Steuerrecht

Abgrenzung einer gewerblichen von einer freiberuflichen Tätigkeit – Designer

Aktenzeichen  M 16 K 16.1298

Datum:
12.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO GewO § 6 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 6

 

Leitsatz

1. Ein nicht dem Geltungsbereich der GewO unterstellter Freier Beruf liegt vor, wenn entweder einer der in § 6 Abs. 1 S. 1 GewO nicht abschließend aufgezählten Freien Berufe oder eine wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit höherer Art oder eine Dienstleistung höherer Art ausgeübt wird, die eine höhere Bildung, mithin grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium, oder eine besondere schöpferische Begabung, erfordert (Anschluss an BVerwG BeckRS 2013, 48687 Rn. 15 mwN). (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine mit „Durchführung von Werbemaßnahmen, Tätigkeit als Designer, Tätigkeit im Internetbereich, Erstellen von Publikationen“ angemeldete Tätigkeit weist die Begriffsmerkmale eines Freien Berufs auch dann nicht auf, wenn der Berufsträger einen Fachhochschulabschluss als Diplom-Designer erworben hat. Entscheidend ist vielmehr, ob die konkret ausgeübte Tätigkeit den Besuch einer Hochschule, Fachhochschule oder Akademie objektiv voraussetzt und der Berufsträger nicht nur im Einzelfall, sondern grundsätzlich zur Erledigung der von ihm übernommenen Aufträge einer höheren Bildung bedarf (Anschluss an OVG Lüneburg BeckRS 2012, 50836 unter II 2 b aa). (redaktioneller Leitsatz)
3. Die steuerrechtliche Qualifizierung einer Tätigkeit hat für ihre gewerberechtliche Bewertung als freiberuflich oder gewerblich im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungszwecke beider Rechtsmaterien keine Bindungswirkung (Bestätigung von VG München BeckRS 2016, 41129). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger ¾, die Beklagte ¼.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Soweit die Beteiligten das Verfahren in Bezug auf die in der mündlichen Verhandlung aufgehobene Nr. 2 des Bescheids (Erweiterung der Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO) übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2016 ist im Übrigen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger ein Gewerbe ausübt und die Vorschrift des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO anwendbar ist.
Der Kläger hatte am 11. September 2002 (mit Betriebsbeginn 11. Mai 2002) das Gewerbe „Werbemaßnahmen, Designer, Internetbereich“ angemeldet (von der Beklagten aufgenommen als „Durchführung von Werbemaßnahmen, Tätigkeit als Designer, Tätigkeit im Internetbereich, Erstellen von Publikationen“. Eine wirksame Abmeldung des Gewerbes ist bei der Beklagten vor Erlass des Bescheids nach Aktenlage nicht eingegangen. Der Kläger hat vielmehr bei der erlassenden Stelle erst mit E-Mail vom 24. Februar 2016 eine nicht unterschriebene Gewerbeabmeldung mit Datum 16. September 2015 eingereicht, wonach er die Tätigkeit „Produkt und Grafikdesign, Werbemaßnahmen, Webdesign, Publikationen“ bereits ca. 2003 eingestellt habe. Im Klageverfahren hat der Kläger zunächst geltend gemacht, er übe eine freiberufliche Tätigkeit aus und habe deswegen das Gewerbe wieder abmelden wollen, da die Anmeldung aufgrund falscher Beratung des damaligen Steuerberaters erfolgt sei, wobei allerdings nicht näher ausgeführt wurde, welche Dienstleistungen der Kläger erbringt bzw. erbracht hat. Soweit vorgetragen wurde, der Kläger habe das angemeldete Gewerbe seit 2003 nicht mehr betrieben, handelt es sich um eine nicht näher belegte Aussage, die in dieser Form nicht geeignet ist, die mit der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch bestehenden Gewerbeanmeldung verbundene Indizwirkung zu entkräften. Soweit der Kläger unabhängig davon geltend gemacht hat, er übe kein Gewerbe aus, da es sich bei seiner aktuellen (seit Oktober 2008) Tätigkeit ausschließlich um eine freiberufliche bzw. künstlerische Tätigkeit handele, fehlt es auch diesbezüglich an konkreten Belegen für eine solche Tätigkeit.
