Steuerrecht

Abmeldung von Amts wegen

Aktenzeichen  M 13 K 17.1793

Datum:
23.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54538
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §124, § 124 a Abs. 4,§ 167 Abs.1
ZPO § 708
BMG § 6 Abs. 1 S. 1,§ 9 Nr.2, § 12, § 20, § 27
VwVfG Art. 35
BayVwVfG Art. 43

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Klageantrag des Klägers richtet sich auf die Berichtigung des Melderegisters im Zeitraum vom 22. September 2016 bis 31. August 2017. Die Abmeldung von Amts wegen durch die Beklagte soll rückgängig gemacht werden, so dass der Kläger in dem streitigen Zeitraum in der S* … Str. …4, … München mit Hauptwohnsitz angemeldet ist.
Nach Auffassung des Gerichtes handelt es sich hierbei um eine Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage. Das Gericht sieht die am 22. September 2016 von der Beklagten vorgenommene Abmeldung des Klägers von Amts wegen nicht als Verwaltungsakt an (vgl. Böttcher/Ehmann, Meldegesetz (MeldeG) (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr Bundesmeldegesetz (BMG), Art. 10 Rn. 26,27; a.A. BayVGH, U.v. 8.10.1996 – 5 B 95.4115 – BayVBl 1997, 117/118 (vorherige Rechtsprechung des BayVGH, die die allgemeine Leistungsklage als statthafte Klageart ansah, aufgebend); BayVGH, B.v. 27.7.1998 – 5 ZS 98.1714 – juris, VG München, B.v. 30. Juli 2008 – 22 E 08.3571 – juris). Die Gegenauffassung würde dazu führen, dass die Fortschreibung mangels Bekanntgabe (Art. 43 BayVwVfG) nicht wirksam werden könnte, außer mittels der ebenso aufwendigen wie letztlich uneffektiven öffentlichen Zustellung (Art. 15 BayVwZVG) (Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 10 Rn. 26). Gibt es für die Behörde Anhaltspunkte, dass ein Bürger nicht mehr an der angegebenen Adresse wohnt, so erfolgt die Abmeldung von Amts wegen dahingehend, dass ein Computereintrag ins Melderegister erfolgt. Eine Zustellung der Entscheidung an den Bürger ist nicht vorgesehen und macht auch bei einer Abmeldung von Amts wegen meist keinen Sinn, da die neue Anschrift in dieser Konstellation überwiegend nicht bekannt sein wird. Den Eintrag ins Melderegister an sich sieht das Gericht als Realakt an. Erst die Ablehnung eines Antrags auf Berichtigung des Melderegisters stellt einen Verwaltungsakt (Art. 35 VwVfG) dar. Die Durchführung der Berichtigung als solche ist dagegen schlichtes Verwaltungshandeln; ihr fehlt der eigenständige Regelungsgehalt (Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 10 Rn. 16). Im vorliegenden Fall wehrt sich der Kläger nach Auslegung der Klage sowohl gegen den Realakt der Abmeldung von Amts wegen als auch gegen die Weigerung der Beklagten, eine Berichtigung des Melderegisters im Sinne des Klägers vorzunehmen. Das Gericht geht davon aus, dass die Weigerung der Berichtigung des Melderegisters durch die Beklagte bei den Vorsprachen des Klägers als Verwaltungsakt angesehen werden kann, demnach von einer Verpflichtungsklage auf die Erteilung eines Bescheides, das Melderegister zu berichtigen, auszugehen ist (Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 10 Rn. 18). Letztlich kann dies jedoch offenbleiben, da jedenfalls die allgemeine Leistungsklage auf Berichtigung des Melderegisters als Realakt auch statthaft wäre, wenn die Ablehnung des Antrags auf Berichtigung nicht als Verwaltungsakt qualifiziert würde.
Die Klage ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Eintragung der von ihm begehrten Anmeldung in der „S* … Str. …4“ vom 22. September 2016 bis 31. August 2017 gemäß § 9 Nr. 2 i.V.m. § 12 BMG hat. Die Abmeldung von Amts wegen fand richtigerweise nach § 6 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BMG statt. Die gespeicherten Daten sind nicht unrichtig oder unvollständig.
