Aktenzeichen 6 K 309/15
Leitsatz
Tenor
1. Dem Beklagten wird aufgegeben, geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 2003 und 2005 zu erlassen, in denen das Einkommen in Höhe von herabgesetzt wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe
II.
Die Klage ist begründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für Gutachten zur Verkehrswertermittlung sind als Steuerberatungskosten abziehbar.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind Steuerberatungskosten bis zum Veranlagungszeitraum 2005 als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie keine Betriebsausgaben sind.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 4 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) unterliegt das Vermögen einer Familienstiftung in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung der Erbschaftsteuer (Erbersatzsteuer). Die Erbschaftsteuer ist nach dem Vermögen zu berechnen.
Für die Klägerin als eine solche Familienstiftung ist zum Erbersatzsteuer entstanden. Die geltend gemachten Kosten für Gutachten zur Verkehrswertermittlung im Rahmen der Steuererklärung nach dem ErbStG stehen somit nicht im Zusammenhang mit der Ermittlung der Einkünfte der Stiftung und sind daher keine Betriebsausgaben.
2. Nach der Rechtsprechung des BFH steht einem Abzug von Steuerberatungskosten bei der Einkommensteuer nicht entgegen, dass diese Kosten bei der Ermittlung des Nachlasswertes für die Erbschaftsteuer vermögensmindernd berücksichtigt worden sind oder berücksichtigt werden können. Ein „Konkurrenzverhältnis“ dergestalt, dass ein Abzug von Kosten, die im Zusammenhang mit einer Erbschaftsteuererklärung entstehen, bei der Erbschaftsteuer vorzunehmen ist und dies einer Geltendmachung bei der Ertragsteuer entgegensteht, ist dem Körperschafts- und Einkommensteuerrecht nicht zu entnehmen (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2009 X R 29/08, BFH/NV 2010, 848).
3. Steuerberatungskosten sind auch für Körperschaften nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Sonderausgaben abziehbar.
a) Die Klägerin ist als Stiftung bürgerlichen Rechts eine Körperschaft nach § 1 Abs. I. Nr. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG). Das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen einer Kapitalgesellschaft bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 1 KStG nach den Vorschriften des EStG und des KStG. Es kommen grundsätzlich alle einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zur Anwendung, soweit sie nicht an natürliche Personen gebunden sind (BFH-Urteil vom 8. Mai 1991 I R 33/90, BStBl II 1992, 437 m.w.N.). Nach § 2 Abs. 4 EStG bestimmt sich das Einkommen nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben. Dass das KStG den Begriff der Sonderausgaben nicht kennt, schließt aber auch nicht aus, dass es bestimmte, im Einkommensteuerrecht als oder wie Sonderausgaben behandelte Ausgaben zum Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte zulässt (BFH-Urteil vom 14. November 1968 I R 11/66, BStBl II 1969, 140). § 10 EStG ist auch bei der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens anwendbar. Steuerberatungskosten einer Stiftung des privaten Rechts sind deshalb als Sonderausgaben zu berücksichtigen, soweit sie nicht schon als I Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind (Urteil des Finanzgerichts Berlin vom 13. Juli 1976 IV 146/75, EFG 1976, 629).
b) Nach diesen Grundsätzen ist ein Abzug von Steuerberatungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG auch bei einer Stiftung wie der Klägerin möglich.
aa) Der Verweis auf die Körperschaftsteuerrichtlinien steht dem Abzug von Steuerberatungskosten einer Stiftung nicht entgegen. Bei den Körperschaftsteuerrichtlinien handelt sich um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung, die keine Rechtsnorm, sondern lediglich Ausdruck der Rechtsmeinung der Verwaltungsbehörde ist. Solche Verwaltungsanweisungen können …soweit sie nicht der Bindung eines der Behörde durch Gesetz eingeräumten Ermessens dienen, was hier nicht der Fall ist… weder eine mit Rechtsverordnungen vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen (BFH-Urteil vom 24. August 2016 X R 11/15, juris, m.w.N.).
bb) Der Abzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Sonderausgabenabzug nur gegeben ist, wenn das subjektive Nettoprinzip berührt wird und dies bei einer Kapitalgesellschaft nicht in Betracht kommt.
Tragende Grundwertung des § 10 EStG ist die Berücksichtigung einer durch bestimmte zwangsläufige Privatausgaben beeinträchtigten subjektiven Leistungsfähigkeit, die Berücksichtigung des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schützt nicht nur das sog. sächliche Existenzminimum. Auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall können Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein.