Die Gewerbeordnung enthält keine Legaldefinition, sondern setzt den Begriff des Gewerbes als unbestimmten Rechtsbegriff voraus. Die Rechtsprechung geht in Übereinstimmung mit der Literatur vom Vorliegen eines Gewerbes aus, wenn es sich um eine erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit handelt, die nicht den Bereichen der Urproduktion, den Freien Berufen oder der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, U. v. 27.2.2013 – 8 C 8/12 – juris Rn. 12 m. w. N.; VG München, U. v. 22.9.2015 – M 16 K 14.5250 – juris Rn. 11). Die angemeldete Tätigkeit des Klägers erfüllt diese Voraussetzungen. Sie ist auch nicht gemäß § 6 GewO vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen.
Bei der Tätigkeit handelt es sich auch nicht um einen Freien Beruf. Der Begriff des Freien Berufs ist weder in der Gewerbeordnung noch in anderen Gesetzen allgemein gültig definiert. § 6 Abs. 1 Satz 1 GewO enthält eine – nicht abschließende – Aufzählung einzelner Freier Berufe, die dem Geltungsbereich der Gewerbeordnung nicht unterstellt sind. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt es sich beim Rechtsbegriff des Freien Berufes um einen sogenannten Typusbegriff, wobei für den Bereich der Gewerbeordnung darauf abzustellen ist, ob es sich um eine wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit höherer Art oder eine Dienstleistung höherer Art handelt, die eine höhere Bildung, d. h. grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium, oder eine besondere schöpferische Begabung erfordert (BVerwG, U. v. 27.2.2013 – 8 C 8/12 – juris Rn. 15). Diese Merkmale weist die angemeldete Tätigkeit „Durchführung von Werbemaßnahmen, Tätigkeit als Designer, Tätigkeit im Internetbereich, Erstellen von Publikationen“ nicht auf. Auch wenn der Kläger persönlich einen Fachhochschulabschluss als Diplom-Designer erworben hat, kommt es auf seine individuelle formale Qualifikation nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Tätigkeit als solche den Besuch einer Hochschule, Fachhochschule oder Akademie auch objektiv voraussetzt. Dabei muss der Berufsträger nicht nur im Einzelfall, sondern grundsätzlich zur Erledigung der von ihm übernommenen Aufträge einer höheren Bildung bedürfen (vgl. NdsOVG, U. v. 16.5.2012 – 7 LC 15/10 – juris Rn. 33 m. w. N.). Dies kann jedenfalls für die Bereiche „Werbemaßnahmen“ und „Internet“ nicht angenommen werden.
Der Annahme, dass es sich bei den angemeldeten Tätigkeiten um die Ausübung eines Gewerbes im Sinne der Gewerbeordnung handelt, stünde auch eine abweichende steuerrechtliche Qualifizierung nicht per se entgegen, da wegen der fehlenden Übertragbarkeit der steuerrechtlichen Regelungen auf die Gewerbeordnung keine Bindungswirkung besteht. Die Terminologie des Steuerrechts ist nicht mit derjenigen des Gewerberechts identisch. Dies folgt insbesondere daraus, dass sich die Regelungszwecke der beiden Rechtsmaterien unterscheiden. Die Gewerbeordnung ist zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Wirtschaftsleben bestimmt, während es im Steuerrecht um fiskalische Ziele geht (vgl. VG München, U. v. 22.9.2015 – M 16 K 14.5250 – juris Rn. 15).
