist. Denn aufgrund § 181 Abs. 5 AO wäre eine gesonderte Feststellung für die Jahre 2004 bis 2008 weiterhin möglich, da aufgrund des vorliegenden Klageverfahrens die Festsetzungsfristen i. S. Einkommensteuer, für die die streitigen gesonderten Feststellungen von Bedeutung wären, noch nicht abgelaufen sind (§ 171 Abs. 3a AO).