Aktenzeichen L 9 EG 62/15
Leitsatz
1. Bei der Frage, ob überhaupt relevante Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinn des Elterngeldrechts, kommt es auf das materielle Einkommensteuerrecht, nämlich §§ 2, 8, 19 EStG, an. Das gilt auch für die Frage, ob Sachbezüge relevantes Einkommen sind.
2. Die lohnsteuerrechtliche Handhabung spielt insoweit keine Rolle.
3. Einkommen aus der Nutzung eines Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kann auch im Elterngeldrecht nur insoweit angenommen werden, als das Fahrzeug tatsächlich hierfür genutzt wird.
Verfahrensgang
S 8 EG 1/14 2015-05-18 Urt SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 03.04.2013 bis 02.06.2013 Elterngeld ohne Berücksichtigung eines geldwerten Vorteils aus der Nutzung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu gewähren.
Streitgegenstand der hier vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist die Höhe des Elterngelds für die bewilligten Lebensmonate zehn und elf von X … Angegriffen ist der endgültige Bewilligungsbescheid vom 18.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2013. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 26.04.2013; der nämlich hatte sich mit dem Erlass endgültigen Bescheids gemäß § 39 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch auf andere Weise erledigt. Der Kläger hat von vornherein und zulässigerweise lediglich eine Verurteilung auf höhere Leistungen dem Grunde nach beantragt, so dass sich eine betragsmäßige Ausurteilung erübrigt. Bei dem hier vorliegenden Höhenstreit ist der Streitgegenstand grundsätzlich nicht auf ein einzelnes Berechnungselement beschränkt. Vielmehr prüft der Senat innerhalb der Grenzen des klägerischen Antrags unter allen tatsächlichen und rechtlichen Facetten, ob dem Kläger höhere Leistungen zustehen. Andererseits berücksichtigt der Senat auch solche Aspekte, die das vom Kläger begehrte Optimum auf anderem Weg wieder reduzieren.
Sämtliche für den vorliegenden Fall einschlägigen Normen des BEEG gelten in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10. September 2012 (BGBl. I S. 1878); dessen Inkrafttreten fiel auf den 18.09.2012. Dass das vorher bestehende Recht Anwendung findet, ergibt sich aus der Übergangsregelung des § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG in der Fassung von Artikel 10 des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246). Die einschlägigen Vorschriften des BEEG werden im Folgenden mit „aF“ zitiert.
Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs dem Grunde nach liegen unzweifelhaft vor. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 BEEG aF. Danach hat Anspruch auf Elterngeld, wer
1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Alle diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger während des zehnten und elften Lebensmonats von X … Er hatte seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit ihm in einem Haushalt, betreute und erzog ihn selbst und übte entsprechend seiner Ankündigung im Elterngeldantrag keine Erwerbstätigkeit aus. Ein ordnungsgemäßer Antrag liegt vor.
Die Höhe des Elterngelds für den zehnten und elften Lebensmonat hat der Beklagte zu niedrig festgelegt. Zwar trifft zu, dass man auf der Basis des klägerischen Einkommens im Bemessungszeitraum zum Elterngeld-Höchstbetrag von monatlich 1.800 EUR gelangt. Allerdings hätte der Beklagte als im Bezugszeitraum erzieltes Einkommen lediglich eine Einnahmepauschale für die Privatnutzung des Dienstwagens (pro Kalendermonat 275,88 EUR), nicht aber auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (in den Kalendermonaten April und Juni 2013 jeweils 739,20 EUR) anrechnen dürfen.
Basisnorm für die Berechnung des Elterngelds ist § 2 Abs. 3 BEEG aF: 1Für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach Absatz 1 berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. 2Als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist dabei höchstens der Betrag von 2.700 Euro anzusetzen.
Nicht einschlägig ist dagegen § 2 Abs. 1 BEEG aF. Das ergibt sich schon daraus, dass der Kläger in den beiden Bezugsmonaten unstreitig Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit hatte, nämlich monatlich 275,88 EUR für die Privatnutzung des Dienstwagens. § 2 Abs. 1 BEEG aF scheidet deshalb von vornherein als Rechtsgrundlage aus.