Aufgrund der polizeilichen Feststellungen durfte die Meldebehörde davon ausgehen, dass der Kläger die im Melderegister gespeicherte Wohnung ab dem 22. September 2016 im melderechtlichen Sinne nicht mehr bewohnte und deshalb die Wohnung im Register zu löschen war.
Hierbei ist es ohne Belang, dass der Kläger vor der Abmeldung von Amts wegen nicht gehört wurde. Ist der betroffene Einwohner nach unbekannt verzogen, erfolgt die Fortschreibung des Melderegisters ohne die dann nicht mögliche Anhörung von Amts wegen (Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 10 Rn. 26). Sie stellt nach Auffassung des Gerichtes keinen Verwaltungsakt da. Die als Verwaltungsakt anzusehende Weigerung der Beklagten, das Melderegister im Sinne des Klägers zu berichtigen, erfolgte nach Vorsprache und demnach nach einer Anhörung des Klägers (Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 10 Rn. 24 ff.). Im Übrigen wäre eine fehlende Anhörung im Verfahren gemäß Art. 45 Abs. 1, 2 BayVwVfG spätestens durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren geheilt worden.
Eine Anmeldung setzt das Beziehen einer Wohnung voraus. Hierbei handelt es sich um den Beginn der tatsächlichen Benutzung einer Wohnung. Eine Berechtigung zur Benutzung ist dabei unerheblich. Zusätzlich muss die Absicht bestehen, die Wohnung für einen nicht unerheblichen Zeitraum zu benutzen (vgl. insgesamt allg. VwV zur Durchführung des BMG, Nr. 17.1.1). Auszug bedeutet das tatsächliche, endgültige Verlassen einer Wohnung. Von einem Auszug ist in der Regel auszugehen, wenn aus der Wohnung zur Benutzung erforderliche Einrichtungsgegenstände entfernt werden. Kein Auszug, sondern lediglich eine vorübergehende Unterbrechung der Benutzung einer Wohnung liegt vor, wenn die Absicht und die tatsächliche Möglichkeit bestehen, die Benutzung der Wohnung fortzusetzen (vgl. allg. VwV zur Durchführung des BMG, Nr. 17.2.2). „Beziehen“ bedeutet, dass der Betreffende tatsächlich in die Wohnung einzieht, sie also tatsächlich benutzt, und zwar – wie sich aus § 20 BMG ergibt – zum Wohnen und/oder Schlafen. Unter Wohnen ist zu verstehen, dass eine Wohnung für die Angelegenheiten des täglichen Lebens wie Aufhalten, Essen und Schlafen benutzt wird (Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 13 Rn. 23). Beziehen liegt beispielsweise nicht vor, wenn der Betreffende eine Wohnung anmietet, aber sie leer stehen lässt, oder sie anmietet und einrichtet, aber dann nicht benutzt (Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 13 Rn. 25, 26).
Es kommt daher nicht, wie der Kläger meint, auf die Berechtigung zum Wohnen, also den Mietvertrag, an. Auch lediglich der Wille des Klägers, sich in der Wohnung niederzulassen, ist nicht ausschlaggebend. Ebenfalls genügt es nicht für einen melderechtlichen Wohnsitz, wenn die Wohnung als „Zustelladresse“ verwendet wird. Die Meldepflicht knüpft sich an rein tatsächliche Vorgänge. Die Berechtigung zum Beziehen bzw. zum Bewohnen einer Wohnung – sei es auf privatrechtlicher oder auf öffentlich-rechtlicher Grundlage – ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der melderechtliche Wohnungsbegriff berücksichtigt allein die tatsächlichen und nicht die rechtlichen Verhältnisse (vgl. Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 13 Rn. 23 ff.).