§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. hingegen war ein verfassungsrechtlich zulässiger, aber nicht zwingend gebotener „Subventionstatbestand“. Dem Steuerpflichtigen sollte die Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten und die Wahrung seiner steuerlichen Rechte dadurch erleichtert werden, dass Aufwendungen für die Inanspruchnahme fremder Hilfe begünstigt wurden. Der Gesetzgeber hatte die seinerzeitige Einführung der Abzugsmöglichkeit denn auch nicht mit Leistungsfähigkeitsüberlegungen begründet, sondern damit, dass es „unbefriedigend“ sei, Steuerberatungskosten für die private Einkommensteuer nicht abziehen zu können (zu BTDrucks IV/3189, S. 6). Zusätzlich wurde mit dem Abzugstatbestand ein Vereinfachungszweck verfolgt, weil eine Aufteilung in Betriebsausgaben/Werbungskosten einerseits und nichtabziehbare Aufwendungen andererseits entbehrlich werde (BFH-Urteil vom 4. Februar 2010 X R 10/08, BStBl II 2010, 617 m.w.N.).
Danach ist das subjektive Nettoprinzip zwar für die Tatbestände des § 10 EStG tragend. Der Abzug von Steuerberatungskosten bildet hierbei indes eine Ausnahme als steuerliche „Subvention“ von Ausgaben zur Erfüllung steuerlicher Verpflichtungen. Diesem Subventionszweck wird auch entsprochen, wenn eine Körperschaft wie die Klägerin für ihre Erbschaftsteuererklärung Steuerberatungskosten geltend machen kann.
4. Die Kosten für die Verkehrswertgutachten sind auch Steuerberatungskosten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG.
a) Gemäß dem Normzweck ist der Begriff der Steuerberatungskosten weit auszulegen und umfasst alle durch die Unübersichtlichkeit des Steuerrechts erwachsenden Beratungsleistungen im Zusammenhang mit dem Besteuerungsverfahren (Heinicke in Schmidt, EStG, 24. Auflage 2005, § 10 Rz, 111; Bauschatz in Korn, EStG, 98. Lieferung, § 10 Rz. 210, 211). Für die Erbschaftsteuer hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind (BFH-Urteil vom 19. Juni 2013 II R 20/12, BStBl II 2013, 738) und Beratungskosten im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuererklärung zugleich Steuerberatungskosten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2009 X R 29/08, BFH/NV 2010, 848). Die Verwaltung ist dieser Auffassung gefolgt (vgl. Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23. März 2015 zur Behandlung von Erwerbsnebenkosten und Steuerberatungskosten sowie Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit einer Schenkung, ErbSt-Kartei BY § 7 ErbStK Karte 15). Zu den Steuerberatungskosten gehört auch die Beantwortung der sich aus dem Bewertungs- und dem Erbschaftsteuerrecht ergebenden Fragen (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2009 X R 29/08, BFH/NV 2010, 848).
b) Von diesen Grundsätzen ausgehend sind die von der Klägerin geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuererklärung Steuerberatungskosten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Der Klägerin sind die von ihr geltend gemachten Kosten für die Anfertigung der Erbschaftsteuererklärung samt den zugehörigen Anlagen zur Wertermittlung des Grundbesitzes sowie des Betriebsvermögens entstanden. Diese Fragen der Zurechnung und Bewertung des erbschaftsteuerpflichtigen Vermögens gehen über eine bloße Sachverhaltsermittlung hinaus und gehören zu den Steuerberatungskosten.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 711 ZPO.
7. Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Das Gericht weicht bei seiner Entscheidung zwar von der Aufzählung an Normen ab, die nach den KStR für Körperschaften anwendbar sein sollen. Beim Abzug von Steuerberatungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG handelt es sich indes um ausgelaufenes Recht; ein weiterer Anwendungsbereich von § 10 EStG (Renten-, Krankensowie Pflegeversicherungsbeiträge, Kirchensteuer, Kinderbetreuungskosten, Berufsausbildung, Schulgeld, Unterhalts- und Versorgungsleistungen, Versorgungsausgleich) für Körperschaften kommt nicht mehr in Betracht. Die Rechtsfrage der Anwendbarkeit von § 10 EStG für Körperschaften ist daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung.