Steuerrecht

Ablehnung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen

Aktenzeichen  2 K 1725/16

Datum:
27.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36307
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1
AO § 163, § 181 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, erwarb im Jahr 1978 ein Wohnhaus mit Bäckerei M (Vermietungsobjekt). Ihr Grundbesitz war laut der Abteilung III des Grundbuchs mit verschiedenen Buchgrundschulden belastet (vgl. Notarvertrag vom 30. April 2013, Seite 2, Dauerunterlagen).
Am 30. April 2013 veräußerte die Klägerin ihr Vermietungsobjekt. Der Kaufpreis betrug 2.250.000 €. Laut dem Notarvertag sollte der Kaufpreis zur Zahlung fällig sein, wenn u.a. die Lastenfreistellungserklärungen zur bedingungslosen Verwendung oder versehen nur mit solchen Auflagen, die durch die Bezahlung des Kaufpreises oder eines Teils davon erfüllt werden können, in grundbuchmäßiger Form dem Notar vorliegen oder die Lastenfreistellung bereits grundbuchrechtlich vollzogen ist (vgl. Notarvertrag vom 30. April 2013, Seiten 3 und 4, Dauerunterlagen).
Aufgrund dieser Verpflichtung zur Lastenfreistellung tilgte die Klägerin in der Folgezeit vorzeitig zwei im Zusammenhang mit dem Vermietungsobjekt aufgenommene Darlehen:
Darlehen
Bank
Vorfälligkeitsentschädigung
Nr. …543
VR-Bank …
22.274,22 €
Nr. …380
Raiffeisenbank …
203,28 €
insgesamt: 22.477,50 €
Das Darlehen Nr. …380 wurde im Jahr 2005 mit einer Endfälligkeit im Februar 2016 aufgenommen; der Darlehensvertrag Nr. …543 wurde im Jahr 2011 mit einer Endfälligkeit im Oktober 2021 abgeschlossen.
Die Klägerin beabsichtigte mit dem erzielten Kaufpreis weder den Erwerb eines neuen Vermietungsobjekts noch erwarb sie zu einem späteren Zeitpunkt ein solches.
In dem mit Klage (Az. 2 K 1724/16) angefochtenem Bescheid vom 27. August 2014 über die gesonderte und einheitliche Feststellung für 2013 ließ der Beklagte die Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von insgesamt 22.477,50 € als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt.
Am 29. September 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 15. Januar 2014 (IV C 1 – S 2211/11/10001:001 2014/0019176, BStBl I 2014, 108).
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Oktober 2014 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitserwägungen ab. Den dagegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2016 als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer dagegen gerichteten Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor: Im Streitfall sei entscheidend, dass das BMF in seinem Schreiben vom 3. Mai 2006 (IV C 3 -S. 2211 – 11/06, BStBl I 2006, 363) festgestellt habe, dass der durch die tatsächliche Verwendung des Darlehens zur Finanzierung sofort abziehbarer Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) geschaffene Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung auch nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit bestehen bleibe. Diese Ansicht gelte für vor dem 1. Januar 2014 rechtswirksam abgeschlossene obligatorische Veräußerungsgeschäfte weiterhin (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 108). Sie -die Klägerinhabe darauf vertraut, dass bei Verwendung der Darlehen zur Finanzierung von sofort abziehbaren Werbungskosten die Darlehenszinsen für die gesamte Laufzeit der Darlehen Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung darstellten und dass dieses Vertrauen auch bei einer zur Zeit der Darlehensaufnahme nicht beabsichtigten Veräußerung nicht durchbrochen würde.
Es sei sachlich unbillig, aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 11. Februar 2014 (IX R 42/13, BStBl II 2015, 633, zu Anschaffungsdarlehen) Dispositionen des Steuerpflichtigen bei Darlehensaufnahme, die auch im nicht beabsichtigten Veräußerungsfall gelten sollten, steuerlich unterschiedlich zu werten, weil in Anwendung der BMF-Schreiben (in BStBl I 2006, 363, und in BStBl I 2014, 108, sowie vom 27. Juli 2015 IV C 1 – S 2211/11/10001, Tz. 5 i.V.m. Tz. 2, BStBl I 2015, 581) Vorfälligkeitsentschädigungen bei anderen Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 2013 anerkannt würden.