Der Berechnungsmodus lässt sich im Rahmen von § 2 Abs. 3 BEEG aF wie folgt darstellen: Zunächst ist zu fragen, ob und in welchen bewilligten Lebensmonaten überhaupt Einkommen zugeflossen ist. Da es hierbei in der Tat auf das Einkommen in den jeweiligen Lebensmonaten und nicht in betroffenen Kalendermonaten ankommt (so genanntes Lebensmonatsprinzip), bedarf es in aller Regel (außer wenn ein Lebensmonat mit dem jeweiligen Monatsersten beginnt) einer spezifischen Umlegung des für Kalendermonate erzielten Erwerbseinkommens auf die Lebensmonate. In denjenigen Lebensmonaten, in denen kein Einkommen erzielt worden ist, wird das volle Elterngeld ohne Abzug auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BEEG gewährt; in diesen „unbelegten“ Bezugsmonaten wird Einkommen auch nicht anteilig angerechnet. Für die mit Einkünften belegten Leistungsmonate (und nur für diese) wird dagegen ein Durchschnittsbezug gebildet. Dieser Durchschnitt wird dann für jeden mit Einkünften belegten Leistungsmonat vom vorher errechneten Elterngeld-Netto (= monatlicher Durchschnittsbetrag des Netto-Bemessungseinkommens) – höchstens aber vom in § 2 Abs. 3 Satz 2 BEEG aF genannten Höchstbetrag von 2.700 EUR – subtrahiert. Auf das Ergebnis wird der Leistungssatz angewandt, was schließlich die monatliche Elterngeldleistung ergibt.
Das wesentliche Problem des vorliegenden Falls ist auf der ersten Stufe des geschilderten Berechnungsablaufs angesiedelt. Noch vor der Umlegung des kalendermonatlichen Erwerbseinkommens auf die Lebensmonate stellt sich hier nämlich die Frage, wie hoch die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in den (von den Lebensmonaten zehn und elf tangierten) Kalendermonaten April und Juni 2013 lagen. Diesbezüglich hat der Beklagte aus der Anlehnung des Elterngeldrechts an das Einkommensteuerrecht die falschen Schlüsse gezogen.
Die Abhängigkeit des Elterngeldrechts vom Steuerrecht kommt in § 2 Abs. 7 BEEG aF zum Ausdruck. Diese Vorschrift lautet: Als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit ist der um die auf die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § … des Einkommensteuergesetzes anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. 2Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt … 4Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers.
An dieser Stelle erscheint es angebracht, generell zu beleuchten, auf welche Weise das Einkommensteuerrecht das Elterngeldrecht durchdringt und gestaltet: Das Einkommensteuerrecht determiniert, ob überhaupt relevante Einkünfte im Sinn des Elterngeldrechts vorliegen. Das wirkt sich insbesondere bei den hier streitigen Sachbezügen aus. Nur wenn und soweit das Einkommensteuerrecht überhaupt einen geldwerten Vorteil sieht, liegen elterngeldrechtliche Einkünfte vor. Auch die einkommensteuerrechtliche Bewertung (der Höhe nach) von Sachbezügen muss im Elterngeldrecht übernommen werden. Weiter ist für die Einstufung in die jeweilige Einkommenskategorie – z.B. ob es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit oder aus Gewerbebetrieb handelt (wichtig z.B. bei GmbH-Geschäftsführern) – allein das materielle Einkommensteuerrecht maßgebend. Viertens ist nur das in Deutschland zu versteuernde Einkommen elterngeldrelevant. Eine materiell-rechtliche Abhängigkeit vom Einkommensteuerrecht findet man fünftens bei der Abgrenzung der sonstigen Bezüge im Sinn von § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG aF vom laufenden Arbeitslohn.
