Steuerrecht

Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit- Antrag auf Berichtigung des Tatbestands eines Urteils

Aktenzeichen  13 A 18.2365, 13 A 18.2367, 13 A 18.2368

Datum:
4.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34535
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG § 138 Abs. 1 S. 2
VwGO § 54 Abs. 1, § 117 Abs. 3 S. 1, § 118, § 119 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2, § 45 Abs. 1, § 580

 

Leitsatz

1. Das Vorliegend der Voraussetzungen für eine Berichtigung des Tatbestands nach § 119 Abs. 1 VwGO berechtigt allein nicht zur Annahme, es bestehe die Besorgnis der Befangenheit der am Urteil mitwirkenden Richter. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Tatbestand eines Urteils ist nicht unvollständig, soweit der Sach- und Streitstand entsprechend § 117 Abs. 3 S. 1 VwGO nur gerafft wiedergegeben ist oder von der Verweisungsmöglichkeit des § 117 Abs. 3 S. 2 VwGO Gebrauch gemacht worden ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. K-R., den Richter am Verwaltungsgerichtshof B., den Beisitzer Leitender Baudirektor Dipl.-Ing. P., den Beisitzer Landwirt Ge. und den Beisitzer Landwirt Wa. werden verworfen.
II. Der Antrag auf Berichtigung des Tatbestands des Urteils vom 21. März 2019 wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in den Verfahren 13 A 18.2365, 13 A 18.2367 und 13 A 18.2368 mit Urteil vom 21. März 2019 festgestellt, dass die Verwaltungsstreitverfahren 13 A 17.1712, 13 A 17.1713 und 13 A 17.1714 in der Hauptsache erledigt sind, und die Restitutionsklagen abgewiesen. Dieses Urteil wurde dem Kläger am 15. Juni 2019 zugestellt.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 stellte der Kläger in den Verfahren 13 A 18.2365, 13 A 18.2367 und 13 A 18.2368 „Befangenheitsanträge“ gegen die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. K-R., den Richter am Verwaltungsgerichtshof B., den Beisitzer Leitender Baudirektor Dipl.-Ing. P., den Beisitzer Landwirt Ge. und den Beisitzer Landwirt Wa. Zur Begründung trug der Kläger vor: Die Richter könnten sich nicht legitimieren, dass sie staatliche Richter nach dem GVG seien. Es werde auf den Berichtigungsantrag vom 28. Juni 2019 verwiesen, woraus hervorgehe, dass die Richter versuchten, den Sachverhalt anders darzustellen und durch Weglassungen und Auslassungen ein negatives Bild zu erzeugen. Des Weiteren sei keine rechtskräftige Ausfertigung des Urteils vom 21. März 2019 zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2019 beantragte der Kläger in den Verfahren 13 A 18.2365, 13 A 18.2367 und 13 A 18.2368 die Berichtigung des Tatbestands des Urteils vom 21. März 2019 gemäß § 119 VwGO. Hierzu werde Beweis beantragt durch die Vernehmung der Zeuginnen Frau U. und Dr. K-R. betreffend die Übergabe der relevanten Unterlagen. Frau U. habe am 17. Oktober 2018 der Vorsitzenden Richterin Dr. K-R. die Unterlagen übergeben, aus denen ersichtlich gewesen sei, dass es die Firma Gebrüder K. Westdeutsche Gipswerke mindestens seit dem 24. Mai 1984 nicht mehr gebe. Da ihm die relevanten Unterlagen erst nach der Verhandlung am 17. Oktober 2018 bekannt geworden seien, habe er sie nicht mehr in dieser Verhandlung geltend machen können. Dies sei ein Restitutionsgrund nach § 580 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b ZPO. Dies übergehe der 13. Senat willkürlich. Da dies dem Gericht bereits vor ihm bekannt gewesen sei, habe er die Unterlagen nicht mehr übergeben müssen. Zur Auffüllung im Tagebau der Firma Gebrüder K. Westdeutsche Gipswerke in S. sei auch von der Firma F. über Jahre hinweg Abfall entsorgt worden. Es sei schwerlich nachzuvollziehen, dass die Firma K. dies nicht gewusst habe. Wo stehe im Tatbestand, dass die Gemeinde S. die Erledigungserklärung mittrage. Der Gemeinderat sei in der Verhandlung am 17. Oktober 2018 nicht zugegen gewesen. Insofern habe der Bürgermeister Dorsch keine Zustimmung zu der Erledigungserklärung abgegeben, was aber eine Voraussetzung für das Zustandekommen dieser Erledigungserklärung sei. Richter D. habe auf Frage des Bürgermeisters gesagt, der Gemeinderat müsse zustimmen. Diese Zustimmung fehle seit acht Monaten. Es handele sich um eine hinterhältige Lüge seitens des Gerichts, dass eine Erledigungserklärung am 17. Oktober 2018 zustande gekommen sei. Diese Tatsache stehe nicht im Tatbestand des Urteils vom 21. März 2019. Eine rechtskräftige Ausfertigung des Urteils vom 21. März 2019 fehle noch.