Die geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigungen seien als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen, da aus Gründen des Vertrauensschutzes sachliche Unbilligkeit vorliege.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 23. Oktober 2014 und der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2016 den Beklagten zu verpflichten, ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in dem Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 27. August 2014 aus Billigkeitsgründen abweichend unter Berücksichtigung der Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von 22.477,50 € als nachträgliche Werbungskosten festzustellen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf seine Einspruchsentscheidung.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die gerichtliche Aufklärungsanordnung vom 9. Januar 2018 und das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
II.
Die Klage ist unbegründet. Die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme lässt keine Ermessensfehler des Beklagten erkennen.
1. Nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.
Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
§ 163 AO ist u.a. auch dann anwendbar, wenn Besteuerungsgrundalgen gesondert festgestellt werden (vgl. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO, Gosch/Oellerich, AO und FGO, § 163 AO Rz. 10).
Die Feststellung von gesonderten Besteuerungsgrundlagen ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Feststellung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553, m.w.N.).
Wenn sich die bisherige Rechtsprechung verschärft oder eine höchstrichterliche Entscheidung von einer bisher allgemein geübten Verwaltungsauffassung abweicht, kann die Finanzverwaltung gehalten sein, allgemeine Übergangsregelungen bzw. Anpassungsregelungen zu erlassen oder entsprechende Einzelmaßnahmen zu treffen, um den Steuerpflichtigen im Hinblick auf seine im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage getroffenen Dispositionen nicht zu enttäuschen. Ein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen im vorstehend beschriebenen Sinne ist indessen nur dann gegeben, wenn als Vertrauensgrundlage eine gesicherte, für die Meinung des Steuerpflichtigen sprechende Rechtsauffassung bestanden hat und die Rechtslage nicht als zweifelhaft erschien (vgl. BFH-Beschluss vom 26. September 2007, V B 8/06, BStBl II 2008, 405; BFH-Urteil vom 23. August 2017, I R 52/14, juris).
2. Zutreffend hat der Beklagte ermessensfehlerfrei eine abweichende Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründe aufgrund einer angeblichen Rechtsprechungsänderung verneint, da hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Vorfälligkeitsentschädigungen keine Rechtsprechungsänderung vorliegt. Die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null sind nicht erfüllt.
a) Der Beklagte hat zu Recht, die Vorfälligkeitsentschädigungen im Feststellungsbescheid der Klägerin für 2013 bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt zugelassen. Zur Begründung wird insoweit auf das zeitgleich ergangene Urteil vom heutigen Tag im Klageverfahren der Klägerin 2 K 1724/16 verwiesen.
b) Entgegen der Auffassung der Kläger liegt auch keine Rechtsprechungsänderung vor, die der Beklagte in seine Ermessensentscheidung hätte miteinbeziehen müssen und die dann zu einer Ermessensreduzierung auf Null aufgrund einschlägiger Verwaltungsanweisungen hätte führen müssen.
Schützenswertes Vertrauen der Klägerin ist nicht gegeben, da eine gesicherte, für ihre Meinung sprechende Rechtsauffassung nicht bestanden hat und die Rechtslage nicht zweifelhaft erschienen ist. Im Streitfall liegt im Gegenteil eine gesicherte Rechtslage für die Rechtsauffassung des Beklagten vor.
aa) Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH-Urteile vom 16. September 1999 IX R 42/97, BStBl II 2001, 528, und vom 12. Oktober 2005 IX R 28/04, BStBl II 2006, 407) und die dazu ergangenen Verwaltungsanweisungen (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2006, 363, und in BStBl I 2014, 108) sind im Streitfall nicht einschlägig. Nach dieser Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung sind Schuldzinsen nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit als nachträgliche Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn sie aus Darlehen herrühren, die während der Vermietungstätigkeit für sofort abziehbare Werbungskosten aufgenommen worden sind.