Bei der streitgegenständlichen Wohnung handelt es sich um eine 1 ½ Zimmerwohnung mit ca. 43 m². Aus dem Durchsuchungsbericht der Polizei vom 22. September 2016 ergibt sich, dass der Name des Klägers am Klingelbrett und am entsprechenden Briefkasten angebracht war. Nachdem die Wohnung durch einen Schlüsseldienst morgens geöffnet wurde, stellten die Polizeibeamten fest, dass die Wohnung möbliert, gereinigt und unbewohnt war. Sowohl aus der Lichtbildmappe als auch aus den Feststellungen der durchsuchenden Beamten ergibt sich, dass die Wohnung nicht durch den Kläger mit Familie bewohnt wurde. Im freizugänglichen Bereich wurden keinerlei persönliche Gegenstände festgestellt und auch insgesamt machte die Wohnung den Eindruck einer Ferienwohnung, die zeitweilig vermietet wird. Keinerlei persönliche Gegenstände wie z.B. Kleidung, Spielzeug oder Kosmetikartikel wurden festgestellt, die auf eine dauerhafte Benutzung durch den Kläger hindeuten würden. Auch Lebensmittel als Gegenstände des täglichen Bedarfs waren nicht vorhanden. Dadurch ist belegt, dass der Beklagten seit diesem Zeitpunkt konkrete Anhaltspunkte für die Annahme vorlagen, der Kläger mit Familie halte sich nicht unter dieser gemeldeten Adresse auf.
Hat die Meldebehörde – wie hier – begründeten Anlass zu der Annahme, eine gemeldete Person halte sich nicht mehr unter der Meldeadresse auf, so genügen das spätere Bestreiten der Richtigkeit der meldebehördlichen Feststellungen seitens der von Amts wegen nach unbekannt abgemeldeten Person unter Vorlage bloßer Mietbestätigungen oder dergleichen nicht zur Glaubhaftmachung der Behauptung, sich im fraglichen Zeitraum tatsächlich vorwiegend im Sinne der melderechtlichen Vorschriften unter der Meldeadresse aufgehalten zu haben (vgl. OVG Saarlouis, B. v. 23.11.2006 – Az. 1 W 36/06 – juris). Die Beweislast dafür, dass die Daten unrichtig sind, liegt beim Kläger. Ein Berichtigungsanspruch steht dem Kläger nur zu, wenn er nachweisen kann, dass die vorhandenen gespeicherten Daten unrichtig sind und die Daten, die stattdessen gespeichert werden sollen, zutreffen (Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 10 Rn. 15). Dass der Kläger demgegenüber lediglich pauschal behauptet, weiterhin unter der früheren Meldeadresse gewohnt zu haben, genügt für ein substantiiertes Bestreiten der auf Tatsachen beruhenden Feststellung, dass der Kläger in der Wohnung zum streitgegenständlichen Zeitraum nicht gewohnt hat, nicht. So wird beispielsweise weder durch den Kläger konkret aufgeführt, welche persönlichen Gegenstände in der Wohnung zu finden gewesen wären, noch eine Erklärung dafür abgegeben, warum der Kläger mit Familie am 22. September 2016 um 6.55 Uhr bis 8.20 Uhr morgens in seiner Wohnung nicht anzutreffen gewesen ist. Dies wird auch im Schriftsatz vom 8. Januar 2018 und in der mündlichen Verhandlung nicht nachgereicht.
Zwar besteht für die Abmeldung bei Auszug aus einer Wohnung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BMG eine Zweiwochenfrist, die jedoch nur dazu führt, dass eine Abmeldung innerhalb dieser Frist keine Ordnungswidrigkeit nach sich zieht (vgl. § 54 Abs. 2 Nr. 2 BMG). Die Fortschreibung des Melderegisters erfolgt zum Datum des Auszugs (§ 17 Abs. 2 S. 2 BMG). Generell kommt es bei der Speicherung der Daten im Melderegister auf den tatsächlichen Auszug bzw. Einzug an (vgl. Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 13 Rn. 50 ff.).
§ 27 Abs. 2 BMG ist auf die Konstellation des Klägers nicht anwendbar. Geregelt ist in dieser Vorschrift nur die An- und Abmeldung in einer Wohnung, die nicht länger als sechs Monate bezogen werden soll. Die Anschrift „… Str.“ wurde jedoch vom Kläger als dauernder Wohnsitz angegeben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff ZPO.

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