Steuerrecht

Änderung eines Abrechnungsbescheides und Gewährung eines Erstattungsanspruchs

Aktenzeichen  2 K 3072/16

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2018, 560
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 218 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Unter Änderung des Abrechnungsbescheids vom 2. November 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2016 wird festgestellt, dass ein Erstattungsanspruch zugunsten der Klägerin in Höhe von 4.158 € besteht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 15% und die Klägerin zu 85%.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Gründe

II.
Die Klage ist nur teilweise begründet.
Soweit der Beklagte eine ohne Rechtsgrund geleistete Zahlung der Klägerin in Höhe von 4.158 € unberücksichtigt gelassen hat, ist der streitgegenständliche Abrechnungsbescheid rechtswidrig. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Mit Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) wird verbindlich über die Frage entschieden, ob hinsichtlich entstandener Steuerschulden Zahlungsverjährung eingetreten ist und folglich ein Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen besteht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. Juli 1998 VII B 312/97, BFH/NV 1999, 150).
Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags, der eine festgesetzte Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt hat. Soweit die Einkommensteuerschuld hinsichtlich der gegenüber dem Rechtsvorgänger erlassenen Einkommensteuerbescheide für 1979 bis 1983 vom 5. März 1996 und vom 12. Dezember 1996 teilweise mit Verfügungen vom 25. März 1996 und vom 21. Januar 1997 ausgesetzt worden ist, ist diese gemäß § 47 AO nicht wegen eingetretener Zahlungsverjährung erloschen.
a) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung mit einer Frist von fünf Jahren (§ 228 AO). Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 AO). Die Verjährung wird u.a. unterbrochen durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs oder durch AdV (§ 231 Abs. 1 AO). Die Unterbrechung der Verjährung durch AdV dauert fort, bis die Vollziehungsaussetzung abgelaufen ist (§ 231 Abs. 2 AO). Mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt gemäß § 231 Abs. 3 i.V.m. § 228 AO eine neue fünfjährige Verjährungsfrist.
b) Die Aussetzung der Grundlagenbescheide von der Vollziehung hat jedenfalls die Zahlungsverjährung im Streitfall nicht unterbrochen.
Bei Grundlagenbescheiden unterbricht weder der Erlass des Feststellungsbescheides (mangels Leistungsgebots) noch die AdV des Feststellungsbescheides die Verjährung des Steueranspruchs (Zahlungsanspruch aus dem Folgebescheid). Erst die nach § 361 Abs. 3 Satz 1 AO für den Fall der Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides im Anschluss daran von Amts wegen angeordnete AdV des Folgebescheides unterbricht die Zahlungsverjährung. Daraus folgt für den Streitfall, dass es für die Frage der Zahlungsverjährung der Einkommensteuerschuld des Rechtsvorgängers nicht auf die Dauer der AdV der Feststellungsbescheide, sondern auf Beginn und Ende der AdV der Einkommensteuerbescheide ankommt. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidungen i.S. Grundlagenbescheide in den Jahren 2004 und 2005 ist somit nicht entscheidungserheblich (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1998 VII R 119/97 BFH/NV 1998, 1322; BFH-Beschluss vom 15. Juni 1998 VII B 32/98, BFH/NV 1999, 7; und Urteil des Finanzgericht B. vom 13. Juli 2006 1 K 180/05, EFG 2007, 647).
c) Die Zahlungsverjährung ist im Streitfall durch die AdV der für die Jahre 1979 bis 1983 in den Folgebescheiden festgesetzten Einkommensteuer des Rechtsvorgängers mit Verfügungen vom 11. Dezember 1992, vom 25. März 1996 und vom 21. Januar 1997 unterbrochen worden (vgl. § 231 Abs. 1 S. 1 AO). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
d) Die Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch die Verfügung vom 11. Dezember 1992 hat hinsichtlich der Einkommensteuerschuld des Rechtsvorgängers für 1979 bis 1983 in Höhe von insgesamt 26.371,92 € mit dem Erlass der geänderten Einkommensteuerbescheide für 1981 bis 1983 vom 5. März 1996 und für 1979 und 1980 vom 12. Dezember 1996 geendet, so dass mit Ablauf des Kalenderjahres 1996 gemäß § 231 Abs. 3 i.V.m. § 228 AO eine neue fünfjährige Verjährungsfrist begonnen hat, die Ende 2001 geendet hat.
Dem steht weder der Einwand des Beklagten entgegen, wonach in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1981, 1982 und 1983 vom 5. März 1996 im Abrechnungsteil die bereits mit AdV-Verfügung vom 11. Dezember 1992 jeweils ausgesetzte Einkommensteuer wiederholend als „von der Vollziehung ausgesetzt genannt worden ist, da diese ausgesetzte Einkommensteuer lediglich eine Berechnungsgrundlage für die zu wenig entrichtende Einkommensteuer für die Jahre 1981, 1982 und 1983 und erkennbar keine neue AdV-Verfügung darstellt. Dazu wäre es vielmehr nötig gewesen, die bisher ausgesetzte Einkommensteuer der Jahre 1981, 1982 und 1983 in Höhe von insgesamt 4.158 € in die von Amts wegen getroffene AdV-Verfügung vom 25. März 1996 mitaufzunehmen.
Noch steht dem die Auffassung der Beteiligten entgegen. Der Auslegung der Klägerin, die Aussetzungsvollziehung habe mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung i.S. Grundlagenbescheide in den Jahren 2004 und 2005 geendet, ist nach dem objektiven Erklärungsgehalt der Aussetzungsverfügung ebenso wenig zu folgen, wie der Annahme des Beklagten, die Vollziehungsaussetzung habe im Jahr 2011 geendet, d.h. sobald der für den jeweiligen Steuerbescheid maßgebliche Grundlagenbescheid bestands-/rechts-kräftig geworden ist.
aa) Gemäß § 231 Abs. 2 AO dauert die Unterbrechung der Zahlungsverjährung an, bis die AdV des Einkommensteuerbescheids (Folgebescheids) abgelaufen ist. Grundsätzlich endet die AdV eines Folgebescheides erst dann, wenn sie aufgehoben wird oder eine der ihr beigefügten Bedingungen eintritt.
Eine Verknüpfung der Vollziehungsaussetzung eines Folgebescheides mit der des Grundlagenbescheides ist nur dann zulässig, wenn der Tenor der Aussetzungsentscheidung eine diesbezügliche auflösende Bedingung enthält oder wenn sich ausnahmsweise trotz Schweigens der Aussetzungsverfügung eine entsprechende Regelung im Wege der Auslegung ermitteln lässt. Insoweit ist das Ende der Vollziehungsaussetzung eines Folgebescheides nicht ohne weiteres von dem Verfahrensgang hinsichtlich des Grundlagenbescheides abhängig. Dementsprechend ist die Finanzverwaltung beispielsweise befugt, die Vollziehung eines Folgebescheids gemäß § 361 Abs. 3 AO bis zur Bekanntgabe einer nach dem Ergebnis des Rechtsbehelfsverfahrens gegen Grundlagenbescheid notwendigen Folgeänderungen auszusetzen (vgl. BFH in BFH/NV 1999, 7, und Urteil des Finanzgerichts B. in EFG 2007, 647).
Mit Verfügung vom 11. Dezember 1992 hat das Wohnsitzfinanzamt die Einkommensteuer für 1979 bis 1983 insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, als die Vollziehung der Grundlagenbescheide ausgesetzt worden ist. Der Rechtsvorgänger hat im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Bescheide vom 25. Mai 1991 die Folge-AdV beantragt und das Wohnsitzfinanzamt hat auch entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 361 Abs. 3 Satz 1 AO und nach einvernehmlicher Erledigung des Rechtsbehelfsverfahrens die Einkommensteuer für 1979 bis 1983 antragsgemäß ausgesetzt, soweit sich Verlustanteile i.S. Grundlagenbescheide bei der Einkommensteuerfestsetzung in den Änderungsbescheiden vom 24. November 1992 ausgewirkt haben.
bb) Wird die Vollziehung eines Steuerbescheides von der Finanzbehörde nach § 361 AO ausgesetzt, so ist diese Entscheidung ein Verwaltungsakt, der, sofern er nicht nichtig ist oder aufgehoben wird, diejenigen Rechtswirkungen entfaltet, auf die er seinem ggf. durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt nach gerichtet ist (§ 124 Abs. 2 AO).
Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts -hier der Aussetzungsverfügung vom 11. Dezember 1992- sind die §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend anzuwenden. Maßgebend ist danach der objektive Erklärungsgehalt der Regelung, wie ihn der Empfänger (der Steuerpflichtige) nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Im Zweifel ist das für den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden darf. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Zugangs der behördlichen Verfügung abzustellen; ohne Bedeutung ist es daher, ob ein anderes Auslegungsergebnis zu einem späteren Zeitpunkt zu einem für den Erklärungsempfänger günstigeren Ergebnis führen könnte, mit dem er im Zeitpunkt des Zugangs des Verwaltungsaktes nicht ernsthaft rechnen konnte (vgl. BFH in BFH/NV 1998, 1322, m.w.N.).
cc) Nach diesen Auslegungsgrundsätzen konnte die Befristung in der Aussetzungsverfügung vom 11. Dezember 1992 bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Rechtsvorgängers im Gesamtzusammenhang nur dahin verstanden werden, dass die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für 1979 und 1983 vom 24. November 1992 „bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des geänderten Steuerbescheides“ ausgesetzt wird. Damit konnten nur in der Zukunft ergehende geänderte Einkommensteuerbescheide gemeint sein; denn der Empfänger der Aussetzungsverfügung durfte von der ihm günstigen Regelung einer in die Zukunft gerichteten AdV ausgehen. Eine derartige Aussetzungsregelung war aus der Sicht des Rechtsvorgängers nach den ihm bekannten bzw. erkennbaren Umständen des Streitfalles auch sinnvoll und verständlich. Denn wegen des im Zeitpunkt des Ergehens der Aussetzungsverfügung noch durchzuführenden Rechtsbehelfsverfahrens (später anhängigen Musterklageverfahrens und Beschwerdeverfahrens vor dem BFH) in der Feststellungssache der … Firmengruppe ist mit einer künftigen Folgeänderung der Einkommensteuerbescheide 1979 und 1983 wegen der Grundlagenbescheide zu rechnen gewesen (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO). Dies gilt umso mehr, als dem Rechtsvorgänger vom Wohnsitzfinanzamt bereits vor der Aussetzungsverfügung vom 11. Dezember 1992 die AdV der bisherigen Einkommensteuerbescheide für 1979 bis 1983 seit Erteilung der Feststellungsbescheide am 20. Juli 1987 wiederholt gewährt worden ist.
Dass die Auswahlmöglichkeit mit der Formulierung „Die Aussetzung der Vollziehung endet bei einem angefochtenen Bescheid/Verwaltungsakt“ beginnt und auf den Streitfall mangels Anfechtung der Einkommensteuerbescheide vom 24. November 1992 nicht passt, rechtfertigt für sich ohne weitere Anhaltspunkte nicht eine dahingehende Auslegung, dass damit automatisch der Grundlagenbescheid und nicht der Einkommensteuerbescheid gemeint ist.
Nicht ganz eindeutig ist indes die in der Aussetzungsverfügung enthaltene weitere Fristbestimmung „bis zum Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung“ gewesen, da der Rechtsvorgänger infolge der einvernehmlichen Erledigung des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Steuerbescheide vom 28. Mai 1991 keinen Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 1979 und 1983 vom 24. November 1992 eingelegt hat. Der Rechtsvorgänger konnte deshalb die vordruckmäßig angekreuzte, alternative Bestimmung der Dauer der AdV -Einspruchsentscheidung bzw. geänderter Steuerbescheidsachgerecht und hinsichtlich einer ihm günstigen und allein verständlichen Gesamtregelung nur in dem vorstehend dargestellten Sinne verstehen, dass die Vollziehung bis zum Ergehen geänderter Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1979 und 1983 ausgesetzt werden sollte. Da diese Fristbestimmung im Wortlaut der Verfügung zum Ausdruck kommt und sie allein eine sinnvolle Auslegung ergibt, ist der zusätzliche Hinweis auf die Einspruchsentscheidung ohne rechtliche Bedeutung.
dd) Der bekanntgegebenen Aussetzungsentscheidung vom 11. Dezember 1992 kommt Tatbestandswirkung zu mit der Folge, dass deren Ausspruch (Tenor) verbindlich Umfang und Dauer der Aussetzung bestimmt, und zwar auch dann, wenn die Finanzbehörde die Voraussetzungen für die AdV fehlerhaft beurteilt hat. Wird also die AdV nicht durch eine auflösende Bedingung, z.B. bis zum Eintritt eines -hinreichend genau bestimmten-Ereignisses, befristet, so besteht sie mithin fort, bis die Vollziehungsaussetzung durch eine erneute, dem Betroffenen bekanntzumachende Entscheidung der Finanzbehörde aufgehoben wird; anderenfalls endet sie, sobald die Bedingung eintritt. Da jeder Verwaltungsakt mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam wird, muss eine Auslegung gegen den Wortlaut freilich zumindest einen Anhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben, und zwar umso mehr dann, wenn die wirkliche Rechtslage zweifelhaft oder für den Adressaten nicht ohne weiteres erkennbar ist. Eine Verknüpfung der Vollziehungsaussetzung des Folgebescheids mit dem Ende des Rechtsbehelfsverfahrens oder des Rechtswegs hinsichtlich des jeweiligen Grundlagenbescheids, kann trotz Fehlens einer diesbezüglichen auflösenden Bedingung in der Aussetzungsverfügung allenfalls dann in Betracht kommen, wenn sich ausnahmsweise trotz Schweigens der Aussetzungsverfügung im Wege der Auslegung ergibt, dass die Vollziehungsaussetzung des Folgebescheids stillschweigend bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung oder der Bestands-/Rechtskraft des Grundlagenbescheids von der Finanzbehörde befristet worden ist.
Davon hat das Wohnsitzfinanzamt aber gerade abgesehen, als es die erste und nicht die zweite Auswahlmöglichkeit („die Vollziehungsaussetzung ende bei einem Folgebescheid aufgrund der Anfechtung der Feststellungsbescheide mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe eines geänderten Steuerbescheids – Bei gänzlicher Zurückweisung … des Rechtsbehelfs gegen den Grundlagenbescheid wird der ausgesetzte Betrag einen Monat nach Bekanntgabe der Mitteilung über die Beendigung der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids fällig.“-) im Vordruck ausgewählt hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juli 1994 X R 33/91, BStBl II 1995, 4; und BFH-Beschluss vom 15. Juni 1998 VII B 32/98, BFH/NV 1999, 7). Ferner steht einer dahingehenden Auslegung -die Vollziehungsaussetzung des Folgebescheids sei stillschweigend bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung oder der Bestands-/Rechtskraft des Grundlagenbescheids von der Finanzbehörde befristet wordenentgegen, dass eine Rechtsbehelfsentscheidung zum Feststellungsbescheid ggf. erst durch eine Folgeänderung des Einkommensteuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO umgesetzt werden muss, so dass auch aus diesem Grunde eine Befristung der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides nur bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bezüglich des Grundlagenbescheides nicht sinnvoll wäre. Schließlich bedarf es für die Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides und damit auch für die Dauer der Unterbrechung der Zahlungsverjährung (§ 231 Abs. 1 und 2 AO) einer eigenständigen Regelung (vgl. § 361 Abs. 3 Satz 1 AO), die nicht unmittelbar abhängig ist von den dem Grundlagenbescheid betreffenden Rechtsfolgen. Da für das Wohnsitzfinanzamt nicht unmittelbar der Verfahrensstand i.S. Grundlagenbescheide ersichtlich gewesen ist, ist davon auszugehen, dass es das Ende der AdV an die Änderung seines (Folge-)Bescheids geknüpft hat.
e) Mit Aussetzungsverfügung vom 21. Januar 1997 ist die Zahlungsverjährung der in den Änderungsbescheiden vom 12. Dezember 1996 festgesetzten Einkommensteuer 1979 und 1980 erneut unterbrochen worden. Die Aussetzung dieser Folgebescheide in Höhe von insgesamt 22.213,08 € endete erst mit Aufhebung dieser Aussetzungsverfügung durch das Wohnsitzfinanzamt am 17. Oktober 2013.
Entsprechend den unter II. 1. d) bb) dargelegten Auslegungsgrundsätzen und Ausführungen ist auch die Befristung in der Verfügung vom 21. Januar 1997 bei objektiver Betrachtung aus Empfängersicht dahingehend zu verstehen, dass die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für 1979 und 1980 vom 12. Dezember 1996 „bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des geänderten Steuerbescheids“ hat ausgesetzt werden sollen. Da jedoch im Streitfall diese auflösende Bedingung nicht eingetreten ist, da (in der Folgezeit) keine Änderungsbescheide mehr ergangen sind, verbleibt es dabei, dass die AdV der mit Verfügung vom 21. Januar 1997 ausgesetzten Einkommensteuer erst mit deren Aufhebung am 17. Oktober 2013 geendet hat. Folglich ist bei der Zahlung der Steuerschulden im Jahr 2014 keine Zahlungsverjährung in Höhe von 22.213,08 € eingetreten gewesen.
An diesem Ergebnis ändert die in der Aussetzungsverfügung enthaltene weitere Fristbestimmung „bis zum Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung“ nichts. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Aussetzungsverfügung am 21. Januar 1997 sind die Einkommensteuerbescheide für 1979 und 1980 nicht mehr angefochten gewesen. Auch wenn der Rechtsvorgänger Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide vom 12. Dezember 1996 eingelegt hat, hat er nicht mit dem Erlass einer Einspruchsentscheidung i.S. Einkommensteuer gerechnet. Zum einen hat er wiederum Einspruch mit dem Ziel der Wiedergewährung der AdV hinsichtlich der angefochtenen Grundlagenbescheide eingelegt, zum anderen hat das Wohnsitzfinanzamt -wie schon in der Vergangenheitam 21. Januar 1997 erneut einvernehmlich mit dem Rechtsvorgänger den Einspruch durch den Erlass der beantragten Aussetzungsverfügung vom selben Tag erledigt.
Mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet hat -hier: Ende 2013-, beginnt gemäß § 231 Abs. 3 i.V.m. § 228 AO eine neue fünfjährige Verjährungsfrist, die bei Zahlung der Klägerin im Jahr 2014 noch nicht abgelaufen gewesen ist.
2. Nach alledem haben die festgesetzten und mit Verfügungen vom 25. März 1996 und vom 21. Januar 1997 ausgesetzten Einkommensteuerschulden nicht 40.503,52 €, sondern nur 36.344,68 € (= 14.131,60 € + 22.213,08 €) betragen, so dass der Klägerin 4.158 € (= 40.503,52 € – 36.344,68 €) zu erstatten sind.
Die Verjährung wird nur in Höhe des Betrags unterbrochen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht (§ 231 Abs. 4 AO).
Mit der Verfügung vom 25. März 1996 ist die in den Änderungsbescheiden vom 5. März 1996 festgesetzte Einkommensteuer 1981 bis 1983 in Höhe von insgesamt 14.131,60 € von der Vollziehung ausgesetzt worden.
Mit Verfügung vom 21. Januar 1997 wurde die in den Änderungsbescheiden vom 12. Dezember 1996 festgesetzte Einkommensteuer für 1979 und 1980 von insgesamt 22.213,08 € von der Vollziehung ausgesetzt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
5. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO erkennbar nicht erfüllt sind.

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