Das hiesige Klageverfahren betrifft dagegen einen anderen Sachverhalt, nämlich die im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur lastenfreien Veräußerung des Vermietungsobjekts ausdrücklich zwischen der Klägerin und den Banken vereinbarte Vorfälligkeitsentschädigungen. Vorfälligkeitsentschädigungen infolge lastenfreier Grundstücksveräußerungen sind keine Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung. Dies hat der BFH bereits im Urteil vom 23. September 2003 (IX R 20/02, BStBl II 2004, 57) so entschieden und in seiner Entscheidung vom 11. Februar 2014 (IX R 42/13, BStBl II 2015, 633) lediglich unter Nennung weiterer Rechtsprechungsnachweise erneut bestätigt. Der Zusammenhang zwischen der Kreditkündigung mit der einkommensteuerrechtlich unerheblichen Vermögensumschichtung tritt an die Stelle der Veranlassung der Kreditaufnahme durch die frühere Einkunftsart (Vermietung und Verpachtung). Obschon die Vorfälligkeitsentschädigung Bestandteil der auf die (verkürzte) Gesamtlaufzeit des Kredits bezogenen Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Inanspruchnahme des Fremdkapitals ist und -ebenso wie die Zinsenweiterhin auf dem Darlehensvertrag als Rechtsgrund beruht, ist sie das Ergebnis einer auf vorzeitige Kreditablösung gerichteten Änderung des Kreditvertrags. Erst mit dieser Modifizierung des Vertragsinhalts steht dem Darlehensgeber eine seine Interessen wahrende Vorfälligkeitsentschädigung zu. Diese vertragliche Vereinbarung ist auch steuerrechtlich das „auslösende Moment“ für die Zahlung. Sie hängt im Streitfall mit der nicht steuerbaren Veräußerung des Grundstücks zusammen; denn die Verpflichtung des Darlehensgebers, in eine vorzeitige Darlehensablösung gegen angemessene Vorfälligkeitsentschädigung einzuwilligen, besteht gerade dann, wenn -wie im Streitfallfür eine beabsichtigte Grundstücksveräußerung eine Ablösung des Kredits und der damit zusammenhängenden grundpfandrechtlichen Belastung erforderlich ist (vgl. BFH in BStBl II 2004, 57, und in BStBl II 2015, 633).
bb) Zu Recht hat der Beklagte das BMF-Schreiben vom 27. Juli 2015 (IV C 1 – S 2211/11/10001, Tz. 5 i.V.m. Tz. 2, BStBl I 2015, 581), das eine offenbar auf sachlichen Billigkeitserwägungen beruhende Übergangsregelung für die Anerkennung von Vorfälligkeitsentschädigungen als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zum Gegenstand hat, nicht angewendet, weil die Voraussetzungen des in der früheren Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 14. Januar 2004 IX R 34/01, BFH/NV 2004, 1091; vom 23. April 1996 IX R 5/94, BStBl II 1996, 595) definierten Ausnahmefalls im Streitfall nicht erfüllt sind. Danach können Vorfälligkeitsentschädigungen ausnahmsweise als Finanzierungskosten für die Anschaffung eines neuen, dem Erzielen von Vermietungseinkünften dienenden Objekt zu beurteilen sein. Daran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin beabsichtigte weder ein neues Vermietungsobjekt zu erwerben noch hat sie ein solches später erworben.
cc) Andere sachliche Billigkeitsgründe sind im Streitfall nicht ersichtlich.
Nach alledem durfte der Beklagte im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid vom 23. Oktober 2014 die Voraussetzungen einer sachlichen Unbilligkeit zu Recht ermessensfehlerfrei mit der Folge verneinen, dass die auf lastenfreier Grundstücksveräußerung beruhenden Vorfälligkeitsentschädigungen nicht abzugsfähig sind.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO erkennbar nicht erfüllt sind.

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