Im hier vorliegenden Fall greift die erste der genannten Wirkungskomponenten des Einkommensteuerrechts. Reguläres Gehalt wurde dem Kläger im gesamten Bezugszeitraum nicht gezahlt. Umstritten ist nur, in welchem Ausmaß ihm geldwerte Vorteile zugeflossen sind. Hierbei hat der Beklagte zu Unrecht Einnahmen in Geldeswert aus der Benutzung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesetzt. Solche Einnahmen hat es in den drei Kalendermonaten April bis Juni 2013, geschweige denn im Bezugszeitraum, zu keiner Zeit gegeben.
Dieses Ergebnis resultiert aus dem Einkommensteuerrecht. Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinn von § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG aF können nur solche Zuflüsse sein, die zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinn von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zählen. Die hier streitige Dienstwagennutzung erzeugt aber gerade keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im einkommensteuerrechtlichen Sinn. Daher gehören vermeintliche Vorteile für die Nutzung des Dienstwagens für die Strecke Wohnung/Arbeits-stätte auch nicht zu den relevanten Einnahmen im Sinn des Elterngeldrechts.
Einkommensteuerrechtlich existieren keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinn von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19 EStG. Es fehlt schon an einer Einnahme im Sinn von § 8 EStG. Diese Vorschrift lautet wie folgt:
„§ 8 Einnahmen
(1) Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bis 7 zufließen.
(2) Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge), sind mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen.2Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 entsprechend.
Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um 0,03 Prozent des Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Der Wert nach den Sätzen 2 und 3 kann mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden … 9Sachbezüge, die nach Satz 1 zu bewerten sind, bleiben außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 Euro im Kalendermonat nicht übersteigen.
(3) … Auf der Ebene des Einkommensteuerrechts stellt sich die Frage, ob hinsichtlich der Überlassung des Dienstwagens ein Zufluss von Gütern in Geldeswert im Sinn von § 8 Abs. 1 EStG vorliegt. Das ist nicht der Fall.“
Die Behandlung von Naturalbezügen als Einnahmen im Sinn von § 8 EStG, insbesondere deren Bewertung, wirft besondere Probleme auf. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 EStG alle geldwerten Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Auch die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zu einem Lohnzufluss (BFH, Urteil vom 04.04.2008 – VI R 85/04, Rn. 10 des juris-Dokuments). Mit § 8 Abs. 2 EStG existiert für die Bewertung solcher Naturalbezüge eine ausführliche gesonderte Regelung. Damit kann allerdings die Frage verknüpft sein, ob überhaupt geldwerte Zuflüsse vorhanden sind. § 8 Abs. 2 EStG – obwohl eigentlich eine Bewertungsvorschrift – gibt partiell auch darauf eine Antwort.
Im Hinblick auf die Vorteile aus der Privatnutzung eines Dienstwagens liegt eine Einnahme schon dann vor, wenn der Betroffene lediglich die Nutzungsmöglichkeit hat. Ist das der Fall, muss eine Pauschale als Einnahme angesetzt werden, wegen deren Höhe § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG verweist. Für die private Nutzung eines Dienstwagens wird als geldwerter Vorteil pro Monat also 1% des Listenpreises angesetzt (so genannte 1%-Regelung). Ob und in welchem Ausmaß der Dienstwagen innerhalb eines Kalendermonats tatsächlich für Privatfahrten benutzt wurde, spielt keine Rolle.
Anders stellt sich die Rechtslage bei Vorteilen aus der Überlassung eines Dienstwagens in Bezug auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dar. Nach der pauschalen steuerrechtlichen Berechnung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG werden für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte als geldwerter Vorteil je Monat 0,03% des Bruttolistenpreises multipliziert mit den Entfernungskilometern angesetzt (so genannte 0,03%-Regelung). Mittlerweile ist es aber ständige Rechtsprechung des BFH, dass nur die tatsächlich vorgenommenen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als geldwerte Zuflüsse gewertet werden dürfen (grundlegend BFH, Urteil vom 04.04.2008 – VI R 85/04, Rn. 17 des juris-Dokuments). Der BFH sieht in der Zuschlagsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG lediglich einen Korrekturposten zum Werbungskostenabzug. Dieser komme daher, so der BFH, nur insoweit zur Anwendung, wie der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte benutzt habe. Zur Ermittlung des Zuschlags für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ist nach Auffassung des BFH (Urteil vom 04.04.2008 – VI R 85/04) eine Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten mit 0,002% des Listenpreises je Entfernungskilometer vorzunehmen (so genannte 0,002%-Regelung, vgl. dazu § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG).
Hat also ein Arbeitnehmer den Dienstwagen innerhalb eines Monats überhaupt nicht für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt, darf auch die Pauschale nicht angesetzt werden. Sind es weniger als 15 Fahrten pro Monat, muss die Finanzverwaltung den geldwerten Vorteil mit den tatsächlichen Kosten ansetzen. Voraussetzung dafür ist ein belegmäßiger Nachweis der Gesamtkosten und ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Die Regel ist somit die Pauschalierung (0,03%-Regelung), die Ausnahme die Einzelbewertung (0,002%-Regelung). Die BFH-Rechtsprechung erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, als müssten die Finanzbehörden von Amts wegen die Einzelbewertung vornehmen, wenn diese günstiger ist als die Pauschalierung. Diese Frage spielt vorliegend aber keine Rolle. Denn der Kläger hat beim Finanzamt die Einzelbewertung auch beantragt.
Festzuhalten bleibt, dass dem Kläger im Bezugszeitraum keinerlei Vorteile im einkommensteuerrechtlichen Sinn durch Überlassung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstanden sind. Da dies darüber hinaus auch nicht in den drei Kalendermonaten der Fall war, die den Bezugszeitraum generieren, kommt es auf das Problem der Verteilung der geldwerten Vorteile innerhalb eines Kalendermonats nicht an (vgl. dazu Senatsurteile vom 24.07.2017 – L 9 EG 28/15 und L 9 EG 34/16). Im Hinblick auf die Überlassung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte existieren schlichtweg keine Einnahmen, die zu versteuern wären. Dementsprechend fehlt es insoweit auch elterngeldrechtlich an Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit.
Ob elterngeldrechtlich Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen, orientiert sich an den Grundsätzen des materiellen Einkommensteuerrechts, nämlich §§ 2, 8, 19 EStG. Insoweit spielt keine Rolle, wie die lohnsteuerrechtliche Handhabung geregelt ist.
Nach dem formell-gesetzlichen Lohnsteuerrecht dürfte für die – nicht vorhandene – Nutzung des Dienstwagens für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte an sich keine Lohnsteuer abgezogen werden. In Reaktion auf die oben erwähnte BFH-Rechtsprechung hat das Bundesfinanzministerium (BMF) den obersten Finanzbehörden der Länder mit Schreiben vom 01.04.2011 jedoch Hinweise zur lohnsteuerlichen Behandlung der Überlassung eines Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte erteilt, die dieses Prinzip „aufweichen“. Die einschlägigen Urteile des BFH, so das BMF, seien über den Einzelfall hinaus anwendbar. Der BFH habe seine Rechtsauffassung bestätigt, dass die Zuschlagsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG einen Korrekturposten zum Werbungskostenabzug darstelle und daher nur insoweit zur Anwendung komme, wie der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte benutzt habe. Zur Ermittlung des Zuschlags für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sei nach Auffassung des BFH eine Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten mit 0,002% des Listenpreises im Sinn von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen. Die BFH-Rechtsprechung, so das BMF weiter, sei im Lohnsteuerabzugsverfahren wie im Veranlagungsverfahren anwendbar. Im Lohnsteuerabzugsverfahren sei der Arbeitgeber indes nicht zur Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte verpflichtet. Ihm bleibe es unbenommen, nur die kalendermonatliche Ermittlung des Zuschlags mit 0,03% des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer vorzunehmen. Der Arbeitgeber habe die Anwendung der BFH-Rechtsprechung oder die Anwendung der 0,03%-Regelung für jedes Kalenderjahr einheitlich für alle dem Arbeitnehmer überlassenen betrieblichen Kraftfahrzeuge festzulegen; die Methode dürfe während des Kalenderjahres nicht gewechselt werden. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer sei der Arbeitnehmer nicht an die vom Arbeitgeber gewählte Methode gebunden.
Diese vom BMF zugelassene bzw. geduldete Verfahrensweise führt zu einem Auseinanderfallen von materiellem Einkommensteuerrecht und Lohnsteuerabzugsverfahren. Jedoch bewirkt diese Handhabung nicht, dass im vorliegenden Fall entsprechend dem Lohnsteuerabzug elterngeldrechtlich relevante Einnahmen im Bezugszeitraum angenommen werden dürfen. Das Lohnsteuerrecht ist maßgeblich nur für die Abgrenzung von laufendem Arbeitslohn zu sonstigen Bezügen. Nur dafür existiert im Elterngeldrecht eine gesetzliche Grundlage, und zwar § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG aF. Für die hier interessierende Frage aber, ob überhaupt Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit vorhanden sind, trifft das BEEG keinerlei Anordnung, dass insoweit die lohnsteuerrechtliche Handhabung den Ausschlag geben soll. Vielmehr kommt es insoweit auf das materielle Einkommensteuerrecht an. Und dessen Rechtsfolge entspricht der Auffassung des Klägers und des Sozialgerichts und steht zu der des Beklagten in Widerspruch.
Der Beklagte hält das Fehlen von Einkünften im Bezugszeitraum für unerheblich, weil er sich strikt an die von der Arbeitgeberin ausgestellten Entgeltbescheinigungen für die vier Abrechnungsmonate halten will. Damit jedoch übernimmt er diese Entgeltbescheinigungen zu undifferenziert. Als Rechtsgrundlage für seine Handhabung beruft sich der Beklagte auf § 2 Abs. 7 Satz 4 BEEG aF, wonach Grundlage der Einkommensermittlung die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers sind. Sinngemäß bringt er in diesem Zusammenhang vor, er sei darauf angewiesen, die Angaben aus den Gehaltsbescheinigungen eins zu eins übernehmen zu können, weil alles andere verwaltungstechnisch unzumutbar und nicht zu bewältigen sei. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales, so wird vom Beklagten vorgebracht, sei keine Steuerbehörde.
Der Senat hat Verständnis dafür, dass der Beklagte sich bemüht, eigene Ermittlungen so weit wie möglich einzuschränken und stattdessen Angaben aus Dokumenten zu übernehmen. Das Elterngeldrecht stellt sich für die vollziehenden Behörden ungleich komplizierter dar als das von ihm abgelöste Erziehungsgeldrecht. Insbesondere die Beratung der Antragsteller über die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten dürfte in hohem Maß personelle Kapazitäten des Beklagten binden. Dass diese neue Aufgabe ohne Personalmehrungen nur schwer zu bewältigen ist, leuchtet ein. Trotzdem ist dem Beklagten entgegen zu halten, dass die enge Anlehnung der Einkommensberechnung an das Einkommensteuerrecht, die dem Beklagten Probleme bereitet, bei der Schaffung des BEEG gerade auf Initiative des Bundesrats Eingang in das Gesetz gefunden hat – es war also der ausdrückliche Wille der Länder. Damit ist eine Vielzahl von rechtlichen Problemen heraufbeschworen worden, die von Beginn an sowohl Behörden als auch Gerichte extensiv beschäftigen.
Unabhängig davon ist die Auffassung des Beklagten rechtlich nicht haltbar. Bei § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG (jetzt § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG) handelt es sich seit jeher um eine widerlegbare Vermutung. Von Anfang an hat das Bundessozialgericht (BSG) unterstrichen, dass gerade eine rechtliche Kategorisierung – wie hier die Beurteilung, ob zu versteuernde Einnahmen vorliegen – keinesfalls dem Gutdünken des Arbeitgebers überlassen bleiben kann. Im Extremfall würde eine derartige Bindung an Entgeltbescheinigungen in Willkür münden: Der Betroffene wäre „auf Gedeih und Verderb“ der möglicherweise komplett falschen Praxis einer Privatperson ausgeliefert. Zwar erkennt der Beklagte grundsätzlich an, dass es sich bei § 2 Abs. 7 Satz 4 BEEG aF um eine widerlegbare Vermutung handelt. Allerdings überspannt er die Anforderungen an deren Widerlegung und nähert sich de facto auf diese Weise zu sehr einer absoluten Bindung an die Bescheinigungen.