II.
1. Die vom Kläger hinsichtlich der Verfahren 13 A 18.2365, 13 A 18.2367 und 13 A 18.2368 gestellten Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. K-R., den Richter am Verwaltungsgerichtshof B., den Beisitzer Leitender Baudirektor Dipl.-Ing. P., den Beisitzer Landwirt Ge. und den Beisitzer Landwirt Wa. waren als unzulässig zu verwerfen.
Nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 54 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, „wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.“ Die Besorgnis der Befangenheit ist dann gegeben, wenn ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis hat, der Richter werde sich in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt (BVerfG, B.v. 5.4.1990 – 2 BvR 413/88 – BVerfGE 82, 30). Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der „böse Schein“, d.h. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BVerfG, B.v. 5.10.1977 – 2 BvL 10/75 – BVerfGE 46, 34/41). Ein Ablehnungsgesuch kann abweichend von § 45 Abs. 1 ZPO unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn sich der Befangenheitsantrag als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt. Davon ist auszugehen, wenn ein zur Annahme der Besorgnis der Befangenheit geeigneter Grund weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht wird, vielmehr das Vorbringen von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (st. Rspr.; BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 2 KSt 1.11 – NVwZ 2013, 225 = juris Rn. 2; B.v. 30.12.1993 – 1 B 154.93 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 50 = juris Rn. 1). Der Ablehnungsgrund muss durch nachvollziehbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit wenigstens ansatzweise substantiiert werden. Wertungen ohne Tatsachensubstanz genügen hierfür nicht (BVerwG, B.v. 7.8.1997 – 11 B 18.97 – BayVBl 1998, 59).
In vorliegendem Fall liegen die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Ablehnungsgesuche als unzulässig unter Mitwirkung der abgelehnten Richter vor: Das klägerseitige Vorbringen, die abgelehnten Richter hätten sich nicht legitimieren können, dass sie staatliche Richter nach dem Gerichtsverfassungsgesetz seien, liegt ganz offensichtlich neben der Sache und ist deshalb von vornherein ersichtlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Gleiches gilt für den klägerseitigen Vortrag, ihm sei keine rechtskräftige Ausfertigung des Urteils vom 21. März 2019 zugestellt worden. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, weshalb insoweit eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter vorliegen können sollte. Auch aus dem Vorbringen im Zusammenhang mit dem Antrag auf Berichtigung des Tatbestands des Urteils vom 21. März 2019, auf das der Kläger zur Begründung seines „Befangenheitsantrags“ Bezug genommen hat, lassen sich schon im Ansatz keinerlei Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit entnehmen. Selbst wenn die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Tatbestands nach § 119 Abs. 1 VwGO vorlägen – wie hier nicht, dazu sogleich -, berechtigte allein dies nicht zur Annahme, es bestehe die Besorgnis der Befangenheit der am Urteil mitwirkenden Richter. Für die bloße Behauptung des Klägers, die abgelehnten Richter hätten versucht, den Sachverhalt anders darzustellen und durch Weglassungen und Auslassungen ein negatives Bild zu erzeugen, ist keinerlei objektive Tatsachengrundlage vorgetragen oder glaubhaft gemacht; auch insoweit ist das klägerseitige Vorbringen von vornherein ersichtlich ungeeignet, die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen.
2. Auch der Antrag auf Berichtigung des Tatbestands des Urteils vom 21. März 2019 bleibt ohne Erfolg.
Nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 119 Abs. 1 VwGO kann binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils die Berichtigung beantragt werden, wenn der Tatbestand des Urteils andere als offenbare Unrichtigkeiten im Sinn von § 118 VwGO oder Unklarheiten enthält. § 119 VwGO greift ein, wenn das Gericht Beteiligtenvorbringen oder sonstiges Prozessgeschehen übersehen oder missverstanden und seiner Entscheidung daher nicht oder nicht richtig zugrunde gelegt hat. Vervollständigung kann nur verlangt werden, wenn der Tatbestand vollständig zu sein vorgibt, namentlich wenn gestellte Sachanträge nicht wiedergegeben werden. Der Tatbestand des Urteils ist nicht unvollständig, soweit der Sach- und Streitstand entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur gerafft wiedergegeben ist oder von der Verweisungsmöglichkeit des § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO Gebrauch gemacht worden ist (vgl. zum Ganzen: Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 119 Rn. 4 m.w.N.).
Daran gemessen liegen vorliegend die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 119 VwGO nicht vor: Das klägerseitige Vorbringen zu den Unterlagen, aus denen sich ergeben soll, dass es die Firma Gebr. K. Westdeutsche Gipswerke mindestens seit 24. Mai 1984 nicht mehr gebe, ist im Tatbestand des Urteils vom 21. März 2019 unter Beachtung des § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO richtig und klar wiedergeben (Rn. 6 und 10). Mit seinem Vortrag im Schreiben vom 28. Juni 2019 übt der Kläger letztlich im Gewand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung lediglich Kritik an den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs in den Entscheidungsgründen des Urteils (Rn. 18), dass und warum sich dem klägerseitigen Vorbringen kein Restitutionsgrund nach § 580 ZPO entnehmen lässt. Auch dem weiteren Vorbringen im klägerseitigen Schreiben vom 28. Juni 2019 hinsichtlich einer Zustimmung der Gemeinde S. zur Erledigungserklärung lässt sich nicht entnehmen, dass insoweit die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 119 VwGO vorlägen: Im Tatbestand des Urteils vom 21. März 2019 ist die Erledigungserklärung des Klägers und die Zustimmung der Beklagten hierzu in der mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 2018 (Rn. 4) sowie auch das (spätere) klägerseitige Vorbringen zu dieser Erledigungserklärung (Rn. 5 und 10) unter Beachtung des § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO richtig und klar wiedergegeben. Zur Frage, ob die Gemeinde S. diese Erledigungserklärung mitgetragen hatte bzw. ihr zugestimmt hatte, war in den Tatbestand schon deshalb nichts aufzunehmen, weil die Gemeinde nicht Beteiligte dieser Verfahren war und deshalb auch keine Prozesserklärungen abgegeben hatte oder abgeben hätte können. Soweit der Kläger meint, es sei am 17. Oktober 2018 keine Erledigung zustande gekommen, übt er wiederum im Gewand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung lediglich Kritik an den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs in den Entscheidungsgründen des Urteils (Rn. 15), dass und warum die Verfahren 13 A 17.1712, 13 A 17.1713 und 13 A 17.1714 als in der Hauptsache erledigt anzusehen und nicht fortzusetzen sind. Soweit der Kläger schließlich rügt, es fehle noch eine rechtskräftige Ausfertigung des Urteils vom 21. März 2019, ist nicht ansatzweise erkennbar, was dies mit einer Unrichtigkeit oder Unklarheit des Tatbestands im Sinne des § 119 Abs. 1 VwGO zu tun haben könnte.

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