Steuerrecht

Abschiebungsverbot, Aufnahmeeinrichtung, Abholung, Ablehnung, Asylantrag, Abschiebungsschutz, Italien

Aktenzeichen  W 10 K 19.50652

Datum:
13.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34813
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 3
AsylG § 34a Abs. 1 S. 4, § 38 Abs. 1, § 10 Abs. 4 S. 4
BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Gemäß § 102 Abs. 2 VwGO kann das Gericht trotz des Ausbleibens von Prozessbeteiligten in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden.
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
1. Offenbleiben kann, ob die Klage bereits unzulässig ist, weil die Klägerin die Klagefrist versäumt hat.
a) Die Klage ist verfristet.
Die Klägerin hat die Klagefrist von zwei Wochen ab der Bekanntgabe des Bescheides gemäß § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 AsylG versäumt. Die einwöchige Frist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG gilt vorliegend nicht, da gegenüber der Klägerin eine Abschiebungsandrohung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG anstatt einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG erlassen wurde.
Die Klagefrist beginnt gemäß § 74 Abs. 1 AsylG am Tag nach der Zustellung des Bescheides. Im Falle der Zustellung des Bescheides des Bundesamtes in der Aufnahmeeinrichtung nach § 10 Abs. 4 AsylG wird die Zustellung zwar durch Aushändigung an den Adressaten, hier die gesetzliche Vertreterin der Klägerin, bewirkt (§ 10 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 AsylG). Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 AsylG gilt die Zustellung aber im Übrigen am dritten Tag nach der Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt (Dreitagesfiktion). Die Dreitagesfiktion ist hier – ausgehend vom Eingang des Bescheides in der Aufnahmeeinrichtung am 2. August 2019 (Bl. 97 der Bundesamtsakte) – am 5. August 2019 eingetreten. Ausgehend vom (Montag, den) 5. August 2019 als dem Tag des Fiktionseintritts (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB) war die Klage somit bis zum (Montag, den) 19. August 2019, 24:00 Uhr zu erheben (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB). Die am 20. August 2019 eingegangene Klage ist somit verfristet.
Der Beginn der Klagefrist wurde auch nicht durch die erst einen Tag später, d.h. am 6. August 2019 erfolgte tatsächliche Aushändigung an die gesetzliche Vertreterin der Klägerin hinausgeschoben. Die Zustellungsfiktion nach Halbsatz 2 des § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG greift nur dann nicht ein, wenn die Aushändigung nach Halbsatz 1 zu einem früheren Zeitpunkt, mithin vor Ablauf von drei Tagen nach der Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung erfolgt (vgl. VG München, G.v. 26.2.2007 – M 24 K 07.50031 – juris Rn. 24; U.v. 19.10.2006 – M 24 K 06.50665 – juris Rn. 15; VG Würzburg, U.v. 2.5.2000 – W 7 K 99.31550 – juris Rn. 22; ebenso die herrschende Meinung in der Kommentarliteratur, vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, AsylG § 10 Rn. 64; Funke-Kaiser in GK-AsylG, § 10 Rn. 302; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, AsylG § 10 Rn. 21; Kluth/Preisner, Beck´scher Onlinekommentar Ausländerrecht, § 10 AsylG Rn. 36). Ansonsten ist der Tag des Fiktionseintritts maßgeblich für die Fristberechnung. Die Dreitagesfiktion nach § 10 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 AsylG soll Rechtsklarheit hinsichtlich des spätesten möglichen Zeitpunktes der Bekanntgabe herstellen, indem ausgeschlossen wird, dass die Zufälligkeiten der Postabholung in der Aufnahmeeinrichtung Einfluss auf den Fristlauf haben. Anderenfalls hätte es der Adressat in der Hand, durch verspätete oder gar unterlassene Postabholung den Fristlauf hinauszuzögern. Dies widerspräche aber dem Bedürfnis aller Verfahrensbeteiligten nach Rechtsklarheit hinsichtlich des Zeitpunktes der Bekanntgabe und des daran anknüpfenden Laufs von Rechtsbehelfsfristen.
Die Mutter der Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin war auch ordnungsgemäß nach § 10 Abs. 7 AsylG über die Zustellungsvorschriften gemäß § 10 AsylG belehrt worden. Zwar fehlt auf dem in der Behördenakte des Asylverfahrens der Klägerin befindlichen Vordruck der Belehrung die Unterschrift der gesetzlichen Vertreterin (Bl. 13, 19 der Bundesamtsakte). Die gesetzliche Vertreterin wurde aber in ihrem Asylverfahren über die Zustellungsvorschriften gemäß § 10 Abs. 7 AsylG belehrt (vgl. Bl. 37/38 der Bundesamtsakte zum Gz.: …).
b) Der Klägerin ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO zu gewähren. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Klagefrist ohne einen ihr zuzurechnendes Verschulden ihrer gesetzlichen Vertreterin versäumt hat. Diese traf gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 AsylG die Obliegenheit, sicherzustellen, dass ihr Posteingänge während der Postausgabe- und Postverteilungszeiten in der Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt werden können. Die Mutter der Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin wurde in der mündlichen Verhandlung zu den Vorgängen im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Bescheides befragt. Sie hat letztendlich keine plausible Erklärung dafür abgegeben, weshalb sie den Bescheid erst am 6. August 2019 und somit nach Eintritt der Fiktion erhalten hat. Des Weiteren hat sie eingeräumt, nicht jeden Tag nachgesehen zu haben, ob Post für Sie eingegangen ist. Zwar hat die gesetzliche Vertreterin der Klägerin auch erklärt, dass die Benachrichtigung über eingegangene Post in der Aufnahmeeinrichtung erst am nächsten Tag ausgehängt werde. Selbst wenn aber die Benachrichtigung am 3. August 2019 ausgehängt worden wäre, wären der Mutter der Klägerin noch zwei Tage verblieben, um den Bescheid vor Eintritt der Fiktionswirkung des § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG abzuholen. Aufgrund der Asylantragstellung für die Klägerin sowie aufgrund der Erfahrungen in ihrem eigenen Asylverfahren hätte die gesetzliche Vertreterin der Klägerin auch wissen müssen, dass sie mit einem Bescheid des Bundesamtes rechnen musste. Hätte sie somit zumindest jeden zweiten Tag nachgesehen, ob Post eingegangen ist, so hätte sie den Bescheid auch vor Eintritt der Fiktionswirkung erhalten und damit die Klagefrist gewahrt. Des Weiteren ist nicht substantiiert vorgetragen worden, weshalb innerhalb des Zeitraumes vom 6. August bis 19. August 2019, welcher immerhin 13 Tage umfasst, es nicht möglich gewesen sein sollte, die Klage rechtzeitig zu erheben. Somit kann nicht nachvollzogen werden, ob die Mutter der Klägerin ordnungsgemäß über die Zustellvorschriften belehrt wurde.
2. Die Klage ist jedoch auch unbegründet. Insoweit wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf das den Beteiligten bekannte Urteil vom heutigen Tag im Asylverfahren der Mutter der Klägerin zum Aktenzeichen W 10 K 19.31019 verwiesen.
Ergänzend ist hierzu noch auszuführen, dass im Falle der Klägerin im vorliegenden Verfahren die Abschiebungsandrohung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG rechtmäßig ergangen ist, da im Zeitpunkt ihres Erlasses ein Überstellungshindernis aufgrund der Mutterschutzfrist nach der Geburt gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 MuSchG vorlag. Ausgehend von der Geburt der Klägerin am … … 2019 begann die achtwöchige Mutterschutzfrist nach der Geburt am … … 2019 und endete am … … 2019. Somit lag im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 2. August 2019 ein Überstellungshindernis vor.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG.

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