Es lässt sich bereits trefflich darüber streiten, auf welche Tatsachen und Umstände – insbesondere auf Ergebnisse rechtlicher Würdigungen – sich die Vermutungsregelung überhaupt bezieht. So spricht Einiges dafür, dass die hier streitige normative Tatsache von vornherein nicht von der Vermutungswirkung erfasst wird. Aber auch wenn man diese als umfassend qualifizieren würde, wäre die Vermutung für die Richtigkeit der Entgeltbescheinigung widerlegt. Denn der hier ausgewiesene und auch vorgenommene Lohnsteuerabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hat eindeutig keine Grundlage im materiellen Einkommensteuerrecht, ist daher im Sinn der Vermutungsregelung „falsch“ und führt zu deren Widerlegung.
Dafür, dass eine Entgeltbescheinigung in diesem Sinn „falsch“ ist, bedarf es keiner Pflichtverletzung des Arbeitgebers. So hat auch hier die Arbeitgeberin des Klägers gerade keine Pflichten verletzt; sie durfte nach dem zitierten „Erlass“ des BMF aus dem Jahr 2011 den Lohnsteuerabzug so vornehmen, wie sie es getan hat. „Richtig“ kann eine Angabe in der Entgeltbescheinigung aber nur sein, wenn sie mit den speziellen Regeln des Eltern-geldrechts übereinstimmt, welche dessen Infiltrierung durch das Einkommensteuerrecht anordnen. Sofern im Elterngeldrecht etwas anders zu beurteilen ist als nach Lohnsteuerrecht, kann die Entgeltbescheinigung keine strikt determinierende Wirkung haben – sie ist im elterngeldrechtlichen Sinn falsch, auch wenn sie einkommensteuerrechtlich richtig sein mag. Im vorliegenden Fall muss man sogar schon auf der einkommensteuerrechtlichen Ebene die Unrichtigkeit annehmen, weil die Bescheinigung Zuflüsse des Klägers vorgibt, die überhaupt nie stattgefunden haben.
Der Hinweis des Beklagten auf das Urteil des 12. Senats des Bayer. LSG vom 11.05.2015 – L 12 EG 33/14 vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Es darf nicht übersehen werden, dass es ausweislich der in diesem Urteil festgehaltenen Sachanträgen des seinerzeitigen Klägers nicht um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sondern um eine Privatnutzung gegangen war. Darüber hinaus hat der 12. Senat die im Licht der BFH-Rechtsprechung unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde gelegt, es handle sich bei der Bewertung der geldwerten Vorteile um eine typisierende Betrachtung, bei der die tatsächlich zurückgelegten Kilometer keine Rolle spielen würden. Soweit der 12. Senat den Obersatz geprägt hat, maßgeblich sei allein die steuerrechtliche Beurteilung im Bezugszeitraum, nicht die später im Einkommensteuerbescheid festgesetzte Steuer – hierauf beruft sich der Beklagte besonders -, so spielt dies für den vorliegenden Fall keine Rolle. Denn auch schon im Bezugszeitraum war offenkundig, dass steuerrechtlich keine Einnahmen aus der Nutzung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anfielen. Dann aber musste man damals schon zu der Erkenntnis gelangen, dass insoweit keine elterngeldrechtlich relevanten Einnahmen vorliegen würden. Sofern der Beklagte aus der Formulierung des 12. Senats ableiten wollte, den Elterngeldbehörden stehe ein Irrtumsprivileg in Bezug auf die steuerrechtliche Beurteilung zu oder die Betroffenen hätten in Bezug auf die Widerlegung der Richtigkeitsvermutung besondere Substantiierungspflichten, so wäre dem entgegenzutreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.