Zwar setzt eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO grundsätzlich voraus, dass das Gewerbe, dessen Ausübung untersagt werden soll, noch im Zeitpunkt der Untersagungsverfügung tatsächlich ausgeübt wird (vgl. BVerwG, U. v. 14.7.2003 – 6 C 10/03 – juris). Vorliegend ist jedoch unstreitig, dass der Kläger eine Tätigkeit, sei sie als gewerblich oder freiberuflich einzustufen, tatsächlich ausgeübt hat. Für eine Einstufung als freiberufliche Tätigkeit fehlt es, wie ausgeführt, an entsprechenden Belegen über die behauptete (aktuelle) Tätigkeit. Allein eine steuerrechtliche Qualifizierung dieser Tätigkeit als nicht gewerblich kann – ohne Darlegung der konkreten Umstände, die zu dieser Bewertung geführt haben – nicht als ausreichend angesehen werden. Diesbezügliche Darlegungen sind hier jedoch nicht erfolgt.
Die Beklagte ist auch zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ausgegangen.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender dann gewerberechtlich unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris; BVerwG, B. v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris; BVerwG, B. v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – juris; BVerwG, B. v. 5.3.1997 – 1 B 56/97 – juris; BVerwG, B. v. 16.2.1998 – 1 B 26/98 – juris). Aus dem ausschließlich sicherheitsrechtlichen, zukunftsbezogenen Regelungszweck von § 35 GewO folgt, dass es auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden hinsichtlich der die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände nicht ankommt. Dies gilt auch dann, wenn es um Steuerrückstände geht (vgl. BVerwG, B. v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – juris Rn. 4).
Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes gemäß § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – juris; BVerwG, B. v. 16.6.1995 – 1 B 83/95 – juris). Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, insbesondere eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BayVGH, B. v. 23.10.2012 – 22 ZB 12.888 – juris).
Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Gewerbeuntersagung zu Recht ergangen. Die Beklagte hat die negative Prognose über die gewerberechtliche Zuverlässigkeit des Klägers in nachvollziehbarer Weise auf seine erheblichen Zahlungsrückstände insbesondere beim Finanzamt und seine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit gestützt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Steuerrückstände dann geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung. Die Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können, sind solche nicht gezahlten Steuern, die der Steuerschuldner von Rechts wegen bereits hätte zahlen müssen. Wann die Steuerschuld fällig ist, ergibt sich aus den einzelnen Steuergesetzen und im Übrigen aus § 220 AO (vgl. BVerwG, B. v. 5.3.1997 – 1 B 56/97- juris Rn. 5). Da für die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit die Nichterfüllung von öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten aller Art von Bedeutung ist, ist es auch unbeachtlich, dass sich ein bestimmter Anteil an den Steuerschulden aus angefallenen Säumniszuschlägen ergibt (vgl. z. B. BayVHG, B. v. 17.10.2008 – 22 ZB 08.2592 – juris Rn. 2).
Der Kläger war zum Stand der Mitteilung des Finanzamts vom 15. Oktober 2014 dort mit der erheblichen Summe von 99.476,79 Euro in Rückstand. Zunächst konnten Ratenzahlungsvereinbarungen (mit Vollstreckungsaufschub) getroffen werden und es gelang dem Kläger, die Rückstände zu reduzieren. Das Gewerbeuntersagungsverfahren wurde daher ausgesetzt. Mit Schreiben vom 8. Februar 2016 teilte das Finanzamt der Beklagten schließlich mit, dass der dem Kläger mit Schreiben vom 12. Februar 2015 eingeräumte Vollstreckungsaufschub endgültig als hinfällig einzustufen sei. Die aktuellen Rückstände beliefen sich auf insgesamt 50.738,42 Euro. Es bestehe daher wieder uneingeschränkte Vollstreckungslage. Zuvor hatte zum Stand 27. August 2015 (Nachfrage der Beklagten) ein Rückstand von (nur) noch 38.522,00 Euro bestanden. Die sehr hohen Rückstände des Klägers bei dem Finanzamt (Einkommensteuern und Umsatzsteuern) belegen – auch wenn man die Gewerbesteuerrückstände zugunsten des Klägers außer Betracht ließe – die Prognose der fehlenden Zuverlässigkeit bereits in hinreichender Weise.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Rückstände bei dem Finanzamt über eine längere Zeit aufgebaut hatten. Zwar hatte der Kläger Bemühungen gezeigt, die Rückstände abzubauen, diese waren jedoch im Ergebnis nicht erfolgreich, da das Finanzamt zuletzt wieder von einer Hinfälligkeit der Zahlungsvereinbarung und uneingeschränkten Vollstreckungslage ausgegangen war. Diese Entwicklung belegt, dass der Kläger jedenfalls nicht in der Lage war, eine fortlaufende und zuverlässige Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen zu gewährleisten. Vielmehr war es wieder zu einer Erhöhung der Rückstände gekommen.
Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese – durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete – Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten. Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – juris Rn. 15).
Von einer zuverlässigen, planmäßigen Schuldentilgung durch den Kläger war nicht auszugehen. Ein tragfähiges Sanierungskonzept, das die geordnete Rückführung bzw. Begleichung der jeweils neu anfallenden Steuerschulden in einem überschaubaren Zeitraum hätte erwarten lassen, lag nicht vor. Von einer anhaltenden mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers war auszugehen. Hinreichende Anzeichen für eine grundsätzliche Besserung der wirtschaftlichen Situation waren nicht erkennbar, auch wenn der Kläger Zahlungen in größerem Umfang geleistet hatte.
Insgesamt war damit zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die Prognose über die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers gerechtfertigt, da er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bot, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben werde. Auf nachträgliche positive Veränderungen kommt es in diesem Zusammenhang – wie ausgeführt – nicht an. Diese wären im Rahmen eines Verfahrens auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung (vgl. § 35 Abs. 6 GewO) geltend zu machen.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen, ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der erheblichen Zahlungsrückstände und der wiederholt erfolgenden Nichtbegleichung aufgelaufener öffentlich-rechtlicher Forderungen war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO erforderlich. Eine mildere, gleichermaßen geeignete Maßnahme war nicht erkennbar.
Die Gewerbeuntersagung ist vorliegend auch nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn verstoßen kann (BVerwG, B. v. 9.3.1994 – 1 B 33.94 – juris; BVerwG, B. v. 1.2.1994 – 1 B 211.93 -juris; BayVGH, z. B. B. v. 4.6.2014 – 22 C 14.1029 – juris Rn. 19). Die Voraussetzungen eines solchen extremen Ausnahmefalls sind im Fall des Klägers jedoch nicht gegeben. Auch evtl. geringe Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt würden es nicht rechtfertigen, von einer Gewerbeuntersagung wegen fortgesetzter Pflichtverletzung abzusehen (vgl. BayVGH, B. v. 4.6.2014 a. a. O.). Eine zeitliche Befristung der Gewerbeuntersagung war bereits deshalb nicht veranlasst, weil bei Wegfall der Unzuverlässigkeit gemäß § 35 Abs. 6 GewO ein Anspruch auf Wiedergestattung der Ausübung des Gewerbes besteht. Im Übrigen wären auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, dass nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums die Gründe für die Prognose der fehlenden Zuverlässigkeit des Klägers entfallen würden. Eine (zeitlich zu befristende) „Strafsanktion“ stellt die Gewerbeuntersagung nicht dar.
Gegen die weiteren Verfügungen des streitgegenständlichen Bescheids hat der Kläger rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
In Bezug auf den für erledigt erklärten Teil der Klage war über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten diesbezüglich der Beklagten aufzuerlegen, da sie die Verfügung insoweit aufgehoben hat und die Klage im Hinblick auf den anzunehmenden Ermessensausfall bei der Erweiterung der Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO insoweit voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre. In Anlehnung an die Gewichtung nach dem Streitwertkatalog 2013 (Nr. 54.2.1 und Nr. 54.2.2) wurde hierfür eine Quote von einem Viertel des gesamten Klagegegenstands zugrunde gelegt. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Soweit das Verfahren eingestellt wurde (Nr. I.), ist das Urteil unanfechtbar.
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten im Übrigen die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.000,– Euro festgesetzt
(§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz i. V. m. Nr. 54.2.1 und Nr. 54.2.2 des Streitwertkatalogs 2013).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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